Attac: Erobern, Unterwandern, Assimilieren

Noch-nicht-Assimiliertes 29.06.2002 21:22
Welche Ziele treiben die ChefInnen von Attac an? Diskussionen darüber entfachen immer wieder aufs Neue. Viele lehnen die Debatte auch ab, weil damit Attac noch wichtiger würde. Das ist verständlich, übersieht aber, daß Attac, gefüttert von Millionen aus Staats- und Elitenmitteln, in der Hauptsache damit beschäftigt ist, andere politische Zusammenhänge "einzusammeln", hegemoniale Öffentlichkeit zu betreiben und sich selbst von Null auf Hundert als Sprachrohr in der Debatte um Politik sowie als institutionalisierte Zivilgesellschaft zu konstruieren.
Dieser Prozeß ist auch personell nachweisbar. Attac Deutschland ist nach dem selben Muster aufgebaut worden wie z.B. der führende Attacverband in Frankreich. Die neokeynesianistische Presse sowie Lobbyorganisationen aus diesem Bereich haben die Organisation in den Mittelpunkt geschoben. Attac wurde als das bezeichnet, was es dann auch wurde - öffentliche Führungsorganisation. Das wurde Attac nicht durch den massenhaften Zulauf, sondern den gab es, weil Attac als Führungsverband hochgelobt wurde.
Personell begann Attac vor allem mit Personen, die 1999 beim Weltwirtschaftsgipfel in Köln mit skandalösen Strategien der Entpolitisierung sowie der geschickten Verbindung von Integration und Ausgrenzung eine klare Dominanz aufbauten - z.B. Peter Wahl von WEED und Jutta Sundermann von Share (Verden). Hinzu kamen die Manager aus dem ökokapitalistischen Verdener Ökozentrum, ehemalige Anarchisten, die zu marktwirtschaftlich orientierten Projektberatern mutiert waren.
Als die damals an Antiglobalisierungsbewegung bezeichneten Proteste auch in Deutschland starkes Interesse weckten und die Möglichkeit einer Entstehung von Widerständigkeit offensichtlich wurde, förderten von taz bis Gerhard Schröder große Teile gesellschaftlicher "Mitte" den Aufbau von Attac - ein Haufen von nur sehr wenigen Mitgliedern wurde zum Zentrum. Schon kurz danach war Attac der Meinungsführer. Wer nicht dazugehörte, wurde an den Rand gedrängt oder (auch das ist passiert) einfach gegen den eigenen Willen als Attac-Gruppe dargestellt.
Diese Vereinnahmung wurde im Laufe des Jahres 2001 zur Strategie. Etliche Organisationen traten selbst bei - von Trotzkisten, die plötzlich für Tobin Tax Schilder trugen, bis zu Gewerkschaften und Parteien (u.a. der Parteiverband Hessen-Süd der SPD-Entwicklungshilfeministerin). Gut sichtbar wurde die Politik an der Eingemeindung von medico international und der BUKO. In diesen beiden Organisationen agierten wichtige Führungspersonen aus dem Spektrum der Soli-Gruppen, die den Internationalismus stark besetzten. Sie waren wichtig für eine Kanalisierung von Protest. Von Beginn an war schon der Ila-Funktionär Werner Rätz in der Attac-Führungsetage. Sein Kurs wies die Züge moderner Integrationslogik auf: Sich selbst ständig von Attac distanzieren, sich mit den Kollegen aus der Führung streiten, um Pluralität vorzutäuschen und dann andere aufsaugen zu können. Das trieb ab 2001 die ehemals wichtigste Attac-Aufbauerin Jutta Sundermann zur Perfektion. Sie stieg scheinbar aus dem Attac-Führungszirkel aus und zunächst bei medico ein. Als Folge gründete medico mit Attac zusammen Kampagnen. Inzwischen sitzt medico-Altvorderer Thomas Seibert im Attac-Rat. Perfekt, gelungener Entrismus. Also weiter ... im Vorfeld des letzten BUKO agierte Jutta Sundermann intensiv im BUKO - nur einige Monate, aber das reichte, um ein neues SprecherInnenteam zusammenzubauen, das dann auf dem BUKO gewählt wurde. Also Station Nummer drei nach Attac und Medico. Der Rest ging dann schnell - inzwischen ist selbst BUKO-Mann Uli Brand, der gleichzeitig noch Bücher mit Kritik an NGOs und Lobbyarbeit veröffentlicht, im Wissenschaftlichen Beirat von Attac. Neben ihm finden sich noch die gewendeten Marxisten wie Huffschmid usw., die schon seit einem Jahr Modernisierungspolitik betreiben, sowie den Überall-dabei-und-jede-Meinung-ist-gut-wenn-ich-dadurch-ins-Gespräch-komme-Leuten wie Elmar Altvater. Damit schreitet die Assimilierung weiter fort. Uli Brand ist definitiv jemand, der einen Ruf als Attac-Kritiker hat - und damit auch klarere Attac-KritikerInnen rausdrängt aus den Debatten, weil er ja schon da sitzt. Die wichtigsten Attac-Kritiker sind selbst Attacis - wie sagt Attac so schön: "Organisation neues Typ". Sehr wahr - Herrschaft der modernsten Sorte. Welch Zufall, daß Jutta Sundermann vor kurzem mit Uli Brand im BUKO zusammen eine Kampagne aufgebaut hat ... der BUKO ist assimiert, die formale Mitgliedschaft ist da gar nicht mehr nötig - es wirkt viel besser, wenn eine gewisse Spannung bleibt, damit die Kanalisierung nicht auffällt. Wer darf als nächstes mit dem Andockversuch der IntegrationskünstlerInnen rechnen???
Die einzige Angst, die den FunktionärInnen noch bleibt, findet sich in einem Text des Attac-Spitzenmannes Felix Kolb im neuesten Massen-Rundbrief (S.4): "Der Erfolg von Attac basiert ganz stark auf der Konzentration auf konkrete, pragmatische und einleuchtende Forderungen, die von Menschen mit verschiedenen weltanschaulichen und politischen Überzeugungen geteilt werden können. Deshalb würde die Radikalisierung der politischen Rhetorik mittelfristig mit einem massiven Verlust von öffentlicher Unterstützung und Bündnispartnern einhergehen."
Aktionen sind bei Attac aber auch gar nicht mehr vorgesehen. Die kommenden EU- oder WTO-Gipfel stehen nicht einmal mehr im Haushalt. Dafür aber ein fetter Pro-Demokratie-Aktionstag vor der Bundestagswahl - am 14.9. in Köln. Zusammen mit den Gewerkschaftsjugendverbänden (die Gewerkschaften haben sich ja schon für Rotgrün geäußert ...). Für dieses Demokratie-"Volks"fest bekommt Attac dann auch Zuschüsse von deutlich über 100.000 Euro - fast alles aus staatlichen Quellen. Auch das ist an Deutlichkeit kaum zu übertreffen.

Die Basis, auch die, die (noch) nicht eingemeindet/assimiliert ist, wird dabei immer härter instrumentalisiert. Zu den Aktionen am 14.9. in Köln (zur Wahl) mobilisiert Attac "gemeinsam mit den fünf Jugendorganisationen von Ver.Di ... sowie der Anti-Atom-, Friedens- und Erwerbslosenbewegung". Also die ganze Anti-Atom-Bewegung ist dabei. Definiert Attac. Die Basis hat im Dasein schon ihre Schuldigkeit getan, wozu sie da ist, definierten zwei Handvoll Wichtig-Leute bei Attac. Sieht so in einem Jahr die ganze politische Bewegung in Deutschland aus?
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Ergänzungen

29.06.2002 - 21:56
informativer artikel, allerdings haben sich die gewerkschaften NICHT für rot-grün ausgesprochen, sowohl in den führungsetagen der einzelgewerkschaften als auch im dgb gibt es viele kritische und verärgerte stimmen über die politik von rot-grün, es wurde in mehreren presseerklärungen mitgeteilt, dass rot-grün eben nicht die situation verbessert habe und auch keine politik für die arbeitnehmer mache.

schwarz-weiss dargestellt

- 29.06.2002 - 23:21
die Welt ist nicht so einfach wie hier dargestellt - mit wem war denn Jutta S. jahrelang zusammen - mit dem Schreiber dieses Artikels etwa??? Namensnennungen sind doof, und inhaltlich kommt in diesem Text fast gar nichts rüber. Attac verzeichnet 7000 Mitglieder - warum ist das so? Was macht die Attraktivität von Attac aus im Gegensatz zu besserwisserischen linksradikalen Kleingruppen oder dominanten Einzelpersonen, die alle anderen Menschen für weniger clever erklären und arrogant anderen alles vorschreiben wollen?

spalter

ali 30.06.2002 - 00:03
so ein quatsch. was soll die spaltung?

Hä?

Nix-versteh 30.06.2002 - 03:01
Wer soll der Schreiberling gewesen sein und mit Jutta S. was gehabt haben? Und was hat das mit den Aussagen im Text zu tun? Sind die deshalb richtig, oder deshalb falsch? Verstehe ich nicht ... und was ist an den Aussagen spalterisch? Darin steckt auch gar nicht, ob die Aussagen richtig oder falsch sind. Wenn sie falsch sind und irgendjemand da sein Scheißding abzieht, dann ist das kacke und muß korrigiert werden. Aber hier wird irgendein Schreiberling angemacht, ohne daß auch nur irgendjemand die Aussagen anzweifelt. Komische Welt. Ich hätte schon gern mal gewußt, was zu den Aussagen zu sagen ist.
Und was genau ist arrogant an dem Text bzw. wo schreibt der/die Schreiberling anderen etwas vor? Als weniger clever würde ich Jutta S., Uli B. usw. nach den Schilderungen (wenn sie denn so oder ähnlich zutreffen) auch nicht empfinden. Eher scheint der/die Schreiberling zu meinen, daß die extrem clever sind. Seltsam all diese Reaktionen auf den Text ...

@ Noch-nicht-Assimiliertes = Nix-versteh

iX 30.06.2002 - 10:30
Versuch doch mal die Kritik wenigstens teilweise anzunehmen. Dieser Unfehlbarkeitsglaube ist auch nicht gerade das Gelbe vom Ei!

Staatsknete?

y 30.06.2002 - 13:38
Zitat aus dem Artikel: Für dieses Demokratie-"Volks"fest bekommt Attac dann auch Zuschüsse von deutlich über 100.000 Euro - fast alles aus staatlichen Quellen.

Bisher stand ich den Leuten noch neutral (bis zugegeben eher unwissend...) gegenüber. Wenn das mit der Staatsknete stimmt (1 Eurocent reicht mir schon), sind die für mich gestorben. Hat jemand Details?

Kohle

jemand anders oder auch nicht? 01.07.2002 - 00:28
Haushaltspläne sind von www.attac-netzwerk.de downloadbar. Da sind die dicksten Posten aus den Stiftungen des Landes NRW eingetragen. Falls die verschwinden sollten, sind Ausdrucke im Öko- und NGO-Filz-Archiv der Projektwerkstatt in Saasen.

schade

ein versuch, entstehende spalte zu kitten 05.07.2002 - 18:28
schade, dass linken gruppen, sobald sie etwas erfolg/medienresonanz bekommen, von anderen pseudo-linken sofort kollaboration mit den herrschenden verhältnissen vorgeworfen wird.
wieso ist es falsch, zusammen mit anderen gruppen (medico, ippnw, etc.) aktionen zu starten? dürfen "richtige linke", um sich richtig schön "links" fühlen zu können, nur alleine aktionen machen, am besten, wenn sie sich zuvor gerade gespalten haben?
ich denke nicht, dass attac "die" fortschrittliche bewegung ist, aber kooperation mit anderen gruppen und selbstkritik sind nun wirklich keine dinge, die mensch attac negativ ankreiden könnte.....

haarspalterei

kaiser augustus 16.07.2002 - 00:35
ATTAC is mir deswegen symphatisch weil sie versuchen
linke kleingrüppchen zu vereinen, ich versteh nicht warum das negativ dargestellt wird. Andererseits, eine globalisierungskritische bewegung bekommt kohle von eine neoliberalen macht-doch-was-ihr-wollt-konzerne-wir-
schieben-euch-noch-steuergelder-in-den-rachen Regierung???
das riecht nach verrat... da lob ich mir die PUNKS, die kriegen wenigsten noch ein ordentliches "FUCK OFF" zustande

attacie

heinrich-p 28.07.2002 - 01:52
Hallo Jörg, lange nichts mehr von Dir gehört.

Deine politischen Bewertungen sind wie immer:

Einiges eindeutig falsch:
Die 100.000 € haben wir nicht bekommen.
Einen Millionenetat haben wir nicht (erst recht keinen aus staatlichen Mitteln)

Einiges Halbwahrheiten:
Die Gewerkschaften rufen nicht zu rot-grün auf - zumindest nicht offiziell. Die Gewerkschaftsjugend erst recht nicht (auch nicht inoffiziell)und attac schon gar nicht. Das schlimme ist: das weißt Du auch!

Zu Deiner Vereinnahmungsstrategie:
Das das mit medico so nicht stimmt kannst du von den Leuten erfahren, die seit Jahren bei medico mitarbeiten. Ich habe da heute übrigens auch J.S. hinter einem medico-Stand stehen sehen. Das wiederlegt auch Deine These von J.S. als Organisations-Hopperin (vorgestern medico, gestern Buko).
Das wir mit dem Buko Differenzen haben ist bekannt. Aber Mensch kann deshalb trotzdem in bestimmten Bereichen zusammenarbeiten - oder etwan nicht??

Attac steht für eine Zusammenarbeit verschiedener Gruppen. Wir haben dabei keinen Führungsanspruch. Auch das sollte Dir bekannt sein.

Tschüß
heinrich-p

eliten sind was anderes

antidämagoge 12.02.2007 - 18:46
Selbst wenn Attac viel Geld von der Regierung bekommt- umso besser, wenn Geld von der Regierung für Regierungskritik eingesetzt wird. Und Geld korrumpiert keineswegs immer jeden - das hängt von den inneren Werten ab und die sind bei den Attacies meines Erachtens nach emanzipatorisch.
Kritiker zu integrieren, ist zwar durchaus auch Praxis von Staat und Kapitalismus, aber der Unterschied ist, dass Staat und Kapital ein natürliches Selbsterhaltungsinteresse an der Stabilisierung des Systems haben und Attac nicht; außerdem sind die Arten der "Integration" bei Attac ganz andere als im "System" - dort musst du deine Arbeitskraft verkaufen und einen lückenlosen Lebenslauf führen und dein Leben lang dich selbst unterdrücken, um immer noch wegen "feinen Unterschieden" nicht zur Elite zu gehören. Bei Attac ist es kein Problem, mit den "Oberen" ins Gespräch zu kommen und in deren Kreisen selbst als Neuling mitzuentscheiden. Genauso wenig schließt es sich aus, bei mehreren oder auch vielen Organisationen gleichzeitig oder nacheinander zu sein - wenn soviel Freiheit bei der Linken schon als verdächtig gilt, dann frage ich mich, was "libertär" überhaupt noch heißt.
Es kommt auf die Kultur an, die in einer Gruppe gelebt wird - die kann sich ändern mit der Struktur, aber Attac hat bewusst viele Elemente, die dem entgegenwirken. Die werden dafür als "besonders raffinierte Herrschaftsmethode" dargestellt. Mir erweckt das den Eindruck, jemand versucht - aus persönlicher Eitelkeit? - mit aller argumentativen Spitzfindigkeit Kritikpunkte bei Attac zu finden und daraus zu konstruieren, dass sie Teil der Eliten seien.

Wohl kann es dieser "jemand" nicht leiden, dass andere, die ihm nahestanden und ein wenig Dialog mit dem "System" gewagt haben - und nicht aus jedem Dialog geht man umgekrempelt heraus, wenn man selbst überzeugt genug ist, kann dieser Dialog auch den anderen ändern - und Attac damit Erfolg hat.

Ich bin weder überzeugter Attaci noch überzeugter "Attac-Kritiki" - aber es kommt auf den Gesamt-Charakter eines Projekts, einer Gruppe, einer Bewegung an - und da sehe ich wesentlich mehr elitäre Elemente in der Eitelkeit, andere, die erfolgreich zwischen System und Gegnern vermitteln konnten, zu kritisieren und wesentlich mehr Herrschaft bei der Verbreitung einer solchen persönlichen Eitelkeit in rationalisierter Form unter vielen unbehafteten jungen Leuten, die auf der Suche nach einer Bewegung gegen dieses System sind, das sie Tag für Tag mehr ausgrenzt. "Dank" der rationalisierten und wortgewandten Verpackung werden viele dieser Suchenden mit der größten Krankheit infiziert, unter der die Linke - besonders in Deutschland - leidt: Die Anwendung ausgrenzender Prinzipien. Ausgrenzter Prinzipien, die nicht gleich, aber sehr ähnlich wie jene des Systems funktionieren - und für die Individuen meist die Motivation rauben, bei den "Linken" mitzumachen, und der Gesellschaft die dringend notwendige soziale Massenbewegung vorenthält, die in Deutschland endlich mal französische, spanische, lateinamerikanische oder anarchistische Verhältnisse gemeinsam schaffen könnte.
Die Denkstrukturen des Systems infiltrieren die Linken - da gebe ich dem Autor recht. Allerdings sehe ich dies Infiltration weniger bei Attac, die frei - auch frei von dem bürgerlichen Zwang fester Prinzipien - die Zugänge des Systems ausnutzt, als vielmehr beim Autor dieses Artikels, der das Prinzip der Ausgrenzung mit großer verbaler Dominanz in die Linken hineinträgt, von denen viele - gerade jüngere - gar nicht merken, dass hinter den sich selbst als "radikal" definierenden Äußerungen vielmehr - ein eitler Kryptospießer steckt, der Angst hat, dass die Linke - ohne sein Zutun - wieder stärker wird und es tatsächlich immer noch schafft, den Begriff "radikal" als sein persönliches Eigentum zu reservieren und somit viele hinter sich geschart bekommt, die auf der Sehnsucht nach einer Welt sind ohne Ausgrenzung und Ausbeutung, massenhafter Unterdrückung und Selbstunterdrückung.