Situationsbericht aus einer Strafkolonie

R.S. 25.06.2002 01:02 Themen: Repression
Wir alle hoffen, dass diese Anklage ernst genommen wird, damit sich etwas ändert. Auf euren Einsatz hoffend, senden wir euch unseren Gruss.

Dokumentation eines Appells aus einer Strafkolonie auf Sardinien, mit detaillierten Angaben über unsägliche Lebensumstände.
Mamone, 08/06/2002


Wir Schreibende sind die Insassen der Colonia Penale Mamone (provinz Nuoro, Sardinien, Italien, Europa, Planet Erde) Wir möchten wenigstens in Wort und Schrift die Probleme darstellen, die in unserer Strafkolonie existieren, weil alle denken, dass man ein Paradies vorfindet, wenn man hierher kommt, aber nichts dergleichen ist der Fall. Wir beginnen damit, euch über einige der vielen Probleme in Kenntnis zu setzen:

ÜBERBELEGUNG: die gegenwärtige Zahl der Gefangenen beträgt ungefähr 250 Einheiten, bei einer maximalen Aufnahmekapazität von 100E., wenigstens so lange, wie der Zentralbau geschlossen bleibt, der 170E Kapazität hat.

Wir stellen klar, dass der Zentralbau ungefähr seit 1997 geschlossen ist, und dass weitere Arme geschlossen sind: Fiaccamento und Nortiddi2. Die zurzeit offenen Arme sind: Stalla, Sacra, Nortiddi1 und Nunziata. Im Stalla-Trakt sind 53, im Sacra 57, im Nortiddi1 85 und im Nunziata 55 Personen untergebracht, wobei der Stella- Trakt maximal 30 Gefangene, der Nortiddi1-Trakt 40, der Sacra-Trakt 30 und der Nunziata-Trakt 40 aufnehmen können. Wir sind gezwungen, vierfach-Etagenbetten aufzustellen, und, wie es vorauszusehen war, ist da auch schon jemand ´runtergefallen, und hat sich verletzt.

Wir fügen hinzu, dass wir nur dreissig Italiener sind, bei einer Gesamtzahl von 250 Gefangenen. Hygiene: leider wird nicht genügen Reinigungsmaterial bereitgestellt, wie z.B. Besen, Wischlappen, Zahnpasta, Zahnbürsten und Reinigungsmitteln. Man denke nur daran, dass in dem Stella-Trakt, in dem 53 Leute leben, ganze zwei Duschen existieren, die ausserdem schlecht funktionieren und dreckig sind, weil der Reinigungsarbeiter nicht genug Reinigungsmittel bekommt, mit dem Risiko für alle, das wir uns Krankheiten einfangen, wie es z. B. mit bei der Krätze der Fall war. Wir wissen aber, dass die Firma, die die Anstalt beliefert, alles nötige für diese Massnahmen geliefert hat, vielleicht füllen sich die Schliesser die Kofferräume mit dem Zeug, ganz sicher, sogar.

Der Wechsel der Bettlaken findet, wenn alles gut geht, alle 40 Tage statt, wir sind gezwungen, immer in den selben zu schlafen, ausserdem sind die Matratzen in erbärmlichen Zustand und werden nicht ersetzt, selbst wenn sie uns versichern, dass der Antrag gestellt ist. Aber wenn sie uns schon seit einem Jahr so antworten, ohne was zu tun, glauben wir, dass dieser Antrag nie gestellt wurde.

ARBEIT: Wegen der Überbelegung gibt es nicht für alle Arbeit, !00 Gefangene haben feste Arbeit, 50 arbeiten abwechselnd 14 Tage und die übrigen sind zur Ruhe gezwungen. Arbeit sollte es aber für alle geben, da es sich um ein Landgefängnis in Form einer "Agrarkolonie" handelt. Viele wollen gerade wegen der Arbeit nach Mamone verlegt werden, aber bald bereuen sie, nicht dort geblieben zu sein, wo sie waren und es ist nicht sinnlos, Antrag auf Rückversetzung zu stellen, weil die Briefe wer weiss wie lange liegen bleiben. Wir fügen hinzu, dass viele andere Anträge nicht rechtzeitig weitergeleitet werden, z,B. für Freigänge, Anfechtungen u.a.

GESUNDHEIT:

Es stimmt, dass sobald man drin ist, eine Tetanus, TBC und andere Impfungen vorgenommen werden, aber das worüber wir uns beschweren ist die mangelhafte Professinalität des medizinischen Personals, das sich gegenseitig diskreditiert, und wir beschweren uns über die wenigen Medikamente auf der Krankenstation, in der manchmal nicht einmal Fiebersenkende Mittel oder das wegen der Arbeiten im freien sehr wichtige Serum gegen Vipernbisse. Wenn man bedenkt, dass das nächste Krankenhaus im 70 Km entfernten Nuoro ist, kann man sich dleicht vorstellen, wie es manchmal unmöglich ist, ein Leben zu retten. Um nicht vom nicht sehr geschickten Zahnarzt zu sprechen, man geht hin, wegen einer Plombe, und der weiss nicht, wie er es anstellen soll.

BETREUER: Es gibt seit dem letzten Jahr keinen festen Betreuer. Aus unerfindlichen Gründen wechselten vier Betreuer in sechs Monaten. So können die Akten nicht aktualisiert werden. Das Team sollte regelmässig zusammenkommen, aber das geht nicht, weil der Betreuer einmal in der Woche kommt, so wie der Anstaltsleiter, die Psychologin und die Sozialarbeiterin, die mancher noch gar nicht kennt. Aber kommen wir nochmal zum Anstaltsleiter, es ist unmöglich, ein Gespräch mit ihm zu bekommen, nur absolutes Schweigen. Er schafft es einfach immer und permanent, ungünstige Meinungen über Freigänge abzugeben, ohne weder die Antragsteller noch die Fälle zu kennen.

RECHNUNGSWESEN UND GIROKONTEN: Diese zwei Faktoren harmonieren nicht, d.h., wennn eine Geldanweisung oder eine Postgiro-Zahlung eintrifft, fliesst das Geld nicht auf das Konto des Gefangenen, sondern irgendwo sonst hin, um nicht vom Kindergeld zu sprechen, die regelmässig in der Lohntüte ausgewiesen sind, aber es gibt Leute, die haben das Geld schon über ein Jahr nicht gesehen, und wenn jemand ein Recht darauf erwirbt, dauert es Monate, bis er das Geld bekommt.

WACHEN: Viele sind absolut unprofessionell und vom Alkohol zerstört. 90% fangen schon früh morgens an zu trinken, und sind um 10,00 schon total betrunken. Dann gibt es die, die bei der allgemeinen Zerstreutheit, manches manchmal mit nach Hause nimmt, z.B.: Käse, Fleisch, das eine oder andere Werkzeug, Elektromaterial, Baustoffe, Sanitärteile, ´mal ein bisschen Kerosin, deshalb sind die Heizanlagen auch fast immer nicht in Betrieb, und wenn einer mit dem Alkohol übertreibt, wird er unzurechnungsfähig und bereit, handgreiflich zu werden.

WASSERMANGEL: Ihr müsst wissen, dass das Wasser aus einem Brunnen gepumpt, und dann mit einem Wassertransporter in Zisternen gekippt wird. Diese sind offen und voller Dinge: Mäuse, Erde und viel mehr, da über Mamone 250 Tage im Jahr der Wind weht, ausserdem schafft der Wassertransporter es nicht, die Zisternen zwei mal Täglich zu füllen, so kommt es vor, dass wir vom Nachmittag an bis zum Folgetag ohne Wasser leben.

WASCHKÜCHE: Laut Strafvollzugsregelung müsste in jeder Anstalt eine Waschküche sein, mindestens für die, die keinen Besuch bekommen. Wir haben sogar vorgeschlagen, die Kosten zu übernehmen, aber sie haben uns nicht einmal geantwortet.

SPORT: Sportliche Aktvitäten gibt es nicht. Wir haben einen Fussballplatz, der aber nicht genutzt wird, so wie die Tischtennisplatten, die Fussbälle, die Flipperspiele. Sie liegen in einem Lagerraum. Die Bibliothek ist da, aber man sieht sie nicht und wenn man ein Buch beantragt, verschwindet auch der Antrag.

SCHULE: Jedes Jahr melden sich viele an, sie können aber nicht zum Unterricht, weil die Antwort der Gefängnisleitung lautet, dass es weder Mittel noch Personal für die Schüler in den verschiedenen Gruppen gibt, und weil die Entfernungen zu gross sind, z.B. Centrale-Nunziata 15 km, Centrale-Nortiddi 5 km.

TELEFONIEREN: Laut Hausordnung steht uns ein Anruf in der Woche zu, aber um von diem Recht gebrauch machen zu können muss man weitere Voraussetzungen erfüllen: 1: Glück haben, dass dein Antrag nicht verloren geht, 2: nach dem man sich vergewissert hat, ob der Antrag auch angekommen ist, bleibt nichts anderes als zu hoffen, dass die Wachen bereit und human genug sind, um nicht ein weiters mal deine Rechte mit Füssen zu treten. Wir alle hoffen, dass diese Anklage ernst genommen wird, damit sich hier etwas verändert. Auf euren Einsatz hoffend, senden wir euch unseren Gruss,

Roberto Masiero.


Wir haben beschlossen, keine weitere Unterschriften anzubringen, wegen der persönlichen Sicherheit.
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Ergänzungen