Lügt der Berliner Innensenator?

Lotti 23.11.2002 02:41 Themen: Antirassismus
Noch vor drei Tagen schien die Aktion der Gruppe Amen Acas Kate, mit einer Besetzung der Berliner PDS-Zentrale ein Bleiberecht für Roma zu fordern, ungewöhnlich erfolgreich verlaufen zu sein. Nach nur zwei Tagen und einem Gespräch mit dem Berliner Innensenator Körting (SPD) gab es die Zusage, dass keine Familien mit Kindern und überhaupt im Winter nicht abgeschoben werden solle, mit Ausnahme von Straftätern. Das war am Mittwoch dieser Woche.

Gestern morgen, Freitag 6 Uhr, stand die Polizei vor der Tür der Familie A., um Mutter und zwei Kinder (15 und 17 Jahre alt) abzuholen.
Allerdings war Frau A. gar nicht mehr da. Sie hatte, bereits suizidgefährdet, versucht sich umzubringen. Das Attest über die Suizidgefahr liegt bei der Ausländerbehörde. In der Familie gibt es keine Straftäter, die Kinder gehen in die Schule, eine weitere Tochter hat eine Aufenthaltsgenehmigung.

Aus Angst vor der angedrohten Abschiebung kam es zum Selbstmordversuch - Atteste hatten weder Verwaltungsgericht noch Ausländerbehörde beeindruckt. Und auch die Tatsache, dass die Frau A. sich auf der Intensivstation in Begleitung ihrer Tochter befand, hielt die Polizei nicht ab. Die versuchte gestern morgen, den 15-jährigen Sohn abzuschieben und konnte nur mit Mühe davon abgehalten werden. (Siehe die Erklärung von Amen Acas Kate)

Nun sollen alle drei sich bei der Ausländerbehörde präsentieren - das Attest, dass bescheinigt, dass Frau A. nicht reisefähig ist, liegt allerdings wie beschrieben bereits vor.

Herr Körting seinerseits macht sich derzeit u.a. mit Interviews beliebt, in denen er behauptet, "de facto werden Familien derzeit aus Berlin nicht abgeschoben." (taz vom 21.11.02)

Hat der Herr Innensenator die ihm untergeordneten Behörden nicht im Griff? Oder war das alles nicht so gemeint?

Nach dem Gespräch zuwischen Roma und Körting am Mittwoch klang es zunächst so, als ob weitgehende Zugeständnisse erreicht worden wären. Körting versprach, jeden Einzelfall zu prüfen, Abschiebungen im Winter auszusetzen - Familien sowieso nicht - und sich bei der Innenministerkonferenz (IMK) Anfang Dezember für eine Altfallregelung einsetzen zu wollen. Das klang soweit besser, als irgend jemand angenommen hätte.


Nach der Kundgebung vor dem Innensenat (Quelle: Umbruch Bildarchiv)

Allerdings war das Kleingedruckte noch nicht bekannt...

Schon im Interview mit der taz wand sich Körting gewaltig, als es um die Details ging. Plötzlich sollen nur noch die Roma bleiben dürfen, die "besonders integriert" sind, und damit sind die gemeint, deren Kinder in die Schule gehen.Auf gesetzlich durchaus mögliche Regelungen, die Berlin allein betreffen - also einen sechsmonatigen Abschiebestopp - vor der IMK oder für den Fall, dass dort doch keine Bleiberecht beschlossen wird, will sich Körting nicht einlassen. Zitat: "Ein solcher Abschiebestopp würde das Problem nur verschieben".

Der Berliner Flüchtlingsrat kritisiert in einer Erklärung von Freitag, dass Körting versuche, den berechtigten Personenkeis extrem klein zu halten. So sollen nämlich nicht nur Alleinstehende, sondern auch viele Familien mit Kindern abgeschoben werden - alle die, deren Kinder entweder noch nicht zur Schule gehen oder aber bereits einen Schulabschluß haben. Bleiben können sollen nur die, die ein Kind haben, dass seit mindestens zwei Jahren eine Schule oder Kita besucht.

Weiterhin müssen Unabhängigkeit von Sozialhilfe und ausreichender Wohnraum nachgewiesen werden. Wie Menschen das machen sollen, die bisher explizit keine Wohnungen anmieten durften, bleibt ein Rätsel.
Die bekannte und im Fall der Familie A. besonders perfide enge Auslegung von Regelungen stört Köting nicht, und überhaupt: in "Fällen, wo wir einen Spielraum haben, prüfen wir: zum Beispiel bei den minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen." Das ist zwar sehr schön, aber auch wirklich nicht sehr viel.

Zwar steht im rot-roten Koalitionsvertrag vielerlei, was auf Engagement in dieser Frage hindeutet, aber die realpolitische Praxis pendelt im üblichen rassistischen Trott dahin - geändert hat sich nicht viel.

Immerhin soll schon gestern eine E-Mail aus dem Innensenat bei der Ausländerbehörde eingegangen sein, berichtete eine Flüchtlingsbetreuerin, die die Roma unterstützt, nach einem Telefonat mit der Behörde. Darin werde die Behörde angewiesen, Körtings Aussagen gemäß zu handeln. Dennoch sollte Familie A. abgeschoben werden, und eine zweite Familie mit Kindern sitzt seit heute im Abschiebeknast.

An was erinnert uns das alles? Wenn Menschen, die seit Jahren hier leben, plötzlich früh morgens abgeholt werden? Nur einige Minuten haben, sich anzuziehen und auch schon mal ohne Schuhe oder Jacke im serbischen Winter landen? Kranke, Alte, alle einer genauso romafeindlichen "Heimat" übergeben werden, in der es keine Wohnung, kein Haus, keine Medikamente, kein Essen, kein Spielzeug - gar nichts gibt.

Aber Herr Körting gibt weiterhin den Gutmenschen.
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Ergänzungen

Sozialdemokraten....

Die Mauer muss weg 23.11.2002 - 03:28
Daß Rot-Rot so drauf ist, verwunder nicht. Sind noch Aktionen geplant?
Da fällt mir gerade ein: Unsereins bescheinigte Körting im letzten Sommer "Es gibt kein Grundrecht auf Ausreise" - irgendwie krank diese Welt.

Schade

23.11.2002 - 12:30
dass es die RZ nicht mehr gibt!!

An 12:30

23.11.2002 - 12:43
Jeder kann in Knie schießen....

@ Die Mauer muß weg

Meissel 23.11.2002 - 13:54
Wenn du es Eddy bescheinigt hättest, gäbe es noch nicht einmal die Diskussion darum.

Roma wurden verarscht

krümel mensch 23.11.2002 - 20:47
Ich hatte darum gebeten, die Verhandlerrunde mit Körting abzusagen, weil klar war, dass Körting sich nicht auf ein generelles Bleiberecht bzw. Abschiebestopp einlassen würde und weil ich von Verhandlungen mit bürgerlichen Politikern sowieso nichts halte. Dies besonders, weil sie die "Kunst" der Rhetorik und Lüge beherrschen und wir an solchen "runden Verhandlertischen" permanent "über den Tisch" gezogen werden. Ich machte statt dessen den Vorschlag, dass Körting herausgebeten werden soll, um draussen vor allen Anwesenden bekannt zu geben, warum Roma abgeschoben werden. Leider fand doch eine bürgerliche Verhandlerrunde statt.

Die Roma wurden auch von PDS-Bürokraten dazu genötigt, das PDS-Gebäude am Mittwoch abend zu verlassen, obwohl an der Eingangstür steht: "Wir bieten Schutz vor rassistischen Übergriffen!" Damit wurden sie ihres Fluchtraumes beraubt. Es mag sein, dass dies wie eine Aufforderung an die rassistische Ausländerpolizei wirkte, so weiterzumachen, wie bisher...

Nach dem Gespräch mit Körting, dessen Partei für das Elend der Roma (durch den Krieg gegen Jugoslawien und die Bombardements) mit verantwortlich ist, sollte eigentlich eine offene Debatte darüber stattfinden und alle informiert werden.
Dies geschah jedoch nicht, sondern eine Geheimkungelrunde umter dem Vorsitz der PDS und einer "Vollmachts-Renate" bereitete zwecks "Altlastentsorgung" eine Pressekonferenz vor, auf der die Zusagen von Körting als Teilerfolg verkauft wurden.

Ekelhaft war auch die paternalistische Haltung der sog. "Unterstützer" a la ARI ("antirassistische Initiative") die nicht verhinderten, dass das Feld der bürgerlichen Verhandlerpolitik beschritten wurde - obwohl es doch in der Geschichte des deutschen Rassismus und Faschismus nun wirklich genügend Erfahrungen damit gibt, d.h. dass wir verarscht werden. Wofür gibt es denn die Politik und die Politiker? Eben: damit die "Untertanen" brav bleiben und nach der Pfeife bzw. Marschmusik des Staates tanzen.

Aber besonders schlimm war die Rolle der PDS, die die Roma verarschte. Die Basis der Roma konnte gar nicht verstehen, warum das Karl-Liebknecht-Gebäude geräumt werden sollte - denn es war "de facto" keine ihrer Forderungen erfüllt!

Aber was will man auch von einer Partei erwarten, die aussen rot und innen weiSS ist und die mit einer Kriegspartei koaliert - sich aber als Friedenspartei ausgibt? Sie nimmt folgerichtig auch Menschen den Schutzraum und treibt sie in die Hände der rassistischen Mörderbrut. Die PDS ist genAU so eine staatsrassistische und faschistische bürgerliche Partei, wie alle anderen. UND DAS UNTER UND MIT DEM NAMEN VON KARL LIEBKNECHT !!!

Aber Schuld an dem Suizid-Versuch und dem Leid der Roma-Familie haben wir alle: dies, weil wir
1) nicht verhindert haben, dass der Schutzraum aufgegeben wurde
2) weil wir die Verhandler-Kungelrunde mit Körting zugelassen und dadurch tödliche Illusionen in die bürgerliche Politik geschürt wurden
3) weil es noch zu wenig Solidarität mit den wirklich betroffenen gab

ES WIRD ZEIT; DASS SICH DAS ÄNDERT !!!

BESETZEN WIR DAS KARL-LIEBKNECHT GEBÄUDE ERNEUT UND LADEN ALLE VON ABSCHIEBUNG BEDROHTEN - ZUFORDERST DIE ROMA-FAMILIEN - EIN, DORTHIN ZU KOMMEN UM ZUFLUCHT ZU FINDEN !!!
DIES IM NAMEN VON ROSA LUXEMBURG UND KARL LIEBKNECHT !!!

Und wenn wir dort hinausgeworfen werden, dann zeigt die PDS ganz offen, wo sie politisch wirklich steht, wir reissen ihnen dann das Plakat mit "Wir bieten Schutz vor rassistischen Übergriffen" ab und gehen dann halt woanders hin.

Kommt am Montag abend um 20 Uhr ins KATO, Schlesisches Tor


@krümel mensch

noch ein mensch 23.11.2002 - 21:17
Bitte auch im Namen von Erich Mühsam und für LELA! Kann uns nicht eine Synagoge aufnehmen? Denn die Ju(e)d/innen von heute sind die Roma! Oder werden wir auch von der jüdischen Gemeinde hinausgeworfen? Nun ja, wir werden sehen...

Farbe bekennen für die Roma

Sarah Jungfield 23.11.2002 - 22:05
Wie kann man nur mit solch einem bürokratischen Monster wie Körting sprechen, der Menschen als "Altfälle" oder "Altlasten" bezeichnet bzw. sie mit solche Kategorien überzieht? Steckt der Kantianer Eichmann (siehe: "Eichmann in Jerusalem" von H. Arendt) nicht noch immer in den Köpfen deutscher Politiker?

Ich kann erst dann mit ihm wirklich sprechen, wenn er uns als Menschen ansehen würde und auch zum Menschen wird. Nur: wie können wir aus ihnen Menschen machen?

Ich bin dafür, dass wir diesen Monstern Fotos von uns zuschicken und auf der Rückseite vermerken: "Wird es Ihnen WIRKLICH besser gehen, wenn wir tot sind?"



Rassismus in der PDS gab es schon immer.

von Tobias.h 24.11.2002 - 00:45
In Allen Parteien gibt es Rassisten,deshalb war es zu
erwarten das der Rot Rote Senat die Roma Abschieben wird.
Somit ist es wichtig das es keine Parteifahnen auf Anti-
rassismus Demos geben darf.Bei der Karawane Demo in Berlin
am 21.9.2002 waren Glücklicherweise keine PDS Fahnen zu
sehen,dieses muß immer so sein,denn Rassisten haben
auf Demos nichts zu suchen.Udo Sommerfeld von der PDS
in Braunschweig ist noch schlimmer,denn er ist Fußball-
fän von Eintracht Braunschweig,und da gibt es schlimmer-
weise viele Rassisten.Und die Linken in BS nehmen das hin,
und machen mit der PDS sogar noch Bündnisse bei Demos.
Nur wenige nicht und die werden dann nicht ernst genommen.
Und zu fordern ist Offende Grenzen für Alle Flüchtlinge
und gegen Staatlichen Rassismus und gegen Nazis und gegen
den Polizeistaat.

Rassisten?

Antifaschist 28.11.2002 - 15:41
Die PDS und Rassisten?

Das ich nicht lache! Statt hier undifferenziert rumzublöcken solltet ihr mal schauen was für ein weg von der PDS eingeschlagen wurde seit dem letzten Parteitag.
Für mich sind sie jetzt wieder wählbar!
In Hamburg leistet sie gerade übrigen hervorragende Arbeit
im wiederstand gegen Schill!

Linke vereint euch!!!!!!!!!!!!!! ( Statt euch selbst zu zerspalten und begraben, dafür sind wir einfach zu wenige!