Italien macht die Schotten dicht

Gotthilf Unsallen 30.10.2002 13:43 Themen: Globalisierung Repression
Zum Europäischen Sozialforum macht Italien seine Grenzen dicht. Angeblich sind die öffentliche Ordnung oder die nationale Sicherheit in Gefahr
Das Bayerische Innenministerium meldet heute: >br>
München, 30. Oktober 2002

Zeitweise Wiedereinführung von Grenzkontrollen durch Italien vom 1. bis 10. November 2002

Italien hat sich dazu entschlossen, in der Zeit vom 1. November 2002, 00.00 Uhr bis 10. November 2002, 24.00 Uhr aus Anlass des "European Social Forum", das in Florenz stattfinden wird, an allen Binnengrenzen zwischen Italien und den Schengener Vertragspartnern wieder Grenzkontrollen einzuführen. Betroffen sind davon insbesondere die italienisch-österreichische und die italienisch-französische Grenze. Dies ist nach Artikel 2 Abs. 2 des Schengener Durchführungs-Übereinkommens möglich, wenn es die öffentliche Ordnung oder die nationale Sicherheit erfordern. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass es in diesem Zeitraum wegen der Kontrollen zu Wartezeiten bei der Einreise nach Italien kommen kann. Unbedingt ist ein gültiges Reisedokument mitzuführen, was übrigens auch sonst bei Reisen in Staaten der Europäischen Union erforderlich ist.
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Ergänzungen

ja, es stimmt

erstmal unwichtig 30.10.2002 - 17:18
Ja, das mit den Grenzen steht schon seit Tagen. Detaillierter Hintergrundbericht kommt, aber erst wenn die morgige Kabinettssitzung in Rom stattgefunden hat. Da soll nämlich noch mal über Florenz debattiert werden. Hierfür sagte der Innenminister Pisanu einen Termin in Florenz ab, bei dem er ein Protokoll zum längst schon zur sehr heißen Kartoffel ausgewachsenen Thema Sicherheit hätte unterschreiben sollen. Das verheißt nichts gutes. Es geht um nicht weniger, als einen weiteren Versuch, das Treffen gänzlich abzublasen, oder es zu verlegen, obwohl die bisherigen, sehr massiven Versuche, dies zu erreichen, gescheitert sind. Der Bürgermeister von Florenz und der Präsident der Region Toscana, die dafür sind, das das Treffen stattfindet und derzeit unter massivem Druck seitens der Regierung stehen, wurden aufgefordert, an dieser Kabinbettssitzung in Rom teilzunehmen. Verteter der Berlusconi-Partei Forza Italia wollen den Bürgermeister sogar für etwaige Schadensereignisse haftbar machen.Heute findet eine Sitzung des CoPaCo statt, der parlamentarischen Kommission für die Geheimdienste. Diese spielt die ganze Zeit schon eine wichtige Rolle, der Innenminister Italiens traf sich in den letzten Wochen des öfteren mit ihren Mitgliedern zum Thema Sicherheit bezüglich des Treffens. Ergebnis: 5-6000 ausländische Leute bedrohen die florentiner Kunstschätze und den amerikanischen NATO-Stützpunkt Camp Darby, zwischen Florenz und Pisa, wo eine grosse Antokriegsdemonstration stattfinden soll. Gruppen wie Globalize Resistance, die kürzlich (friedlich!) 400000 Menschen in U.K. gegen den Krieg mobilisierten und andere, darunter auch Attac Deutschland, werden hemmungslos kriminalisiert. Mehr im versprochenen Hintergrundbericht. Die Infos zu den Bedrohungen kommen wie immer aus der Ecke der Geheimdienste und der internationalisierten europäischen Polizeien. Für die Dauer des Treffens in Florenz wird ein "Internationaler Polizeisaal" vor Ort eingerichtet. Was die Spannung um den Nato-Stützpunkt betrifft, da hat die amerikanische DIA offenbar einiges beigesteuert. In der Wochenzeitschrift "Vigileer" des amerikanischen Stützpunkts im italienischen Aviano wird unter Berufung auf den Geheimdienst auf eine mögliche Bedrohung von Camp Darby hingewiesen. Im gleichen bericht steht außerdem, wenn auch ohne direkte Anspielung auf Camp Darby, dass Italien in Sachen Grad der terroristischen Bedrohung soeben nach oben umgestuft wurde. Vor dem 100-Städte-Aktionstag gegen den Krieg vor einigen Wochen rieten die amerikanischen Behörden auch schon ihren in Italien lebenden Staatsbürgern, sich vor "mass rallies" in Acht zu nehme. Jetzt wird den soldaten so allerlei geraten. Provokationen, Spaltungsversuche, Diffamierungen und Angst/Panikmachen häufen sich seit Wochen täglich, jetzt scheint es aber schon stündlich so weiterzugehen: hier taucht eine Bombenattrappe auf, da wird von einen Bürgermeister verlangt, die volle Verantwortung zu übernehmen, falls er weiter dabei bleibt, das Treffen steigen zu lassen. Ein Zeichen, dass er unter Druck steht, ist mit Sicherheit die Direktive, die er zum Demonstrieren während des Treffens herausgab: 2 Tage vor bis 2 Tage nach dem Treffen dürfen in Florenz ausschließlich die ganz offiziellen SFE-Demonstrationen stattfinden. Sonst nix. Auf das Vorbereitungskommittee wird Druck gemacht, um zu erreichen, dass sie eine Klausel unterschreiben, die den sofortigen Abbruch (also die Auflösung) des Treffens beim geringsten Zwischenfall vorsieht. Brandneu ist nun der Plan des Innenministers, eine Kommission aus Bürgermeistern und Kunstexperten mit der Definition ständiger "Roter Zonen" in Italien zu beauftragen. Wegen der Kunstschätze, so der Minister. Wie auch immer: was die Grenzen betrifft, handelt es sich um die Anwendung des 2 § des Art. 2 der Schengener Konvention. Das wird ein Präzedenzfall: In Florenz findet ein Treffen von Unten statt, aber ohne "vor Protest zu beschützende" g8er oder sonstige Prominenz, deshalb der Hick-Hack mit den Kunstschätzen. Die Online-Zeitung Alto Adige berichtete vor einigen Tagen, dass etwa 40 Carabinieri und zahlreiche Angehörige der Polizia zur verstärkung der an der italienischen Seite des Brenners bereits bestehenden Kräfte abkommandiert wurden. Carabinieri und Polizia werden auch die anderen beiden Südtiroler Grenzstellen San Candido in Pusterla und Malles in Val Venosta belegen.