Aktionstag gegen Bertelsmann in Gütersloh

Levinson 28.06.2002 23:29 Themen: Bildung Globalisierung
Zu der Demo gegen Bertelsmann und das CHE, welche treibende Kräfte des neoliberalen Umbaus des Bildungssystems sind, kamen leider nur etwa 60 Leute.
Heute fand ein Aktionstag gegen Bertelsmann, v.a. die Bertelsmann-Stiftung und das von ihr betriebene "Centrum für Hochschulentwicklung" (CHE), in Gütersloh statt.
Zum Zusammenhang des CHE mit der neoliberalen Privatisierung und Kommerzialisierung von Bildung sei auf zwei ältere indymedia-Beiträge verwiesen:
 http://www.indymedia.de/2002/06/24180.shtml
 http://www.indymedia.de/2002/06/24896.shtml
Und nun zu den Ereignissen in Gütersloh:
Nachdem wir mit ein paar Leuten in Gütersloh am Bahnhof angekommen waren, dachten wir zunächst, wir hätten uns irgendwie mit der Zeit vertan - es waren keine 20 Personen da. Doch dem war leider nicht so, wenn auch noch ein paar Menschen eintrudelten. Dabei erfuhren wir auch, daß aus Paderborn wohl noch ein Reisebus unterwegs sei. Angesichts der 5000 Leute, die der Veranstalter angemeldet hatte, begegnete uns der Einsatzleiter der Polizei mit einer geradezu mitleidigen Freundlichkeit, die man auch als leisen Spott verstehen konnte. Manch eineR meinte auch, da bekomme wohl jedeR seinen/ihren eigenen Wasserwerfer.
Daraufhin sagten die Veranstalter nach einigem ganz und gar nicht demokratischen Hin und Her die Demo ab, weil sie meinten, dies sei einfach nur peinlich (was es allerdings auch war).
Zum Glück erklärte sich ein anderer Teilnehmer bereit, die Demo wieder anzumelden, woraufhin auch noch einige Menschen eintrafen, so daß wir insgesamt etwa 60 Leute waren.
Angesichts dieses fulminanten Ansturmes kürzten die Veranstalter die Route, so daß wir gut eine halbe Stunden zum CHE brauchten. In Anbetracht der winzigen Schar machte der Zug sogar noch optisch und akustisch halbwegs etwas her.
Am CHE wurden wir auch schon erwartet: CHE-Chef Müller-Böning ließ sich trotz Krücke die "Ehre" nicht nehmen, die DemonstrantInnen persönlich auf der Wiese vor dem CHE zu "begrüßen", wobei selbiges von einer Froschkette abgeriegelt wurde, die durchaus für die zehnfache Zahl DemonstrantInnen gereicht hätte.
Dafür, daß nicht noch gute Laune mit dem "lieben Onkel" aufkam, worauf Müller-Böning es offenbar abgesehen hatten, sorgten etliche Redner, die die Rolle des CHE deutlich darstellten und klarmachten:
Für uns hat eine solche "Organisation" keinerlei Legitimation, auf die (Um-)Gestaltung des Bildungswesens Einfluß zu nehmen und wir lehnen deren Rolle dabei strikt ab!
Danach machte Müller-Böning das Angebot, in seinem "Palast" mit ihm zu diskutieren, das von den meisten konsequenterweise abgelehnt wurde, da das Eingehen darauf durchaus als Legitimation der Rolle des CHE aufgefaßt werden könnte und solche Diskussionen, wie die Erfahrung zeigt, meist doch nichts bringen. Ob einzelne trotzdem mitgegangen sind, kann ich nicht beurteilen.
Angesichts des zwischenzeitlichen Platzregens löste sich die Demo dann auch bald auf.
Positiv ist zu erwähnen, daß viele Pressevertreter anwesend waren, was wohl daran lag, daß viel mehr TeilnehmerInnen angekündigt waren. Und dies ist auch das Enttäuschende, daß bei einer landesweit(!) mehr oder weniger intensiv angekündigten Aktion keine hundert Leute gekommen sind. Bleibt nur zu hoffen, daß die gleichzeitige Aktion in Köln dafür erfolgreicher war.
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Ergänzungen

Zwei Lieder zum Üben

Megafonmann 29.06.2002 - 00:32
Damit die nächsten Demos lustiger werden :-)

Skandal um Clement
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In Dortmund steht ein Hochschulhaus
Und arme Studis fliegen raus,
Denn NRW, wen wundert´s noch,
Hat ein Milliarden-Haushaltsloch!

Herr Clement sagt: Nehmt Studis ran!
Mit 50 Euro fängt es an!
Sie streichen selber Spenden ein,
Auch Schwebebahnen dürfen sein!

Und draußen in der großen Stadt
Laufen Studis sich die Füße platt!
Skandal in NRW, Skandal in NRW,
Skandal - Skandal um Clement!


Nach der Melodie von "Liebe ohne Leiden" (Udo Jürgens)
--------------------------------------------------
Wir wollen einfach frei studieren
Ohne finanziellen Zwang.
Sie wollen Studiengebühren
Denn Ihnen dauert´s viel zu lang!

Kein lauer Lenz ist das Studieren,
Könnt Ihr das nicht versteh´n?
Mit Euren Studiengebühren
Werden viele pleite geh´n!

75 waren wir doch...

cobweb 29.06.2002 - 01:18
Laut jemandem vom AStA Paderborn, der während der Demo gezählt hat ("Ach wie übersichtlich!"), haben wir uns in einer Gruppe von 75 zum CHE bewegt. Laut Radio Gütersloh [habe ich aus 3. "Ohr"] waren wir 76 (vielleicht ein Journalist dabei...), und der Polizeipräsident habe sich mächtig aufgeregt, weil wir so viele seiner Leute gebucht haben. So hatten die wenigstens etwas zu tun und mußten nicht faul auf der Straße rumlungern...

symptome

homöopath 29.06.2002 - 02:17
als ich denke, dies zeigt mal wieder die "schulmedizinische" denkweise der meisten menschen. gegen symptome (studiengebühren) demonstrieren verstehen die meisten wohl, aber sich durchzulesen was die ursache ist (GATS->Kapitalismus->Herrschaft) ist für die meisten offenbar schon zu hoch. das ist doch mal ein eindeutiger beweis für den bildungsnotstand, zeigt es doch, daß selbst angeblich intellektuelle unfähig sind sich einfachstes wissen anzueignen.

peinich?

pittyplatsch 29.06.2002 - 10:00
wenn 5000 anmeldet werden und es kommen lediglich ca. 75 dann kann ich da schon eine peinliche situation ausmachen. aber das finde ich nicht so schlimm.
was daraus auch für mich zu sprechen scheint, ist eineseits mangelnde kommunikation (bei der mobilisierung und den absprachen über diese aktion) und anderseits die bereitschaft, wünsche und nicht fakten zur handlungsgrundlage zu erklären.

aber das ist auch ziemlich egal. wichtig ist doch, dass am 28.8. eine sinnvolle poltische aktion stattfandt. und hätten die ca. 75 zuvor gewußt, dass sie "nur" 75 sind, dann hätten sie sich auch noch cooler aktionsformen ausdenken können. situationsadäquate eben.

es ist weit verbreitet, in bruttoregistertonnen zu denken. es wäre aber viel besser und schöner, an die möglichkeiten der vielfalt zu denken. die(se) multitude ist aber da.

in diesem sinne:
sehr nette aktion und berichterstattung
*:o)

nur gegen symptome-nicht gegen ursachen?

stimmt nicht 01.07.2002 - 17:21
die demo in köln hat gezeigt,dass dem nicht so ist.war selbst nicht da,aber den berichten kann man entnehmen ,dass sehr wohl auf gats und wto eingegangen wurde.trotzdem kann man gegen die individuellen landes-projekte wie in nrw protestieren und sich bundesweit für ein verbot von studiengebühren einsetzen.damit könnte man/frau sich der privatisierung der bildung entgegenstellen.außerdem finde ich es nicht peinlich auch nur mit 75 leuten zu demonstrieren.hauptsache in die politischen ereignisse intervenieren,was für die landesregierung teuer wird. (polizeiaufgebot).toll wäre eine wirklich große demo bald.vielleicht kriegen wir das anfang nächstes semester hin.in hessen gibt es pläne nach wiesbaden hin zu mobilisieren.