Anti-Knast-Aktion ''Kaufen Sie mehr Häftlinge frei!''

Basishoppel 22.08.2002 00:21 Themen: Repression
Nach einer "Gefangenenfreikaufung" zog am Samstag Vormittag eine kleine Aktionsgruppe mitsamt dem "gekauften" Aktivisten durch die Gießener Innenstadt. PassantInnen wurden freundlich angesprochen, Anteile des Sträflings zu erwerben, die Freikaufung weiter Knastis zu ermöglichen oder am besten gleich bei der Demontage von Knästen und Herrschaft mitzuwirken. Die Folgen: Überraschungsmomente, Verwirrung, Ablehnung, intensive Debatten über eine Welt ohne Knäste und viel Spass auf Seiten der Aktivistas.
HintergründeWegen einer Transparentaktion während des Atomforums laufen gegen Menschen aus verschieden Städten Prozesse (Tatvorwurf: Hausfriedensbruch). Neben anderen wurde Jörg aus der Projektwerkstatt bereits zu einer horrenden Geldstrafe verurteilt (30 Tagessätze a 10 Euro) ... 17 Stunden Castor stoppen ist da "günstiger"! Der Aufforderung, die Tagessätze zu zahlen, kam er nicht nach. Wie zu erwarten aber dennoch etwas überraschend wurde er am Freitag kurz vor Abfahrt zum Carnival against (Bundeswehr-)Apell von der Polizei "abgeholt" (die dafür poserig mit drei Wagen in Saasen auftauchte) und in den Knast Gießen befördert. Noch am Abend fand sich eine Gruppe, um über unsere Antworten nachzudenken. Ziemlich schnell war klar, dass wir Jörg freikaufen würden, aber auch, dass wir es nicht damit belassen, sondern eine Aktion damit verbinden wollten (wie vorher bereits überlegt): Zum einen wollten wir die Logik hinter dem "Freikaufen" von Menschen angreifen, zum anderen Knast als Zuspitzung von Gewalt- und Zwangsverhältnissen. Beim abendlichem Brainstorming kristallisierte sich nach und nach eine witzige Idee für eine kommunikative Anti-Knast-Aktion heraus. Planung, kurzfristige Vorbereitung am Morgen und dann ging's los nach Gießen ... erste Station: Knast.
Aus dem Knast direkt zur nächsten Aktion Eine Gruppe war schon vorgefahren, um Jörg freizukaufen. 408 Euro kostete der Spaß - und noch unklar, wo die herkommen werden. Das Spendenkonto für die Menschen, die wegen der Aktionen gegen das Atomforum verurteilt wurden hat so gut wie kein Geld erhalten bisher ... Soliparties usw. wären cool! Wir kommen am Knast an, nach zehn Minuten kommt er zu uns raus ... Jubel, dann sehr schnell eine Einführung in das, was wir vorbereitet hatten. Die Aktion geht los: Er bekommt ein Schild mit der Aufschrift: "Ich bin wieder frei. Der Knast steht weiter. Wie lange noch?" Wir ziehen uns um ... die Aktionskleidung: Weisse Anzüge im "Sträflingslook" samt Parolen auf dem Rücken ("Knäste abschaffen", "Herrschaft ausmachen" usw.). Mit Transparent ("1: Atomgegner freikaufen, 2: Knäste abschaffen"), Spendendose und Flugblättern ziehen wir los in die Innenstadt. Sofort fangen wir an auszuströmen und PassantInnen offensiv anzusprechen: "Wir haben gerade einen Menschen aus dem Knast freigekauft. Wir wüden gerne aber noch mehr Menschen frei kaufen", verbunden mit der Bitte um eine Spende oder der Aufforderung, sich an der direkten Demontage des Knastes zu beteiligen. Als symbolische Veranschaulichung trug ein Mensch von uns Hammer und Meißel mit sich ... "Wenn sie kein Geld haben, können sie vielleicht bei der zweiten Projektphase einsteigen ... langfristig wollen wir diesen und alle anderen Knäste abschaffen". Immer mit Hinweis auf den freigekauften Aktivisten (?Wollen Sie Anteile an einem Anti-Atom-Aktivisten erwerben ... 418 Euro?). Geplant war, mit den gesammelten Spenden zum Knast zurück zu gehen und dort nachzufragen, wie viele weitere Häftlinge wir dafür "freikaufen" könnten, ob es z.B. Mengenrabatte gibt usw.
Nach kurzer Zeit erreichen wir den Wochenmarkt; ein relativ enger Gehweg und nicht völlig anonymisierte Atmosphäre kommen unser Aktion entgegen. Dort erlebten wir eine große Bandbreite von Reaktionen ... Verwunderung, Verteidigen des Status Quo ("Richtig so ... das wird schon seinen Grund haben"), Neugier, Zustimmung usw. Klar zu erkennen war, dass wir sehr viele mit der Forderung "Knäste abschaffen" ziemlich vor den Kopf stießen ... selbst mir erscheint das manchmal undenkbar. Interessant fand ich, dass sich doch so einige Menschen positiv auf unsere Aktion bezogen oder uns tatsächlich Geld spendeten. HardlinerInnen meinten, dass mensch Knastis umlegen sollte, dass sich Menschen ohne Kontrolle halt gegenseitig umbringen, es ganz schlimm wird, "wenn alle machen, was sie wollen". Einige Menschen waren erst ungläubig, hielten die Aktion für ein Fake, die Präsenz eine so eben "freigekauften" Menschen schaffte Klärung (nun, nicht immer).
Ansonsten viel Verwirrung und Nachfragen, wie Gesellschaft denn ohne Knast funktionieren solle. Viele stimmten dem Argument zu, dass Knast nichts verändert, eher Gewalt fördert usw., wollten aber wissen, was Alternativen seien - an diesen Punkten entwickelten sich immer wieder längere Gespräche mit VerkäuferInnen und PassantInnen - für mich der spannendste Teil der Aktion. Als Argumente für Knast wurden natürlich sofort KinderschänderInnen, Vergewaltiger und DiebInnen benannt. Ziemlich schnell ergaben sich hier utopische, gesamtgesellschaftlichen Debatten, weil klar ist, dass das Abschaffen von Knästen nicht über Nacht im leeren Raum statt finden kann, sondern einer radikalen Veränderung aller sozialen Bereiche hin zu immer mehr Selbstbestimmung bedarf.
Sehr schön fand ich mitzuerleben, wie sich immer wieder an verschiedenen Stellen kleinere Runden bildeten, wir in einen Austausch mit Menschen kamen, der in der Intensität deutlich und über das übliche standardisierte, sehr anonyme Verteilen von Flugblättern hinaus ging. Auch für uns (zumindest einige) war das eine neue, angenehme Erfahrung, eine Aktion mit viel mehr Gestaltungsraum für die einzelnen Beteiligten - Latschdemos und andere zentralistische Aktionsformen waren für mich immer so unerfüllend, eben weil ich selber nicht handelndes Wesen war. Langsam durchqueren wir die Innenstadt. Zwischendurch rufen wir spontan witzige "Marktschreie" wie "Hier wieder frische Häftlinge ... kauft mehr Häftlinge", die die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich ziehen. Irgendwann beenden wir die Aktion. Nun, leider reichten die gesammelten Spenden nicht für weitere Knackis und auch das Projekt "Knast in Gießen weg meißeln? kam mangels Freiwilliger nicht zu Stande ... noch nicht"
NachbereitungInsgesamt bin ich recht zufrieden mit der Aktion. Bei der Reflexion stellten wir uns vor, was wäre, wenn auf der nächsten Demo viele Gruppen ähnlich vorgehen würden, immer wieder ausschwärmen, Gespräche anzetteln ... viel mehr Vermittlung und direkte Kommunikation wäre möglich. Sehr schön fand ich den Raum für die einzelnen Beteiligten, die Aktion auszugestalten, Gespräche zu führen, was ein wesentliches Lustelement für mich war. Ganz im Gegensatz zu konsumförmigen Mitmachaktionen, bei der Menschen als träge Masse instrumentalisiert werden - anstatt ihre Handlungsfähigkeit und Autonomie zu fördern. Auch fanden wir gut, Knast und die grundsätzliche Kritik daran endlich mal wieder zu thematisieren, ein wenig Öffentlichkeit zu schaffen, Sichtbarkeit herzustellen. Auch in linksradikalen Kreisen fehlen herrschaftsfeindliche Debatten ... so geht es dann nur darum, dass die "richtigen" Leute (Nazis, Vergewaltiger) in den Knast befördert werden. Schön empfand ich noch das nahtlose Übergehen ... erst freikaufen, dann direkt eine kreative Aktion hinterher ... viel Vergleichbares ist mir auf Anhieb nicht eingefallen. Wir hoffen nun, dass mehr Gruppen und Menschen sich ermuntert fühlen, Repression, Knastaufenthalten nicht mit Einschüchterung und Resignation zu begegnen, sondern offensiver, öffentlicher Thematisierung über Aktionen und Widerständigkeit drinnen & draußen. Wahrscheinlich stehen wir auch hier erst am Anfang dessen, was möglich ist, wenn sich Wut, Widerstand, Vision, Kreativität und Wissen um Direkte Aktion treffen. No border, no nation, no prison! Kein Knast steht ewig!
Solidarität mit allen Gefangenen!Phantasievolle Aktionen gegen Knast und Repression! Widerstand gegen Knast, Herrschaft & Verwertung!
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Ergänzungen

Bericht aus dem Knast

Aktionsteilnehmi 22.08.2002 - 01:12
Unter diesem Link findet sich der Bericht des freigekauften Häftlings ... oben auf dem Foto steht auf dem Schild links der Spruch "Ich bin wieder frei. Der Knast steht weiter. Wie lange noch?"

Weiteres Beispiel KREATIVER Antirepression

Surferisti 22.08.2002 - 01:35

An den Autor

iX 22.08.2002 - 02:10
Du hast html-Tags benutzt und die Mods haben daraufhin html aktiviert. Allerdings scheinst Du keine Absätze gesetzt zu haben. Daher in Zukunft: Entweder alles als html (für einen Absazu einfach ) oder gar nichts. Vielleicht bringen die Mods das noch in Ordnung?

J.B. muss es ja wirklich nötig haben!

Giessener Antifa 22.08.2002 - 05:42
Wie oft willt J.B. von dieser Kleinaktion eigentlich noch berichten?

Bitte Quellen nennen!

jb 22.08.2002 - 11:45
An "Giessener Antifa" ...
Kann natürlich sein, daß da jemand mit Eurem Namen provoziert. Nach den Aktionen am Kirchenplatz (gegen Westerwelle, siehe  http://www.de.indymedia.org/2002/08/28061.shtml) und Eurer Selbstinszenierung über komplett gelogene Berichte scheint Ihr ja auch gegen die Projektwerkstatt das Kriegsbeil ausgegraben zu haben.
Besser wäre aber, Ihr würdet Quellen nennen statt nur Behauptungen aufstellen. Daher zur Klarstellung: Der obige Text stammt nicht von mir (Lüge 1). Und diese Aktion ist noch nicht beschrieben worden (Lüge 2). Offenbar verwechselt Ihr es mit dem tatsächlich von mir stammenden Bericht AUS dem Knast. Der Bericht oben ist aber die Aktionsbeschreibung der logischerweise ohne mich vorbereiteten Aktion (ich war ja im Knast) im Anschluß! Aber zwischen zwei Dingen unterscheiden zu können, ist ja schon strukturell antisemitisch.*
Also: Wäre nett, wenn Ihr Eure Polemiken nicht ständig einfach über Lügen aufbauen würdet. Das finde ich auch von daher schade, weil ich genauso wie viele andere Menschen rund um die Projektwerkstatt politisch auch dann nicht pro-palästinensisch sein wollen, auch wenn das durch Eure Art der Politik definitiv keinen Spaß mehr macht - und weil wir uns bislang auch ständig bemüht haben, Euch für ein Mitmachen bei Aktionen anzusprechen ... und Ihr immer ablehnt (z.B. für den antirassistischen Aktionstag am 14.9. in Gießen - siehe  http://www.projektwerkstatt.de/giessen.

* Das ist übrigens keine Polemik. Antideutsche haben bereits mehrfach öffentlich geäußert, daß überhaupt differenzieren zu können, die Voraussetzung für Antisemitismus ist - z.B. wer die Fleischindustrie angreift (VeganerInnen) oder wer eine Bank von einem Edeka unterscheiden kann oder ...

Dont feed the troll

22.08.2002 - 14:19
an jb: die anti-ds wollen nur aufmerksamkeit. diskussionen bringen nichts, weil sie argumente ignorieren und selbst nach deutlicher widerlegung immer wieder von vorne beginnen ihren müll zu behaupten. wie du schon richtig schreibst, bauen sie ihre pseudo-diskussion auf lügen und falschbehauptungen und auf verdrehungen der realität auf (teils bewusst, teils unbewusst).im letzten halben jahr hat sich gezeigt, daß ein diskutieren mit denen nur zu eines führt: ablenkung vom eiigentlichen, zwitvertreib und die schaffen es damit mit ihren müll zu dominieren. warum nutzen die antids für ihre fake-diskussionen indy und keine disko-foren?
dont feed the troll kann ich nur empfehlen!

Trolls bei Indy

NoFX 22.08.2002 - 15:34
Die Trolls sind nicht nur bei Indy.de aktiv. Weltweit gibts besonders von Nazis und rechtskonservativen Aufrufe, Indy zuzuspammen. In Deutschland geschieht dies besonders seitens der Antideutschen und aus dem Kameradschaftsumfeld (www.diekommenden.de)
Das hier hab ich bei Indybay (indy-SanFrancisco) gefunden:

Trolls on indymedia
A conservative website, therightwing.com, incites members to attack free speech on indybay.... und so weiter.
Scheint echt, daß Berichterstattung von Unten ne Menge Leute stört - also sind wir genau richtig! Schafft neben Indy noch weitere Projekte dieser Art. Mal sehen, wer gewinnt!

Wir alle sind JB!?

Basistrottel 22.08.2002 - 16:11
Hey ... sehr interssant. Ich als Schreiberin und Posterin des Textes finde es sehr lustig, dass ich jetzt auch JB sein soll. Ich bin ja auch keine Freundin eindeutiger Identitäten, aber in diesem Fall scheint es eher darum zu gehen, einen Aktionszusammenhang auf eine Person zu reduzieren, und damit inhaltliche Auseinandersetzung zu umgehen. Es nervt ganz schön.

AU weia.

Tut doch nichts zur Sache. 23.08.2002 - 10:33
Wenn Ihr sonst keine Probleme habt, dann ist es ja gut.

nochmal @jb

s.a.t.h. 23.08.2002 - 14:43
eigentlich wollte ich ja meine beleidigung nicht begründen, aber ist auch langweilig, wenns gleich wieder gelöscht wird.
jb ist ein linksdeutsches arschloch, weil er deutsch ist in seinem umgang mit antisemitismusvorwürfen. übrigens mit folgenden rethorischen trick: abstractio ad absurdum. wer kapitalismus in banken verkörpert sieht, aber nicht in edekas denkt antisemitisch. und wer für eine solche kritik nur hohn übrig hat, ist ein arschloch.

hä?

ich 23.08.2002 - 15:52
ist s.a.t.h. nicht dieses antisemitische ... der hier hin und wieder npd-propaganda loslässt?

Keine Knäste mehr?

da bin ich skeptisch! 24.08.2002 - 06:56
Es klingt ja schon irgendwie schön: eine Welt ohne Gefängnisse. Aber was machen wir dann mit den Nazis und mit den Vergewaltigern? Gibt's die nach der revolution dann automatisch nicht mehr oder denkt ihr eher an das sehr prä-revolutionäre Jetzt? Na, die potentiellen Nazi- und Missbrauchsopfer würden sich glaube ich nicht sehr über die sofortige Knastauflösung freuen! Oder ist die alltägliche Existenz von Vergewaltigungen nur bürgerliche Medienpropaganda?;)
Denkt ihr vielleicht sogar an "Umerziehung" als Alternative? Da fände ich knast noch "humaner"!
Ich glaube, ihr geht da insgesamt ein wenig naiv an die Welt ran!!!

@keine knäste mehr

Anti-Knasti 24.08.2002 - 14:28
Beantworte für Dich mal folgende Frage: Machen die Verhältnisse im Knast aus Menschen eher Nazis bzw. Vergewaltiger oder umgekehrt?

Wenn Du das für Dich klar hast, betrachtet nochmal Deinen Beitrag und die Behauptung, mit Gewalt (Knast) ließe sich gewaltförmiges Verhalten verbessern.

Und jetzt bitte nicht sagen: Naja, wenigstens sind die dann weggesperrt und vergewaltigen/prügeln, wo ich das nicht sehe. Das wäre nicht so dolle, aber leider Praxis auch linker Herrschaftsanalyse.

Weltende

Zauberprinzenbär 12.09.2002 - 19:27
Weltende
Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei.
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei,
und an den Küsten - liest man - steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen,
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

JAKOB VON HODDIS