Europäisches Sozialforum in Florenz

Dr.No 05.11.2002 12:11 Themen: Globalisierung Repression Soziale Kämpfe
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Update 11.11.
Am Sozialforum nahmen mehr als 60.000 Menschen teil. An einer Demonstration gegen Krieg und Kapitalismus nahmen heute zwischen 500.000 bis 1.000.0000 Menschen teil

Am 6.11. begann in Florenz das erste europäische Sozialforum (ESF/FSE), einem kontinentalen Ableger des Weltsozialforums (WSF).

Hier trafen sich die verschiedenen sozialen Bewegungen, Netzwerke und Gruppen, um über Alternativen zum Bestehenden und Strategien zu beraten. Während beim letzten WSF in Porto Alegre mehr als 60.000 Menschen anwesend waren, nehmen ESF etwa 20.000 bis 30.000 teil, die Schätzungen für die Friedensdemonstration am 9.11. reichen von 500.00 bis zu einer Million TeilnehmerInnen. An der Eröffnungskundgebung nahmen etwa 30.000 Menschen teil. Programm | Abschlussbericht

Kapitalismuskritische Netzwerke und Gruppen, wie das Netzwerk Peoples' Global Action - welches mit der Initiierung der Global Action Days die Dynamik der globalen Protestbewegung mit antrieben - kritisieren vor allem die teilweise staatstragende Ausrichtung der Sozialforen und die Dominanz finanzkräftiger NGO's. Dennoch gehen von den Sozialforen wichtige Impulse für die Bewegung aus.
Zusätzlich zu dem offiziellen ESF Gelände finden noch an zwei weiteren Orten interessante Veranstaltungen statt. Die Bewegung der Disobbedienti plant im Hippodrom die Projekte global TV und global radio, während andere aktivistische Gruppen den Euraction Hub als ein Medienlabor und als Ort für Workshops ueber unhierarchische Organisationsformen eingerichtet haben. Beide Netzwerke wollen hierdurch ihre spezifischen Ansaetze verdeutlichen und Negativentwicklungen, wie einer Institutionalisierung der Bewegung begegnen, sehen sich aber gleichzeitig als Teil des ESF. weiter
Die italienische Regierung versucht die Konferenz - mit Unterstützung anderer Regierungen - zu kriminalisieren. In den gleichgeschalteten italienischen Medien - alle Radio- und TV-Stationen sind unter Berlusconis' Kontrolle - werden Geschichten von Bombendrohungen, Terroristen und einem gigantischen BlackBlock, dem auch attac (!) angehören soll, verbreitet.
Diese Neuauflage der Strategie der Spannung hatte bereits vor den Ereignissen in Genua (weiteres: 1, 2, 3) Schlimmes ahnen lassen. Auch deutsche Medien übernehmen zumindest teilweise die Falschberichterstattung. Mehr als 6000 Polizisten sind bereits in Florenz, um Repression gegen die Konferenz auszuüben, seit dem 1.11. wurde das Schengen-Abkommen de facto ausser Kraft gesetzt. Mehr als 1000 Menschen wurden seitdem der Grenzübertritt verwehrt. Für den Freitag ist in Chiasso deshalb eine Demonstration geplant. An der Grenze wurden ausserdem Zwei ReferentInnen des ESF verhaftet. weiter

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Texte bei Indy.de


Euraction Hub während ESF in Florenz

Der autonome Raum Euraction Hub in Florenz wird sich im "Parterre" auf der Piazza Libertà befinden, 5 Minuten vom Stadtzentrum von Florenz entfernt, gleich neben dem Fortezza da Basso, der Festung die Austragungsort des Europäischen Sozialforum ist. Mehr als 30 Workshops wurden für das Hub vorgeschlagen, die im Wesentlichen an zwei Tagen statt finden, und am Samstag wird im Rahmen des ESF eine große Demo gegen Krieg veranstaltet.
Eine vorläufige Übersicht über die geplanten thematischen Gebiete: ..... im Text


Grenz-Werte aus Italien

Seit dem 1.11. hat die italienische Regierung wieder Grenzkontrollen eingeführt, die bis zum Ende des Europäischen Sozialforums (ESF) andauern sollen. Und warum? Weil die Kunstschätze von Florenz bedroht seien. Sagt Berlusconi.(Und der Spiegel)

Das bedeutet, dass es für viele der TeilnehmerInnen des ESF in den nächsten Tagen Schwierigkeiten bei der Einreise nach Italien geben wird bzw. bereits gibt. (Mit Presseschau. )

Konkret haben die Schwierigkeiten am Wochenende begonnen: An der französisch-italienischen Grenze wurden zahlreiche Menschen, PKW und LKW kontrolliert. 12 Personen wurde am 1.11. am Grenzübergang Monte Bianco die Einreise verweigert. Begründung: frühere Ermittlungsverfahren, ungültige Dokumente und das Mitführen von gefährlichen Materialien [ANSA]. Am Grenzübergang Ventimiglia wurde nach einem Bericht der italienischen Zeitung 'Il Manifesto' bereits am Freitag 17 Personen die Einreise verweigert. Drei Leuten aus Frankreich mit früheren Verfahren wurde der Grenzübertritt verweigert, weil sie drei Messer mit sich führten, 14 MigrantInnen wurden abgweisen, weil sie keine Papiere und Genehmigungen vorweisen konnten.

Die bisherige Kontrollpraxis scheint sich auf zwei Gruppen zu konzentrieren: auf MigrantInnen ohne gültige Papiere und Leute, gegen die italienische Behörden bereits in der Vergangenheit ein Verfahren angestrebt haben. Insbesondere trifft das diejenigen, die während der Proteste gegen den G8 in Genua von der italienischen Polizei festgenommen wurden. Gegen viele/die meisten wurde ein Einreiseverbot für Italien verhängt. Welchen Status diese Einreisebeschränkungen habe ist völlig unklar.

Der Abgeordnete von Bündnis90/Die Grünen im Deutschen Bundestag Hans-Christian Ströbele versuchte, mit einer Anfrage (vom 25.10.2002) an das Auswärtige Amt Licht in die Angelegenheit zu bringen.
"Einreiseverbote nach Italien für deutsche Demonstranten und Demonstrantinnen nach deren Festnahme in Genua Mehrere der von den Maßnahmen der italienischen Polizei in Genua im Sommer 2001 Betroffenen haben sich an mich gewandt mit der Bitte um Klärung, ob Probleme entstehen, wenn sie wieder nach Italien reisen. Ich bitte deshalb, mir mitzuteilen, ob die im letzten Jahr von den italienischen Behörden verhängten Einreiseverbote noch bestehen oder andere Probleme zu befürchten sind. Seinerzeit hieß es, die Einreiseverbote seien aufgehoben.
Für eine baldige Nachricht wäre ich dankbar."

Die Antwort des Auswärtigen Amtes vom 30.10.2002:

"Zu Ihrer Anfrage vom 25.10.2002 bezüglich Einreiseverbotes nach Italien für deutsche Demonstranten und Demonstrantinnen nach deren Festnahme in Genua kann ich Ihnen folgendes mitteilen:
Nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes wurden die 5-jährigen Wiedereinreisesperren pauschal in Wiedereinreisesperren für einen "angemessenen Zeitraum" umgewandelt. Ob dieser Zeitraum inzwischen abgelaufen ist, oder ob spezielle Einreisegenehmigungen weiterhin erforderlich sind, kann nur - im Einzelfall - von den italienischen Behörden beantwortet werden. Die betreffenden Personen müssten sich hierfür an das italienische Innenministerium oder die italienische Botschaft in Berlin wenden. Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weitergeholfen zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen ..."

Abgesehen von den freundlichen Grüssen keine besonders freundliche Nachricht. Wer würde schon den italienischen (oder auch deutschen) Behörden im Vorhinein mitteilen wollen, dass er oder sie plant, wieder nach Italien zu reisen, um bei einer Veranstaltung dabei zu sein, die Berlusconi am liebsten verboten hätte? Insbesondere, wenn die Erlebnisse vom letzten Jahr noch gut in Erinnerung sind.


Eine andere Welt ist möglich! - Gegen Neoliberalismus und Krieg

Günter Melle 06.11.2002
Vor einem Jahr im Juli ging die Fahrt ebenfalls über die Alpen, um an der großen Manifestation der Gegner einer neoliberalen Globalisierung in Genua teilzunehmen. Die Fahrt wurde zu einem einzigen Horror und einem Lehrstück in Sachen neoliberaler Demokratie. Anstatt der beabsichtigten Erklärungen der G8 - Regierungschefs, Grenzen abbauen zu wollen, fanden wir uns in einem Europa der Kleinstaaten wieder, und einer modernst ausgerüsteten Grenzkontrolle gegenüber, die unsere amtlich erfassten Identitäten durch die Polizeicomputer filtrierte. Als zusätzliche Gratislektion gab es Anschauungsunterricht zum Thema Liberalität in Form von Leibesvisitationen, Einreiseverboten und Aufmarsch furchterrregender Spezialeinheiten der Carabinieri, die an die Schwarzhemden des römischen Faschismus erinnerten. In Genua erfuhren wir dann, wie eine Metropole über Wochen hinweg von einem Regime des nackten Polizeistaates terrorisiert wurde, sodass es viele Genueser Bürger vorzogen, ihre Stadt zu verlassen und die Tage bis zum Ende des G8 bei Verwandten zu verbringen. Worte vermögen nicht zu beschreiben in welcher Situation sich die Hafenstadt zeigte. Bürgerkriegsstimmung, Chile, Faschismus - viele Interpretationsversuche, viele Vergleiche - und sicherlich ist es möglich und legitim die persönlichen Erlebnisse dieser Genueser Sommertage im Spiegel historischer Ereignisse zu reflektieren, zumal über die gesellschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte nur wenig soziokritische Analysen vorliegen.

Ein wichtiges Merkmal dieser Entwicklung stellt der systematische Abbau demokratischer und sozialer Rechte dar, wobei die ideologischen Komponenten und ihre materiellen Voraussetzungen darauf bedacht sind, zu entpolitisieren, zu neutralisieren und zu isolieren. Bereits in den siebziger Jahren wurde diese Entwicklung in der BRD durch die Sozialdemokratie vorangetrieben, wobei der Radikalenerlass, die Säuberung der öffentlichen Institutionen von staatlich ausgemachten Feinden der Demokratie garantierte und eine sozialdemokratische Hochschulreform für die Verschulung des Hochschulbetriebes wie für die Entpolitisierung der Studenten und der Heranbildung von Fachidioten diente. Der Kahlschlag in den Bildungseinrichtungen fand sein Gegenstück in Betrieben und Fabriken, mit der systematischen Aufweichung gewerkschaftlicher Rechte und einer kontinuierlichen Verschlechterung der Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung. Die letzten wilden Streiks in der BRD datieren aus dem Jahr 1973 und sie gingen im gemeinsamen Konzert von Betriebsleitung, korrumpierten Betriebsräten, Staats- und Polizeiapparat unter.

Mittlerweile haben bereits zwei Generationen eine soziale Wirklichkeit kennengelernt, die sie zu leidenden und ohnmächtigen Subjekten nicht veränderbarer objektiver gesellschaftlicher Prozesse machte. Die Mehrheit der arbeitslosen Jugendlichen empfinden ihr Schicksal ebenso wie der 50ig jährige Arbeiter als individuelles Versagen und das System der Verwaltung und Reglementierung von Arbeitlosigkeit suggeriert ihm hartnäckig, dass die Ursache dafür in einer Fehlentwicklung seiner Biographie zu suchen ist. In Deutschland hat zudem ein Prozess stattgefunden, der Tabula Rasa mit Denken, Kultur und Traditionen der Arbeiterbewegung machte. Kollektives Empfinden und Bewußtsein über die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Klasse wurden zugunsten einer sozialdemokratischen Ideologie des Besitzstandes und der Anpassung an die bürgerlichen Werte der Konkurrenz und des Individualismus aufgelöst. Wer als Arbeiter in diesem System unter die Räder kommt, hört nicht einmal mehr den Ruf seiner im Kampf mit dem Kapitalismus entstandenen Organisationen nach Solidarität und Zusammenhalt der Klasse.

Die Arbeiterklasse ist tot, heißt es, die neue industrielle Revolution habe sie entbehrlich gemacht. Doch mit diesen Unkenrufen neoliberaler Ideologen wurden zugleich neue und doch ganz alte Töne vernehmbar, die nie verstummen werden, solange die menschlichen Gesellschaften auf Armut, Hunger, Sklaverei und Krieg gebaut sind. Es sind die Klänge dieser alten Geschichte, die José Saramago im Pariser Zenith am 19. Januar 2002, anlässlich der Verkündung des Manifests von Attac-Frankreich, erzählt. Die alte Geschichte eines Bauern, der die Kirchglocken läutet, um seinen Mitbewohnern im Dorf zu verkünden: ,,Die Gerechtigkeit ist tot!" Mehr als ein Jahrzehnt verkündeten die Sieger des siedend heißen ,,Kalten Krieges", wie es Subcommandante Marcos ausdrückte, dass der Weg zur Glückseligkeit der Menschheit in wirtschaftlichen Wachstumsraten, satten Profiten, der freien Konkurrenz und der Öffnung der Märkte liegt.

Doch sie haben vergessen, dass bei all ihrem Siegesgeheul die Geschichte ihr Recht einklagt. Als 1871 das Pariser Proletariat den Versuch einer anderen Welt wagte, starben die Besten im Kugelhagel der Mitrailleusen auf dem Friedhof Pair La Chaise. Doch die Comune war geboren und mit ihr die Erkenntnis, dass eine andere Welt möglich ist. Seither wurden neue Versuche gewagt, die scheiterten und gnadenlose diktatorische und menschenverachtende Regimes produzierten. Ihnen als Nachruf diene das Kommunistische Manifest mit dem unmißverständlichen Gedankengang: ,,Die Bourgeoisie reißt durch die rasche Verbesserung der Produktionsmittel, durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation. Die wohlfeilen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schießt, mit der sie den hartnäckigsten Fremdenhass der Barbaren zur Kapitulation zwingt. Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen; sie zwingt sie, die so genannte Zivilisation bei sich selbst einzuführen, d.h. Bourgeois zu werden. Mit einem Wort sie schafft sich eine Welt nach ihrem Bilde."

Eine andere Welt ist möglich? Sie ist notwendig, denn deutlicher denn je zeigt die kapitalistische Gesellschaft, dass ihr Konzept des wirtschaftlichen Wachstums zum Zwecke der Gewinnmaximierung die Welt an den Abgrund geführt hat. Und sicherlich war sie nicht so friedlich wie es das Zitat suggeriert. Die moderne Bourgeoisgesellschaft hinterließ eine breite Blutspur, die schwere Artillerie der Preise wurde zur Not um die Artillerie schwerer Waffen ergänzt. So als sei sie nicht bereit ein Voranschreiten der menschlichen Geschichte zu akzeptieren, hat sie die Voraussetzungen zur Vernichtung von Mensch, Natur und dem Planeten Erde geschaffen. Dem hartnäckigsten Fremdenhaß der Barbaren setzte sie die Barbarei gegen das Fremde entgegen. Zwischen den sich als das freiheitlichste Land rühmenden Vereinigten Staaten und ihrem südlichen Nachbarn Mexiko zieht ein eiserner Vorhang die Grenze zwischen Arm und Reich und dieses Modell menschlichen Fortschritts hat es bis heute nicht vermocht, auf dem eigenen Kontinent für seine Akzeptanz zu sorgen. Gerade in der Hochburg neoliberaler Entwicklung zeigt sich ein deutliches Scheitern dieses Konzeptes. Argentinien, Ekuador, Bolivien, Brasilien stehen vor dem wirtschaftlichen Ruin und der Großteil ihrer Bevölkerungen leben in existenzieller Unsicherheit, leiden unter extremer Armut.

Eine andere Welt ist notwendig und möglich, doch wie soll sie aussehen? Sie ist sicherlich kein künstliches Produkt, geplant in den Gehirnen einiger weniger philantropischer Denker. Sie ist sicherlich auch kein zurück in die Zeiten des zähmbaren Kapitalismus von Keynes. Sie beginnt, wo Menschen sich in allen Teilen der Welt zusammentun und in der Auseinandersetzung mit den neoliberalen Konzepten alternative Formen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens erproben. Und sicherlich ist sie auch kein zurück in Zeiten einer starren Nomenklatura, die zum Erhalt ihrer eigenen Kaste gebetsmühlenhaft die Dogmen eines zur Heilslehre erstarrten Kommunismus oktroyiert, der hörige Untertanen und beflissene Schlächter heranzieht. Und an dieser anderen möglichen Welt wird mit Entstehen der neuen Bewegung aktiv gearbeitet. Sie entsteht da, wo Intellektuelle anstatt ihren Denkfabriken zu dienen, in ihren Ausdrucksmöglichkeiten die Realität eines G-8 Gipfels beschreiben. Sie beginnt da, wo die von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeiter in den Fabriken über Besetzungen und Übernahmen diskutieren. Sie beginnt da, wo Schüler und Studenten, Lehrer und Wissenschaftler ihre Fähigkeiten und ihr Wissen über den Tellerrand ihrer Fachgebiete schauen und sich fragen: ,,Wem nützen sie?"

Das Europäische Sozialforum wird diesen Prozess der Diskussion und des Erfahrungsaustausches der vielfältigsten Gruppen aus Ost und West, aus Nord und Süd weiter voranbringen und im Rahmen des weltweiten Kampfes gegen die neoliberale Globalisierung reflektieren. Zum zweiten Mal hat die Berlusconi-Regierung wegen der Gegner einer neoliberalen Globalisierung Alarm geschlagen und wiederum das Schengener Abkommen außer Kraft gesetzt. Die Grenzen sind dicht und der Staatsapparat gerüstet. In Florenz wurden die Gefängnisse geräumt und die Gefangenen nach Süd- und Mittelitalien verlegt. Der Regierungschef selbst hat das Stichwort gegeben und äußerte, er sei sich sicher, dass es wie in Genua zu Ausschreitungen und Verwüstungen käme. Doch die semifaschistische Regierung Italiens wird trotz aller ausgeheckten Pläne von Gewalt und Repression nicht verhindern können, dass dieses Treffen ein Erfolg werden wird. Bereits vor Beginn mußte sie ihre Verbotsabsichten zurücknehmen. Organisationen, Rechtshilfegruppen und Parlamentarier haben angekündigt an den Grenzübergängen anwesend zu sein, um das Grundrecht auf Reisefreiheit und körperliche Unversehrtheit durchzusetzen.

So bleibt zu wünschen, dass die Tage vom 6. - 10. November fruchtbare Tage der Diskussion und des Austausches werden und jeder der über tausend Teilnehmer aus Deutschland mit Eindrücken und Gedanken im Gepäck zurückreist, die auf lokaler Ebene die Bewegung gegen die neoliberale Globalisierung weiter stärken werden.


Viel Ärger um Florenz

Schneller Bericht zum aktuellen Stand in Sachen SFE, als Ergänzung der Meldung "Italien macht die Schotten dicht".

Das mit den Grenzen steht schon seit Tagen fest. Schengener Konvention. Zum SFE werden ab 1. November Grenzkontrollen nach § 2 Art.2 durchgeführt.

Detaillierter Hintergrundbericht kommt, aber erst wenn die morgige Kabinettsitzung in Rom stattgefunden hat. Da soll nämlich noch mal über Florenz debattiert werden. Hierfür sagte der Innenminister Pisanu einen Termin in Florenz ab, bei dem er ein Protokoll zum Thema Sicherheit hätte unterschreiben sollen. Das verheißt nichts gutes. Es geht um nicht weniger, als um den fortgestzten Versuch, das Treffen gänzlich abzublasen, oder es zu verlegen, obwohl die bisherigen, sehr massiven Versuche, dies zu erreichen, gescheitert sind.

Der Bürgermeister von Florenz und der Präsident der Region Toscana, die dafür sind, das das Treffen stattfindet und derzeit unter Massivem Druck durch die Regierung stehen, wurden aufgefordert, an der Kabinbettssitzung in Rom teilzunehmen. Verteter der Berlusconi-Partei Forza Italia wollen den Bürgermeister sogar für etwaige Schadensereignisse haftbar machen.

Zur Stunde findet eine Sitzung des CoPaCo statt, der parlamentarischen Kommission für die Geheimdienste. Diese spielt die ganze Zeit schon eine wichtige Rolle, der Innenminister Italiens traf sich in den letzten Wochen des öfteren mit ihren Mitgliedern zum Thema Sicherheit bezüglich des Treffen. Ergebnis: 5-6000 ausländische Leute bedrohen die florentiner Kunstschätze und den amerikanischen NATO-Stützpunkt Camp Darby, zwischen Florenz und Pisa, wo eine grosse Antokriegsdemonstration stattfinden soll.

Gruppen wie Globalize Resistance, die kürzlich (friedlich!) 400000 Menschen in U.K. gegen den Krieg mobilisierten und andere, darunter auch Attac Deutschland, werden hemmungslos kriminalisiert. Mehr im versprochenen Hintergrundbericht.

Die Infos zu den Bedrohungen kommen wie immer aus der Ecke der Geheimdienste und der internationalen europäischen Polizeien. Ein "internationaler Polizeisaal" ist für die dauer des Treffens in Florenz vor Ort eingerichtet. Was den Nato-Stützpunkt betrifft hat die amerikanische DIA einiges beigesteuert. In der Wochenzeitschrift "Vigileer" des amerikanischen Stützpunkts im italienischen Aviano wird auf eine mögliche Bedrohung von Camp Darby hingewiesen. Im gleichen bericht steht auch, wenn auch ohne direkte Anspielung auf Camp Darby, dass Italien in Sachen Grad der terroristischen Bedrohung soeben nach oben umgestuft wurde.

Vor dem 100 Städte Aktionstag gegen den Krieg vor einigen Wochen rieten die amerikanischen Behörden ihren Staatsbürgern, sich vor "mass rallies" in Acht zu nehmen, jetz wird den soldaten so allerlei geraten. Provokationen, Spaltungsversuche, Diffamierungen und Angst/Panikmachen häufen sich seit Wochen täglich, jetzt scheint es aber schon stündlich so weiterzugehen: hier tauchet eine Bombenattrappe auf (wohl römische Journaille, die ein Bericht über die Terror-Bedrohung schreiben wollte. Die beiden wurden zur Wache gebracht. Anderswo wurde eine Uni wegen Bombenalarm evakuiert), da wird von einem Bürgermeister verlangt, die volle Verantwortung zu übernehmen, falls er weiter dabei bleibt, das Treffen steigen zu lassen. Ein Zeichen, dass er unter Druck steht ist mit Sicherheit die Direktive, die er zum Demonstrieren während des Treffens herausgab: 2 Tage vor bis 2 Tage nach dem Treffen dürfen nur die offiziellen SFE-Demonstrationen stattfinden. Sonst nix. Auf das Vorbereitungskommittee wird Druck gemacht, um zu erreichen, dass sie eine Klausel unterschreiben, die den sofortigen Abbruch (also die Auflösung) des Treffens beim geringsten Zwischenfall vorsieht.

Sehr Prominente SFE-Leute haben inzwischen eine öffentliche Distanzierung von Gewalt verfasst, unterschrieben und öffentlich gemacht. Das allerneueste ist jim Augenblick der Plan des Innenministers, eine Kommission aus Bürgermeistern und Kunstexperten mit der Definition ständiger "Roter Zonen" in Italien zu beauftragen. Wegen der Kunstschätze, so der Minister. Derweil rennen immer mehr Zivilbeamte mit Stadtplan durch die Stadt. Die Kartoffel ist wohl mehr als heiß: es riecht angebrannt.

Wie auch immer: was die Grenzen betrifft, handelt es sich um die Anwendung des 2 § des Art. 2 der Schengener Konvention. Das wird ein Präzedenzfall: In Florenz findet ein Treffen von Unten statt, aber ohne "vor Protest zu beschützende" g8er oder sonstige Prominenz, deshalb der Hick-Hack mit den Kunstschätzen. Die Online-Zeitung Alto Adige berichtete vor einigen Tagen, dass etwa 40 Carabinieri und zahlreiche Angehörige der Polizia zur verstärkung der an der italienischen Seite des Brenners bereits bestehenden Kräfte abkommandiert wurden. Carabinieri und Polizia werden auch die anderen Beiden Südtiroler Grenzstellen San Candido in Pusterla und Malles in val Venosta belegen.


Stimmungsmache gegen das ESF in Florenz

Nächste Woche findet in Florenz, Italien, das Europäische Sozialforum statt; eine der Vorbereitungskonferenzen zum nächsten Weltsozialforum in Porto Alegre 2003. Parallel gibt es einen sog. 'Autonomen Raum', der Diskussionen und Aktionen derer bündelt, die sich nicht vom semi-professionellen 'Conferencing' vereinnahmen lassen wollen. Es werden 10.000e Menschen aus ganz Europa zu einem Ereignis erwartet, das wichtige Diskussionen der (nicht mehr so) neuen Bewegung, die oft kurz Anti-Globalisierungsbewegung genannt wird, ermöglichen soll. Miteinbezogen ist dabei die wachsenden Antikriegsbewegung; ein Schwerpunkt liegt auf dem Thema Migration.

Die italienische Regierung versucht - nicht überraschend - schon im Vorfeld alle zu kriminalisieren, die teilnehmen wollen und wird dabei von deutschen kommerziellen Medien sekundiert.

Hatte irgendjemand am Sinn von Indymedia gezweifelt? Gut so. Es gibt jede Menge Gründe dazu. Glücklicherweise gibt es aber auch immer wieder gute Gründe, an seinen Sinn zu glauben, zuletzt diese Woche nach der Lektüre des 'Spiegel':

In einer netten kleinen Meldung, gewissenmassen einer Agenturmeldung, in der Rubrik 'Panorama', werden wir auf das bevorstehende Europäische Sozialforum 6.-10.11.02 in Florenz eingestimmt.

"Italien. Marsch auf Florenz.

Sicherheitsdienste warnen vor einer Neuauflage der Straßenschlachten beim G-8-Gipfel im Juli vorigen Jahres in Genua. (...) Doch etwa 6000 'Extremisten', behauptet Roms Innenminister Giuseppe Pisanu, könnten sich in krimineller Absicht unter die Demonstranten mischen. Allein in Deutschland und Griechenland hätten sich mindestens 1500 einschlägig bekannte Gewalttäter 'die Bus- und Schiffstickets schon gekauft'. Aus Frankreich seien Mitglieder des 'No Border'-Netzwerks im Anmarsch, die im Sommer in Straßburg für Randale gesorgt hätten, aus Spanien reisten Sympathisanten der baskischen Separatistenorganisation Eta an. Sie alle planten, Banken und Geschäfte zu besetzen; die kostbaren Kunstschätze der Kulturstadt Florenz drohten 'zu Geiseln oder Opfern von Gewalt' zu werden. (...)" (Der Spiegel 44/2002, S. 112)

Dann wird berichtet, dass Italien plane, so kreativ wie schon bekannt mit dem Schengener Abkommen umzugehen und wieder Grenzkontrollen einzuführen und schließlich wird impliziert, dass, obwohl die VeranstalterInnen darauf hinweisen, dass es sich bei den Aktionen um solche symbolischer Art handele, es sicher nicht dabei bleiben werde.
Nun könnten wir denken, es handelt sich ja bloß um ein winziges Textchen, und eigentlich zitiert der Siegel ja auch bloß, was die italienische Regierung sagt. Nur: wieso macht der Spiegel das? Können die nicht selber denken? Ist jetzt wieder Normalität eingekehrt und geglaubt wird, was der Präsident sagt, und wenn er Berlusconi heißt? Haben die bestbezahlten JournalistInnen der Nation das Recherchieren verlernt? Waren glücklicherweise keine ihrer Kolleginnen dabei, als letztes Jahr in Genua kräftig zugeschlagen wurde? Waren die alle im Urlaub?

Auch damals bemüßigten sich die meisten VertreterInnen des deutschen Blätterwalds, Proteste gegen die kapitalistische Globalisierung und Aktionen gegen Versammlungen derjeniger, die für sie verantwortlich, sind nach Kräften zu diskreditieren. Das hielt an bis etwa 2 Tage nach dem Überfall italienischer Polizisten auf die Diaz-Schule und das Genua Sozial Forum - danach konnte eigentlich keine Zeitung bei der bisherigen Linie bleiben und die italienische Regierung rutschte für ein Weilchen auf die mediale Anklagebank.

Je nach Ausrichtung hielt diese Tendenz mehr oder weniger lange an.

Dieses Jahr gab es rund um den Jahrestag der G8-Proteste in Genua viele Berichte zu den Ereignissen in Genua gerade auch in den Mainstream-Medien (Übersicht). Der Spiegel hatte offenbar nichts dazugelernt und fand immer noch, dass es sich um den "Jahrestag der gewalttätigen Proteste von Genua" (Titel) handelte (bedauerlicherweise ist der Artikel auch im Netz kostenpflichtig: ? 0,40).

Dabei hatte doch die selbsternannte JounalistInnen-Elite des renommierten Spiegel noch vor ein paar Wochen unsauberes Recherchieren bei anderen kritisiert. Mit den unbequemen Fragen zum 11.September wurde folgendernmaßen abgerechnet: alles Verschwörungstheoretiker, die "die Wahrheit verdrängen, um die Weltanschauung nicht ändern zu müssen. (...) Die vergeuden ihre Energie in den Maschen des World Wide Web, statt im konkreten Hier und Jetzt fehlende Fakten auszuforschen." (Der Spiegel 42/2002, Die September-Lüge, S. 81). Der journalistische Ethos der Spiegelredaktion in allen Ehren. Im Falle der Florenzmeldung hätten fünf Minuten bei Google oder Indymedia gereicht, um herauszufinden, dass die Fakten nicht so ganz stimmen...

Wer wirklich wissen will, was nächste Woche passiert, kann das hier nachlesen - nur die Aufrufe, brandschatzend Michelangelos Kunstwerke zu entführen, habe ich nirgends gefunden.

Das Europäische Sozialforum
Die Ergebnisse der PGA-Konferenz in Leiden diesen Sommer dazu
Die Website 'Autonomous Space in Florence' von PGA mit dem Ergebnis des Workshops beim No-Border-Camp in Strasbourg und diversen weiterführenden Links (wundersamerweise keine Aufrufe, Florenz in Schutt und Asche zu legen).
Beschlossen wurde der 'Autonome Raum' während des ESF parallel zum letzten Vorbereitungstreffen in Barcelona am 5.10.: "Vom Autonomen Raum zur Raumbefreiung"
Eur@ction Hub Project, die Website zum Autonomen Raum

Und weil's wohl so schwer zu finden scheint (?), hier noch einmal der Link zum Noborder-Netzwerk.

+++ Letzte Meldung: Trotz starken Drucks von Berlusconi hat sich die Stadt Florenz entschieden, das ESF stattfinden zu lassen +++


Das SFE und das Erdbeben

In den vom Erdbeben betroffenen Gebieten kämpfen Hunderte mit blossen Händen mit dem Schutt, Verletzte brauchen Hilfe und Obdachlose Unterkunft, unterbrochene Leitungen müssen gesichert/wiederhergestellt werden und so weiter. Die hochqualifizierten Mobilen Kolonnen (Katastrophenschutz)der toskanischen Feuerwehr sind wegen SFE-Bereitschaft als einzige im ganzen Land nicht dabei.

Text in deutscher Übersetzung:

Vom Zivilschutz zur Sozialrepression: Kurzer Artikel über Umwandlungen der Feuerwehr

Erdbeben in Sizilien und Molise: die Feuerwehrleute der Toskana SIND NICHT DABEI weil sie aus "Sicherheitsgründen" ZWECKFREMD beim Europäischen Sozialen Forum eingesetzt sind.

Florenz. Die RdB Feuerwehrleute der Region Toskana wollen hiermit die Öffentlichkeit über folgenden überaus schwerwiegenden Vorfall informieren:

wie schon mehrmals von uns öffentlich gemacht, werden Feuerwehrleute für Aufgaben verwendet, die herzlich wenig dem Charakter der Einrichtung entsprechen. Etwa 80 Einheiten aus der ganzen Region werden in den nächsten Tagen nach Florenz umgesteuert, das Personal in Florenz selbst wird mit der Aufhebung der Ruhezeiten, die im Manteltarifvertrag festgelegt ist, konfrontiert sein, weitere werden unter dem Personal als Freiwillige angeworben.

Wofür?

Um einen in die öffentliche Sicherheit integrierbaren Dienst für das was während des Sozialen Forums geschehen könntebereitzustellen.
Die Mobilen Kolonnen von GANZ ITALIEN sind nach Sizilien und Molise gefahren: die TOSKANA ist aus den Hilfeleistungen für die Bevölkerungen "virtuell" ausgeschlossen. Die Verwendung von Personal für nicht institutionsgemäße Aufgaben angesichts des gegenwärtig dominierenden chronischen Personalmangels bedeutet für die Bevölkerung den Entzug des kostbaren Beitrags der mobilen Kolonne einer ganzen Region und damit einer hohen Zahl von Profis mit langjähriger Erfahrung im Katastrophenschutz bei Erdbeben, Überflutungen und mehr.

Die Feuerwehrleute der RdB bedauern, dass sie der Bevölkerung nicht zu Hilfe kommen können, wie es von der Kompetenz her eigentlich sein sollte, wegen der Beben, weil sie statt dessen wegen möglicher Konsequenzen möglicher Unruhen Bereitschaft halten müssen. Die RdB will kein Komplize eines Systems sein, in dem derartige Verbiegungen heranreifen.

31/10/2002 - RdB PI Settore Vigili del Fuoco

Bildergalerien RdB auf den Generalstreiks Fruhjahr und Herbst 02:

http://www.rdbcub.it/160402fotoroma.htm (Rom)

http://www.rdbcub.it/sciop_181002foto.htm (Im ganzen Land)
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Ergänzungen

Kriminalisierung und Spaltungsversuche

Berliner 05.11.2002 - 13:04
Besonders die deutsche Rolle gilt es dabei zu betonen. Schily hat sich ja mehrmals vor und nach Genua mit Faschisten um Scajola getroffen, um Strategien gegen die Linke zu entwickeln.
Aufgrund der Massivität der Repression wird eine Spaltung allerdings erschwert.
Auf Deutschland wird das ESF wohl weniger Einfluss haben: Die Bewegung ist einfach an uns vorbeigegangen. Zu sehr wird an Ideologien festgehalten und zu wenig die Realität beachtet und nebenbei wird jeder Versuch etwas Neues aufzubauen kaputt gemacht (Motto der Ideologen dabei: "Was Du nicht beherrschen kannst, zerstöre")
Einige wenige Ansätze, die aber Hoffnung machen: Oekonux und Consulta.
 http://www.indymedia.de/2002/11/33049.shtml

Institutionalisierung und so

HanZ 05.11.2002 - 15:18
Das ist eine der zentralen Fragen: Inwieweit wäre eine Institutionalisierung das Ende und inweweit steht diese wirklich zur Debatte. Ich hoffe auf ne Menge Berichte und wünsche denen, die ins ESF gehen alles Gute!
Was die Repression angeht: Die ist zwar für Italien typisch (um das Jahr 1980 wurden mehr als 10.000 Oppositionelle einfachmal so in den Knast gesteckt...), aber auch in Florenz dürften deutsche Beamte sein, um den Bullen dort zu helfen.

Who controls the ESF?

see url 06.11.2002 - 13:18
Link:

Medienkonzerne als Gefahr für die Demokratie

flopitz 07.11.2002 - 21:15
„Medien und Demokratie. Information im Zeitalter der Globalisierung“. Das war das Thema eines der heutigen Seminare auf dem ESF in Florenz. Granville Williams von der britischen Journalistengewerkschaft (International Federation of Journalists) und zahlreiche andere Redner haben auf dem ESF wieder einmal auf eine unterschätzte Gefahr hingewiesen. In zahlreichen europäischen und außereuropäischen Ländern, gibt es seitens Politik und Wirtschaft Bestrebungen, die bisher relativ unabhängig berichtenden öffentlich-rechtlichen bzw. staatlichen Medien zu privatisieren und so einen Paradigmenwechsel einzuleiten.

So soll das zweite Programm des portugiesischen Fernsehens in den nächsten Jahren in private Hände übergehen. In Großbritannien gibt es gar Pläne die BBC zu einem Bezahlsender umzufunktionieren. Druck auf die Politik machen in dieser Hinsicht die großen Medienkonzerne wie AOL/Time Warner, Vivendi Universal und Bertelsmann sowie die Medienunternehmer Rupert Murdoch und Silvio Berlusconi.
Allzu gerne würden sich die genannten Konzerne die nicht-kommerziellen Rundfunk- und Fernsehsender einverleiben und damit eine lästige Konkurrenz beseitigen.
Was das für das Programm bedeuten würde, lässt sich unschwer erraten. Die ohnehin schon spärlich gesäte und oft auch tendenziöse Grundversorgung der nicht-kommerziellen Sender würden den Profitinteressen der Konzerne geopfert. Gameshows statt Politischer Berichterstattung.

Alternative Medien und die wenigen noch unabhängigen Zeitungen seien da zwar erfreuliche Entwicklungen und Ausnahmen, so die verschiedenen Redner auf dem Seminar. Doch diese könnten alleine nicht in der Lage wichtige Aspekte auf die politische Agenda zu setzen.
„Politischer Protest der nicht in den Massenmedien stattfindet, findet überhaupt nicht statt“, so Roberto Savio von Media Watch Global. Es sei daher wichtig, den Kampf um die öffentlich-rechtlichen Massenmedien nicht verloren zu geben, sondern diesen Aspekt in den Mittelpunkt des globalisierungskritischen Protests zu rücken.

Wie politisch einseitige und von kommerziellen Medien beeinflusste Berichterstattung aussehen kann, haben die Organisatoren des ESF selbst zu spüren bekommen. Seit Monaten, so Salvatore Cannavo, von der linken Zeitung Liberazione haben die Sender des dem italienischen Regierungschefs gehörenden Medienkonzerns Mediaset und die von der Regierung kontrollierten Stationen Rai Uno und Rai Due gegen das Europäische Sozialforum gehetzt, es als einen Hort der Gewalt stilisiert und die italienische Bevölkerung vor Zuständen „wie in Genua“ gewarnt. Berlusconi wollte das Europäische Sozialforum verhindern und seine Fernsehsender leisteten ihm Schützenhilfe. Dieses Mal noch ohne Erfolg. Doch die Hetze der Berlusconimedien hat die Gefahren außer Kontrolle geratener Massenmedien mehr als deutlich gemacht.