Helmut Kohl in Hamburg mit Transpi empfangen

Sven Schulze 26.08.2002 14:24
Auf der gestrigen Helmut Kohl CDU Veranstaltung im Hamburger CCH gelang es zwei Besuchern trotz großer Sicherheitsvorkehrungen (ca. 50 Polizisten und ebenso viele Ordner) ein Transparenz zu entrollen und ca. 5 Minuten dem Publikum und v.a. Helmut Kohl zu präsentieren. Gedacht als Denkanstoß gab das Transparent den CDU Wahlspruch ,,Zeit für Taten" in leicht abgeänderter Form wieder: ,,CDU / CSU : Zeit für Täter!".
Nach einer langen und zähen Rede ohne wirklichen Inhalt, dankte das ausgewählte Publikum (Eintritt nur mit Kartenvorbestellung) Helmut Kohl mit einer Standing Ovation. Das sollte eigentlich der einzige aktive Part der Zuschauer sein. Doch während dieser Standing Ovation stellten sich zwei Besucher (konservativ gekleidet) auf die feinen CCH Sitze, entrollten ein Transparent mit der Aufschrift: : ,,CDU / CSU : Zeit für Täter!" und kreischten Helmut!, Helmut!, Helmut!. Die Ordner zeigten sich überrascht und wussten zunächst nicht, ob es sich um Kritik oder Sympathie handelte. Das erklärte wohl auch, warum es den Besuchern gelang, das Transparent ca. 5 Minuten entrollt zu halten. Dann wurde das Transparent samt Trägern etwas rabiat des Saales verwiesen. Weil aber auch alle anderen gingen (die Veranstaltung war vorbei) reihte sich das Transparenz in die CDU Menschen mit ein und verwandelte den Abgang der CDUler in eine Spontan-Demo. Vor dem CCH wurde das Transparenz dann in sichtbare Position gebracht. Die Reaktionen waren geteilt. Während einige den Spruch kapierten und entweder meinten, Helmut Kohl gehöre hinter Gittern oder eben die Aktivisten als Arschlöscher und Kommunistenschweine beschimpften, fragten andere gezielt nach, ob dies nun positiv oder negativ sei. Der Denkanstoss wurde gegeben und Helmut Kohl ein Spiegel vorgehalten. Passend in diesem Zusammenhand war auch das Helmut Kohl Plakat am Eingang, über das jemand ein Gefängnisgitter plakatiert hatte. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.
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Ergänzungen

Nett

derborst 26.08.2002 - 15:02
Schönes Ding. Ihr hättet aber ruhig noch deutlicher machen können (wenn ihr einen solchen Standpunkt vertretet), daß Demokratie im allgemeinen als Verwaltungsform kapitalistischer Verhältnisse abzulehnen ist! So könnte man auch auf die Idee kommen, daß ihr einfach nur weniger kriminelle Menschen als demokratische Politiker haben wollt. Das wäre dann aber demokratischer Konsens und nicht Kritik!

...entschuldigung...

voß 26.08.2002 - 15:13
Wirklich feine Sache sowas. Erinnere mich ähnliches getan zu haben und es ist wirklich spaßig die verstörten Reaktionen der Anwesenden zusehen.
Absolut Empfehlenswert!!!
Schööööne...

silvia 26.08.2002 - 17:24
coole aktion!

info?

k 26.08.2002 - 18:45
auch wenn's nicht thema dieses artikels ist: hat irgendjemand etwas über die antifa/antira demo zu zehn jahre lichtenhagen zu berichten??! in der bürgerlichn press gab es nur "bunt statt braun". hat die demo überhaupt stattgefunden?

Spassguerilla

xy 26.08.2002 - 21:31
gute Idee! ganz im Sinne der Spassguerilla!
Wer noch mehr über die Ideen der Spassguerilla erfahren will, gibt es glaube ich im Konkret-Verlag ein Buch darüber!

Für den kreativen Widerstand! Surrealismus - ein Muss!

Saugut

23 26.08.2002 - 22:18
Habt ihr echt gut gemacht .. weiter so..
ich denk mal, wenn ihr - grob geschätzt - das noch so 3-4 mal macht, wird sich vermutlich die CDU selbst auflösen, weil sie diese hemmungslose Kritik einfach nicht mehr ertragen kann. Kohl wird sich dann wohl vom Brandenburger Tor stürzen.
Gut, dass es noch Menschen mit so innovativen Ideen gibt ! Echt !

26.08.2002 - 22:57
wenigstens machen die was

@derborst

nico 26.08.2002 - 23:58
Du bist echt der Knaller, was hab ich gelacht. Ich sehe dein ideales Transparent geradezu vor mir:

"Zeit für Täter*

*Die Verfasser dieses Transparentes weisen darauf hin,
daß Demokratie im allgemeinen als Verwaltungsform kapitalistischer Verhältnisse abzulehnen ist! Keinesfalls möchten Sie nur weniger kriminelle Menschen als demokratische Politiker haben und verwahren sich entscheiden gegen demokratischen Konsens anstelle von Kritik!"

@Nico

G-Nosse 27.08.2002 - 12:50
Nun, Deinen unfreiwilligen Humor sollte man aber auch nicht verachten, mein Lieber! Wer die berechtigte Kritik des Borstes so mißversteht und sich solche Gedanken macht, muß ganz lustige Fantasien drauf haben!
Fakt ist doch, daß so nun jedeR dahinter stecken könnte: die JuSos, die Junggrünen, die PDS, der Bund der Steuerzahler; Leute, die einfach gg. Korruption sind usw. Ein noch so kleiner Hinweis wie "Demokratie das Klo runterspülen" oder einfach "Gegen Demokratie-Für den Kommunismus" oder meinetwegen für unsere Indy-Anarchos "Für den Anarchismus" hätte doch genügt und schon wäre der Stanpunkt klar! Aber soweit scheint Deine Fantasie leider doch nicht zu reichen ;-))

nico 27.08.2002 - 13:10
Der fundamentale Dissenz, denn ich zum Ausdruck bringen wollte, ist der: Zweck dieser Aktion war offenbar, Leute dazu zu bewegen, Fragen zu stellen. "Wer nicht fragt bleibt dumm", remember?
Hintergrund der Kritik von Borst ist eine Heidenangst vor Leuten, die Fragen stellen, ohne sich die Fragen und die Antworten vorher genehmigen zu lassen. Der Politikansatz, der darin zum Ausdruck kommt, erreicht niemanden ausserhalb der eigenen Szene, Politik verkommt zur blossen Masturbation.

Link zur Demo vor dem Eingang

einer von den guten 27.08.2002 - 16:13
schön, dass unser plakat am eingang auch erwähnung findet. ausführlicher bericht unter
www.poeggi.de/edmund -->Bilder und Bericht

noch eine anmerkung: immer öfter stelle ich fest, dass die linken nicht wählen gehen wollen weil schröder zu rechts ist. mal ehrlich, findet ihr dass nicht auch albern. die demokratie ist nun mal kein wunschkonzert, deswegen sage ich. wer so weit links ist, dass er nicht wählt, ist schon wieder rechts, denn er schenkt der rechten mehrheit seine stimme! auch wenn vieles nicht nach unserer meinung läuft, die richtung ist doch angesichts der widerstände von rechts gar nicht so schlecht.
rot-grün! one love!

@Nico

G-Nosse 27.08.2002 - 16:21
Weiß nicht genau, aber ich würde Borsts Posting nicht so interpretieren, daß er Fragen von vornherein abwürgen wollte. Diejenigen, die fragen, sind sowieso diejenigen, die offen sind für Argumente und nicht gleich schreien: "Kommunistenschweine!". Von daher hätte ein Hinweis: "Demokratie=Wahl der Herrschaft" oder so durchaus noch besser klargestellt worum es geht (gehen müßte). Wie gesagt, sonst läuft so eine Aktion auf demokratische Nörgelei und nicht auf radikale Kritik hinaus. Das ist ok, hat aber nichts mit fortschrittlichem Ansatz zu tun.

Nur mal angenommen, die JuSos Hamburg haben diese Aktion gemacht, weil sie wollen, daß Rot-Grün weiterregiert. Was nun? Ist das noch was für ein linksradikales Medienprojekt?

Wer Stoiber stoppen will, ohne sich explizit von der Demokratie abzugrenzen, bleibt auf demokratischen Strecke und macht sich zur Marionette der SPD.

@einer von den guten

derBorst 27.08.2002 - 17:47
sorry, aber ich halte Deinen Standpunkt überhaupt nicht für "gut", sondern schlichtweg für falsch.

Um mal eine richtige Kritik des bürgerlichen Staates UND der Demokratie draufzubekommen: www.gegenstandpunkt.com und dann zu "Reihe Resultate" und dann zu "Der bürgerliche Staat".

Die Demokratie ist wirklich kein Wunschkonzert, sondern schlichtweg der letzte Dreck. So sehr der Kapitalismus mit seinem kulturellen und legalistischen Bedingungen, Vorraussetzung für eine klassenlose gesellschaft ist, so sehr verschleiert er auch die (ökonomischen) Beziehungen zwischen den Individuen. Im Feudalismus war das Verhältnis zwischen den Menschen durch Abhängigkeit und Repression gekennzeichnet. Das anonyme Prinzip des Kapitalverhältnisses wird zwar auch durch Repression durchgesetzt, aber durch so "tolle" Sachen wie der WAHL DER EIGENEN KAPITALVERWERTUNG (Demokratie) als Mitbestimmung ideologisiert. Von daher ist jede Parteinahme gg. Stoiber und die CDU/CSU, solange sie nicht explizit gg. die Demokratie/den Kapitalismus von vornhrein nur eine "bessere" Parteinahme für Deutschland.

Keine Stimme für Niemand!
Für den Kommunismus!

@derborst

nico 27.08.2002 - 18:30
Mir scheint, dir ist der Unterschied zwischen "deiner Meinung" und "der Wahrheit" irgendwo abhanden gekommen. Du kannst ja gerne in deiner Einschätzung weiter darauf beharren, die ökonomischen und politischen Strukturen des 21. Jahrhunderts mit Begriffen und Konstrukten des 19. begreifen zu wollen, aber tu doch nicht so, als ob du die Wahrheit für dich gepachtet hättest.

Die Polemik, die Held in "Der bürgerliche Staat" formuliert, greift übrigens in meinen Augen viel zu kurz. Vor allem versagt sie vollständig angesichts von bürgerlichen Staaten wie der Schweiz, in denen die Bürger tatsächliche Entscheide durch direkte Abstimmung treffen. Nach seiner Theorie hätte die Abstimmung über die Abschaffung der Armee nie stattfinden dürfen, und Österreich hätte, statt dem Volk die Beendigung des Atomprogramms zu "erlauben", den Weg in den Faschismus nehmen müssen.

@Nico

derBorst 27.08.2002 - 19:04
Der Hinweis auf die Schrift aus dem Gegenstandpunkt-Verlag sollte jetzt auch eher als Einstieg für diejenigen gedacht sein, die mit Idealismus an Staat, Demokratie etc. angehen und diese nicht als konkrete Verwaltungsformen kapitalistischer Verhälnisse betrachten, sondern in Gut (PDS bis SPD) und Böse (CDU bis Rest) unterscheiden, um dann das kleinere Übel zu wählen und in der demokratischen Volksgemeinschaft anzukommen.

Ich weiß jetzt nicht mehr genau, an welcher Stelle Karl Held die plebiszitären Elemente vernachlässigt, vielleicht hilfst Du mir auf die Sprünge?! Aber so Unrecht hat er (und die MG) wohl nicht, denn letztlich sehen sie die Demokratie als Mitbestimmung der eigenen Kapitalverwertung. DIESE jedoch in ihrer speziellen Konstitution wird in der Demokratie NIE zur Debatte stehen, weil damit quasi die Frage der sozialen Revolution gestellt würde. Selbst die plebiszitären Elemente stellen immer nur die Fragen der Ausgestaltung des Kapitalverhältnisses, nicht aber letzteres selbst! Daher ist es kein Widerspruch, wenn die schweizerische Armee (wann war das, ich bin da jetzt nicht informiert) abgeschafft wird, solange nicht Staatsgewalt an sich abgeschafft wird. Das Österreich-Beispiel fällt da auch nicht aus dem Rahmen, denn "Systemfragen" sind eben nicht Gegenstand von Plebiziten, diese bewegen sich ja immer auf der verfassungsmäßigen Ordnung.
Aber ich bin kein MGler und die Lektüre des bürgerlichen Staates liegt etwas zurück. Hilf mir mal auf die Sprünge. Hier aber noch ein Hinweis:

 http://home.link-m.de/lora/gegenstp/g020527.htm

Ach und wegen der Wahrheit: Ich pachte die nicht für mich, das ist auch eine schlechte Kritik. Entweder ich sage was richtiges oder es ist falsch. Dann muß man das eben kritisieren und dann revidiere ich sehr gern meinen Standpunkt.

Das mit der Wahrheit trifft aber übrigens NUR auf Tatsachen zu. Meinungen können gar nichts mit mit Wahrheit zu tun haben, da sie Werturteile sind, die vom Individuum selbst abhängen. Wenn Dir Diebels Alt schmeckt, kann ich kaum sagen, daß das falsch ist, nur daß ich lieber Jever trinke.
;-)

@derborst

ungläubiger 27.08.2002 - 19:17
"letzter dreck"??? du meine güte, als ob es nichts schlimmeres gibt! hast du etwa die ddr miterlebt? ich bin heilfroh, im "letzten dreck" zu leben.

@Ungläubiger

derBorst 27.08.2002 - 19:49
Ja, was Dir lieber ist, ist wieder nur ein Werturteil. So mancheR möchte auch lieber wieder in der Wehrmacht den "jüdischen Bolschewismus" ausrotten, und so mancheR eben wieder die DDR usw. Und glaub mir, in islamischen Regime ist das Konsumieren von Drogen (auch Alkohol) verboten, das fänd ich auch ganz schlimm, wenn dem hier so wäre.;-)
Das ist aber nicht Gegenstand von Kritik, was einem besser schmeckt und was nicht. Natürlich war mein "letzter Dreck" ein Werturteil. Dieses resultiert aus der Kritik der Demokratie als Verwaltungsform kapitalistischer Verhältnisse und aus dem Wunsch nach Kommunismus, welcher eben ohne Herrschaft und Parteien, Staat usw auskommt.

@derborst

ungläubiger 27.08.2002 - 20:05
klar doch, ich könnte zum beispiel deinen geschmack kritisieren, das wäre auch kritik. tu ich aber nicht. mich nervt einfach, dass hier oft so getan wird, als wäre unser system das weltallerschlechteste (was du mit "der letzte dreck" - es ist schliesslich der letzte, und nicht der zweit- oder drittletzte - suggerierst). dass es nicht das nonplusultra ist, und dass sich vieles verbessern liesse, versteht sich von selbst.

Schweizer Armee

derBorst 27.08.2002 - 20:10
 http://www.spiegel.de/almanach/laender/0,1518,153941,00.html

Also die Schweizer Armee wurde nicht abgeschafft. Nur noch mal zur Ergänzung. Aber Nico hat recht, die Schweizer Armee hätte 1989 abgeschafft werden können. Dies schlug fehl.

Trotzdem muß eine Armee auch nicht notwendigerweise zur Staatsgewalt, als Voraussetzung zur Durchsetzung des Kapitalverhältnisses, dazugehören. Es reicht eine fähige Polizei, wobei natürlich imperiale Interessen dann eher nicht durchsetzbar sind. Das alles hat wohl mit der Neutralität der Schweiz eine ganze Menge zu tun.

@ Ungläubiger

G-Nosse 27.08.2002 - 20:21
Nun sei mal nicht so ein Rabulist! Der "letzte Dreck" ist lediglich eine gängige Redensart. Der Borst hätte auch zur Demokratie "Verarsche", "Blödsinn" oder einfach "Blubberquatsch" sagen können.

Werturteile zu kritisieren halte ich wiederum für groben Unfug, das widerspricht sich, weil Du mit Kritik einen objektiven Gegenstand angehst, während Werturteile rein subjektiv sind. Wenn Du sagst, Du findest rote Autos schick und ich sage "So ein Quark, blaue Autos sind viel schicker, das ist meine Kritik an Deinem Geschmack" hast Du echt viel gewonnen, oder? Subjektives mit subjektivem zu kritisieren würde ja unterstellen, daß es einen Maßstab gibt, dem das eine Subjekt nicht gehorcht. Das würde aber wieder zu Gleichmacherei führen und das halte ich wieder für ganz gefährlich.

Und wenn Du Dich wohlfühlst in einer Welt, in der Du 8-10 Stunden schuften mußt oder vielleicht nicht mal die Möglichkeit hast zu schuften und dann noch weniger am gesellschaftlichen Reichtum partizipierst bzw. eben dies nur kannst, wenn Du Lohnarbeiter bist...da kann ich mir vernünftigere und genußvollere Lebensmöglichkeiten vorstellen!

@g-nosse

ungläubiger 27.08.2002 - 20:48
1. schon lustig, wie du das thema "geschmackskritik" abhandelst, denn es war nicht dermassen todernst gemeint, wie es bei dir vielleicht angekommen ist, genosse. nachträglich also: ;-)

2. ich habe deutlich gesagt, dass auch ich mir besseres vorstellen kann, nur hat es verdammt nochmal bisher niemand vorgemacht!

@ungläubiger

G-Nosse 27.08.2002 - 21:03
Na gut, jetzt hast Du mich echt erwischt, hihi.

zu 2. Also das liegt ja nun letztlich an "uns" (will keine Kollektive konstruieren), was wir draus machen. Vormacher und Vorbilder sind da eher hinderlich. Aus der Geschichte lernen finde ich aber sehr wichtig. Einiges wurde ja schon vorgemacht, was sich nicht wiederholen darf!

@derborst

HTams 29.08.2002 - 00:05
Geleerter Herr Borst

Zum Ersten: Ich kann mich an keinen Kommunismus (nicht mal einen theoretischen) erinnern, der ohne Herrschaft auskommt, bzw. auskam. Auch von einem Kommunismus der ohne Staat auskäme habe ich nur in der Theorie (z.B. der marxschen) gehört, die von einem quasi globalen Kommunismus ausgeht, in dem natürlich auch jemand herrscht. Dies wird zwar im Namen einer anderen ideologischen Ausrichtung getan, aber mit denselben Mitteln.

Zum Zweiten: Ein Slogan wie "Keine Stimme für Niemand!
Für den Kommunismus!" halte ich, verzeihen Sie mir, für nicht besonders weit gedacht, um es mit Vorsicht zu sagen. Sprachlich ist er falsch, weil "keine Stimme für Niemand" eben auch keine Stimme für den Kommunismus bedeutet. Und
was Deine und unsere Lebensrealität angeht ist er auch falsch, denn in diesem Kontext bedeutet keine Stimme für Niemand eine Stimme für Stoiber und Co und von denen wirst Du Dir doch nicht die Einführung des Kommunismus versprechen, oder?
Oft ist die Realisation des kleineren Übels besser, als von dem einen (zumindest im Augenblick unerreichbaren) Guten zu träumen und so dem grösseren Übel die Macht zu überlassen.

Zum Dritten und Letztem:
Es stimmt schon. Die Demokratie ist nicht ideal, und die hiesige Spielart erst recht nicht. Oscar Wilde sagte mal (Der Sozialismus und die Seele des Menschen) bald schon werde man sehehn, daß Demokratie bedeute, daß der Mensch den Menschen für den Menschen knechte.
Aber es ist das System in dem wir leben. Und wer hier auf Totalverweigerung geht, also den Dialog mit denen, die an die Demokratie glauben verweigert, hat im Vornherein verloren.
Er hat den Kampf um die gesellschaftliche Hegemonie (von dem ein anderer kluger Mann, zufällig ein italienischer Marxist namens Antonio Gramsci sprach) verloren. Oder deutlicher: Er wird von den Massen nicht mehr gehört. Das mag einigen hier bekannt vorkommen. Dies ist auch die Begründung für die absolute Marginalisierung der Linken in diesem und in anderen Ländern. Solange man die Ängste, Fragen und auch die Wünsche oder Präferenzen (wie die nach der Demokratie) der Leute nicht ernst nimmt, wird man die Leute nicht erreichen und wird darüber hinaus nichts erreichen außer, daß man gut ist und alle anderen blöd, also ein falsches Weltbild.

In diesem Sinne Verehrung und gemütliches Verharren in der Dunkelheit (im Sinne von Platos Höhlengleichnis).

@HTams

derBorst 29.08.2002 - 14:02
Du hättest ruhig unter Deinem richtigen Namen posten können, Du alter Gramscianer von vorgestern ;-))

Aber zu Deinem Text:

Also ich kenne keinen Kommunismus, der mit Herrschaft auskommt, und dabei geht es selbstverständlich nur um theoretische, weil es ja bisher realerweise keinen Kommunismus gab...! Offenabr ist Dein Verständnis ein falsches, denn Kommunismus bedeutet mal ganz kurz gesagt: JedeR konsumiert nach seinen/ihren Bedürfnissen und ist schöpferisch tätig nach seinen/ihren Fähigkeiten. Die Individuen beziehen sich nicht mehr durch Warentausch, sondern ohne Zwänge aufeinander. Dazu brauchst Du keine Herrschaft, keine Institution, die dies gewährleistet. Wenn es soweit ist, lernt die Menschheit laufen...

"Keine Stimme für Niemand" ist sprachlich an "Keine Macht für Niemand" angelehnt und das ist ein Song von "Ton Steine Scherben", die zwar wenig sinnvolles gemacht haben und in den ideologischen Gullys der Grünen Partei landeten, aber das auch nur wegen des Slogans. Es ist, liebeR HTams, etwas lächerlich, wenn Du von einer "Stimme für den Kommunismus" sprichst, ich meinte natürlich nur eine Stimme im Rahmen einer demokratischen Wahl. Und da gibt es eben nicht die Möglichkeit, Kommunismus zu WÄHLEN, sondern nur die Wahl der eigenen Herrschaft und die entsprechende Subsumtion unters Kapitalverhältnis.
Die Ideologie des kleineren Übels kannst Du gerne das Klo runterspülen. Nicht, daß ich nicht Nuancen zwischen Stoiber, Schröder, Fischer, W-Welle sehe, keine Frage! Nun, aber ehrlich gesagt, ist es mir egal, wer den besten Verbesserungsvorschlag für die kapitalistischen Verhältnisse deutscher Prägung hat, weil diese im Kern nicht zur Debatte stehen und die kapitalistischen Sachzwänge weitestgehend das Gleiche von den demokratischen RepräsentantInnen einfordern: Den Standort Deutschland zu fördern. Wer das letztlich macht, spielt nun mal nicht die Rolle, denn die Nuancen der Parteien sind soo gering, daß es letztlich wurscht ist, wer der Kanzler ist und wer Innenminister usw.; uund wenn Du Dir dann die Parteipolitik beipielsweise der PDS auf Landesebene ankuckst, dann mag es vielleicht ein oder zwei Errungenschaften geben, die dann aber mit 20 Rieseneinschränkungen verbunden sind, die NICHTS mit sozialistischer Politik, sondern mit konservativsten Einschnitten zu tun haben. Die MigrantInnenpolitik der sozialistischen Partei muß ich wohl auch nicht mehr erwähnen, oder? Warum wählen?

Woher willst Du wissen, daß ich den Dialog mit Leuten, die an die Demokratie glauben (in welcher Form auch immer), wie mit dir ;-), verweigere? Das mache ich nicht und glaub mir, den "Massen" (so weit ich es kann...) höre ich schon zu, nur: Was hast Du von gesellschaftlicher Hegemonie als ehem. Sponti-Linksradikaler, wenn Du als Außenminister Kriege im deutschen Interesse führst? Für mich ist dieses Ringen um gesellschaftliche Hegemonie a la Gramsci die Tür zum Opportunismus...

In diesem Sinne noch viel Spaß in der demokratischen Volksgemeinschaft, da bleibe ich lieber in der Höhle und schlage den Opportunisten tot, der von draußen wieder reinkommt und von Gramsci erzählt (ganz im platonischen Sinne, kleiner Scherz, nicht böse sein...lieber B)

@derBorst

Ungläubiger 29.08.2002 - 16:58
Ich will ja den Austausch eurer intellektuellen Ergüsse nicht stören, aber eines muss ich noch loswerden: Wenn Du schon nicht aus eigener Überzeugung zur Wahl gehst, dann tu es wenigstens für die Millionen anderen, die sich etwas davon versprechen und deiner Gesinnung näher stehen als die übrigen Schlawiner. Als Kommunist bist Du doch ein solidarischer Mensch, oder nicht? Ausser der Bestätigung, konsequent gehandelt zu haben, wirst weder Du noch sonst jemand einen Nutzen aus deinem Verhalten ziehen können, ganz besonders nicht all die zusätzlich abgeschobenen Flüchtlinge, die auf das Konto von Stoiber gehen werden. Im Gegenteil: Vielleicht wachst Du eines Morgens auf und musst feststellen, dass da ein gewisser Kanzler Stoiber an deinem Elfenbeinturm sägt. Dann heisst es: Willkommen in der Realität! Und um nur wieder dahin zu kommen, wo wir jetzt stehen, sprich einen intakten Elfenbeinturm aufgebaut zu haben, wird viel viel Zeit und Energie in Anspruch nehmen.

Ich bin überzeugt, dass Du mit deiner Wahlstimme eine Voraussetzung dafür schaffst, weiter am Herrschaftsabbau feilen zu dürfen. Wahlbykott dient doch letztlich nur der Konsequenz. Aber wem nützt das?

@Ungläubiger

derBorst 29.08.2002 - 20:24

@Ungläubiger

derBorst 29.08.2002 - 20:35
uuups, jetzt habe ich einmal zu früh abgeschickt, sorry.

1. Du störst gar nicht, ich finde den Austausch hier sehr erquickend und ich denke, daß er uns allen nur nützt.

2. ich gebe ja zu, daß ich auch immer wieder mit mir selbst ringe, aber letztlich muß ich Dir widersprechen:

a) ist Kommunist sein, kein Moralismus, ich kann also der größte Arsch und trotzdem Kommunist sein, von daher weiß ich nicht, ob ich solidarisch bin. Ich muß es jedenfalls nicht sein. Aber manchmal bin ich auch nett zu anderen ;-)

b) ich würde echt bestreiten, daß unter Schröder weniger Menschen abgeschoben wurden, als unter einer konservativen Regierung. Das eine hat mit dem anderen nix zu tun, solange der Gesetzgeber (Rot-Grün)nicht diese Gesetze aufhebt. Und das rassistische Zuwanderungsgesetz überzeugt mich dahingehend jedenfalls nicht. Schon gar nicht dieser nette Brief, der in allen Zeitungen war: "Im deutschen Interesse". Sorry, aber da ein Nationalstaat bzw. seine Repräsentanten in seiner/ihrer Konstitution schon alles abschieben müssen, was sie "beeinträchtigt" und keine Partei den Nationalstaat als Verwaltungsinstitution der kapitalistischen Verhältnisse abschaffen will, fällt es mir schwer zu wählen.

c) Schröder und co schaffen die Institutionen, die an meinem Elfenbeinturm feilen, auch nicht ab. Von daher...

Für nen Kasten Bier geh ich aber gern wählen. FreundInnen von der PDS habe ich das schon angeboten, aber die wollen meine Stimme nicht ;-)

@derBorst

Ungläubiger 29.08.2002 - 21:27
a)Okay, der Link zwischen Solidarität und Kommunismus ist vielleicht falsch. Da ich aber nicht den Eindruck habe, dass Du der allergrösste (auch nicht der zweitgrösste) Arsch bist, appelliere ich einfach an Deine natürliche Solidarität.

b)Das rassistische Zuwanderungsgesetz lässt sich mit einer schwarz-gelben Mehrheit ruck zuck in ein noch rassistischeres Gesetz umwandeln, und wenn man den Parolen Stoibers glauben schenken will (ich weiss, ich weiss, alles Blubberquark, aber man muss das schon irgendwie ernst nehmen), dann weht nach seiner Wahl ein eindeutig anderer Wind.

c)Nein, da hast Du recht, abschaffen tun sie die nicht, höchstens aus- oder umbauen und effizienter betreiben.

Ach ja, den Kasten Bier würde ich Dir gerne bezahlen...

Corrigendum zu c)

Ungläubiger 29.08.2002 - 22:25
Sorry, da ist mir ein Fehler unterlaufen:

Schröder und Co schaffen die Institutionen nicht ab, aber Stoiber und Co werden sie effizienter machen, oder bildlich gesprochen: Schröder ist am feilen, Stoiber wird sägen!

@derborst

HTams 29.08.2002 - 22:45
Also 1. wehrter Borst habe ich unter meinenm Namen gepostet, da ich zu meinem Standpunkt (auch mit meinem Namen) stehe. Das Initial am Beginn steht nur, da hier auch Leute lesen, die nicht alles wissen müssen.

2. Das natürlich Du die "Definitionsmacht" (erinnerst Du Dich noch an das Wort?) darüber hast was Kommunismus ist, war mir beim Schreiben meines Briefes entfallen; entschuldige dies bitte. Ich war schon so lange nicht mehr beim Plenum in dem Deine Meinungsführerschaft zementiert ist. Ich werde aber in Zukunft versuchen daran zu denken.

3. Die "Diktatur des Proletariats" ist, wenn ich mich recht an die Marxsche und Leninsche Literatur erinnere, gedacht als ein -wenn auch diffuses - HERRschaftsorgan. Und dies selbst da, wo sie nur als Übergangsphase zur klassenlosen Gesellschaft gedacht ist.

4. Deine Übersetzung des Kommunismus erinnert mich an Max Stirners Anarchie-Vision.

5. Deine Kommunismus-Skizze klingt zwar nett, aber wir sind dann ganz schnell bei der Notwendigkeit den neuen Menschen zu schaffen (wir erinnern uns, auch dieser Versuch wäre nichts neues). Denn Du glaubst doch nicht wirklich an die Verwirklichbarkeit Deiner Vorstellung, solange der Mensch von Neid, Gewinnsucht und Eigennutz geführt wird, oder?
A pro pos, woher hast Du eigentlich Deine Kommunismus-Version, wenn man fragen darf?

6. Du sagst, daß es letztlich egal ist, ob es Stoiber & Co, oder Schröder & Co machen. Und Du tust so, als würde das für
Dich und Deine Vorstellungen keinen Einfluss haben.
Entschuldige bitte, ich halte das für naiv. Das wäre so, als würde man sagen, 16 Jahre Kohl hätten keinen Effekt auf
dieses Land gehabt. Aber alle makroökonomischen Daten (wie z.B. die ständig gesunkenen Realeinkommen der Niedriglohn-schichten, die gestiegen Arbeitslosigkeit, der Bildungsumbau hin zu den neuen Eliten und den ökonomisch verwertbaren Disziplinen) sprechen da eine klare Sprache.
Vielleicht wäre es ganz gut über den großen Metaentwurf die Sphäre der Alltagsrealität nicht außer Acht zu lassen.

7. Das mit dem Aussenminister und der Hegemonie ist natürlich Quatsch. Die Tatsache daß Joseph Fischer ein opportunistischer Aussenminister geworden ist, hängt unter anderem damit zusammen, daß man hier bisher von einer "gesellschaftlichen Hegemonie ehem. Sponti-Linksradikaler" eben nicht sprechen kann. Die Tatsache, daß die Grünen in der Regierung sitzen, hat mit gesellschaftliche Hegemonie innehaben aber auch garnichts zu tun.

Schließlich: Wer von einer besseren Welt träumt, und dabei in seiner Höhle bleibt, von der aus er die Welt nur als Schattenspiel wahrnimmt, der kann nicht in der Welt agieren und verdammt damit seine Träume dazu Träume zu bleiben.
Denn was bitteschön (und hier spreche ich von der Wahlstimme) veränderst Du zugunsten Deiner Kommunismus-Vision, wenn Du nicht gegen eine faschistoide Option stimmst, die als Alternative zu einem zugegebenermassen beschissenen neoliberalen rot-grünen Projekt antritt?

HTams

@derborst - postscriptum

HTams 29.08.2002 - 23:00
Von was für einem Kommunismus sprichst Du eigentlich?

"a) ist Kommunist sein, kein Moralismus, ich kann also der größte Arsch und trotzdem Kommunist sein, von daher weiß ich nicht, ob ich solidarisch bin."

Natürlich ist Kommunismus eine zumindest moralische IDEOLOGIE. Die Idee des Internationalismus, der klassenlosen Gesellschaft, der gleichen Verfügbarkeit der Ressourcen für alle, und auch der Solidarität innerhalb derselben Klasse, alles das und noch mehr ist natürlich moralisch.
Eine der Grundkritiken am Kapitalismus ist doch die Ungerechtigkeit der ihm innewohnenden Ausbeutungsverhältnisse, und somit seine Amoralität.
Kannes sein, das Du Dir Deine eigene Ideologie gebastelt hast, die Du Kommunismus nennst? Wenn nicht, wo hast Du Deinen seltsame Spielart des "Kommunismus" her?
Es klingt eher nach einem radikalen Individualismus, wie ihn die neoliberale Werbung propagiert.

HTams

@Ungläubiger

derBorst 30.08.2002 - 11:45
So richtig überzeugt mich das nicht, auch wenn Du den Kasten Bier bezahlen willst ;-)

Klar, ich streite nicht ab, daß die Nuancen zwischen SPD und CSU teilweise bestehen. Sicherlich hätte es keine Homoehe (bei aller Kritik an der Ehe!) und auch im Zuwanderungsgesetz kein Asylrecht für geschlechtsspezifisch Verfolgte gegeben. Auch das Kindergeld wäre vermutlich nicht erhöht worden. Das Betriebverfassungsrecht, auch wenn ich es im Einzelnen nicht kenne, wäre wolh auch nicht reformiert worden, genau wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nicht reaktiviert worden wäre. Ich bin mir also der reformistisch-positiven Änderungen unter Rot-Grün bewußt, dies geht auch an HTams!

Nur sehe ich mindestens genau so viele negative Dinge: Allen voran die Rentenreform, nun wird ein Teil der Beiträge in Versicherungen gesteckt und der Arbeitgeber entlastet! Die Kriegseinsätze, das Hochschulrahmengesetz mit Studiengebühren, die Anti-Terrorpakete.

Und dann nur zu wählen, nur um die "weniger schlechten" Deutschland-Macher zu wählen? Das verkommt dann schlichtweg zu einem Moralismus. Obwohl ich wieder überlege, hinzugehen und ungültig zu machen...mal kucken.

Übrigens finde ich den Begriff "natürliche Solidarität" etwas problematisch. Solidarität ist wohl eine sozialisierte Geschichte und nichts, was uns von Geburt an anhaftet!

@ HTams

derBorst 30.08.2002 - 12:27
Mensch, Deine Polemik wird stellenweise nur durch ihre fehlerhafte Analyse übertroffen ;-))

zu 2.) Was willst Du mir damit unterstellen wegen der "Definitionsmacht"? Klar kenne ich das Wort, in welche Richtung zielt das?
Tja, und daß Du nicht bei dem Plenum warst, wo meine Meinungsführerschaft "HERRscht", dafür kann ick ja nix...;-))

zu 3.) Das wird aber in der von Dir zitierten Literatur, zumindest in der Leninschen (den Leninismus halte ich übrigens für Armutsverwaltung und moralisches Versagen) als Sozialismus bezeichnet und Herrschaft wird hier selbstverständlich ausgeübt, um die ReaktionärInnen flach zu halten. Finde ich eben auch problematisch, zumal wenn dieser Parteienquatsch usw hinzukommt. Da sind Rätemodelle durchaus sympathischer, die sicherlich auch Herrschaft benötigen, zumindest schon wegen der Konterrevolutionäre. Die dann später daraus resultierende klassenlose Gesellschaft wird jedoch dann ohne Herrschaft auskommen können.

zu 4.) Das mag daran liegen, daß Anarchismus und Kommunismus das gleiche Ziel hat: Eine klassenlose Gesellschaft. Die unterschiedlichen Wege dorthin resultieren daraus, daß der Anarchismus lediglich die Herrschaft im Kapitalismus kritisiert und von Wert/Ökonomie-kritik nicht so viel wissen will (wie übrigens auch sehr viele blöde KPlerInnen). Daher bleibt die Kritik, das Bild der AnarchistInnen von der sie umgebenden Gesellschaft eher diffus und führt zu den falschen Konsequenzen.

zu 5.) > solange der Mensch von Neid, Gewinnsucht und Eigennutz

Das sind typische Reflexe der kapitalistischen Verhältnisse. Wobei psychoanalytisch gesehen, solche Verhaltensweisen wohl teilweise durch bestimmte Triebe vorgegeben sind.
Gerade weil sich die Individuen durch die Dominanz des Tauschwertes aufeinander beziehen, dabei das beste Geschäft machen wollen, in Konkurrenz zueinander stehen, reproduzieren sie mehr oder weniger diese Verhaltensweisen. In einer Gesellschaft mit Überfluß werden Neid und Eigennutz (den ich nicht so problematisch finde, wenn man anderen nicht schadet) obsolet, weil ich ja nicht mehr "MEHR" haben muß als der andere, denn jedeR kann nehmen und verwerten wie er/sie will.
Die Kommunismus-Definition habe ich bei Marx, ich schaue noch mal in meiner MEW Gesamtausgabe ;-))

zu 6.) Ja, da gebe ich Dir durchaus recht, siehe oben! Wie gesagt, ich schaue mir den Schröder und seine Combo an und dann sehe ich die ganzen schlimmen Sachen (Krieg in Serbien usw), das überzeugt mich wenig, in ihm das kleinere Übel zu sehen! Aber Du hast recht, das Bewußtsein der nationalistischen Deutschen unter Schwarz Gelb wäre vermutlich noch einen Tick unerträglicher.

zu 7.) ?? Na, was ist denn dann gesellschaftliche Hegemonie in der parl. Demokratie, wenn man nicht selbst den bürgerlichen Diskurs per Regierung bestimmen kann? Das machen die ja auch, z.B. bei der Homoehe oder dem Atomausstieg, der Umweltpolitik im allgemeinen usw. Gramsci meinte das doch wohl eher mit sozialistischen Inhalten, oder? Tja, aber dann wird das in Bezug auf die Demokratie immer im Opportunismus enden, ansonsten außerpalamentarisch würde ich da sogar zustimmen.

und dann bitte Vorsicht: Also faschistoid ist hier als Begriff unangebracht und relativiert die faschistischen Verbrechen! Stoiber und seine Adepten sind zwar Dreckfinken, aber keine Faschisten, egal wie sehr sie sich manchmal solcher Ideologie latent bedienen! Ich würde Bayern jedenfalls nicht als Faschismus neuen Typs bezeichnen!

zum P.S.

Langsam begreife ich Deinen Standpunkt! Und ich halte ihn für gefährlich:

Moral ist letztlich ein diffuses Gefühl eines sozialisierten Gerechtigkeitssinns und daher eine absolut zufällig unanalytische Geschichte. Genau so moralisch argumentierte die ArbeiterInnenbewegung und Du. Na klar, um eine Kritik am Kapitalismus zu bringen, wirst Du zunächst auf die Widersprüche (gesellschaftlicher Reichtum nicht für alle) kommen, aber dann, wenn Du kritisierst, wird diese RATIONALE Analyse und Kritik amoralisch, denn diese Kritik zielt darauf ab, die eigene Knechtschaft des Menschen aufzudecken, um in eine rationale Produktionsweise zu wechseln. Nicht, weil es um "Gerechtigkeit" geht, das ist eine bürgerliche Kategorie, sondern weil man schlichtweg ein erträgliches Leben haben will und das hat auch was mit Eigennutz zu tun, denn ich will doch ein "schönes Leben" haben. (was für jeden eine andere Vorstellung bedeutet). Daß meine eigene Befreiung auch die der anderen bedeutet, ist dann die notwendige Folge. Bei Dir klingt das Wort "Individualismus" aber abwertend! Und das finde ich gefährlich, weil Du offenbar eher an einem solidarischen Kollektiv interessiert bist, mit moralischen Wertvorstellungen, die das Leben bestimmen. Aber dann bist Du näher am Christentum dran, als an einer radikalen Kritik (wie übrigens viele Kommies und Anarchos auch...)

@derborst

HTams 02.09.2002 - 13:36
Also hier die Fortsetzung der falschen Analyse:
Zuerst mal generell. Wenn man derart verschwommen mit den Begriffen diskutiert, wie Du das teilweise tust (faschistoid, Hegemonie) kommt da m. E. auch nicht die klare Analyse heraus.

- zu faschistoid:
"Also faschistoid ist hier als Begriff unangebracht und relativiert die faschistischen Verbrechen! Stoiber und seine Adepten sind zwar Dreckfinken, aber keine Faschisten, egal wie sehr sie sich manchmal solcher Ideologie latent bedienen!"
Wenn Du mal nachschaust, habe ich nicht gesagt das Stoiber und seine Gang Faschisten sind (das sind sie nämlich nicht), sondern das sie faschistoid sind, was ein Unterschied ist. Das Fremdwörterbuch (in diesem Fall der Fremdwörterduden) sagt uns dazu: "faschistoid: dem Faschismus ähnlich, faschistische Züge zeigend." Das Wort drückt also nicht die Identität mit dem Faschismus, sondern die Nähe, Ähnlichkeit zu ihm aus.

- zur Hegemonie in der Gesellschaft:
Man hat nicht (jedenfalls nach Gramsci) die Hegemonie über den gesellschaftlichen Diskurs, nur weil man Themen (z.B. durch Gesetzesvorlagen) setzten kann. Zur gesellschaftlichen Hegemonie gehört, daß man auch die gesellschaftliche Verhandlung dieser Themen bestimmt oder steuert. Dies erfordert z.B. die Meinungsführerschaft in den Massenmedien um nur ein Beispiel zu nennen. Und diese haben rot-grün zweifellos nicht, im Gegenteil. Das wird deutlich, wenn man sich ansieht, wie z.B. die Homo-Ehe oder der Atomaustieg in den Medien verhandelt werden.
Hegemonie haben endet dann auch nicht im Opportunismus (was ja eine Anpassung der Politik an die Massenmeinung bedeuten würde), sondern bedeutet viel mehr die Steuerung der Massenmeinung durch Hegemonieproduktion. Es wird eben die Zustimmung der Menge zu dem eigenen Projekt hergestellt, und nicht das eigene Projekt nach seiner Durchsetzungsfähigkeit bei der Menge ausgerichtet.

- zu "Neid, Gewinnsucht und Eigennutz":
Wenn diese Eigenschaften zu einem Teil durch bestimmte Triebe vorgegeben sind (was Du sagst und worin ich Dir zustimme), werden sie durch eine Überfluß-Gesellschaft in der alle verwerten können wie sie wollen eben nicht aufgehoben, da sie ja Teil der menschlichen Triebstruktur sind.
Außerdem, woher nimmst Du die Überfluß-Gesellschaft? In der aktuellen Gesellschaftsformation nimmst Du sie (um neben der asymetrischen Reichtumsverteilung innerhalb der Gesellschaft nur zwei weitere Gründe zu nennen) aus einer irrationale Verwertung begrenzter Ressourcen und aus einer fortgesetzten Ausbeutung dessen, was vor einiger Zeit Trikont genannt wurde. Würde man dies aber fortsetzen könnte man wohl kaum von einer klassenlosen Gesellschaft sprechen.

- zur Frage der Herrschaft in der klassenlosen Gesellschaft
Die Räte (die tatsächlich ein sympathischeres Modell sind) sind natürlich ein Herrschaftsorgan, und zwar ein nicht zeitlich begrenztes. Auch die klassenlose Gesellschaft erfortdert eine Organisation der gesellschaftlichen Herstellungs- und Handlungsprozesse, und diese Organisation bedeutet eben auch Herrschaft.
Dies wird auch deutlich, wenn man den Aspekt der Freiheit des Individuums beleuchtet: Wenn Du eine Gesellschaft hast, in der die Menge der Ressourcen (und auch der Produktionsmittel) begrenzt ist, und in der gleichzeitig alle Zugang dazu haben sollen, erfordert dies Organisation einerseits, und die Gewährleistung, daß niemand die eigene Freiheit zulasten anderer auslebt. Das bedeutet, daß man Organe braucht, die dies zu Leisten vermögen. (sehr schöner Buchtip u.a. dazu: Ursula K. Leguin: Planet der Habenichtse. Argument-Verlag, 1999)

So weit erstmal.