junge Welt und Jürgen Elsässer

antinational 07.12.2002 17:27 Themen: Militarismus
Jürgen Elsässer hat am Samstag in der linken Tageszeitung junge Welt einen Artikel verfaßt, in dem er Stellung zu seiner Entlassung als konkret-Mitarbeiter bezieht und sich zur Frage Krieg, Linke und Antisemitismus äußert. Da er auf der Internetseite der jW nicht zu finden ist, stelle ich ihn hier mal ins Forum
Linke, Krieg und Antisemitismus

Erster Teil: Wie frühere Antimilitaristen und Pazifisten lernten, die Bombe zu lieben. Von Jürgen Elsässer

Was in der KONKRET-Redaktion zum Bruch geführt hat, entzweit zur selben Zeit zahlreiche andere Zeitschriftenredaktionen, Antifagruppen und selbst private Freundeskreise, rumort in Gewerkschaftsgliederungen und in der PDS: die Haltung zur drohenden US-Aggression, damit zusammenhängend die Einschätzung der Friedensbewegung.

Während das Kapital so mächtig und skrupellos wie selten zuvor auftritt, zersplittern sich seine Gegner immer stärker. In dieser Situation müßte die weiterführende Auseinandersetzung auf der Linken organisiert werden, nicht die sterile Aus- und Abgrenzerei. Selbstverständlich müssen sich in diesem Rahmen auch Autoren artikulieren können, die den US-Krieg als leineres
Übel begreifen. Aber offensichtlich will deren Mehrheit gar keine gemeinsame Debatte, sondern versucht sie, wo immer es geht, durch die Denunziation der Kriegsgegner als Antisemiten zu verhindern.

Nie wieder Krieg - ohne uns?

"Stärker noch als vor zehn Jahren ... formiert sich heute eine ... Linke, die einen Militärschlag gegen das Hussein-Regime zumindest als kleineres Übel begreift," heißt es in der jüngsten Ausgabe der "Blätter des Informationszentrums Dritte Welt", des renommiertesten Debattenorgans der bundesdeutschen Dritte-Welt-Solidarität. Dieser Formierungsprozeß stützt
sich auf eine bestimmte Sichtweise der Wirklichkeit, die nur deswegen nicht als völlig absurd erkannt wird, weil sie neben exotischen Kleinstpublikationen aus dem Szene-Dschungel auch die Monatszeitschrift KONKRET, die älteste parteiunabhängige Zeitschrift der Linken in Deutschland, verbreitet.

In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß eine Linke ohne
Antimilitarismus undenkbar ist: Weil die sozialdemokratischen Parteien aller Länder den Ersten Weltkrieg befürworteten, trennten sich die Antimilitaristen von diesem “stinkenden Leichnam“ (Rosa Luxemburg) und gründeten eigene Organisationen. Der Spartakusbund in Deutschland, die Bolschewiki in Rußland waren die Kristallisationskerne der künftigen Kommunistischen Internationale. Aber auch alle anderen linken Strömungen -
Sozialisten, Anarchisten, Syndikalisten, Autonome und wie sie sich sonst nennen mögen - sind bis 1989 immer wieder gegen den Krieg aufgetreten. (Die Ausnahme, über die noch zu sprechen sein wird, war der Krieg der Anti-Hitler-Koalition gegen Nazi-Deutschland.) Selbst die SPD, die ihren Frieden mit der Bundeswehr gemacht hat, trat noch bis zur Wiedervereinigung
gegen deutsche Militäreinsätze außerhalb des Nato-Bündnisgebietes auf.

Es ist absurd: Seit die Welt mit dem Kollaps des sozialistischen Lagers 1989 wieder zu einer kapitalistischen One World geworden ist, die der vor 1917 ähnelt, gilt die Kriegsgegnerschaft nicht mehr als Essential unter Linken. Sowohl beim Angriff auf Irak 1991, wie während der Aggression
gegen Jugoslawien 1999 und bei den Militärinterventionen nach dem 11. September 2001 gab es relevante linke Strömungen, die den Krieg unterstützten. Diese Position war immer falsch, doch noch nie war sie so unbegründet wie heute, angesichts des bevorstehenden zweiten Angriffs auf den Irak. So gab es
sowohl 1991, wie 1999 als auch 2001 konkrete Ereignisse, die dem militärischen Eingreifen wenigstens auf den ersten Blick eine Legitimation gaben: 1990 hatte Saddam Hussein Kuweit annektiert; dem Bombenkrieg gegen Jugoslawien gingen mehrmonatige bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen
im Kosovo voraus; der Angriff auf Afghanistan wurde als Reaktion auf den 11. September ausgegeben. Sicherlich hielten die Kriegsbegründungen auch in diesen Fällen einer genaueren Prüfung nicht stand. Doch es hatten immerhin in der Realität Scheußlichkeiten stattgefunden, die sich - mit etwas Nachhilfe durch CIA und CNN, auch durch BND und "FAZ" - zu Kriegsgründen modeln ließen.

Dies ist bei der jetzt geplanten Aggression nicht der Fall. Saddam Hussein hat in den letzten zehn Jahren nicht den mindesten Vorwand geliefert. Alle großen Verbrechen des Baath-Regimes (siehe unten) fanden vor diesem Zeitraum statt. Die Versuche der US-Administration, eine Gefahr durch den
Irak in der Gegenwart zu konstruieren, sind allesamt kläglich
gescheitert:

* Die Verbindung Saddam Husseins zu den Selbstmordbombern des 11. September: Die Geschichte von einem angeblichen Treffen zwischen irakischen Agenten und Mohammed Atta in Prag ließ die US-Regierung im Mai 2002 offiziell fallen (“FAZ“, 3. Mai 2002). Als Regierungsberater Richard Perle am 8. September von einem Treffen Attas sogar direkt mit Saddam Hussein zu berichten wußte, wurde er noch am selben Tag - böse Panne! - von Bushs
Sicherheitschefin Condoleezza Rice konterkariert. Im CNN-Interview gab sie zu, nichts über Verbindungen zwischen Al Qaida und dem Irak in der Hand zu haben.

* Über die angebliche Verwicklung Saddam Husseins in den
Milzbrand-Terror schrieb die "Süddeutsche Zeitung" Ende März: "Es gilt als sicher, daß es sich bei dem Absender der tödlichen Post um einen Staatsbürger der USA handelt, der zudem früher für das amerikanische Biowaffen-Programm gearbeitet hat. Es dauerte eine ganze Weile, bevor die Fahnder zu diesem Schluß kamen. Denn in den ersten Wochen nach dem Auftauchen der Milzbrand-Briefe ermittelten sie in die falsche Richtung - und zwar auf ausdrückliche Anweisung aus dem Weißen Haus. Denn Präsident Bush wünschte persönlich einen Nachweis für seinen Verdacht, daß der Irak hinter den Anschlägen steckte."

* Eine Gefahr durch irakische Massenvernichtungswaffen dementiert UN-Waffeninspektor Scott Ritter. Der US-Amerikaner (übrigens ein bekennender Bush-Wähler) hat von 1991 bis Ende 1998 zwar nur eines der zahlreichen UN-Teams im Irak geleitet, aber das entscheidende: Die concealment-unit, die Geheimhaltungsabteilung. Ritter war dafür zuständig, getarnte Waffenlager aufzuspüren, und hat dabei keinen Konflikt mit den
irakischen Behörden gescheut. Nach seinen eigenen Angaben hat er immer eng mit CIA und Mossad zusammengearbeitet. Es ist genau dieser Hardliner, der heute alle Behauptungen über Massenvernichtungswaffen im Irak für “absoluten Blödsinn“ hält (alle Angaben nach dem Buch von Scott Ritter/William Rivers Pitt:“Krieg gegen den Irak - Was die Bush-Regierung
verschweigt“, Verlag Kiepenheuer & Witsch).

Zur Frage der Atomwaffen erklärt Ritter: "1998, in dem Jahr, als ich den Irak verließ und das UN-Waffeninspektionsprogramm beendet wurde, waren die Infrastruktur und die Anlagen zu 100 Prozent zerstört.“ Hätte der Irak seither eine Produktion wieder aufgenommen, hätte sich das mit Satelliten, die mittels Infrarot-Technik auch unterirdische Anlagen ausspionieren
können, leicht feststellen lassen.

Zur Frage der Chemischen Waffen berichtet Ritter: “Der Irak produzierte drei verschiedene Nervengifte: Sarin, Tabun und VX. ... Sarin und Tabun haben bei der Lagerung eine Lebensdauer von fünf Jahren. Selbst wenn der Irak es geschafft hätte, diese ungeheuren Mengen an Kampfstoffen vor den Inspekteuren geheim zu halten, enthielten ihre Depots heute nur noch unbrauchbare und harmlose Schmiere ... Gibt es heute im Irak eine Fabrik
zur Herstellung des Nervengases VX? ... Nie im Leben. ... Die
Herstellung von chemischen Waffen setzt Abgase frei, die man längst aufgespürt hätte.“

Bei den biologischen Waffen räumt Ritter ein, daß beim Abzug der Inspektoren im Dezember 1998 möglicherweise noch Restbestände nicht aufgefunden worden waren. Dennoch kommt er zu dem Schluß: "Der Irak besitzt heute keine biologischen Waffen mehr, weil sowohl das Anthrax als auch das Botulinumtoxin inzwischen unbrauchbar geworden sind.“

Kurz und gut: Kein Krieg seit 1945 wurde so dreist und aggressiv vorbereitet, nie waren die Begründungen so fadenscheinig. Menschen, die angesichts des Amoklaufes des US-Präsidenten nicht ein paar antiamerikanische Reflexe verspürt, sind hirntot, ihre Körperfunktionen werden nur noch durch Infusionen der imperialistischen Propagandamaschine in Gang gehalten. Doch auch damit läßt sich's offensichtlich ganz
passabel leben.

Kriegslügen von links

In KONKRET wurde die US-amerikanische Position der Fortführung des Irak-Embargos als “nachvollziehbar“ gelobt, die über eine Million “Embargo-Opfer“ wurden mit Anführungszeichen verhöhnt, an deren Schicksal nicht die wirtschaftliche Blockade schuld sei, sondern “die gezielte Unterversorgung“ durch das irakische Regime (KONKRET 1/2001). Der Gipfel des Zynismus war schließlich die These: “Man könnte die Argumentation der
Embargo-Kritiker also auch umdrehen: Eine Aufhebung des Embargos würde das Leiden der Bevölkerung verschlimmern, weil niemand Saddam Hussein mehr dazu bewegen könnte, wenigstens Teile der Öleinnahmen für die Versorgung der Bevölkerung zu verwenden...“ (KONKRET 10/2001)

Völlig ausgeblendet wird, daß die damalige US-amerikanische
Außenministerin Madeleine Albright selbst eingeräumt (und gerechtfertigt) hat, daß die USA für diesen Massenmord verantwortlich sind. “Am 12. Mai (1996) war Frau
Albright im Sender CBS. Der Interviewer Leslie Stahl fragte: ’Wie wir gehört haben, sind eine halbe Million Kinder gestorben. Ich denke, das sind mehr als in Hirsohima. Sagen Sie, ist das den Preis wert?' Zum Erstaunen der Weltöffentlichkeit antwortete Frau Albright: ’Ich denke, es ist eine sehr harte Entscheidung, aber den Preis ist es nach unserer Ansicht wert."
(“Independent", 25.9.2002)

Auf der anderen Seite wird die Opferbilanz der Baath-Partei grotesk aufgebläht. Christian Stock, Redakteur der erwähnten “Blätter des iz3w“ schreibt: “Die sich als Hüter des Antimilitarismus gerierenden Kritiker der Bellizisten unterschlagen, daß im Irak ein Krieg schon längst geführt
wird ... dieser lang anhaltende Krieg ist angesichts einer Million Opfer während Husseins Herrschaft keine Marginalie.“ Diese eine Million Toten seien - unabhängig von Krieg und Embargo - ... dem staatlichen Terror des Regimes zum Opfer gefallen,“ hieß es ergänzend in KONKRET (Heft 4/2002). Diese
Zahl hat man bislang noch nicht einmal aus Washington, also von den ansonsten so griffig formulierenden Damen und Herren Rumsfeld, Cheneys und Rice gehört.

Und Gert Weißkirchen, außenpolitischer Sprecher der
SPD-Bundestagsfraktion und unter bestimmten Bedingungen schon seit Herbst Befürworter eines Krieges gegen den Irak, also nicht gerade ein Saddam-Freund, gab die Zahl von dessen Opfern mit 180.000 an, das sind 18 Prozent der Million. (Interview im “Freitag“, 9.8.2002). Man könnte einwenden, das Insistieren auf einem möglichst exakten Body Count sei penibel oder sogar zynisch, schließlich sind auch 180.000 oder selbst 80.000 Tote genug, um den Diktator zu hassen und ihm den Sturz zu wünschen. Doch sie genügen nicht, wenn man Saddam in die Nähe von Hitler rücken will, der nur durch eine Militärintervention von außen beseitigt werden konnten. Wie wir gleich sehen werden, ist die Millionen-Lüge nichts anderes als propagandistische Grundlage des Rufes nach einer US-Invasion.

Unbestritten ist, daß das irakische Regime Verbrechen im großen Stil auch an der eigenen Bevölkerung begangen hat. Doch fallen die blutigsten Zeiten der Unterdrückung etwa der kurdischen Minderheit auf die zweite Hälfte der achtziger Jahre, der Giftgasangriff auf Halabja war beispielsweise 1988.
In dieser Phase war Saddam Hussein ein geschätzter Verbündeter des Westens, sein “Lieblingsmonster“ (Noam Chomsky). Heute, wo sich die Verhältnisse im Land nicht mehr von 50 anderen Folterdiktaturen auf dieser Welt unterscheiden und wo das Massensterben aufgrund der Sanktionen die Morde des Regimes um ein Vielfaches übersteigt, erscheinen in der linken Presse Artikel, die diese Verhältnisse auf den Kopf stellen: Die Greuel der westlichen Politik werden verharmlost, die der Regierung des überfallenen Landes inflationiert. Diese Methode ist aus dem Jugoslawienkrieg bekannt, Politiker wie Rudolf Scharping und Journalisten wie Erich Rathfelder (“Taz“) waren stilbildend.

All the president's men

Zur Bibel der strenggläubigen Bellizisten könnte das Buch Saddam Husseins letztes Gefecht? Der lange Weg in den III. Golfkrieg, herausgegeben von Arras Fatah u.a, avancieren. Es erschien im Oktober in der Reihe “konkret texte“ und ist ein Kompendium aller Geschichten aus 1001 Nacht, die man im Verlauf der letzten Monate aus dem Pentagon gehört hat: Wie Ali Baba die UN-Waffeninspekteure hinauswarf, Scheherezaden um geheime ABC-Produktionsstätten, Hadschi Halef Omar trifft Mohammed Atta in Prag - eigentlich fehlen nur die kuwaitischen Babys, die aus den Brutkästen gerissen wurden, und Scharpings gegrillte Föten.

Gleich zwei Mal wurde im Buch die Millionen-Lüge wiederholt und zu Werbezwecken von der KONKRET-Verlagsleitung auch noch auf den Rückumschlag und in den Herbstprospekt gedruckt: “Die Autoren zeichnen den Werdegang der Diktatur nach, der mehr als eine Million Iraker zum Opfer gefallen sind.“ Einem Co-Autor war auch das noch nicht genug: “Doch Saddams Diktatur ist nicht bloß eine unter vielen, ihre Greueltaten können nur mit denen von Pol Pot in Kambodscha verglichen werden.“ Damals wurden - so der Medien-Mainstream - drei Millionen ermordet.

Wer erwartet hat, daß diese Horrorzahlen irgendwo belegt ist, wird enttäuscht: Im gesamten Buch findet sich keine einzige Aufstellung, die die Million auch nur errechenbar macht. Lediglich eine Fußnote weist auf ein englischsprachiges Werk einer International Alliance for Justice hin, doch es wird nur der Titel einer Studie angegeben, keine Bezugs- oder Internetadresse, und auch kein Zitat, das die fragliche Zahl enthält.

Im Geleitwort von Kanan Makiya kann man lesen, was ansonsten Präsident Bush jr verkündet: “Arabisches Denken und Kultur ... können sich nur erneuern in einem neuen politischen Milieu - und zwar in einem, das die arabischen Beziehungen zum Westen grundlegend neu bestimmt. Eine Gelegenheit, eine solche Neudefinition herbeizuführen, bietet sich zum zweiten Mal in der jüngeren Geschichte durch einen Regimewechsel im Irak.“ Die sich bietende Gelegenheit ist diese: “Zur Zeit der Niederschrift dieser Worte deuten ... alle Zeichen darauf hin, daß sich die US-Administration zum ersten Mal ernsthaft und kraftvoll in Richtung eines ’Regimewechsels' bewegt. Ein bedeutsamer Luft- und Boden-Feldzug im Irak ist ins Auge gefaßt worden, der den Einsatz von bis zu 250.000 Soldaten beinhalten könnte.“ Weiter heißt es: “Der Ausdruck ’Regimewechsel' selbst ist unglücklich gewählt, da er eine Operation suggeriert, die zeitlich und räumlich begrenzt ist.“ Ein Präventivkrieg ohne zeitliche und räumliche Begrenzung - das Maximalprogramm der Falken in der Bush-Administration als Geleitwort in einem Buch aus einem linken Verlag.

Doch es kommt noch besser: Geleitwort-Schreiber Makiya - ein
Exil-Iraker, der schon seit Jahrzehnten in den USA lebt - gab Mitte Oktober in einem Interview mit der “Zeit“ zu: “Ich bin nicht allein bei diesen Überlegungen. Wir arbeiten in einer Gruppe von 32 Leuten - und werden dabei von der US-Regierung unterstützt - an einer Nachkriegsordnung für den Irak.“ Mit anderen Worten: Er steht auf der Pay-Roll der Bush-Regierung und arbeitet an Besatzungsplänen für den Irak. Er erhält, zusätzlich zu seinem Gehalt aus Washington oder Langley, jetzt auch noch als Buch-Autor ein Honorar von KONKRET. Ist jemals ein ähnlicher Fall in der Geschichte der Zeitschrift vorgekommen? Wie würde es KONKRET-Herausgeber Hermann L. Gremliza wohl kommentieren, wenn irgendeine andere linke Zeitung so offensichtlich mit einem bezahlten Vordenker imperialistischer Kriegspolitik verlinkt wäre?

Stimmen der Vernunft
Wie weit sich die linken Kriegsbefürworter von jeder rationalen
Diskussion entfernt haben, zeigen zwei Stellungnahmen, die man schwerlich der Nähe zur Baath-Partei oder gar des Antisemitismus verdächtigen kann.

So heißt es in einer aktuellen Presseerklärung von Amnesty
International: “Die Menschenrechtssituation im Irak wird mit ungewöhnlicher Häufigkeit von einigen westlichen Politikern angeführt, um ein militärisches Eingreifen zu rechtfertigen. Diese selektive Aufmerksamkeit gegenüber Menschenrechten ist nichts anderes als eine kalte und kalkulierte Manipulation der Arbeit von Menschenrechtsaktivisten.“ (www.amnesty.org)

Micha Brumlik, Direktor des Fritz Bauer Instituts in Frankfurt am Main, befürwortete 1991 ein militärisches Vorgehen gegen das Regime von Saddam Hussein und verließ deswegen die Grüne Partei. Heute ist er gegen den geplanten Angriff. In einem Interview sagte er zur Begründung:

“Frage: Sie fordern eine Eindämmungspolitik - nicht gegenüber dem Irak, sondern gegenüber den USA. Ist das nicht antiamerikanisch?

Brumlik: Der Antiamerikanismus-Vorwurf wird leichtfertig verwendet, und Antiamerikanismus wird leichtfertig mit Antisemitismus gleichgesetzt. Ich lehne beides ab. Wer die Auswüchse der Politik der gegenwärtigen US-Administration kritisiert, betreibt keinen Antiamerikanismus. Das zu behaupten ist demagogisch.“
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Ergänzungen

Aber was sucht sowas bei Indy?

07.12.2002 - 18:05

uj, uj, uj....

bonzo 07.12.2002 - 18:06
Haben die antinationalen Taliban der Konkret eine Fatwa gegen Elsässer erlassen? Schade - ich mochte seine Artikel in Konkret....

Alles Negative hat auch etwas Positives...

Alfons Kilad 07.12.2002 - 18:30
Ich finde es schon sinnvoll zumindest hier bei Indymedia über diese Entlassung zu berichten, zeigt sie doch wie gespalten die Linke gegen Rechts ist. Jürgen Elsässer ist sehr fähig und das Mittel der Entlassung fast typisch für eine Zeit, in der scheinbar nichts zusammen geht. Gremliza wurde in letzter Zeit auch immer seniler und verstieg sich in realtätsferne Theorien. Er machte Antisemitismus zu einer Art deutscher Krankheit, ohne überhaupt zu begreifen, was Antisemitismus eigentlich bedeutet. Andererseits: an Konkret ist die Geschichte sowie so immer mehr vorbei gegangen....

Sehe ich auch anders, Alfons

Andersehender 07.12.2002 - 18:44
Indymedia ist eigentlich kein szeneinternes linksradikales schwarzes Brett. Leute aus den verschiedensten gesellschaftlichen Zusammenhängn nutzen diese Nachrichtenseite täglich zu Tausenden. Der OpenPosting-Bereich und die Ergänzungen werden aber mit szeneinternen Schlammschlachten und Diskussionen (die ausserhalb der kleinen Szene wirklich niemaden tangieren) zugekleistert. Das finde ich zimlich rücksichtslos und dominierend.
Könnte es sein, daß die radikale Linke von allen gesellschaftlichen Gruppen am wenigsten Rücksicht, Solidarität und Verantwortungsgefühl beseitzt?

Ist ja zu begrüssen....

boykottiert Jungle + konkret 07.12.2002 - 18:57
Aber Jürgen Elsässer hat lange genug selbst in verschiedenen "antideutschen Medien" Benzin auf das Feuer solcher Positionen gegossen. Also hat er auch eine gewisse Mitverantwortung dafür dass solche Positionen heute so dominant in gewissen Blättern und unter vielen ehemaligen Linken sind.

die 1000000 toten von baghdad

horst borst 07.12.2002 - 21:07
Was mich interessiert, wenn schon von Opferzahlen geredet wird: wieviele Zivilisten bzw. sich schon ergeben habende irakische Soldaten sind im 91er-Krieg getötet worden? Wieviele Leute sind in den schiitischen Gebieten durch die Uranoxidstaub-Verseuchung gestorben?

Elsässer tickt aus

stw 07.12.2002 - 22:20
"Zur Bibel der strenggläubigen Bellizisten könnte das Buch Saddam Husseins letztes Gefecht? Der lange Weg in den III. Golfkrieg, herausgegeben von Arras Fatah u.a, avancieren. Es erschien im Oktober in der Reihe 'konkret texte' und ist ein Kompendium aller Geschichten aus 1001 Nacht, die man im Verlauf der letzten Monate aus dem Pentagon gehört hat"

Elsässer hält das Buch von v.d. Osten Sacken und Fatah für Märchen aus 1001 Nacht - die dort beschriebenen Massaker gegen KurdInnen, KommunistInnen, Jüden und Jüdinnen und SchiitInnen u.v.m. von 30 Jahren Baath-Diktatur als frei erfunden.

Wo die Zahl 1 Mio herkommt weiss ich nicht. Ich finde diese Elsässersprüche aber eine ziemliche Frechheit. Er weigert sich gut dokumentierte Massaker zur Kenntnis zu nehmen. Ein Beispiel unter vielen: Die Anfal-Offensive von Karin Leukefeld, selbst junge welt Autorin:  http://www.nadir.org/nadir/periodika/kurdistan_report/9890/09.htm) Karin Leukefeld nennt dort nur wenige Zahlen; anderswo werden aber Zahlen bis zu 100.000 oder 180.000 Toten genannt, nur in der Folge der Anfal Offensive 1987/88. (Die unterschiedlichen Schätzungen stehen so auch im Buch von Thomas, mit jeweiligen Quellenangaben, S. 130).

Massenexekutionen in Gefängnissen, die Verfolgung der nichtkurdischen Opposition im Irak oder die Angriffe auf die Marschgebiete im Südirak in den 90er Jahren sind da noch nicht enthalten. Elsässer weiss aber, dass nach 1988 nix schlimmes mehr passiert ist:

"Doch fallen die blutigsten Zeiten der Unterdrückung etwa der kurdischen Minderheit auf die zweite Hälfte der achtziger Jahre, der Giftgasangriff auf Halabja war beispielsweise 1988."

Im Buch "Saddam Husseins letztes Gefecht" werden die Angriffe gegen die Bevölkerung der südlichen Marschgebiete in den 90er Jahren als Anfal 3 bezeichnet. Auszug: "Von den geschätzten 500.000 Menschen, die in diesem Gebiet bis Ende der 80er Jahre lebten, blieben weniger als 20.000 von Massnahmen der irakischen Truppen verschont, der Rest wurde entweder zwangsumgesiedelt, in den Iran vertrieben oder umgebracht; weitere tausend verschwanden". Die Quelle dieser Zahl ist auch angegeben.

osken-sacken-macken

blök 07.12.2002 - 23:48
jeder depp weiss:
1. osken-sacken hat sich von der realität verabschiedet. wie kann mensch so unglaublich naiv sein. sacken glaubt, die intervention der usa wird in nahost ein zeitalter unfassender demokratisierung einleiten - so ähnlich wie all die us-interventionen die demokratie in lateinamerkia befördert haben...
2. leute, die auf der gehaltsliste der us-regierung stehen, haben am buch osten sackens mitgearbeitet. was sollen wir davon halten? ist die usa jetzt für diese kreise sowas wie die einstige "brudernation" su?
3. selbstverständlich verübte die meisten verbrechen des baath- regime während der zeitperode, als saddam noch von usa & co. mitlitärisch und politisch unterstützt wurde.
4. seriöse schätzungen gehen von hundertausenden von toten aus, sollten die usa den irak angreifen

ich verstehe es nicht, wieso wird solchen psychos wie osten-sacken-macken in konkret ein forum gegeben, während leute wie elsässer, die sich z.b. um die enthüllung all der lügen während des jugoslawien-krieges verdient gemacht haben, jetzt in de wüste geschickt werden...

Elsässer weg, alles gut

An Anti-German 07.12.2002 - 23:58
Dass Elsässer geht, kann mir nur recht sein. Nicht wegen seiner Positionen, obwohl einige dieser sehr streitbar sind, sondern weil er ein schlampiger Journalist ist. Zum Beispiel in seinem Text oben, ist es ihm wohl unterlaufen, daß die Person, die Albright interviewte, nicht Leslie Stahl heisst, sondern Lesley Stahl - und ist obendrauf kein "Interviewer", wie Elsässer schreibt, sondern eine "Interviewerin".

IN-DY-ME-DIA IST KEIN FO-RUM!!!

don quichotte 08.12.2002 - 01:19
warum nur? es gibt doch foren. auch linke seiten, die ueber sowas gluecklich sind. aber indymedia will erstens kein forum sein, und schon gar nicht fuer texte, die in zeitungen stehen, aber gerade nicht zu finden sind.

kein diskussionsforum.
kein archiv.
keine linke allroundseite.

macht doch bitte dieses multifunktionstool, aber uebrnehmt nicht einfach andere seiten, weil die so gut funktionieren. dann tut diese das naemlich nicht mehr, weil nichts mehr zu finden ist.

Die Herkunft der Million

Apokryph 08.12.2002 - 12:15
"Lediglich eine Fußnote weist auf ein englischsprachiges Werk einer International Alliance for Justice hin, doch es wird nur der Titel einer Studie angegeben, keine Bezugs- oder Internetadresse, und auch kein Zitat, das die fragliche Zahl enthält."

Naja, Google und 5 Minuten Zeit könnten hier leicht Abhilfe schaffen. Ich denke, die Adresse der Quelle lautet:

 http://www.i-a-j.org/droits_generalites.php?selectmenu=1&nommenu=Generalities

Empfehlung

Tim U. Struppi 09.12.2002 - 23:45
"Stunk in der Sekte .
Von: Lothringer 13.10.2002 21:24

Keine Angst , die Fatwa die Wertmullah gegen den Ketzer Elsässer ( dieser Häretiker kritisiert die Politik der Yankee Oligarchie , eine Todsünde gegen das heilige Antideutschtum ) verhängt hat , findet beim Grossmufti Gremliza bestimmt Zustimmung ."

Sollte der Mensch ein Hellseher sein? :))

Wem angesichts des aktuellen Streits im antideutschen Kindergarten so langsam die Einsicht dämmern sollte, dass an Stelle des immergleichen Moralgesülzes ein paar Argumente vielleicht doch nicht schaden könnten, dem kann durchaus geholfen werden. Die allgemeine Erklärung dieser jüngsten Albernheiten war nämlich bereits vor einem halben Jahr nachzulesen und zwar hier:
 http://www.gegenstandpunkt.com/gs/02/2/konkret.htm

Zu weit

Angelika 10.12.2002 - 01:42
Ja ja, jetzt hat er´s zu weit getrieben, der Jürgen. Kann sich ja mit seinen Freunden vom Ahriman-Verlag zusammentun. Erstaunlich, daß die jw ihn druckt, wo sie ihn doch kürzlich auch gefeuert hat.

Angelika

Zweiter Teil?

Angelika 10.12.2002 - 09:57
@ antinational, kannst Du vielleicht den zweiten Teil von Elsässers Stellungnahme hier auch noch unterbringen?

Wäre gut, da es sonst im Netz nicht zu finden ist.

Teil 2

danke, "antinational" 10.12.2002 - 18:43

für den schnellen Leser

body politics 13.12.2002 - 01:02
"Menschen, die angesichts des Amoklaufes des US-Präsidenten nicht ein paar antiamerikanische Reflexe verspürt, sind hirntot, ihre Körperfunktionen werden nur noch durch Infusionen der imperialistischen Propagandamaschine in Gang gehalten."

Herr Elsässer, das ist tatsächlich noch unter dem Durchschnittsniveau der jungen Welt. Sogar grammatisch.

Bellizisten?

13.12.2002 - 01:19

Das von Elsässer bemängelte Zeit-Interview

19.12.2002 - 16:47