Berlin: Silvio-Meier-Demo

AAB (Antifa-Aktion-Berlin) 19.11.2002 12:28 Themen: Antifa
Aktionen zum 10. Todestag von Silvio Meier in Berlin. Mahnwache am 21.11. um 17 Uhr auf dem U-Bhf. Samariterstraße. Am Samstag, den 23.11. findet dann um 14 Uhr die Silvio-Meier-Demonstration statt; Treffpunkt ist ebenfalls am U-Bhf. Samariterstraße.
Die Demo richtet sich gegen die NPD in Lichtenberg sowie gegen die "Kameradschaft Tor".
Ein Hintergrundtext zur NPD in Berlin-Lichtenberg sowie einige FOTOS.
Neben der NPD-Bundesgeschäftsstelle in Köpenick, gibt es in Lichtenberg in der Josef-Orlopp-Straße 79-83 eine zweite Zentrale der Partei. Auf dem Grundstück des NPD-Kandidaten Albrecht Reither - der dort gleichzeitig eine Kfz-Werkstatt betreibt - befinden sich Büro- und Lagerräume der Partei. Die Zentrale dient als Infopunkt und Anlaufstelle für Mitglieder und Interessierte aus Berlin und Brandenburg. Albrecht Reither selber ist Vorsitzender des Kreisverbandes Lichtenberg-Hohenschönhausen und hat es bei der Bundestagswahl immerhin auf Listenplatz zwei der Berliner NPD geschafft. In direkter Nähe zur Zentrale wohnen mit Andrea Lammok und Mike Ducherow zwei weitere Kandidaten der NPD-Landesliste. Die NPD betreibt in Lichtenberg und angrenzenden Bezirken regelmäßig Propaganda; z. B. zur Wahl mit großflächigen Plakat- und Flugblattaktionen sowie mit Informationsständen. Im Januar diesen Jahres fand in der Gaststätte »Rumpelratz« (in der Josef-Orlopp-Straße 92, gegenüber der Zentrale) eine Veranstaltung der NPD statt. Dort referierte ein Partei-Vertreter über die »Grundlagen und Ziele nationaler Politik«; im Anschluss gab der Nazi-Sänger Jörg Hähnel ein kleines Konzert.

>>> NPD und Wahlen
Bei der Bundestagswahl im September blieb die Nazi-Partei als Ganzes mit gerade mal 0,4 Prozent der Stimmen chancenlos. Ihre Hochburgen liegen klar in Ostdeutschland, hier speziell in Thüringen, wo die NPD 0,9 % der Stimmen erreichte sowie in Sachsen (1,4 %) und in Brandenburg (1,5 %). Herausstechend waren dabei Frankfurt/Oder mit 1,8 %, die Sächsische Schweiz mit 2,2 %, sowie Annaberg (ebenfalls in Sachsen) mit 2,3 % der Stimmen.
In Berlin lag die NPD in Lichtenberg-Hohenschönhausen mit 1,5 % bzw. in Marzahn-Hellersdorf mit 1,6 % mehr als das doppelte über dem stadtweiten Durchschnitt von 0,6 %. Demnach ging die Strategie der Partei auf, dort Stimmen zu gewinnen, wo sie über feste Strukturen verfügt und kontinuierlich Parteiarbeit leistet.

>>> Antifa heißt Angriff
Bisher konnten Autonome AntifaschistInnen verhindern, dass die NPD in Lichtenberg unbemerkt und ungehindert Fuß faßt. Erst Mitte September wurde in einer Garage auf dem NPD-Gelände der Lautsprecherwagen der Partei angezündet. Bei dem Anschlag von einem »Antifa-Team in Gedenken an Silvio Meier« (siehe Dokumentation) wurde nach Angaben der NPD neben einigen PKW auch die Werkstatt erheblich beschädigt. Weiterhin beklagt sich Albrecht Reither, dass bereits mehrfach Anschläge auf die NPD-Strukturen auf seinem Grundstück, sowie auf seine »private« Werkstatt verübt wurden.
Nun gilt es den Druck zu verstärken, so dass sich rechte Strukturen, Treffpunkte oder Rückzugsräume der Nazis auch in Lichtenberg nicht etabliert werden können.

>>> Hintergrund
Gegen die NPD wird zur Zeit vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verbotsverfahren geführt. Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat haben Anträge zum Verbot der Partei gestellt. Begründung: die Partei ist nicht »verfassungskonform«, lehne die »freiheitlich-demokratische Grundordnung« ab, sei rassistisch, antisemitisch und verfolge ihre Ziele »aggressiv kämpferisch«. Inzwischen ist der Prozess ins Stocken geraten. Grund sind die sich häufenden Veröffentlichungen von Spitzeln innerhalb der Führungsebene der Partei. Inzwischen geht man davon aus, dass jeder siebte Funktionär auf Landes- und Bundesebene der NPD bezahlter Informant des Staates, ein sog. V-Mann, ist. Knapp zehn sind bisher aufgeflogen, mit bis zu 20 weiteren wird gerechnet. Dass sich die V-Männer sogar gegenseitig bespitzeln wird daran offensichtlich, dass mehrfach der bundesweite Geheimdienst parallel zu den Landesämtern des Verfassungsschutz gearbeitet hat. Das Verfahren drohte daran zu platzen, weil in der Verbotsbegründung auch Äußerungen her halten müssen, die von Informanten kamen, also mit Rückendeckung und Finanzspritze vom Staat selber.
Der Verbotsantrag kam nicht überraschend, weil die NPD im Gegensatz zu rechtsextremen Parteien wie der DVU, den »Republikanern« oder der »Schill-Partei« enge Kontakte zur neofaschistischen Szene, zu gewalttätigen Skinheads und Strukturen der sog. »Freien Kameradschaften« unterhält. Die NPD ist seit rund zehn Jahren Sammelbecken für Neonazis, denen DVU und Rep zu lasch erscheinen und sich selber lieber am historischen Faschismus orientieren. Der Grund für den erneuten Aufschwung der Partei, die seit ihrer Hochphase in den 60er und 70er Jahren fast in der Bedeutungslosigkeit versunken war, liegt in den Verboten anderer neofaschistischer Gruppierungen Anfang der 90er Jahre. Damals wurden die »Wiking-Jugend«, »Deutschen Alternative«, »FAP«, »Nationalen Liste« und diverse andere Organisationen verboten. Nach einiger Zeit der Orientierungslosigkeit sammelte sich ein Teil der Mitglieder dieser Gruppen zuerst innerhalb der NPD-Jugendorganisation »Junge Nationaldemokraten« (JN). Nach kurzer Zeit wurde die alte Führungsriege von »JN« und NPD durch neue, jüngere Kader ersetzt. Die NPD begann, das Neonaziumfeld an sich zu binden. Weg von Bierzelt und Stammtisch, hin zu Aktionen und Aufmärschen. 1997 konnte die NPD rund 5.000 Mitglieder und Sympathisanten zu einer Demonstration gegen die »Wehrmachtsausstellung« nach München mobilisieren. Die größte Gruppe bildeten hierbei junge Skinheads. Seit einigen Jahren gelingt es der NPD fast monatlich Aufmärsche durchzuführen, an denen sich nicht selten Tausend oder mehr Nazis beteiligen.
Dieser Richtungsumschwung der letzten 10 Jahre kann der NPD ihre Existenz kosten. Die Neonazis sind für eine Partei wie die NPD rechtlich gesehen ungeeignet, weil sie mit ihrer Beteiligung an Überfällen und Brandanschlägen, ihren faschistischen Äußerungen und antisemitischer Hetze den legalen Status der Partei gefährden.
Wir stehen dem Verbotsverfahren kritisch gegenüber. Die Begrüßung von staatlicher Repression kann nicht Aufgabe der Linken sein, unter anderem schon deshalb, weil jede Gesetzesverschärfung schnell auch gegen links Anwendung findet (zum Beispiel die Reisebeschränkung, die bei Hooligans erprobt wurde und inzwischen regelmäßig auf linke »Globalisierungskritiker« Anwendung findet). Weiterhin ist der Skandal um die V-Männer innerhalb der NPD gravierend, so dass sich die Frage stellt, gegen wen hier eigentlich ein Prozess laufen müsste? Wer hat denn die NPD über ihre Informaten aufgebaut und finanziert? Zudem agiert hier ein Staat, der mit seinen rassistischen Sondergesetzen, einer brutalen Abschiebepraxis und einem nationalen »Standortwahn« in die gleiche völkische Kerbe schlägt wie alle anderen rechten Parteien: von CSU bis NPD. Selbst die Sozialdemokraten fischen im Zweifel in rechten Gewässern, falls sich damit weitere Wählerstimmen am rechten Rand abschöpfen lassen.

NPD zerschlagen!
Antifa heißt Angriff!



Hier dokumentieren wie nochmals das BekennerInnenschreiben aus der Interim zum Brandanschlag auf den NPD-Lautsprecherwagen

,,wir haben in der nacht vom 7. zum 8.9.2002 den lautsprecherwagen der berliner npd samt lautsprecheranlage in brand gesetzt. dieser parkte in der garage der autowerkstatt des berliner npd kandidaten albrecht reither in der joseph-orlopp strasse in berlin-lichtenberg. hier befindet sich auch ein büro der berliner npd und von hier aus werden die menschenverachtenden wahlkämpfe der npd organisiert. reither ist vorsitzender des npd kreisverbandes lichtenberg hohenschönhausen.
10 jahre nach dem pogrom von rostock lichtenhagen und dem mord an silvio meier ist es weiterhin richtig und wichtig faschisten und ihre infrastruktur direkt und militant anzugreifen. gleichzeitig gilt unser kampf natürlich auch den verhältnissen aus denen heraus menschen bereit sind faschistische denkstrukturen anzunehmen.
bei unserer aktion waren zu keiner zeit menschenleben gefährdet da niemand über der garage wohnt.
* antifa heisst angriff
* für den kommunismus
autonomes antifa team in gedenken an silvio meier und alle anderen opfer faschistischen terros"
Quelle: INTERIM 12.9.02
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Ergänzungen

Erst nach Potsdam

dann nach Berlin 19.11.2002 - 12:45
NPD-Aufmarsch in Potsdam verhindern. Die Nazis treffen sich um 11.00 Uhr am Hauptbahnhof Potsdam. Treffpunkt für Gegenaktionen ist 9.00 Uhr am selben Ort/(Bahnhof und Vorplatz werden videoüberwacht!).
siehe auch
 http://de.indymedia.org/2002/11/34769.shtml
 http://de.indymedia.org/2002/11/34642.shtml
 http://de.indymedia.org/2002/11/34753.shtml
sowie
 http://www.inforiot.de/thema/npd_pdm.php (Sonderseite über den letzten Versuch der NPD in Potsdam zu demonstrieren)
aktuelle Informationen findet ihr in den nächsten Tagen unter
 http://inforiot.de/
Bis denn in Potsdam und Berlin.