GATS: Wer jetzt nicht handelt, wird verkauft!

Education is not for sale 09.09.2002 20:17 Themen: Bildung
WTO aufhalten, GATS stoppen!!!

"Wenn wir unseren Zugang zu anderen Märkten verbessern wollen, können wir unsere geschützten Sektoren nicht verstecken. Wir müssen offen dafür sein, sie alle zu verhandeln, wenn wir die Chance auf ein großes Geschäft haben. Für die USA und für die EU bringt dies Schmerzen in einigen Sektoren mit sich, aber Gewinne in vielen anderen und ich denke, wir beide wissen, dass wir in den sauren Apfel beißen müssen, um zu bekommen, was wir wollen."

Zitat: EU Handelskommissar Pascal Lamy über die GATS Verhandlungen während einem Vortrag für den “US Council for International Business”, New York, 8. Juni 2000
Wer jetzt nicht handelt, wird verkauft!

WTO aufhalten, GATS stoppen!!!

"Wenn wir unseren Zugang zu anderen Märkten verbessern wollen, können wir unsere geschützten Sektoren nicht verstecken. Wir müssen offen dafür sein, sie alle zu verhandeln, wenn wir die Chance auf ein großes Geschäft haben. Für die USA und für die EU bringt dies Schmerzen in einigen Sektoren mit sich, aber Gewinne in vielen anderen und ich denke, wir beide wissen, dass wir in den sauren Apfel beißen müssen, um zu bekommen, was wir wollen."

Zitat: EU Handelskommissar Pascal Lamy über die GATS Verhandlungen während einem Vortrag für den “US Council for International Business”, New York, 8. Juni 2000

Was ist GATS?

Durch das GATS (General Agreement on Trade in Services, ein Abkommen der Welthandelsorganisation, WTO) werden öffentliche Dienstleistungen zu handelbaren Waren erklärt. Momentan wird im Rahmen des GATS über die Liberalisierung des Bildungs- und des Gesundheitssektors verhandelt. Für die EU-Mitgliedstaaten werden die Verhandlungen durch die europäische Kommission geführt. Die EU hat bereits vor einigen Jahren der Öffnung ihrer Märkte für "public-private-partnerships" in den Bereichen Grundschulbildung, Schulbildung, Hochschulbildung und Erwachsenenbildung zugestimmt. Aber Anfang Juli wurde bekannt, dass diese Öffnung nicht das Ende, sondern erst der Anfang einer weitgehenden Liberalisierung des Bildungswesens war. Angesichts der Tatsache, dass die EU-Kommission in ihrer Stellungnahme "Towards GATS 2000" GATS als "zuerst und v.a. ein Instrument zum Nutzen der Wirtschaft" bezeichnet, können wir uns auch im Bildungsbereich auf einiges gefasst machen.

Die erste Phase der GATS 2000 Verhandlungen ist vollendet. Im Juni dieses Jahres wurden von der EU Forderungen an 109 WTO-Mitgliedstaaten gestellt, eine davon an die Vereinigten Staaten und zwar bezüglich des Bildungsbereichs. Die EU-Forderung an die USA beschränkt sich zwar auf privat finanzierte Bildungsangebote, jedoch – wie die GEW in einem Brief an das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung am 24. Juni schreibt:

“Auch wenn sich diese Forderungen an die USA richten und nach Ihren Aussagen nicht über bereits eingegangene Verpflichtungen der Europäischen Union hinausgehen, so werden sie nicht ohne Folgewirkung auf weitere Verhandlungen im Bereich der Bildungsdienstleistungen bleiben.”

Weiter heißt es in dem Brief:

”Wir gehen davon aus, dass durch diese Forderung die Europäische Union unter Druck geraten wird, ihre eigenen Verpflichtungen für Bildungsdienstleistungen auszuweiten. Getreu dem Prinzip: Wer fordert, muss auch etwas bieten. Bereits eingegangene Verpflichtungen der Europäischen Union sind sicher bereits abgegolten und können nicht als Argument dienen.”

Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung schrieb in einem Positionspapier vom 5. April 2002, dass es Klarstellungsbedarf gäbe, bei der Definition von “hoheitlich erbrachten Dienstleistungen” – das sind vom Staat auf nicht kommerzieller Basis und nicht in Konkurrenz zu privaten Anbietern erbrachte Dienstleistungen – und somit auch bei der Anspruchsberechtigung ausländischer Anbieter für staatliche Zuschüsse im Bildungsbereich. Denn die GATS-Verpflichtungen beinhalten unter anderem die Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Anbieter, was bedeutet, dass jeder Anbieter vom Staat die gleichen Zuschüsse bekommen muss und keiner benachteiligt werden darf. Nach § I, Abs. 3 (b) des GATS sind Dienstleistungen, die hoheitlich erbracht werden, von den GATS-Verpflichtungen ausgenommen. Nun ist die Frage, ob z.B. öffentliche Hochschulen tatsächlich “hoheitlich” zu Verfügung gestellt werden oder in Konkurrenz zu privaten Hochschulen und mit Hilfe von nichtstaatlichen Mitteln – und damit nicht “hoheitlich” – existieren, noch nicht geklärt. Brisant dabei: Die Bundesregierung hat im August 2002 per Rechtsverordnung die private Bildungseinrichtung International University Bremen (IUB) in die Anlage zum Hochschulbauförderungsgesetz aufgenommen. Damit kann die IUB ab Januar 2003 Mittel aus der Hochschulbauförderung des Bundes und der Länder teilhaben. Bei der International University Bremen handelt es sich um eine deutsche Filiale der Rice University in Austin (USA). Obwohl die IUB eine Privatuniversität ist, wurde bereits ihre Gründung 1998/99 vom Bremer Senat mit 230 Millionen Mark unterstützt. Das Engagement privater Investoren wird dagegen mit lediglich 70 Millionen Mark angeben. Durch das oben beschriebene Prinzip der Gleichbehandlung können alle privaten Anbieter bei Anträgen auf staatliche Bezuschussung von nun an auf die Aufnahme der IUB in die Anlage zum Hochschulbauförderungsgesetz verweisen.

Was bedeutet dies alles?

Aus der Tatsache, dass die Verhandlungen erst angefangen haben, lässt sich schließen, dass die öffentlichen Bildungseinrichtungen in der EU jederzeit in die Verhandlungen miteinbezogen werden können. Sei es direkt oder indirekt. Wenn z.B. die USA erreichen würde, dass private us-amerikanische Bildungseinrichtungen innerhalb der EU das Recht auf die gleichen staatlichen Zuschüsse bekommen, die die öffentlichen Bildungseinrichtungen erhalten, bedeutete dies künftig die Verteilung der gleichen Summe über viel mehr Schulen und Hochschulen. Auch deutsche Privatanbieter im Bildungsbereich werden versuchen staatliche Zuschüsse zu bekommen. Für die öffentlichen Einrichtungen wäre eine massive Kürzungswelle und damit eine noch größere Abhängigkeit von Privatgeldern die Folge. Auch Studiengebühren und ein selektives Zulassungssystem wären die Konsequenz. Das Handelsministerium der USA hat mehrmals klargestellt, dass ihm die staatlichen Zuschüsse in den meisten EU-Mitgliedstaaten ein Dorn im Auge sind.

An allen Fronten wird gearbeitet

Die EU verspricht sich von der Liberalisierung im Bildungsbereich neue Exportmöglichkeiten und ist, wie im Zitat von Pascal Lamy deutlich wurde, bereit, dafür einiges in kauf zu nehmen. Überall werden die Weichen gestellt: Bertelsmann hat gerade mittels seines Think-Tanks CHE (Centrum für Hochschulentwicklung) in einer Studie (im Auftrag von der DAAD, Deutscher Akademischer Austausch Dienst, unter anderem aktiv im GATE-Germany  http://www.gate-germany.de ) die Exportmöglichkeiten für deutsche Bildungseinrichtungen untersucht und räumt ihnen gute Chancen ein. Eine Marktöffnung durch GATS im Bildungsbereich würde diese Möglichkeiten erheblich ausdehnen. Vor allem die sogenannten Süd-Länder (Entwicklungsländer) werden ein hohen Preis zahlen. Die reichen Länder aus dem Norden werden versuchen, Spitzenstudierende von dort zu sich zu locken und innerhalb der Süd-Länder den Bildungsmarkt zu übernehmen. Durch letzteres besteht die Möglichkeit vor Ort die Art der Bildung und Bildungsinhalte zu beeinflussen oder gar festzulegen.

Bertelsmann ist auch Mitglied im ESF (European Services Forum), eine Lobbygruppe der europäischen Dienstleistungsindustrie, die sich auf ihrer Webseite als wie folgt umschreibt:
“The European Services Forum (ESF) is a network of representatives from the European services sector committed to promoting actively the interests of European services and the liberalisation of services markets throughout the world in connection with the GATS 2000 negotiations.”(  http://www.esf.be )
Das ESF hat bei der Gestaltung der GATS Forderungen der EU aktiv mitgewirkt.

Auch innerhalb Deutschlands wird die Kommerzialisierung von Bildung energisch vorangetrieben: Mit dem 1. August 2002 ist das Modellvorhaben „Selbständige Schule NRW“ an 238 Schulen in Nordrhein-Westfalen gestartet. Diese Schulen sollen in 5 Arbeitsbereichen modellhaft demonstrieren, dass Schulen quasi als unternehmensähnliche Einrichtungen besser funktionieren, wenn SchulleiterInnen Dienstvorgesetzte der LehrerInnenschaft sind, wenn Schulen Personal- und Sachmittelbewirtschaftung in Eigenregie betreiben können, wenn die LehrerInnenschaft weniger Mitbestimmungsrechte hat, Unterricht dauerevaluiert wird (wobei die Kriterien der Evaluation hauptsächlich extern gesetzt werden sollen) und Schulen in einen Wettbewerb auf einem 'Bildungsmarkt' untereinander eintreten. Wesentliche Merkmale des Modellvorhabens sind zum einen das jeweils eigene Budget der Schulen, das ihnen erlaubt, für ihr Geld entweder neue LehrerInnen einzustellen oder Sachmittel oder Renovierungen etc. zu finanzieren. Angesichts chronisch geleerter öffentlicher Kassen besteht die Gefahr, dass Budgets nur zu halten sind, indem private Sponsoren an Land gezogen werden.
Die Stiftung hat übrigens bereits eigene Vorstellungen von Inhalten, die den SchülerInnen vermittelt werden sollen: Erklärtes Ziel ihres Projekts “Wirtschaft in die Schule!” ist “Jugendliche mit ökonomischen Zusammenhängen vertraut zu machen und ihre Entwicklungschancen, zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt, zu verbessern”. ( http://www.ioeb.de/de/projekte/wis/) Weiter heißt es, “Nach erfolgreichem Verlauf der viereinhalbjährigen Pilotphase sollen flächendeckend erprobte Materialien für mehr und besseren Wirtschaftsunterricht in den Schulen des Landes angeboten werden.” Das von Bertelsmann-Stiftung, Heinz Nixdorf Stiftung, Ludwig-Erhard-Stiftung und dem Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung NRW initiierte Projekt lief am 28.06.02 aus. Als Ergebnis hält die Bertelsmann-Stiftung auf ihrer Internetseite fest: “dass ab Mitte 2002 den Gymnasien in NRW die Möglichkeit eingeräumt wird, das Fach ‚Sozialwissenschaften / Wirtschaft’ im Sinne einer Profilbildung anzubieten.”

Nicht die “Selbständigkeit” von Schulen ist das wahre Ziel der Bertelsmann-Stiftung, sondern u.a. ihre Abhängigkeit von Unternehmen. Auch das neue Hochschulrahmengesetz entlässt die Hochschulen nicht “in die Freiheit“, sie werden abhängig von Konzernen. In hohem Tempo wird unser Bildungssystem fit gemacht für den Wettbewerb auf dem globalen Bildungsmarkt.

Mensch?

Es geht in Zukunft noch weniger um Menschen und ihre Bedürfnisse, auch nicht um so etwas wie Chancengleichheit, sondern noch mehr als bislang um Profite. Auch wird der Mensch in Zukunft, noch mehr als es bis jetzt schon der Fall ist, auf Humankapital reduziert. Wenn es nach dem Interesse von Konzernen geht, lernen wir nicht für uns selbst, sondern um anschließend als Rohstoff für die Wirtschaft zu fungieren. Zur Investition in unser Humankapital müssen wir selbstverständlich tief in die Tasche greifen. Schon jetzt hat das Deutsche Studentenwerk bemängelt, dass es immer weniger Studierende aus ärmeren Familien gibt; in Zukunft wird ihre Zahl eher weiter ab- als zunehmen. GATS wird die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen den sogenannten “winners and loosers” weiter vergrößern. Nicht nur hier, sondern weltweit! Studiengebühren werden mittelfristig für alle Studierenden (ab dem ersten Semester) eingeführt werden, Kindergartenbeiträge (ja, auch dieser Teil des Bildungswesens ist unter GATS für weitere Liberalisierungen freigegeben) werden steigen und auch generelle Schulgebühren sind bald vorstellbar.

Und jetzt?

Der Widerstand gegen GATS und die Kommerzialisierung der öffentlichen Dienste wächst weltweit. SchülerInnen und Studierende können sich diesem Widerstand anschließen. Das internationale Education is not for Sale-Netzwerk wird im kommenden Schuljahr/Semester seine Kampagne gegen GATS und die Kommerzialisierung von Bildung intensivieren. In Deutschland beteiligt sich Education is not for Sale an der Postkartenaktion gegen GATS (vom Anti-GATS-Bündnis, zusammen mit u.a. DGB und ATTAC, www.gats-kritik.de ) und wird weiterhin auch andere Proteste gegen GATS und die Kommerzialisierung der Bildung unterstützen und organisieren. Der Widerstand gegen jede Art von Bildungsgebühren ist ein wichtiger Pfeiler unserer Kampagne. Bildungsgebühren wie z.B. Studienkonten oder Langzeitstudiengebühren sind ein nächster aber wichtiger Schritt in Richtung einer weiteren Kommerzialisierung, zusammen können wir sie verhindern!

Am 13.9. wollen wir mittels eines Forum Bildung in Köln die nächste Phase des Protests starten. In vier Workshops, zwei Plena und einer anschließenden Podiumsdiskussion wollen wir über die Kommerzialisierung von Bildung diskutieren, mögliche Strategien dagegen und auch eigene Vorstellungen von Bildung, wie wir sie haben wollen, entwickeln. Am nächsten Tag (14.9.) wird es einige Aktionen geben, sowie einen Bildungsblock bei der Demo der Gewerkschaftsjugend und Attac. Dies soll der Auftakt einer Reihe von Aktionen im kommenden Semester und Schuljahr sein.

13. September, ab 10. Uhr: Forum Bildung
FH Köln, Standort Süd, Claudiusstraße 1
(Übernachtungsmöglichkeiten ab 12. September möglich, Anmeldungen für Übernachtungen:  ole@education-is-not-for-sale.org ). Während des Forums wird es auch ein internationales Treffen vom Education is not for Sale-Netzwerk geben, um Aktivitäten für das kommende Jahr zu planen. Auf der Tagesordnung stehen u.a. eine internationale Protestwoche und das Europäische Sozial Forum in Florenz.

14. September, ab 14 Uhr: Bildungsblock auf Demo “Her mit dem schönen Leben”
Rudolfsplatz, Köln. Haltet dort Ausschau nach einem lila Transparent mit der Aufschrift Education is not for Sale und lauscht der Ansage im Anschluss an die Kundgebung. Es wird auch Überraschungsaktionen geben.

Mehr Infos über Bildungsblock und Forum Bildung:  http://www.education-is-not-for-sale.org

Und/oder über unsere Mailingliste. Zur Anmeldung einfach eine leere e-mail an folgende Adresse schicken:
 international-pupil-and-studentactions-subscribe@yahoogroups.com
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Ergänzungen

Auf die Startseite!

Pascal Lamy 10.09.2002 - 01:14
Guter ünbersichtlicher Artikel, der entlich mal deutlich macht, wie konkret das GATS derzeit schon wirkt.
Ich denke ich werd' am 13.09. nach Köln fahren, bis denne!

frage

student 13.09.2002 - 04:58
wie hängen attac und "bildung is not for sale" zusammen?
woher kommen gelder etc. pp.?
aber super artikel, echt!

Attac und Education is not for sale

Education is not for sale 07.10.2002 - 14:12
Attac und Education is not for sale arbeiten bei bestimmten projekten wie z.B. dass anti GATS Bündnis zusammen. Ansonsten sind es eigenständige Netzwerke. Education is not for sale wird durch spenden finanziert (Z.b von Asten).