Bericht: Silvio-Meier-Demo in Berlin

Vor 10 Jahren wurde Silvio Meier am Ausgang U-Bhf Samariterstraße von Neonazis ermordet. Zum Gedenken an Silvio Meier und um auf rassistische und faschistische Strukturen in der Gesellschaft aufmerksam zu machen und dagegen ein Zeichen zu setzen findet jedes Jahr die Silvio-Meier-Demo statt. So auch dieses Jahr.

Ich kam erst gegen 15:15 am U-Bhf Samariterstraße an. Die Demo sollte 14:00 beginnen. Und auch wenn die Demo schon losgezogen war, wusste ich sofort in welche Richtung ich gehen musste - die blaue Geblinke ca. 200m die Straße runter zeigte mir unverkenntlich den Weg. Mein Zu-Spät-Kommen hatte den Vorteil, dass ich keine Kontrollen über mich ergehen lassen musste. Ich lief an einer endlos langen Kolonne von Wannen vorbei. Polizei war also genug da.
Ich reihte mich in die Demo ein. Vom Lauti ertönte laute Punk-Mucke. Die PA [Boxen, etc.] auf dem Lauti scheint von Demo zu Demo besser zu werden. Punks, Autonome und linke aller Richtungen waren da. Es waren Sowjet-Flaggen, Che-Flaggen, Antifa-Flaggen und andere zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt schätzte ich die Teilnehmeranzahl auf etwas unter 1.000. Später kam es mir dann vor als wären doch weit über 1.000 da gewesen (wenn jemand konkrete Zahlen hat, würde ich mich freuen, wenn er/sie sie mir mitteilt).
Um den Lauti herum pogten einige Leute - die Stimmung wirkte generell sehr ausgelassen. Am Kopf der Demo traf ich dann auch einen Freund, der mich darauf hinwies, dass ich mir vom Lauti ein blaues Band hohlen sollte. Es hatte den Sinn mich als non-kommerziellen, linken Reporter zu kennzeichnen. Nicht, dass ich mit meiner kleinen Videokamera und meiner 60-Euro-Fotokamera aussah, wie ein Bild/BZ-Reporter, aber sicher ist sicher. =)
Wie auf jeder Demo fuhr vor der Demo ein Polizei-Kamera-Auto und einige andere Wannen. Wasserwerfer waren nicht zu sehen. Mein Freund erzählte mir, dass die Kontrollen relativ hart waren. Auf der Demo liefen einige Anti-Gewalt-Mobil-Polizisten rum [ohne Schutzkleidung und Schlagstock - sie sollen Gewalt vorbeugen --> Gespräche und schnelles Eingreifen].
Die Mitdemonstranten waren, so wie es auf mich wirkte, überwiegend sehr gut drauf. Immer wurden laut Sprüche skandiert. "Silvio Meier, das war Mord! Kampf dem Faschismus an jedem Ort!" "Gebt den Nazis die Straße zurück - STEIN FÜR STEIN" "Nazis gibt's in jeder Stadt - bildet Banden, macht sie platt".
Irgendwann stoppte der Demozug für längere Zeit. Einige Demonstranten liefen ein Stück zurück auf Höhe des Lautis. Ich weiß nicht, ob da irgendwas war. In der Pressemappe zur Silvio-Meier-Demo steht, dass der Demozug an der Lichtenberger NPD-Zentrale vorbei ziehen sollte. Eventuell war das an dieser Stelle. Leider waren die Boxen auf dem Lauti nur nach hinten gerichtet. Ich habe also weder die Musik noch die Ansagen mitbekommen.
Es wurde langsam dunkel. Das Wetter war einigermaßen ok. Es war zwar bewölkt, aber wenigstens regnete es nicht.
Der Demozug stoppte ein weiteres Mal. Ich erfuhr von einem Mitdemonstranten, dass in einer der Wohnungen ein Nazi wohnen sollte. Sprechchöre wurden laut. Irgendwann zog der Demozug weiter. Zwischendurch stoppte der Demozug mehrmals (ich weiß nicht ob die Polizei anhielt oder der Demozug selber). Dann wurde von 10 runter gezählt, aber es bewegte nur ein oder zwei Mal die Demonstranten wirklich zum Losrennen.
Gegen 17:00 erreichte die Demo den U-Bhf Lichtenberg. Da es in den letzten Jahren regelmäßig Ausschreitungen und [oder 'aufgrund'] brutales Durchgreifen von Seiten der Polizei gab, lag auch dieses Jahr eine gewisse Spannung in der Luft. In den letzten Jahren war auch die Einheit 23 mit dabei - Berlins Riot-Cops. (Weiß eigentlich jemand welche Einheiten diesmal mit dabei waren?)
Aber die Berliner Polizei scheint einer neuen Taktik zu folgen - DEeskalation. Man kann es kaum glauben, aber die Polizei verhielt sich wirklich nicht übertrieben aggressiv. Ganz im Gegenteil. Es flogen zwar zwei, drei Feuerwerkskörper in Richtung der Reihe von behelmten Beamten vor der Demo, aber sie fingen nicht an sinnlos in die Menge zu knüppeln. Ich weiß nicht, ob Menschen festgenommen wurden (wenn jemand genaueres weiß, würde ich mich freuen, wenn er/sie es mir mitteilt). Irgendwann stellten sich die Bullen sogar an den Rand. Die Anti-Gewalt-Mobil-Pozilisten liefen immernoch durch die Demo.
Die ersten Leute gingen nach Hause. Die behelmten Polizisten standen immernoch am Rand rum. Dann stellte sich ein Beamter ohne Schutzkleidung mitten in die Demo und verkündete durch sein Megaphon, dass die Demo nun zu Ende sei. Aha? Er versuchte es noch ein zweites Mal. Immernoch regte sich niemand wirklich, mal abgesehen von den Leuten die eh gerade gehen wollten. Kurz darauf hörte ich ein paar behelmte Polizisten neben mir planen, dass sie jetzt Platzverweise erteilen würden. Sie überlegten aber nur noch in welche Richtung. Ich und mein Kumpel gingen ein paar Schritte weg, aber irgendwie bewegten sich die Herren Beamten nicht.
Dann traf ich noch einige weitere Kumpels. Wir standen noch eine bisschen rum und unterhielten uns. Am Rand standen immernoch die Herren in Grün rum und filmten munter die Demonstranten. Ich filmte zurück. Ich hatte mir von meiner Freundin ihre Video-Kamera geliehen. Leider bekomme ich die Bilder nicht auf meinen PC. Aber ich hohle mir bald eine TV-Karte und kann sie auch jeder sehen. So lange müsst ihr halt selber auf die Demos gehen ;)
Irgendwann gingen wir los, denn inzwischen war die Mehrheit der Demonstranten gegangen und auch die Bullen fingen an nach Hause zu fahren. Auch interessant, da sie normalerweise erstmal den Platz räumen, aber diesmal baten uns die Anti-Gewalt-Mobil-Polizisten nur, auf den Bürgersteig zu gehen. Wir sollten nicht den Platz räumen, sondern nur die Anwohner nicht behindern. Ich war von diesem DEeskalierenden Verhalten der Polizei fast "geschockt" - keine Knüppel, kein Tränengas, keine Wasserwerfer, keine Kessel - alles blieb friedlich. Die U-Bahnfahrt zurück war genauso ausgelassen, wie die gesamte Demo =)


Fazit:

Alles in Allem fand ich die Demo sehr gut. Und auch das Verhalten der Polizei hat gezeigt, dass Krawalle nicht sein müssen, wenn sich die Bullen nicht daneben benehmen. Genau das hat sich übrigens auch am 20.04.02 gezeigt. [Ähnliche Situation - solange die Herren in Grün nicht provozierten und so zur Eskalation beitrugen verlief alles friedlich, aber leider mussten sie dann ganz zum Schluß doch noch Stärke beweisen, und schon gab es Stress.] Aber sollte die Berliner Polizei diese Taktik beibehalten, könnten viel mehr linke Demos in Zukunft friedlich enden. [Daran sollten sich auch gleich mal die Hamburger Bullen ein Beispiel nehmen - FUCK YOU BASTARDS] Die Demo selber war auch sehr ausgelassen und hat hoffentlich ein deutliches Zeichen gesetzt.

Gegen Staatsterror, NPD und die braune Pest
Silvio Meier R.I.P.

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Weitere Berichte und Fotos zu linken Demos aus dem Raum Berlin unter:  http://mai.unbefugter.de