Zwangsexmatrikulationsbescheide zu Klopapier!

Germanophober 24.06.2002 18:12 Themen: Bildung
Die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur hat der FU Berlin beschieden, daß eine uniinterne Satzungsänderung zur Zwangsexmatrikulation von "Bummelstudis"rechtens ist.
Wie zuletzt bekannt wurde, hat die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur die Satzungsänderung für Studienangelegenheiten an der FU Berlin, die die Zwangsexmatrikulation für "Langzeitstudierende" vorsieht, für mit dem Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) vereinbar erklärt. Die Satzungsänderung sieht vor, dass jedeR Studierende bei zwei Semestern ohne Prüfungsnachweis (Schein, Vordiplom etc.) und bei Überschreiten der Regelstudienzeit um sechs Semester in einer Zwangsberatung mit Auflagen belegt werden kann, deren Nichterfüllung innerhalb einer gegebenen Frist zur Zwangsexmatrikulation führt.

Der AStA FU hat sich in der Vergangenheit wiederholt gegen die vom FU-Präsidium im Akademischen Senat regelrecht durchgepeitschte Regelung ausgesprochen. Wieder einmal nimmt - nach der Einführung der Rückmeldegebühr Mitte der 90er - die FU eine Vorreiterrolle im Einführen von repressiven Maßnahmen ein. Wiederholt wurde dabei darauf hingewiesen, dass solche Zwangsmaßnahmen einem selbstbestimmten Studieren und dem Bedürfnis des Individuums nach Bildung und Wissenschaft entgegenstehen und dass sie die soziale bzw. finanzielle Lage der Studierenden nicht berücksichtigen.

Der Argumentation des FU-Präsidiums, die "Langzeitstudenten" nähmen potentiellen Studierenden die Möglichkeit des Studiums und Studieren wäre ein Privileg, das nicht jedem zugute kommen könne, wurde ebenfalls wiederholt widersprochen. Die Fragen müssen umgekehrt gestellt werden: wieso in einem der reichsten Staaten nicht genug Ressourcen für die Universitäten zur Verfügung stehen und wo Studierende noch Privilegien haben, da sie sich doch zumeist selbst finanzieren müssen, den Krankenkassenbeitrag bezahlen usw. Es sei denn, man betrachtet das Mensaessen als Privilegium.


Aber diese Fragen würden FU-Präsidium und die Senatsverwaltung für Wissenschaft etc. gar nicht beantworten wollen, geht es ihnen doch letztlich nicht um das Individuum und seinen Wunsch, sich zu bilden. Für sie ist vielmehr die ökonomische Verwertbarkeit der qualifizierten Arbeitskraft als Standortfaktor das einzige Kriterium ihres Handelns. JedeR Studierende, der/die die Frechheit besitzt, sich dem Wirtschaftsstandort nicht bedingunslos hinzugeben, weil er/sie länger studiert, meistens studieren muss, hat gefälligst zu gehen.

Die bisherigen Mechanismen zur sozialen und ökonomischen Selektion (NC, Aufnahmeprüfungen, Sprachtests für Nichtdeutsche) waren offenbar nicht effizient genug. Deshalb ist jetzt im "Wettbewerb um die besten Köpfe" - die einzige Formel, die die Apologeten der Satzungsänderung offenbar noch kennen -, die Hatz auf die "Bummelanten" eröffnet, die der Berliner Wirtschaft einen ach so bedeutenden Schaden zufügen!

Der AStA FU kämpft weiterhin dagegen an und wird dies den Studis auch entsprechend vermitteln. Betroffene Studierende werden wir selbstverständlich juristisch unterstützen!
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Ergänzungen

Und auch die PDS...

Ex-Stud 24.06.2002 - 19:10
.. mischt also kräftig mit bei der Selektion

Teilzeitstudium

Jojo 24.06.2002 - 19:59
Für diejenigen, die studieren und andere Tätigkeiten (zb. Kohle verdienen, Kids betreuen, ...) miteinander verbinden müssen (und deshalb unter Zeitdruck kommen) gibt es ein Modellprojekt: DAS TEILZEITSTUDIUM
Es wird z.Z. in Tübingen (Eberhard-Karls-Universität) bei der Erziehungswissenschaftl. Fakultät "erprobt", vielleicht auch woanders.
Dies ist eine Möglichkeit, die zukunftstauglich ist - fordert sie auch an anderen Universitäten ein! Was hier einmal geht, geht überall!
Viel Glück!

Keine Verbesserungsvorschläge!

derBorst 24.06.2002 - 20:16
Hey Jojo! Erst mal gibt es das Teilzeitstudium wohl schon in Berlin, aber es geht nicht um Verbesserungsvorschläge, um den Bildungsstandort zu retten, sondern darum, daß jedeR studieren und lernen und lesen usw kann, wie er oder sie will. Die Selektion und der soziale bzw. finazielle Druck sind sowieso schon groß genug. Außerdem geht doch eine eindeutig sozioökonomische Kritik aus dem Text hervor. Kritik ist aber, nach meinem Begriff, destruktiv, nicht kosntruktiv. Die daraus resultierende realpolitische Forderung kann daher nur die Negation der selektierenden Verschärfung bedeuten.

@ex-Studi: Von Parteien, welcher Couleur auch immer, brauchst nix erwarten. Das geht eigentlich auch aus dem Text ganz gut hervor!