Antirassistischer Aktionstag in Berlin am 5. Juli 2002

freya fluten 26.06.2002 11:53 Themen: Antirassismus
Am 5. Juli veranstalten ein Bündnis aus Flüchtlings- und Antirassistischen Gruppen einen Aktionstag gegen die rassistische Politik der rot-roten Regierung. Es folgt nun ein inhaltlicher Beitrag zu der rassistischen Politik der derzeitigen Regierung in Berlin
Antirassistischen Aktionstag
5. Juli 2002 in Berlin

Flüchtlinge in der BRD sind vielfältigen gesetzlichen Einschränkungen unterworfen. Sie dürfen nicht arbeiten gehen und bekommen ihre Hilfe zum Lebensunterhalt vorrangig in Form von Sachleistungen ausgezahlt. Sie werden in großen Sammelunterkünften untergebracht und dürfen ihren zugewiesenen Landkreis nicht verlassen (Residenzpflicht). Berlin und Brandenburg spielen mal wieder eine Vorreiterrolle in Sachen staatlicher Rassismus. Hier werden die Leistungen in Form von diskriminierenden Chipkarten ausgezahlt, die nur in sehr wenigen teuren Läden gelten. Als die Koalitionsvereinbarungen der Berliner rot-rote Regierung bekannt wurden, sah es so aus, als ob es wenigstens einige Verbesserungen in der Flüchtlingspolitik geben würde. Doch leider sieht die Realität ganz anders aus und deshalb demonstrieren wir gegen die rassistische Politik der rot-roten Regierung, speziell gegen die der verantwortliche Sozialsenatorin Frau Knake-Werner (PDS).

Aktuell plant die Sozialverwaltung AsylbewerberInnen und Bürgerkriegsflüchtlinge in leer stehenden und vom Abriss bedrohten Plattenbauten in Ostbezirken unterzubringen. Die PDS-Senatorin Heidi Knake-Werner will damit einen unter der großen Koalition gefassten Beschluss umsetzen. Dies stellt zwar augenscheinlich eine Verbesserung zur Wohnheimunterbringung dar, ist aber wieder nur ein Schritt in die Verfestigung einer lange währenden Stigmatisierung von Flüchtlingen. Die Unterbringung in gänzlich leer stehenden Gebäuden erschwert die Integration und führt zu einer Ghettoisierung in den städtischen Randbezirken. Wieder werden Flüchtlinge ausgegrenzt und zur Erhaltung von Bausubstanz der hochverschuldeten Wohnungsbaugesellschaften benutzt. Vom Staat ausgenutzt, von der Bevölkerung isoliert und vor Naziangriffen ungeschützt, sollen Flüchtlinge in Berlin an den Rand gedrängt werden.

Das Chipkartensytem wird weiter in Berlin und Brandenburg praktiziert. Das System diskriminiert Flüchtlinge, weil es ihnen vorschreibt, zu welcher Zeit, in welchen Geschäften und zu welchem Preis sie ihre Lebensmittel kaufen müssen. Gleichzeitig kann kein Bargeld gespart werden für so wichtige Dinge wie AnwältInnenkosten o.ä.. Wer einmal mit Flüchtlingen einkaufen war, kennt die nicht selten vorkommenden rassistischen Beschimpfungen der KassiererInnen, FilialleiterInnen und Mitmenschen. Doch die Verlängerung des Vertrages durch die Sozialsenatorin Knake-Werner mit der Firma SODEXHO-PASS verhindert, dass Flüchtlinge in Zukunft Bargeld bekommen und in Billigläden, die keine Chipkarten akzeptieren, einkaufen gehen können. Auf Grund dieser Politik verdienen Firmen wie SODEXHO-PASS und ACCOR Millionen mit ihrem schmutzigen Geschäft.

Die Abschiebehaft ist die unmenschlichste Maßnahme in der Kette der vielen rassistischen Sondergesetze. Trotz der bereits im September 2001 beschlossenen kleinen »Verbesserungen« (keine Haft für Schwangere und Minderjährige, Trennwände in den Duschen) wurde bis heute keine einzige realisiert. In den Abschiebeknästen Berlins und Brandenburgs in Grünau, Köpenick und Eisenhüttenstadt sind zur Zeit weit über 500 Menschen inhaftiert. Diese Menschen haben nichts weiter verbrochen, als dass sie in die BRD geflohen sind. Neben der ursprünglichen Funktion, der Vorbereitung der Abschiebung, wird die Abschiebehaft weiterhin als rechtsfreie Passbeschaffungs - oder Beugehaft benutzt. So ist es Realität in der BRD, dass Menschen, ohne ein Verbrechen begangen zu haben und ohne verurteilt worden zu sein, mehrere Monate eingesperrt werden.

Diese Beispiele zeigen, dass die PDS mit ihrem antirassistischen Anstrich nur die Absicht hatte, sich wahlpolitisch zu verkaufen. Neben der Zustimmung zu dem rassistischen Zuwanderungsgesetz ist die geplante Unterbringung von Flüchtlingen in alten Plattenbauten und die damit verbundene Ghettoisierung blanker Zynismus in Bezug auf die angekündigte Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungen. Die PDS hat sich mit dieser Politik endgültig ins »rassistische Abseits« manövriert und bekommt dafür von uns die »ANTIRASSISTISCHE ROTE KARTE« verliehen. Denn gemessen wird die Politik der PDS nicht an ihren Versprechungen, sondern an den realen Veränderungen, und die bedeuten leider nichts Gutes für in der BRD lebende Flüchtlinge.

Deshalb rufen wir auf zum antirassistischen Aktionstag am 5. Juli 2002! Morgens um 11:00 Uhr vor dem Sitz der Sozialverwaltung in der Oranienstr. 106 wollen wir der Sozialsenatorin Frau Knake-Werner die »Antirassistische Rote Karte« verleihen. Kommt alle, um der Senatorin zu zeigen, dass wir uns von ihr nicht verarschen lassen.
Für 16:30 Uhr rufen wir zu einer großen, bunten und lauten Demo auf, um den HERRschenden in Berlin zu zeigen: So nicht! Wir werden unseren Protest laut und stark auf die Straßen tragen und für gleiche Rechte für alle demonstrieren! Kommt alle und zahlreich! Treffpunkt 16:30 vor der HU Unter den Linden, Abschlusskonzert auf dem Heinrichplatz in Kreuzberg.
Auf dem Heinrichplatz werden wir noch einmal unsere Wut über die rassistische Behandlung von MigrantInnen kundtun, wir werden musikalisch unterstützt von den Bands »Flexicute« (Berlin), »Kommando Victor Zoy« (Potsdam) und....Natürlich gibt es auch ein paar gute Reden und leckeres Essen.


Unsere Forderungen:

• Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes •
• Weg mit der Residenzpflicht •
• Schließung der Abschiebeknäste •
• Freilassung aller dort Inhaftierten •
• Abschaffung aller anderen Sondergesetze für MigrantInnen und Flüchtlinge •


Der antirassistische Aktionstag wird unterstützt von: AGIP [Antifaschistische Gruppe im Prenzlauerberg], AIM [Antifa in Moabit], ARI [Antirassistische Initiative], “AusländerInnen”Liste der FU, AUTOPOOL, f.e.l.S. [für eine linke Strömung], FFM [Forschungsstelle Flucht und Migration], Flüchtlingsinitiative Brandenburg, Initiative gegen Abschiebehaft, Gruppe Sabotage, Initiative gegen das Chipkartensystem, JungdemokratInnen/Junge Linke (Berlin), KMI [Kein Mensch ist illegal], Komitee zur Unterstützung der politischen Gefangene im Iran/Berlin, Prof. W.-D. Narr
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Aufrufe posten? Muss nicht sein!

moderata 26.06.2002 - 23:43
Liebe Freya, liebe Chipkartenini

Bedauerlicherweise hat sich Indymedia.de zu etwas entwickelt, was es nie sein sollte: zu einem linken Infoportal, in dem Massen von Aufrufen, anderswo gefundenen "irgendwie interessanten" Texten (sog. Cross-Postings), Terminen etc. genauso schnell im Nirvana des Open Posting verschwinden, wie sie auftauchen.

Offenbar hat sich Indymedia bei vielen als DIE linke Website etabliert, die als bequeme Litfaßsäule genutzt wird, in der Hoffnung, dass so möglichst Viele (Linke) erreicht werden. Das ignoriert nicht nur konsequent die eigentlich Idee und das wunderbare Potential von Indymedia, sondern ist auch schlicht ein Trugschluß: Es gibt kaum eine schlechter sortierte Seite als diese, was bedeutet, dass nur die Leute Texte sehen und evtl. lesen, die mehr oder weniger ständig auf die Seite gucken. Auf die erste Seite kommen all diese Postings nicht --> siehe die Moderationskriterien: s.u. ( http://www.de.indymedia.org/static/moderation.shtml).

Bitte: überlegt Euch doch, Eure ja in der Tat meist interessanten und wichtigen Termine, Aufrufe oder Cross-Postings auf für sowas betriebenen linken Seiten unterzubringen (z.B.  http://www.nadir.org,  http://www.linkeseite.de oder viele regionalen Seiten - zu finden auf der Terminkalender-Seite  http://www.de.indymedia.org/static/termine.shtml und in der linken Spalte der Startseite bei den Links. Wenn der Text dort erschienen ist, könnt Ihr ja (und das wäre durchaus im Sinne von Indymedia) einen kürzeren oder längeren Bericht über das Thema/die Aktion schreiben und darin zum ersten Text verlinken. Bei technischen oder anderen Fragen könnt Ihr Euch gern an uns wenden: Mail an  imc-germany-kontakt@lists.indymedia.org.

Wenn Ihr mit den MacherInnen von Indymedia über solche Sachen diskutieren wollt, gibt es dafür eine Mailingliste:  imc-germany@indymedia.org. Diese und andere Mailinglisten von Indymedia, inkl. Infos, wie Ihr Euch dort einschreiben könnt, gibt's hier:  http://lists.indymedia.org.


Ausschnitt aus den Moderationskriterien:

"Indymedia ist ein basisdemokratischer Nachrichtenkanal. Indymedia will den emanzipatorischen Umgang mit Informationen und Medien fördern. Wir arbeiten aus Liebe und Respekt gegenüber Menschen, die sich für eine lebenswertere, bessere Welt einsetzen. Die Idee hinter indymedia ist, dass aus reinen MedienkonsumentInnen MedienmacherInnen werden.

Es geht also nicht darum, alle interessanten Infos aus kommerziellen Massenmedien zusammenzutragen, sondern diesen Medien die eigene Sicht auf Ereignisse entgegenzusetzen, bzw. über Ereignisse zu berichten, die von diesen Medien übergangen werden. Die Moderationskollektive versuchen, diese Art von Berichterstattung zu unterstützen.

Indymedia ist grundsätzlich offen für alle Meinungen, es sei denn sie haben menschenverachtenden Inhalt. Es gibt zahlreiche linke Internetprojekte, die gute Terminkalenderseiten anbieten, Gruppen die Möglichkeit zur Selbstdarstellung bieten oder linke Zeitschriften archivieren. indymedia will keine Konkurrenz zu diesen Projekten sein. Der Ansatz von indymedia ist ein anderer als der der meisten dieser Projekte. Indymedia hat keine politische Redaktion. Im Gegensatz zu Projekten mit einer klaren politischen Zielsetzung will das Moderationskollektiv nicht selbst Politik machen, sondern in erster Linie eine emanzipatorische Nutzung von Medien fördern."

Aus der Erklärung des Formulars zum Veröffentlichen von eigenen Beiträgen:

"Um indymedia als Plattform für eigene Berichterstattung zu konturieren, werden bestimmte Beiträge nicht auf die Startseite gestellt. Dazu gehören:

- Termine und Demoaufrufe [ Weil wir wissen, dass diese für die Mobilisierung sehr wichtig sind, verlinken wir zu verschiedenen Internetprojekten, auf denen Ihr gute Terminsammlungen findet ] Bei angelaufenen Kampagnen werden regelmäßig Termine und Aufrufe in die Mittelspalten-Texte als Links gesetzt.
- schon an anderen Stellen veröffentlichte Texte aus kommerziellen Medien kopierte Texte
[ hierbei sind Übersetzungen von Texten und Meldungen von hier kaum zugänglichen Medien eine Ausnahme ]
- Gruppenstatements, Presseerklärungen, Diskussionspapiere, Massenmails
[auch hier geht es um die Zugänglichkeit von Texten. Beiträge von Gruppen, die schon auf zahlreichen anderen Internet- Seiten oder in Zeitschriften veröffentlicht wurden, werden nicht auf die Startseite gestellt, weil es nicht der Ansatz von indymedia ist alles irgendwie relevante auf der Seite zu versammeln, sondern eine Plattform für eigene Berichterstattung zu sein. Unter eigener Berichtserstattung verstehen wir allerdings Presseerklärungen von Kleingruppen oder Diskussionspapiere einzelner]
- superkurze Meldungen
- reine Kommentare ohne Nachrichtenwert
[ Zusätzlich zu den selbstverfassten Beiträgen, gibt es bei indymedia noch die Möglichkeit über Artikel zu diskutieren. Das könnt Ihr unter dem jeweiligen Artikel - einfach auf "Kommentar eingeben" klicken ]
Beiträge von hierarchischen Gruppen und Parteien
- Außerdem gibt es Beiträge, die sofort in ein Müllarchiv kommen:

[1] Diskriminierender Inhalt.

[2] Offensichtlicher Spam

dies ist kein einfacher aufruf

freya fluten 27.06.2002 - 11:23
liebe moderata!

wir verstehen deine kritik aber wenden uns in diesem falle dagegen und wünschen uns, das dieser Artikel auf der Startseite erscheint, denn dort gehört er hin.
Dies nur in zweiter LInie ein Aufruf zu einem Antirassistischen Aktionstag, in erster Linie ist es ein inhaltlicher Artikel über die fortgesetzte rassistische Politik der rot-roten Regierung in Berlin und den antirassistischen Lügen der sich so gerne links gebenden PDS. Ich denke nicht, dass die meisten Menschen über die genauen Zustände in Berlin und den staatlichen Umgang mit Flüchtlingen bescheid wissen. Der Artikel soll andere Aufklären und informieren und gehört deshalb auf Indymedia.
Wir posten den Artikel aifach nocheinmal mit einen Titel, der nicht gleich aussieht wie ein Aufruf, denn inhaltihc ist es wohl eher ein Artikel

ciao freya fluten

Fragen und mehr

aufmerksamer Leser 27.06.2002 - 12:45
Fänd ich ok. Aber um mal die Mods in Schutz zu nehmen: "Wir fordern...." kommt schon eher wie ein Aufruf oder Gruppenstatement. Hätte ich als Mod wohl auch dort belassen.
Aber jetzt mal ne Frage: Steht das schon bei Linkeseite und im Stressi (oder sogar in TIP und Zitty, um auch mal nicht-Szenis zu erreichen)? Das sind die Webseiten, wo man sich normalerweise als Berliner die Termine herholt. Gibts schon Flugis/Plakate? Wenn ja, liegen die irgendwo? Ich würd Flugis an meiner Uni verteilen wollen.

Hmmm..

moderata 27.06.2002 - 18:31
..liebe Freya, ich weiss nicht recht.
Klar hast Du recht, dass das ein Text ist mit viel wichtigem Inhalt - gar keine Frage. Aber ich habe mal auf der von Euch angegeben Website angeguckt, und festgestellt, dass es haargenau der Text Eures Aufrufs ist, und den werdet Ihr ja wohl nicht bloss Indymedia zur Verfügung gestellt haben? Jedenfalls hoffe ich das, denn sonst würden ihn ja doch eine Reihe von LEuten nicht mitkriegen? Damit ist er dann jedenfalls ein Text, der aufruft - egal was für einen Titel er het - und die bleiben eben im Open Posting.
Mit geht's nicht um einen Kleinkrieg - ich will nur versuchen zu erklären, dass und warum wir kein Mobilisierungstool sein wollen.

28.06.2002 - 02:30
Demo gegen die Festung Europa, Ausreisezentren und Abschiebeknäste. Grenzen auf für alle! Ingelheim bei Mainz, Samstag, 29.06.2002/14:00 Uhr Bahnhof  http://ingelheim.afaktion.de