Kein Sommer fuer Bornstedt - 13.7. Demonstration in Potsdam

[AAPO] Antifa Aktion Potsdam 02.07.2002 01:14 Themen: Antifa Antirassismus
Seitdem die Stadt Potsdam bekannt gab, 150 Migrant/inn/en in den Potsdamer Stadtteil Bornstedt verlegen zu wollen, formiert sich hier der völkisch-deutsche Widerstand. es gründete sich eine Bürgerinitiative mit dem Zweck, mittels Unterschriftenlisten, Pressearbeit und Eingaben in die Stadtverordnetenversammlung den Umzug zu verhindern. Aber auch die Option eines Pogroms á la Rostock-Lichtenhagen wollen die Bornstedter/innen nicht ausschließen. Inzwischen üben Rechtsextreme wie der Brandenburger Innenminister Schönbohm und der NPD-Kreisverband Havel-Nuhte den solidarischen Schulterschluß mit dem rassistischen Dorfkollektiv.
Bitte weiterverbreiten:*****************************************Demonstration "Kein Sommer für Bornstedt">>> Samstag, den 13. Juli 200214°° Potsdam Luisenplatz*****************************************organisiert von Antifa Aktion Potsdam, Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär Potsdam, progress.pdm [antifascistic youth], JungdemokratInnen/Junge Linke LV Brandenburg, Antira-Org Potsdam, AG Antirassismus Potsdam.Für Werbematerialien wendet Euch bitte umgehend an mailto:potsdam@kampagne.de.8<--------------------------------------->>> Kein Sommer für BornstedtBeinahe die Hälfte der im Potsdamer Stadtteil Bornstedt lebenden abstimmberechtigten Einwohner unterschrieben seit März dieses Jahres die Erklärung einer "Bürgerinitiative Bornstedt", in der gegen die Verlegung der Asylbewerber des Standorts Michendorfer Chaussee in ein bisher zur Unterbringung von russischen Spätaussiedlern genutztes Gebäude protestiert wird. Dass es sich dabei um einen durchaus normalen Vorgang im wiedervereinigten Deutschland handelt, davon zeugen etliche ähnliche Vorgänge z.B. in Neustrelitz und Bad Doberan. Auch in Bornstedt kam es bereits Anfang der 90er Jahre zu Protesten, als das betreffende Objekt erstmals als Flüchtlingsunterkunft in Betrieb genommen wurde. Die Argumentation der explizit zu diesem Thema gegründeten Bürgerinitiative vereint die volle Bandbreite rassistischer und wohlstandschauvinistischer Denkmuster. In Anfragen in die Stadtverordnetenversammlung Potsdam, in offensiver Öffentlichkeits- und Pressearbeit und nicht zuletzt auf einer gut besuchten Bürgerversammlung am 19. März wird diese immer wieder mit Ängsten in der Bornstedter Bevölkerung gerechtfertigt. Die geäußerten Befürchtungen reichen dabei von Image- und Werteverlusten Bornstedter Immobilien, Überfremdungsängsten gerade in Bezug auf die Wohnsituationund Lehr- und Lernbedingungen in der Schule, der Zunahme von Drogen- und Eigentumsdelikten bis hin zu deutlich rassistischen Projektionen. In dieser Vorstellung schleichen die Immigranten tagsüber durch die Vorgärten, klauen, vergewaltigen Frauen und Kinder und hindern die benachbarten Bewohner durch exzessives Feiern am Schlafen. Die Versuche des stellvertretenden Bürgermeisters Jann Jakobs, dem mittels standortökonomischer Logik beizukommen, scheiterten am sturen Beharren der Protagonisten. Diese ließen sich nicht davon beeindrucken, dassauf dem sogenannten Sago-Gelände in der Michendorfer Chaussee mit der Errichtung eines Biotechnologieparks auch Arbeitsplätze entstehen werden, und selbst mit der nur provisorischen Neubelegung des Heimes die Zahl der Immigranten in Bornstedt ab- statt zunimmt. Vielmehr trat mit jedem entkräfteten Argument immer mehr für Rassismus typische, irrationale Ressentiments bis hin zur unmissverständlichen Androhung von physischer Gewalt gegenüber den Immigranten durch die normalen Bürger zutage. Hierbei wurde unter anderem auf Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen verwiesen. Projektion und deutsche Leidkultur Daran kann man erkennen, dass rassistische Vorurteile nichtausschließlich mit ökonomischen Fakten zu begründen sind. Es ist den Menschen in Bornstedt - wie allen Menschen - der Eintritt individuellen Glücks durch eigene Schaffenskraft versagt geblieben. Dieses Versprechen bürgerlicher Ideologie musste eine Lüge bleiben, denn die zugrundeliegende Vorstellung vom Glück durch Macht, Sicherheit und Wohlstand ist verknüpft mit dem Erfolg in der permanenten Konkurrenz des Marktes. Gerade die Alteingesessenen mussten sich nach dem Zusammenfall des realexistenten Sozialismus aber an eine Situation gewöhnen, in der ihre Arbeitskraft nicht mehr benötigt wird. Der wohlstandschauvinistische Reflex, das auserwählte Stück des Kuchens gegen mögliche, nichtdeutsche Konkurrenten zu verteidigen, ist aber kein unausweichlicher Automatismus. Der Einzelne hat für sein Denken und Handeln eine individuelle Verantwortung. Eine erfolgreiche bürgerliche Revolution hätte den Individuen eine solche Vorstellung von selbstverantwortlicher und gleichberechtigter Teilnahme am gesellschaftlichen Leben nahegebracht. Anstelle der zugrundeliegenden, unbedingten Verknüpfung von demokratischen Grundrechten an das bürgerliche Subjekt wird in Deutschland jedoch preußisch-monarchistisches Denken tradiert. Doktrin des Zusammenlebens und damit Vorraussetzung für die Gnade gesellschaftlicher Akzeptanz ist die Unterordnung des Einzelnen unter volksgemeinschaftliche Wertewie Gehorsamkeit, Ordnung, Fleiß und Sauberkeit, wobei die Erziehung auf die Gefolgschaft zum Monarchen ersetzt worden ist durch Zurichtung zum selbstbeherrschten Untertan. Die Vorstellung von Glück und gesellschaftlicher Anerkennung ohne auf Arbeit und Befehlsausführung hin verstümmeltes Bewusstsein ist diesem nicht nur fremd, sondern gefährdet seine Stabilität und die der Leidensgemeinschaft. Und da er den bestehenden Zustand nicht in Frage stellen will, muss er die Schuld an seinem Unglück auf andere projizieren. In seiner Phantasie profitieren diese nicht nur an seiner Arbeitsleistung, sondern haben auch sonst ohne die ihm ansozialisierten und selbstauferlegten Defizite ein von Wohlstand, sexueller Freizügigkeit, und kosmopolitischem Hedonismus geprägtes Leben. Dafür muss er sie - bei Strafe seines psychischen Zusammenbruchs - angreifen und vertreiben. Nichts anderes ist gemeint, wenn von einer Gefahr für die deutsche Kultur, einer Grenze der Integrationsfähigkeit die Rede ist. Projektionsobjekt AusländerWie die Gemeinschaft den Einzelnen daran integriert, so erfolgt auch die Ausgrenzung alles Undeutschen anhand der deutschenSekundärtugenden. Der Ausländer an sich gilt also - bis auf wenige, für die Nation als nützlich kategorisierte Ausnahmen - als anders, kriminell, faul und nur aufs feiern bedacht, als krank, unsauber und nicht integrationswillig. Dass Asylbewerber in Deutschland gezwungenermaßen tatsächlich größtenteils nicht arbeiten und zurückgezogen in Heimen leben, stigmatisiert sie weiter in diesem Sinne und prädestiniert sie für solche Projektionsleistungen. Die Kernaussage des strukturellen Rassismus benannte Alwin Ziel,Sozialminister in Brandenburg, in seiner Ablehnung einer antirassistischen Initiative: Der diesbezügliche bundesweite Konsens besteht darin, die Lebensumstände der Flüchtlinge möglichst abschreckend zu gestalten. Nach Deutschland vor Krieg, Verfolgung und Armut - vor allem Auswirkungen der kapitalistischen Verwertungslogik - flüchtende Menschen sind also mit der Gegebenheit konfrontiert, schon vom Gesetzgeber und den Verwaltungsorganen aus in gesellschaftliche Isolation gezwungen und an einem normalen Leben gehindert zu werden. So sind sie der Residenzpflicht unterworfen und dürfen sich nur in Ausnahmefällen nach Erlaubnis durch Ausländerbehörde aus dem ihnen zugewiesenen Landkreis herausbewegen. Mittels "verdachtsunabhängiger Kontrollen" kann eine Zuwiderhandlung jederzeit festgestellt werden, mehrere solcher Verstöße können zur Abschiebung führen. Gemäß des Sachleistungsprinzips erhalten Flüchtlinge über ein Taschengeld von 40 € ihre Sozialleistungen - die übrigens unter dem Existenzminimum für Deutsche liegen - in Form von Wertgutscheinen, die nur in bestimmten Geschäften und nicht z.B. für Genussmittel oder kulturelle Aktivitäten ausgegeben werden dürfen. Auch die einzige Möglichkeit, zumindest nach wertegesellschaftlichen Gesichtspunkten zu gesellschaftlichem Ansehen zu gelangen, nämlich zu arbeiten, bleibt ihnen versagt. Als damit der bundesdeutschen Gesellschaft Außenstehende sind sie weiterhin leichte Beute - ein dem Klischee entsprechendes, willkommenes Projektionsobjekt. Geringfügige Besserungen der rechtlichen Situation wie z.B. dieEinführung der doppelten Staatsbürgerschaft, dienen rechtspopulistischen Politiker immer wieder als Vorwand für rassistische Kampagnen um Wählerstimmen. Wie das Beispiel Hessenzeigte, können sie sich an diesem Punkt eines großen Rückhalts in der Bevölkerung sicher sein. So ist es auch nicht verwunderlich, dass es auch im betreffenden Fall zu Gesprächen zwischen dem Brandenburgischen Innenminister und CDU-Rechtsaußen Jörg Schönbohm und der "Bürgerinitiative Bornstedt" kam. Die örtliche CDU tat sich mit Verständnis für deren rassistischen Verlautbarungen hervor. Auch Rechtsradikale suchten mittels Flugblättern den Schulterschluss zur Dorfgemeinschaft. Gemeinsam ist allen das Eintreten für traditionelle Werte, für die Volksgemeinschaft, für die deutsche Leidkultur und die damit verbundene Abwertung und Ausgrenzung alles "Undeutschen". "Egal, ob Juden, Neger oder Obdachlose - die wollen wir hier nicht."An dieser Situation kann auch die zunehmend praktizierte Wohnungsunterbringung von Flüchtlingen, ja nicht mal deren völliges Abhandensein etwas ändern. Wie es ein Vertreter der Bornstedter Freiwilligen Feuerwehr auf der Bürgerversammlung auf den Punkt brachte, sind die Volksfeinde jederzeit neu definierbar. Der Austausch der Feindbilder ist jedoch nicht beliebig. Antisemitismus mit seiner Personifizierung des "Juden" als das abstrakt "Andere" hat eine besondere Kontinuität und eliminatorische Tendenzen in Deutschland. Dagegen haben die rassistischen Einstellungen v.a. die Ausnutzung und Trennung von den kategorisierten "Ethnien" zum Ziel, wenngleich es auch hier zu Morden kommen kann. Es ist dem Autoritären ein zwingendes Bedürfnis, zu projizieren, und ein Abgleichen seiner Wahnvorstellungen mit der Realität lehnt er konsequent ab. Zivilgesellschaftlichem Engagement wie etwa Aufklärung über die Flüchtlingssituation ist er deshalb nicht zugänglich. Vielmehr setzt das der Zivilgesellschaft zugrundeliegende Modell voraus, dass eine Gemeinschaft gegen konstruierte Feindbilder eingeschworen wird und aus diesem Konsens heraus reagiert. Ein solcher Konsens wird in Bornstedt nie ein antirassistischer sein; das rassistische Kollektiv wird niemals sich selber bekämpfen. Trotzdem ist es notwendig, dem rassistischen Konsens in Bornstedtetwas entgegenzusetzen. Die Flüchtlinge, die in Bornstedt leben, müssen jeden Tag aufs Neue mit der Bedrohung ihres Leben rechnen und bedürfen deshalb unserer Solidarität. Außerdem ist es nicht hinnehmbar, dass sich aggressive Öffentlichkeitsarbeit angesichts der erreichten Erfolge - die Zahl der Flüchtlinge wurde inzwischen von 150 auf 100 reduziert und der Umzugszeitpunkt verschoben - als legitimes Mittel der Durchsetzung der Volkshygiene weiter etabliert. Längerfristig kann Herangehensweise aber nur sein, den Rassisten nahe zu bringen, dass gerade die Erfüllung ihrer projizierten und sich selbst entsagten Wünsche nach einem nicht auf bestmögliche Verwert- und Beherrschbarkeit hin ausgerichteten Zusammenleben Vorraussetzung für ein glückliches Dasein ist. Dieses setzt jedoch die Erfahrung einer emanzipierten und nonkonformistischen Gesellschaft voraus. Die zivilisierende Wirkung der kapitalistischen Wohlstandsgesellschaft ist trügerisch, lauert doch bei der nächsten Krise der Rückfall in die Barbarei. Rassismus ist Ausdruck der bestehenden Verhältnisse, und diese gilt es zu verändern. >>> Den rassistischen Konsens angreifen. Für eine befreite Gesellschaft.
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Ergänzungen

Muhu

Joghibär 02.07.2002 - 23:13
Lasst doch mal die Leute in Ruhe, dann klapts auch mit dem Nachbarn

Also nach der Aktion werden alle Links

Reflex 02.07.2002 - 23:33
Toll! Nach dieser Demo werden alle Dörfler sofort ihr schreckliches tun einsehen. Ihnen wird nicht mit Verstand und Argumenten begegnet sondern mit dem was sie verstehen. Bravo für die intellektuelle Meisterleistung!

So klappt das nicht

Hermes 09.07.2002 - 00:09
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Also, so klappt das wirklich nicht, wenn 50% der dortigen Einwohner dagegen sind, dann sollte man das auch respektieren, sonst machen die armen Asylbewerber dort die Hölle durch. Es muss doch möglich sein irgendeine andere Unterkunft zu finden?

Glückauf
Hermes