was losmachen! auf ins wendland, auf nach lüneburg!

aap berlin - info ag 10.11.2002 21:51 Themen: Atom
Atomstaat als Angriffspunkt linksradikaler Praxis
- zum Beispiel Anfang November in Lüneburg, an den Gleisen, auf der Straße

Am 11.11. sollen 12 Castorbehälter ins "Atommüllzwischenlager" Gorleben gebracht werden - eine feine Möglichkeit, die notwenige Konfrontation mit dem Atomstaat zu suchen.
Der sogenannte Atomausstieg ist ein schlechter Witz. Weiterhin wird Uran abgebaut, weiterhin wird radioaktiver Müll in den Anreicherungsanlagen, Atomkraftwerken und Wiederaufarbeitungsanlagen produziert, ein Ende ist nicht absehbar. Im Gegenteil Ergebnis derzeitig herrschender Atompolitik ist, daß weltweit immer mehr Atomanlagen gebaut bzw. Kapazitäten erweitert werden, auch mit Kapital aus der brd.
Der Konsensvertrag hat insofern keine Relevanz, als dass er total im Interesse der Wirtschaft liegt, wie am aktuellen Beispiel Obrigheim nochmals erkennbar wird. Obrigheim ist mit 34 Jahren das älteste Atomkraftwerk in der brd. Gegen die Betriebsleiter des AKWs ermittelt die Staatsanwaltschaft aufgrund von se it 10 Jahren bestehenden Mängeln im Kühlsystem. Laut Atomkonsens hätte Obrigheim 2002 abgeschaltet werden müssen. Jetzt, auf Antrag der Betreiber und insgeheimer Zusage des Kanzlers darf es noch knapp 2,5 Jahre weiterlaufen. Der Regierung wurden und werden die Bedingungen für den sogenannten Ausstieg diktiert. Abgesehen davon werden allzu oft mit der Berufung auf wirtschaftliche und/oder außenpolitische Notwendigkeiten gegen die Interessen der Menschen Entscheidungen getroffen, in Sachen Atomkraft, Krieg, soziale Rechte und was auch immer.

Vor einigen Wochen fanden die traditionellen Bundestagswahlen statt. Macht nix. Wir erwarten weiterhin nichts von rot-grün, genauso wenig wie von jeder anderen Regierung - welcher Farbe, Form und Konsistenz sie auch sein mag. Wir wissen selber, was zu tun ist, wir werden unsere Ziele nicht durch Appelle erreichen, wir werden das System nicht mit systemeigenen Mitteln überwinden, egal ob es um ein selbstbestimmtes Leben und/oder den Atomausstieg geht - oder um was ganz anderes. Atomkraft ist nur ein Symptom für ein menschenfeindliches System. So wird durch die Castortransporte und die Unterdrückung des Widerstandes der Mythos widerlegt, dass Freiheit in irgendeinem Staat herrschen könne. Auch im Wendland werden sogenannte Grundrechte dem Ausnahmezustand geopfert, Castortransporte gelten nur noch als rein sicherheitspolitisches Problem, welches mit der richtigen Polizeitaktik schon irgendwie zu lösen sei. Gegen diese Art strategischer Entpolitisierung gilt es anzugehen.

Wir verstehen den Kampf gegen den Atomstaat als Teil des Kampfes gegen das bestehende System. Gerade angesichts des dauerhaften Kriegszustandes halten wir es für notwendig, jede Gelegenheit zu nutzen, um das Hinterland unruhig zu machen. Wir haben keine Wahl! Wir müssen den Atomausstieg selber in die Hand nehmen. Direkte Aktionen sind möglich, Widerstand kann praktisch werden. Hau wech den Scheiß!

Auf nach Lüneburg, auf ins Wendland!


nützliche hinweise für reisechaotInnen:

Ein wichtiger Schwerpunkt des Widerstandes soll dieses Jahr die Stadt Lüneburg sein. Ziel ist, die in Lüneburg mehr als reichlich vorhandene Infrastruktur zum Beispiel der Bullen (Essensversorgung, Park- und Ruheplätze, Teile der Koordination des Einsatzes...) nachhaltig zu stören - vor dem Transport, während des Transportes, nach dem Transport. Lüneburg ist eine halbgroße Stadt mit ca. 120000 EinwohnerInnen. Es gibt hier mehrere Regierungsgebäude, einige Straßen, Kreuzungen, Plätze, Kreisel, Einkaufspassagen, Banken, das LKA, eine Kaserne der Bundeswehr, eine Uni, einen Hauptbahnhof, eine ICE-Strecke und viele Fluchtwege. Überlegt euch Aktionen, heckt tolle Pläne aus!!! (Zur ICE-Strecke sei angemerkt, daß Aktionen hier nur mit den nötigen Sicherheitsvorkehrungen stattfinden können - ICE's fahren recht schnell und bremsen ziemlich schlecht.) Den Rest der Strecke betreffend wird das Konzept ähnlich aussehen wie im letzen Jahr: Die 50km Schienenstrecke Lüneburg-Dannenberg ist noch immer umgeben mit dichtem Wald und losem Geäst. Hier - in der Göhrde - liegt auch die "Region Aktiv", es gibt viele Pennplätze und viele Möglichkeiten aktiv zu werden. Bei Laase - an der Straßenstrecke - soll es eine (Sitz-)Blockade von x-tausendmal quer geben. Camps und Infopunkte sind unten aufgeliste

"X-1000 mal quer" mobilisert dieses Jahr zu einer Straßenblockade und veranstaltet ein Camp.

Ein Bus fährt am Monatg, den 11.11 um 16:30Uhr vom Rosa-Luxemburg-Platz aus nach Lüneburg/ins Wendland. Karten werden am Bus verkauft.

Bis bald.

AntiAtomPlenum Berlin Nov 2002
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Ergänzungen

Nun wohl doch nicht mehr

Wider Stand 10.11.2002 - 23:26
Tja, wäre wohl gerne gekommen und hätte mich - wie auch zuvor - an allerlei Aktionen beteiligt. Als ich aber davon erfuhr, das langjährig aktive Gruppen an den Gemeinschaftsstrukturen vorbei (Plenum) von einzelnen CheckerInnen wiederholt ausgegrenzt wurden... kann ich nur sagen: so wird das wohl nix m it dem Widerstand... Viel Spaß Euch noch. Diskussionen dann wohl besser später, schließlich wollt ihr ja noch den Castor verhindern - das schafft ihr ja auch allein gut, oder?

Was soll denn dieser Tumult um die Castoren ?

Petra G. Müller 10.11.2002 - 23:29
MOTTO: Galileo Galilei: "Wer die Wahrheit nicht kennt, ist nur ein Dummkopf. Wer die Wahrheit kennt und sie eine Lüge nennt, ist ein Verbrecher."

Die Argumentation vieler "Atomgegner" zeigt mir, dass deren Problem nicht primär darin besteht, die Realität nicht zu kennen, nein, sie WOLLEN DIE REALITÄT GAR NICHT KENNEN !

Sie sind so in einer selbstgebauten psychosozialen Falle der Ersatzreligion "Ökologie um jeden Preis" gefangen, dass sie für nüchterne technisch- wissenschaftlichen Fakten unzugänglich sind. Da sie nicht nur jegliche Nutzung der Kerntechnik rigoros ablehnen, sondern der Bevölkerungsmehrheit ein Dasein nur mit Nutzung regenerativer Energiequellen aufzwingen wollen, werden hier Anzeichen einer "Ökodiktatur" offensichtlich.

Jeder Form einer Diktatur ist eines gemeinsam: das Feindbild. Den Feind gilt es zu bekämpfen.
Beim Kommunismus war dies die Bourgeoisie (das wohlhabende Bürgertum) und das Kapital, beim Nationalsozialismus das sog. Internationale Judentum, im Mittelalter die Andersgläubigen (Hexen- und Ketzerverbrennung). Die Reihe liesse sich fortsetzen.

Bei den "selbsternannten Umweltschützern" von heute besteht die Bekämpfung des Feindes zum Beispiel darin, dass man Elite- Technologien wie die Nutzung der Kernenergie und die damit verbundenen Wirtschaftszweige verteufelt und daher abschaffen will, koste es was es wolle. Als Feind dient hier die sogenannte "profitgierige Atomindustrie", deren mit hohem persönlichen und gewissenhaftem Einsatz tätigen Mitarbeiter hemmungslos beleidigt und verunglimpft werden, obwohl sie für die Grundversorgung der Bevölkerung (auch der "Atomgegner") tätig sind und zur Verbesserung des Klimas beitragen (Stichwort: CO²).

Ich erinnere ferner daran, dass die Branche ihre wichtigste Entwicklungsphase unter Willy Brandt und Helmut Schmidt erfahren hatte.

Die Tatsache, dass bislang nachgewiesenermassen technologiebedingt niemand ums Leben kam, (abgesehen vom Unfall in Tschernobyl 1986, welcher in westlichen Kernkraftwerken absolut auszuschliessen ist), wird ebenso ignoriert wie der Fakt, dass z. B. in Deutschland die Kernkraftwerke geradezu traumhafte Ergebnisse in puncto Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und produzierte Strommenge erzielen. Für die Behandlung und Endlagerung radioaktiver Abfälle gibt es Konzepte, die nur umgesetzt werden müssen.

Es ist nur eine Frage der Zeit, da wir von ECHTEN Umweltschützern die Losung hören werden: "Atomkraft-ja, bitte ! "

Um nicht missverstanden zu werden: Ich befürworte grundsätzlich den Einsatz regenerativer Energien, und zwar dort, wo er sich als sinnvoll und wirtschaftlich erweist. Ich empfehle jedoch allen dringend, sich Gedanken zum Thema Spezifische Energiedichte, Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit regenerativer Energieträger zu machen, bevor sie diese als Allheilmittel anpreisen. Denn der zur Zeit einzig denkbare REALE Ersatz für Kernkraftwerke (=Grundlast) ist die Kohleverstromung.

Langsam müsste es jedem klar sein, dass ein Ersatz der bewährten klassischen fossilen und nuklearen Energieträger durch regenerative Energieträger leider aus naturwissenschaftlichen Gründen nicht möglich ist, zumindest in Europa, Nordamerika und anderen hochindustrialisierten Gegenden.
Wer anderes behauptet und den Menschen Angst vor der Kernenergie indoktriniert, um gewisse politische Ziele zu erreichen, handelt höchst unverantwortlich.

Nach wie vor gilt, dass die Entdeckung der Kernspaltung einer der bisher grössten Segen für die Menschheit ist. Und das sage ich trotz Hiroshima, Nagasaki und Tschernobyl. Diese Dinge hätten nie passieren dürfen. Wir wissen aber heute, was die Ursachen waren und die Menschheit hat daraus gelernt.

Unsere Nachkommen werden hoffentlich eines Tages auch die Kernfusion sicher beherrschen.

Ganz besonders den "atomkritischen" Mitbürgerinnen und Mitbürgern sei an dieser Stelle ein Besuch in einem Kernkraftwerk nahegelegt. Die Betriebe sind dafür eingerichtet (Infozentren, geführte Anlagenbegehungen?). Es soll ja niemand zum "KKW-Fan" gewandelt werden, aber man hat dann doch ein besseres Bild von der Sache.

Fazit: Es ist leider ein grundsätzlich psychologisches Problem, den Leuten die Notwendigkeit der Kernenergie beizubringen. Ich merke das oft an den Reaktionen auf meine Aufsätze.

Die ich übrigens aus meinem persönlichen Engagement und nicht gegen irgendwelche Bezahlung schreibe. Ich arbeite übrigens weder in einem Kernkraftwerk noch bei einem Betreiber, sondern als Ingenieurin in der Energietechnik- Branche. Und ich verstehe die Sorgen verunsicherter Mitbürger sehr gut.

Daher meine ich: Wir können nicht sprachlos zusehen, wie die Ideologen in der Politik hier sehenden Auges "den Karren in den Sumpf hineinfahren" .

Ich danke allen herzlich, die diesen Beitrag durchgelesen und ein wenig überlegt haben.

P.S. Wer beim Thema Energieversorgung ernsthaft mitreden möchte, sollte sich mehr mit dem Studium der einschlägigen Naturwissenschaften befassen und nicht diesen spinnerten Castor-Gegnern hinterherrennen.

Dipl. -Ing. Petra Gisela Müller

Sehr geehrte Frau Dr.Müller,

Feiner Pinkel 11.11.2002 - 00:47
das ist aber nun wirklich kein Umgang für Sie, wie haben Sie sich denn bloß auf diese Seite verirrt? Passen Sie auf, das könnte abfärben und wo sollte das dann für Sie dann enden?

ääähm?

selber denken 11.11.2002 - 01:04
hallo dipl.-ing.!

leider musste ich deinen text zweimal lesen, da ich dachte, ich hätte die ironie überlesen.
lohnt sich wohl nicht wirklich, mit dir zu diskutieren. lass dir nur gesagt sein: versuch mal ein bisschen, aus deiner wissenschafts-welt herauszukommen und deinen kleinen horizont zu erweitern ...
bei deiner tendenz, die wissenschaft zu einer religion zu erheben bekommt man/frau ja angst!

wann hast du das letzte mal wirklich natur wahrgenommen?

Reine Provo, Mehrfachposting

Käpt'n Bär 11.11.2002 - 01:07
Das identische Posting hat frau "PG Müller" schon paarmal veröffentlicht.
Antwort ist sinnlos, Frau PG Müller hat noch nie geantwortet.ö
Frau PG Müler geht nur um Provokation.

Gruß aus Lüneburg, wo zur Zeit mächtig was los ist.
Viele warme und trockene Plätze in den Zelten des Info-Parks.
Schlafplätze werden dort vermittelt.
Lüneburger lassen ihre Mitstreiter nicht im Regen stehen.

stop castor

wie d. cops d. sache sehen

pig 11.11.2002 - 06:44
Eckhard Gremmler

Konfliktmanagement der Polizei beim Castor - Einsatz



Land und Leute

Gorleben hat einen Klang in der Szene der Aktivisten gegen die Atomkraft. Doch was verbirgt sich hinter diesem Namen, der während der Atommülltransporte so ins Rampenlicht tritt? Wo liegt Gorleben, was ist das für eine Landschaft, wer lebt dort und wie lebt man dort, wenn nicht gerade ein Castor im Anmarsch ist?

Gorleben ist ein kleiner Ort in Niedersachsen. Er liegt im Landkreis Lüchow – Dannenberg. Der wiederum ist Teil der Bezirksregierung Lüneburg. Lüchow - Dannenberg liegt jetzt im Herzen Deutschlands, als das Ganze begann, allerdings unmittelbar an der Grenze zur damaligen DDR. Die gesamte Gegend ist sehr schwach besiedelt, 52.000Menschen verteilen sich in diesem Landkreis auf 1219 qkm Fläche, das sind mal gerade 43 Menschen pro qkm.

Das Wendland (so lautet die geschichtliche Bezeichnung der Region) lebt überwiegend von der Landwirtschaft. Es ist ein strukturschwaches Gebiet. Industrieansiedlungen gibt es kaum.

Bis 1990 hatten viele Berliner dort Urlaubs- und Altersdomizile erworben, da sie aus der Exklave schnell zu erreichen waren. Hamburger gesellten sich dazu. Auch für Aussteiger hatte die Gegend ihre Reize. Es gibt heute eine Arbeitslosenrate von 19 %. Der Landkreis ist einer der ärmsten der Republik.





Der Konflikt

Den Konflikt in seiner Entstehungsgeschichte nachzuzeichnen würde den zeitlichen Rahmen sprengen. Ich werde mich deshalb auf prägnante Daten beschränken.

1977: Die Standortwahl für den Teilsalzstock Gorleben wurde öffentlich bekannt gegeben; die "Direkte Endlagerung" sollte erforscht werden
1979: Ministerpräsident Albrecht lehnt den Bau einer Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) ab, hält aber an dem atomaren Endlager fest
1980: Besetzung der Bohrstelle 1004, Errichtung eines Hüttendorfes ("Freie Republik Wendland"), gewaltsame Räumung von 1004, bundesweite Proteste
1981: Ratsentscheidung der Samtgemeinde Gartow zu den Zwischenlagern zugunsten des Antrags der DWK, gekoppelt an ein Nein zur WAA
1985: Die DWK entscheidet, dass die WAA nicht in Dragahn sondern in Wackersdorf gebaut werden soll
1995: 1. Castor – Transport
1996: 2. Castor – Transport
1997: 3. Castor – Transport
2001, März 4. Castor - Transport
2001, Nov. 5. Castor - Transport


Die Beteiligten

Die Bürgerinnen und Bürger
Die Mehrheit der Wendländischen Bevölkerung lehnt das Zwischenlager und das beabsichtigte Endlager ab. Die Intensität der Ablehnung reicht von radikal bis teilnehmend interessiert und korreliert augenscheinlich mit der Nähe des Wohnortes zu den Orten des Geschehens. Viele sind der sich wiederholenden Protestgeschehen mit den einhergehenden Beschränkungen der Bewegungsfreiheit überdrüssig (vgl. Aussagen der KonfliktmanagerInnen, in Ulrich Driller, " Wir können auch anders... – wir aber nicht", in Polizei und Wissenschaft, August 2001, S. 36) und sehnen sich nach Normalität. Der weit überwiegende Teil der Bürgerinnen und Bürger lehnt Gewalt ab, gegen Personen wie auch gegen Sachen.

Bürgerinitiativen
Die regionalen Bürgerinitiativen sind der Motor der Aufrechterhaltung der Proteste. Die "Bürgerinitiative Umweltschutz", die "Aktivisten der atomablehnenden Bevölkerung", die "Bäuerliche Notgemeinschaft", ein Zusammenschluss von Bauern und damit Einbringer des wirksamen Protestmittels "Trecker" sowie die "INI 60", eine Initiative der in die Jahre gekommenden Veteranen des Gorleben – Protestes.

Darüber hinaus gibt es das Aktionsbündnis "X – tausendmal quer", eine bundesweit operierende Gemeinschaft, die vor allem die überregionale Aktivierung von Atomkraftgegnern übernimmt und offensichtlich wegen ihrer erklärten Absicht des gewaltlosen Protestes besondere Anziehungskraft auf Jugendliche auszuüben scheint. Die "Liga gegen Atomanlagen" in Lüneburg übernimmt die bezirklichen Aktivitäten, ist aber eher in einer Randposition.

Robin Wood und Greenpeace haben insbesondere in der jüngsten Vergangenheit mit spektakulären Aktionen Aufmerksamkeit erregt.

Die Funktionäre der Bürgerinitiativen tun sich schwer mit einer klaren Distanzierung von Gewalt. Zum einen, weil sie mit einem Gewaltbegriff operieren, der Gewalt gegen Sachen mit einschließt, zum anderen, weil möglicherweise die Aktivisten nicht von vornherein ausgeschlossen werden sollen, die mit ihren gewalttätigen Aktionen eine interessierte Berichterstattung der Medien garantieren. Gleichzeitig geben sie den "schwarzen Peter" an die Verantwortlichen für die von ihnen diagnostizierte strukturelle Gewalt weiter.

Daraus leitet sich ihre Position ab:

Gesetzmäßigkeit ist nicht gleich Rechtmäßigkeit. Die Legitimität von Protesthandlungen ist gedeckt durch höheres Recht.

Politik
Ein "grüner" Bundesumweltminister vereinbart den Atomausstieg mit der Atomindustrie und erklärt die Notwendigkeit für Proteste beendet. Die Atomkraftgegner bewerten den Ausstieg als Festschreibung des Status quo. Es gibt Auseinandersetzungen in der Partei der Grünen. Die bisherige uneingeschränkte Unterstützung der Grünen für den Protest des Wendlandes zerfällt. Abtrünnige bilden im Wendland eine "Grüne Liste".

Kirche
Pastoren aus dem Wendland spielen traditionsgemäß eine bedeutende Rolle. Sie bekennen sich zu ihrer Ablehnung von Zwischen- und Endlager. Sie verstehen sich als Konfliktlotsen während des Einsatzes.

Rollenkonflikte wurden in der Vergangenheit immer wieder deutlich. Aus ihrer engen Verbundenheit mit der Protestbewegung war ihr Blick während des polizeilichen Einsatzes auf die Verhaltensweisen der PolizeibeamtInnen fokussiert. Die einseitige und wertende Darstellung der Beobachtungen in einer nach jedem Castor - Transport veröffentlichten Zusammenfassung hatte häufiger zu Unverständnis und Ärger auf Polizeiseite geführt.

Ich will aber auch sagen, dass ohne die vermittelnde Unterstützung der Pastoren wichtige Gespräche zwischen Polizei und Bürgerinitiativen nicht stattgefunden hätten.

Die anderen Konfessionen waren nicht erkennbar in Erscheinung getreten.

Medien
Die Medien sehen diesen Konflikt als mediales Ereignis. Rundfunk, Fernsehen, Presse haben sich als "Mediendorf" vor Ort eingerichtet. Bereits in der Vorphase des Transportes sind die Medien stark interessiert, die Öffentlichkeit durch geeignete Meldungen "anzuwärmen". Positive Meldungen lieferte in Regelmäßigkeit die Protestbewegung, die mit kreativen, hintergründigen, zum Schmunzeln veranlassenden Aktionen auf sich aufmerksam machte. Für die negativen Schlagzeilen sorgte häufig die Polizei, die in ersten Begegnungen mit dieser Art des Protestes ihrem Ruf als humorlos, unflexibel und unangemessen handelnd gerecht wurde. Und damit waren die Sympathien verteilt, hier die Menschen, da der Apparat. Entsprechend war die Art der Berichterstattung.

Zureisende DemonstrantInnen
Die Demonstrationsteilnehmer reisen aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus dem benachbarten Ausland an, überwiegend mit friedlichen Absichten. Allerdings sorgten

bis 1997 bis zu 1000 zugereiste Gewalttäter während der Transportphase für zum Teil bürgerkriegsähnliche Zustände. Molotow – Cocktails, Zwillen, Schlagwerkzeuge sowie pyrotechnische Gegenstände wurden gegen PolizeibeamtInnen / innen eingesetzt.

Die Polizei
Die polizeiliche Rolle ist nicht unproblematisch. Es geht hier um einen bisher ungelösten politischen Konflikt. Die eigentlichen Konfliktgegner der Protestbewegung gegen die Castor-Transporte nach Gorleben sind die Verantwortlichen für Energiepolitik. Die Polizei soll durchsetzen, was zwischen diesem Teil der Bevölkerung und der Politik nicht konsensfähig ist.

Rechtlich ist die Situation einigermaßen übersichtlich.

Die Betreiber des Zwischenlagers haben einen Rechtsanspruch auf den Transport der Castor-Behälter. Allein können sie ihn nicht durchsetzen, also bitten sie die Polizei um Hilfe bei der Durchsetzung ihres Rechts.
Die Castor - Gegner haben ein Recht, dagegen zu protestieren, allerdings nach rechtsstaatlichen Regeln.
Die Polizei wiederum achtet auf die Einhaltung dieser Regeln und sanktioniert, wenn das bei Abweichungen erforderlich wird.


Deutlich wird, dass die Polizei eine unparteiische, nur dem Recht verpflichtete Position einnimmt. De facto agiert sie aber gegen die Interessen der Castor – Gegner. Sie sorgt dafür, dass der ungeliebte Atommüll das Zwischenlager erreicht.







Das Problem


Bei jedem Transport sind verletzte
PolizeibeamtInnen und verletzte DemonstrantInnen zu beklagen.
Mit jedem Transport werden mehr
PolizeibeamtInnen eingesetzt und über Wochen ihrer Alltagsarbeit entzogen


Die Entscheidung


Die Gewaltspirale soll gestoppt werden.
Nicht tolerierbar sind Formen gewalttätigen Protestes
Nicht tolerierbar ist die Aussicht auf einen Dauerkonflikt mit gleichbleibender oder zunehmender polizeilicher Präsenz


Ziel ist die Minimierung von Gewalt auf beiden Seiten und der daraus folgenden körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen aller Beteiligten



Die Idee

Eine Arbeitsgruppe kommt zu folgender Struktur der Aufgabenwahrnehmung einer Institution mit der Bezeichnung Öffentlichkeitsarbeit (ÖA) / Konfliktmanagement (KM)

Die Vernetzung der polizeilichen Bemühungen mit Behörden, Einrichtungen, Institutionen und sonstigen Gesellschaftsteilen mit dem Ziel der dauerhaften Einbindung und einer überlagernden konfliktminimierenden Einflussnahme
Die Öffentlichkeitsarbeit mit den Zielen, die Öffentlichkeit zu informieren, polizeiliches Handeln transparent zu machen, Verständnis für polizeiliche Maßnahmen zu erreichen und letztlich ein Klima von Vertrauen und Glaubwürdigkeit zu schaffen
Die Beratung von Führungskräften zur konsequenten Umsetzung des Konzeptes
Konfliktmanagement mit den Aufgaben, Rolle und Selbstverständnis der Polizei in diesem Konflikt mit Bürgern zu diskutieren, Verständnis für polizeiliche Maßnahmen zu wecken und den friedlichen Protest zu unterstützen, im Einsatz konfliktminimierend einzuwirken
Interne Informationsträger entwickeln und organisieren, um die Bemühungen des Konfliktmanagements nach innen und außen zu unterstützen
Die fachliche Vorbereitung der eigenen Einsatzkräfte, um
die Handlungssicherheit zu verstärken
die Einsatzbereitschaft zu erhöhen
eine mögliche Rollenunsicherheit zu nehmen
Ängste abzubauen, um die Stressstabilität zu erhöhen
Das Konzept Öffentlichkeitsarbeit/Konfliktmanagement und dessen Konsequenzen darzustellen
Betreuung der Kräfte während des Einsatzes, um Ansprechpartner für kleine und große Sorgen vorzuhalten und gegebenenfalls eine unmittelbare Betreuung nach extrem belastenden Einsatzsituationen zu gewährleisten.
Betreuung und Information der Gäste, um insbesondere interessierten Politikerinnen und Politikern einen unmittelbaren Einblick in das Protestgeschehen und die polizeiliche Arbeit vermitteln zu können


140 Polizeibeschäftigte melden sich für die Durchführung dieses Projektes, Angestellte, Beamtinnen und Beamte. Eine zweitägige Auftaktveranstaltung mit Input- und Erarbeitungsanteilen leitete diesen neuen Abschnitt polizeilichen Handelns bei Großeinsätzen ein und weckte Neugier und Interesse.



Der Rahmen

Die zwei Bereiche Öffentlichkeitsarbeit und Konfliktmanagement verstehen sich als zwei Säulen eines Daches.

Die Säule Konfliktmanagement ist zuständig für

Beratung der Führungskräfte
Persönliche Versorgung und Betreuung
Fachliche Vorbereitung der Einsatzkräfte
Vertrauensbildende Kommunikation
Netzwerk Konfliktmanagement
Betreuung und Information der Gäste
Die Säule Öffentlichkeitsarbeit steht für

Medienarbeit
Interne Informationsträger


Eine enge Zusammenarbeit wird vereinbart.



Das Konzept "Konfliktmanagement"


Analyse der IST– Situation.
Suche nach Erklärungen für die nicht tolerierbaren Abläufe
Ableitung von Maßnahmen
Aufbau geeigneter Institutionen zur Maßnahmendurchführung




Beschreibung, Beurteilung und Bewertung der IST-Situation – Erklärungsversuche

Der Vergleich mit einem Eisberg drängt sich auf. Das, was wir oberflächlich wahrnehmen ist Ärger, Wut, Aggression und letztlich eine Eskalation zu einer Spirale der Gewalt. Das Resultat ist eine Vielzahl von Verletzten an Leib und Seele. Der Rest scheint verborgen und wird erst sichtbar, wenn man sich mit den Menschen auseinandersetzt und nachvollzieht, was sich in den vorangegangenen Begegnungen ereignet hat.

PolizeibeamtInnen wie DemonstrantInnenen glauben, dass sie allein richtig handeln. Die einen begründen das mit dem höheren Recht ("wenn Recht zu Unrecht wird, dann wird Widerstand zur Pflicht") die anderen bemühen das Grundgesetz als Grundlage rechtsstaatlichen Handelns.
PolizeibeamtInnen wie Demonstrantinnen haben Gewalterfahrungen bei vorangegangenen Begegnungen machen müssen, ordnen ihr Gegenüber als gefährlich und wenig sympathisch ein und nehmen deshalb selektiv wahr.
Die negativen Vorurteile verfestigen sich und man missversteht sich, wenn man einmal miteinander kommuniziert.
Man redet deshalb nicht mehr miteinander, was wiederum zu Wissensdefiziten über den anderen führt .
Eine Bedrohung, mit der man nicht kommuniziert und von der man nichts weiß, macht misstrauisch und führt letztlich zu Ängsten.
Wenn dann Frustrationen während in aufgeheizter Situation dazukommen, ist eine Gemengelage erreicht, die das Fass zum Überlaufen bringt.
(Vgl. auch Friedr. Glasl, Konfliktmanagement, Die fünf seelischen Faktoren als Ansatzpunkte für Interventionen, S. 293 ff.)
Daraus wurden folgende Hypothesen abgeleitet:


Konflikte sind in der heißen Phase nur bedingt beeinflussbar
Das Konfliktverhalten ist strategisch bereits im Vorfeld zu beeinflussen
Ein Maßnahmenplan wurde erarbeitet:

In der Vorphase des Einsatzes:

Moralischen Alleinvertretungsanspruch diskutieren
Gewalterfahrungen aufarbeiten
Verantwortung für Konfliktfolgen diskutieren
Rolle und Selbstverständnis klären
Vorurteile durch Begegnung abbauen
Wissensdefizite ausgleichen
Verständigungsprobleme durch Kommunikation verringern
Sprachlosigkeit durch eigene Initiativen aufheben
Misstrauen durch Offenheit, Transparenz und Authentizität auflösen
Ängste wahrnehmen und thematisieren
Frustrationen als Ergebnis der Definition von Erfolg und Misserfolg markieren
In der heißen Einsatzphase:

Handlungsspielraum für rationale Begegnung schaffen
Angebote machen:
Übermitteln
Übersetzen
Erklären
Suche nach Kompromissen oder Alternativen


Dieser unspezifische Handlungsrahmen war Grundlage für die Entwicklung geeigneter Projekteinheiten zum Transfer. Die Operationalisierung der Vorgaben wurde nach der personellen Besetzung gemeinsam erarbeitet.

12 MobileTeams, die jeweils mit einem KonfliktmanagerInnen (Verhaltenstrainer) in auffällig roter Jacke mit der Aufschrift Konfliktmanagement - Polizei - und zwei Pressebeamten besetzt waren.
In der Vorphase des Transportes:

"Klinkenputzen" bei Anwohnern der Transportstrecke mit dem Angebot der direkten Ansprechbarkeit bei Castor – bedingten Beschwerden,
Info – Stände auf Wochenmärkten in Lüchow und Dannenberg mit Diskussionen über die Gefahren der Atomkraft, Blitzableiter sein für den aufgestauten Frust der vergangenen Jahre, Debatte über die Rolle der Polizei in diesem Konflikt,
Bearbeiten von Beschwerden
Vorbereitung der Einsatzkräfte im Einsatzraum
In der Transportphase:

Ansprechbarkeit gewährleisten durch Aufenthalt an Brennpunkten des Geschehens

Übermitteln von Forderungen der Konfliktparteien an die jeweilige Gegenseite
Erklären der polizeilichen Maßnahmen
Übersetzen der Emotionen in die Sachebene
Verhandeln
Kontakte zwischen Konfliktparteien herstellen


Bürgerbüros in Dannenberg und Lüchow mit einer Vielzahl von Besuchern
Interessierte Schulklassen mit ihren Lehrern ,
Leitfiguren der Protestszene,
örtliche Repräsentanten und Vertreter der Gemeinde,
Fachkritiker Atomkraft
Presse, Rundfunk, Fernsehen


Ein kostenfrei zu erreichendes Bürgertelefon, das den kommunikativen Zugang zur Polizei auch überregional ermöglichte und das 392 mal in Anspruch genommen wurde
einem Internet-Forum mit täglich bis zu 180.000 Zugriffen,
Teams zur Vorbereitung der Einsatzkräfte in den Bundesländern
Kriseninterventionsteams (KIT) zur unmittelbaren Hilfeleistung nach extremen Belastungen von PolizeibeamtInnen. Die Kriseninterventionsteams nahmen gleichzeitig betreuerische Aufgaben wahr.
Ein Kreativteam, das projektbegleitend als "think – tank" fungierte und strategische, inhaltliche, planerische und organisatorische Aufgaben bearbeitete. Der Button "Wir können auch anders...", die Plakataktion "Protest ja, Gewalt nein", der Flyer "Illusion, Realität, Hoffnung", die CD und die Info–Mappe als "handout" zur Vorbereitung der Einsatzkräfte waren Ergebnisse dieses Teams. In der Einsatzphase stand das Kreativteam dem Berater des Gesamteinsatzleiters unterstützend zur Seite.


Qualifikation der KonfliktmanagerInnen
KonfliktmanagerInnen sind als Verhaltenstrainer fortgebildete Polizeibeamtinnen, die im polizeilichen Alltag ihre Kolleginnen und Kollegen trainieren, Konflikte zu verhindern bzw. zu entschärfen.







Zwischenergebnis

Die Vielzahl von Begegnungen

beim "Klinkenputzen" mit Anwohnern der Transportstrecke,
an polizeilichen Info-Ständen auf Wochenmärkten mit dem Querschnitt der Bevölkerung,
bei Podiumsdiskussionen mit engagierten Protestlern ,
in den Info-Börsen in Lüchow und Dannenberg mit Rat suchenden Einwohnern,
durch Gespräche der Mitarbeiter an den Bürgertelefonen mit Menschen, die häufig einfach ihren Frust loswerden wollten,
bei öffentlichen Ratssitzungen mit Kommunalpolitikern und interessierter Einwohnerschaft,
mit Pastoren des Wendlandes zu vorbereitenden Gesprächen und "Krisengesprächen" in der heißen Phase
im Einsatz, wenn PolizeibeamtInnen wie DemonstrantInnen den KonfliktmanagerInnen als "Übermittler" in Anspruch nahmen
macht deutlich, dass die polizeilichen Angebote überaus stark genutzt worden sind.

Ob und inwieweit sich unsere Bemühungen gelohnt haben, hat ein nicht in den Castor-Einsatz involvierter Angehöriger des SWD anhand der verfügbaren Daten zu ermitteln versucht (vgl. Ulrich Driller, " Wir können auch anders...")

Eine der zusammenfassenden Kernaussagen lautet: " Viele Beispiele aus der Praxis des angewandten Konfliktmanagements im Castor-Einsatz 2001 belegen, dass gewaltfreie Lösungsformen nötig, möglich und tragfähig sind." (Driller, S. 34). Und weiter: "Grossen Anteil am Gelingen des Konzeptes hat das multimodale Öffentlichkeitsarbeitskonzept in Zusammenhang mit dem engagierten Wirken der KonfliktmanagerInnen. Diese befanden sich oftmals in einer 'Vermittlungs- und Übersetzerrolle.‘"

56 verletzten PolizeibeamtInnen im Jahr 1997 standen 26 verletzte PolizeibeamtInnen im März 2001 gegenüber. In der gesamten Medienberichterstattung wurde überwiegend ein positives Bild der Polizei, insbesondere der KonfliktmanagerInnen, vermittelt. Der veröffentlichte Bericht der Pastoren bestätigte diesen Eindruck.

Die Nachbereitungen zeigen aber auch, dass es uns nicht durchgehend gelungen war, die eigenen Einsatzkräfte von der Sinnhaftigkeit des Konfliktmanagements zu überzeugen, obwohl wir mit CD und Info-Mappe zur Einstimmung der Einsatzkräfte mit Zweierteams in jedes beteiligte Bundesland gereist waren.

Die gängigsten innerpolizeilichen Einwände, Vorurteile und Stereotypen ließen sich, auf der Grundlage eines Interviews mit dem Koordinator der Mobilen Teams, wie folgt kategorisieren:

KonfliktmanagerInnen als Verhinderer " Die labern nur herum und behindern unsere Arbeit"

KonfliktmanagerInnen als Einmischer "Die beschneiden mir als Einsatzleiter meine Entscheidungsbefugnisse"

KonfliktmanagerInnen als Kritiker und 'bessere Polizistinen’ "Haben wir unsere Aufgaben in den vergangenen Einsätzen nicht richtig gemacht?"

KonfliktmanagerInnen als Kontrolleure "Die gucken mir über die Schulter und zweifeln meine Maßnahmen an"

KonfliktmanagerInnen als `ohnmächtige` Dritte "Was können die schon bewirken?"

(vgl. Driller, Seite 37)

Die Bürgerinitiativen lehnen das Konfliktmanagement aus zwei Gründen ab. Erstens sei das ein Trick der Polizei, um den Transport "sozialverträglich" in das Zwischenlager transportieren zu können, zweitens könne der KonfliktmanagerInnen seine vermittelnde Tätigkeit schon deshalb nicht wahrnehmen, weil er nicht unabhängig sei.

Die Fortsetzung

Diese Informationen flossen ein in einen Workshop zur Weiterentwicklung des Konzeptes. Teilnehmer waren Sozialwissenschaftler und Führungskräfte des Castor-Einsatzes aus allen Bundesländern und des Bundesgrenzschutzes. Bearbeitet wurden folgende Fragestellungen:

Wie wird das Konfliktmanagement beurteilt?

Welche Modifikationen erscheinen sinnvoll, um die Effektivität zu erhöhen?

Wie ist die Akzeptanz im polizeiinternen Bereich zu erhöhen?

Auf der Basis dieser Ergebnisse wurde das Konfliktmanagement für den Castor-Einsatz im November 2001 modifiziert.

Die starke Nachfrage nach KonfliktmanagerInnenn in der Vorphase des Einsatzes sowie die unterschiedlichen Funktionen von Pressebeamten und KonfliktmanagerInnenn veranlasste uns zu einer Trennung dieser Funktionsbereiche. Statt bisher 12 jetzt 28 KonfliktmanagerInnen, in Zweierteams unterwegs und in der Transportphase mit örtlichen Schwerpunkten, durch einen Verbindungsbeamten enger mit dem örtlichen Abschnittsleiter verbunden.

Speziell fortgebildete Lautsprecherteams komplettierten die Möglichkeiten der KonfliktmanagerInnen. Neben der individuellen Ansprache war jetzt auch die Ansprache von Massen möglich, um krisenhafte Verläufe mit eskalierender Wirkung zu entschärfen.

Die projekthafte Anbindung des Konfliktmanagements beim Gesamteinsatzleiter wurde ersetzt durch eine Einsatzabschnittsorganisation in der Linie. Die Aufnahme in die Struktur der besonderen Aufbauorganisation bei Castor – Einsätzen signalisierte die Anerkennung der Bedeutung des Konfliktmanagements auch für zukünftige Einsätze.

In einem Workshop wurde das Leitthema "Verantwortung gemeinsam tragen" unter Beteiligung von Mitarbeitern Öffentlichkeitsarbeit/Konfliktmanagement, der Behörde und des Sozialwissenschaftlichen Dienstes des Bildungsinstitutes der niedersächsischen Polizei erarbeitet.

Ziel war es zum einen, argumentativ den Versuchen der Protestbewegung entgegenzutreten, Normverstöße als legitime Form des Widerstandes zu definieren um damit vor allem junge Menschen zu rechtswidrigem Verhalten mit zwangsläufigen polizeilichen Reaktionen zu veranlassen, zum anderen auf die Folgen der Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Protestierende hinzuweisen und dafür Verantwortung von allen Beteiligten einzufordern, deutlich zu machen, dass es Sinn macht, Absichten und Folgen getrennt zu beurteilen..

Die KonfliktmanagerInnen bereiteten sich intensiv auf ihren Einsatz vor. Im Rollenspiel einer "Podiumsdiskussion" versuchten sie, sich in die Gedanken- und Gefühlswelt der Rollenbeteiligten hineinzuversetzen und aus der jeweiligen Sicht der Vertreterinnen und Vertreter von Medien, Pastoren, Betreiber, Bürgerinitiativen und Polizei zu argumentieren.



Eine Klärung der eigenen Rolle im realen Konflikt wie auch ein vertieftes Verständnis für die Positionen der übrigen Beteiligten war das erwartete Ergebnis.

Erneuter Schwerpunkt unseres Handelns war die Vorbereitung der Einsatzkräfte in den Bundesländern. Im Mittelpunkt war allerdings jetzt die Diskussion der Erfahrungen beim letzten Einsatz und die Werbung, es unter veränderten Bedingungen noch einmal mit dem Konfliktmanagement zu versuchen. Die Einbindung der Führungskräfte und der Einsatzkräfte des eigenen Bundeslandes hatten unser besonderes Augenmerk.

Um nachhaltig bei den Bürgern des Wendlandes präsent zu sein und um dem irreführenden Gebrauch der Definitionsmacht über Begriffe wie z.B. Blockade und Gewalt entgegenzutreten, wurde eine Anzeigenkampagne in den regionalen Zeitungen gestartet. Die polizeiliche Bewertung des Tagesgeschehens, aber auch eigene Darstellungen und Appelle ermöglichten der Bevölkerung den Zugang zur polizeilichen Sicht der Dinge.





Ergebnis


Selbstverständliche Inanspruchnahme von KM
Geringere Zahl von Konflikten
Geringere Intensität von Konflikten
Weniger verletzte PolizeibeamtInnen
Polizei verändert erkennbar ihre Rolle
Polizei wird anders wahrgenommen.
Positive Imageveränderung von Polizei
Positivere Berichterstattung in den Medien
Thematisierung von Verantwortung
Initiierung von Diskussion über Rituale
Aktivierung der sprachlosen Mehrheit


Nachbereitung

Eine Bewertung des Konfliktmangements Castor II wurde vom Sozialwissenschaftlichen Dienst des Bildungsinstituts der Polizei des Landes Niedersachsen in Zusammenarbeit mit der Universität Hannover hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit polizeilicher Einflussnahme aus Sicht der Rollenbeteiligten durchgeführt:

Befragung von 430 am Castoreinsatz beteiligten Führungskräften
Auswertung der Erfahrungsberichte der MA Konfliktmanagement
Auswertung der Medienberichterstattung


Auswertung von Interviews:
Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz (BIU)
Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag
Gesamteinsatzleiter der Polizei Niedersachsen und des BGS
Regierungspräsidentin der BR Lüneburg
Landrat des Landkreises Lüchow/Dannenberg
Superintendent der evangelischen Kirche in Dannenberg




Ergebnis:



Die Führungskräfte erleben das Konfliktmanagement als hilfreich
Die KonfliktmanagerInnen fühlen sich angenommen und bewerten ihre Arbeit als erfolgreich
Die Medien akzeptieren Konfliktmanagement als Selbstverständlichkeit
Die Interviewten (außer dem Sprecher der BIU) kommen zu einem einhellig bejahenden Ergebnis bei der Frage der Sinnhaftigkeit von Konfliktmanagement
(Die Auswertungsergebnisse werden veröffentlicht.)



Resümee:

Der zweite Transport dieses Jahres fand unter veränderten einflussnehmenden Rahmenbedingungen statt. Der Anschlag in New York sowie die beabsichtigte Entsendung deutscher Soldaten nach Afghanistan interessierten in hohem Maße die Öffentlichkeit und damit die Medien. Auch diese Umstände haben sicherlich neben dem Konfliktmanagement und anderen Variablen den Verlauf des Castor-Einsatzes beeinflusst.

Im Ergebnis ist festzuhalten:

Das Konfliktmanagement hat sich als feste Größe im Castor – Einsatz etabliert. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen PolizeibeamtInnen und DemonstrantInnen haben abgenommen und die Zahl der Verletzten auf beiden Seiten ist stark rückläufig. Das ist ein hoffnungsvolles Zwischenergebnis, dessen Stabilität sich allerdings in den nächsten 10 Jahren andauernder Transporte erst noch erweisen muss.

Vor dem Hintergrund gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen Polizei und DemonstrantInnen in der jüngsten Vergangenheit in unterschiedlichen demonstrativen Großlagen im In- und Ausland erscheint es überlegenswert, ob dieses Konstrukt in situationsangepassten Formen nicht auch bei anderen Großeinsätzen berücksichtigt werden sollte. Eine repräsentative Befragung der am Castor – Einsatz beteiligten polizeilichen Führungskräfte ergab eine deutliche Zustimmung. Der Sozialwissenschaftliche Dienst (SWD) der Polizei Niedersachsen beabsichtigt, diese Frage auf nationaler und internationaler Ebene zu diskutieren.


@pig: wie d. cops d. sache sehen

11.11.2002 - 09:43
solche sachen gehören nicht zu den ergänzungen. sinnlose, ewig lange zitat, die z.t. nicht zur eigentlichen meldung gehören sieht man jetzt öfter. die ladezeit der seite nimmt zu und um zu den vielleicht wichtigen späteren ergänzungen zu kommen, scrollt man eine minute nach unten. bitte lass diesen müll oder arbeite die "news" auf und mach einen eigenen artikel daraus, aber nerv nicht andere beiträge damit :) danke und nix für ungut.