When in Rome ...

Jospeha Conrad & Tobias Hering 09.11.2002 12:51 Themen: Militarismus
Wir haben eine Videodokumentation ueber Antikriegsdemonstrationen in Chicago Anfang Oktober gedreht. Eine 10 Minuten Fassung kann auf der Website von Kanal B (www.kanalb.de) runtergeladen und angeschaut werden. Dazu gibt es ein paar Notizen, die wir als Text auf die Indymedia-site stellen moechten. Der Beitrag fasst den Faktenstand zusammen, der den Hintergrund des Films ausmacht, und verweist auf den Link zu Kanal B.
When in Rome …

Video-Dokumentation von Anti-Kriegs-Protesten in Downtown Chicago Anfang Oktober 2002, inclusive zwei Antworten auf die Frage, warum es ein Privileg ist, ein Amerikaner zu sein.
(ca. 10 ½ Minuten; zu sehen bei: www.kanalb.de)

von Josepha Conrad & Tobias Hering

Notiz zum Film:
Für den 6. Oktober hatte das Netzwerk "Not in our Name" in vielen us-amerikanischen Städten zu Protesten gegen Bushs Politik aufgerufen. Insgesamt gingen landesweit etwa 80000 Menschen auf die Straße. In Chicago waren es rund 3000. Das Timing der Proteste zielte auf die im Repräsentantenhaus und im Senat anstehenden Abstimmungen über Bushs Irakpolitik. Es ging dabei um den Umfang der an Bush übertragenen Vollmachten. Zur Abstimmung würde eine Resolution stehen, deren verschiedene Fassungen sich vor allem darin unterscheiden, ob sie Bush zur Rücksprache mit dem Senat und zur Kooperation mit der UN zwingen oder nicht. Die Proteste sollten die Senatoren und Repräsentanten daran erinnern, dass ein Krieg gegen den Irak nicht "im Namen des Volkes" geführt würde. Vor allem an die Adresse der demokratischen Abgeordneten, die im Senat eine Mehrheit haben, ging der Apell, Bush durch eine restriktive Resolution so weit wie möglich an die Leine zu legen. Die Proteste bleiben in den Mainstream-Medien so gut wie unerwähnt. Die "Chicago Tribune" bringt am nächsten Tag einen Vierzeiler mit Foto. Im Lokalteil. Die wenigen Sätze über Teilnehmerzahl und Inhalte werden dabei als ungesicherte Zitate der Organisatoren wiedergegeben. Obwohl die Veranstaltung direkt vor dem Redaktionsgebäude auf dem "Tribune Plaza" stattfand und die größte Demonstration in Chicago seit dem Golfkrieg unter Bush Senior war. In der selben Ausgabe des "Tribune" schreibt stattdessen der Kommentator Charles Kraushammer einen halbseitigen Verriss gegen die verbliebenen demokratischen Senatoren, die daran festhalten, Bush zu einer Kooperation mit der UN zu zwingen. "Unsere nationalen Interessen dürfen nicht an die UN abgetreten werden", fordert er, und fragt mit betonter Süffisanz, wieso die USA in außenpolitischen Fragen die Meinung anderer Länder einholen sollte: "Guinea? Kamerun?" Kraushammer fordert die "Feiglinge" auf, sich zurückzuhalten, und den Tapferen nicht in den Arm zu fallen. Am 8. Oktober folgen noch einmal etwa 1000 Menschen einem Demonstrationsaufruf der "Chicago Peace Response". Der Protestmarsch führt zum israelischen und zum britischen Konsulat. Am selben Abend hält George Bush vor einem geladenen Publikum in Cincinatti eine Rede über seine Irakpolitik, die als "Address to the Nation" live im Fernsehen übertragen wird. Im "Miller's Pub" in Donwtown Chicago läuft auf sechs Bildschirmen Baseball. Wir bitten den Barkeeper, wenigstens auf einem Bildschirm die Bush-Rede einzustellen. Unser Anliegen macht unseren Tresen-Nachbarn neugierig. Wir kommen ins Gespräch über die beschissene Lage im Allgemeinen, und über Saddam, Bush, Kamele, "Germany and its newly reelected President" im Besonderen. Und wir erfahren etwas über das Privileg, ein Amerikaner zu sein. Mittlerweile ist auf zwei Bildschirmen Bush zu sehen, allerdings ohne Ton. Unser Gesprächspartner verabschiedet sich und erinnert uns an die Regel: "When in Rome …" Drei Tage später entledigt sich der Senat mit einer soliden Zwei-Parteien-Mehrheit seiner verfassungsrechtlich vorgesehen Kontrollfunktion. Bush wird mit einer weitreichenden Ermächtigung ausgestattet, gegen den Irak "militärische Mittel" einzusetzen. Am selben Tag kommt aus dem hohen Norden die Meldung, dass der frühere Erdnussfarmer, spätere US-Präsident und heutige Menschenrechtsaktivist Jimmy Carter den Friedensnobelpreis bekommen wird. Am folgenden Wochenende treten Prince und Bruce Springsteen (unabhängig von einander) ihre Deutschlandtourneen an. Prince ohne the Revolution, dafür aber mit der New Power Generation, und Springsteen mit der E Street Band. In Berlin sehen 5000 Leute Prince und 10 000 Springsteen. Wieder eine Woche später gehen in Washington D.C. 100 000 Menschen gegen den drohenden Krieg auf die Straße. Und in Berlin 10 000 (ein Teil davon in Bruce-Springsteen-T-Shirts). In der darauf folgenden Nacht endet die Sommerzeit.
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Ergänzungen