Freiberg: Staatlicher Anti-Rechtsextremismus

MAD-FbÄ 13.06.2002 01:09 Themen: Antifa
Nachdem der ehemalige Bundesvorsitzende der NPD, Günter Deckert, in Gränitz (Landkreis Freiberg/Sachsen) einen Dorfgasthof zu einem Nazi-Treffpunkt ausbaut, sind KommunalpolitikerInnen auf den Trichter zu kommen, Initiativen ins Leben zu rufen, die sich dem Extremismus (von rechts und links, versteht sich) entgegen stellen sollen. Mit großem Aufwand wird Geschäftstüchtigkeit vorgegaukelt, damit sich ja kein Widerstand von "unten" entwickelt. Ein geplatzter Ballon wie die Karikaturistin meint; denn für die AsylbewerberInnen ändert sich nichts an ihrer schlechten Situation im Landkreis Freiberg und anderswo.
Landrat, gehst Du voran...?
Am 14. Mai gründete die Obrigkeit in Freiberg eine Initiative „Weltoffenes Freiberg“

[mad] Den Wissenschaftsstandort Freiberg bewahren, ausbauen und sich deswegen für ein weltoffenes Freiberg einsetzen, so lautete der Grundtenor der Reden anlässlich der Gründungsveranstaltung der Initiative „Für ein weltoffenes Freiberg“. Freibergs Oberbürgermeisterin Dr. Rensch (SPD) forderte, das geschlossene Handeln aller Kräfte, um die Integration von Ausländern zu fördern. Die Initiative beabsichtigt, die Politik zu beraten und für eine weitere Verbesserung der Beziehungen zwischen den ausländischen Mitbürgern und den Menschen in Freiberg einzutreten. Der Rektor der Bergakademie Professor Georg Unland meinte, bereits in einer weltoffenen Stadt zu leben. Trotzdem müsse der Gedankenaustausch gefördert werden, ohne den es keine weitere Industrieansiedlung geben werde. Abweichend vom ursprünglichen Programm, begleitet von musikalischen Einschüben der mittelsächsischen Philharmonie mit international bekannten Werken von Mozart, Carl Maria von Weber und Beethoven, war nun der Landrat Volker Uhlig (AUW) an der Reihe seine Motivation darzulegen. „Haben wir ein Problem mit dem Zusammenleben von Menschen anderer Kulturkreise?“ fragte er zu Beginn seiner Rede. Rhetorische Fragen setzen die Antwort des Publikums voraus. Sie sind ein bewährtes Mittel, die Zuhörerschaft dorthin zu lenken, wo man sie hin haben will. Der emotionslos und keineswegs frei vorgetragenen Rede der Oberbürgermeisterin setzte der Landrat mit seinem Diktat noch eins drauf. Deshalb die nächste rhetorische Frage: „Kann sich unsere Jugend im Angesicht der Globalisierung ein Problem mit Ausländern leisten?“ Die Jugend kann das nicht, aber der Herr Landrat: Erstaunlicherweise zählt der in Freiberg lebende Asylbewerber nicht zur Klientel der Initiative, denn er spricht von etwa 2050 ausländischen Mitbürgern, die es in Freiberg ohne Asylbewerber gebe. Noch öfter fielen beim Landrat, der nicht nur bei dieser Initiative mitmacht, sondern ebenso im Kreistag eine Initiative gegen Extremismus ins Leben rief, die Worte „Probleme“ und „Ausländer“ in einem Atemzug. Am Ende erhob Uhlig seine Stimme und mahnte: „Freiberg ist nicht Sebnitz und wird niemals Sebnitz sein!“ Wo er recht hat, hat er recht, mögen die ZuhörerInnen gedacht haben, schließlich werden in Sebnitz Plasteblumen produziert und in Freiberg Computerchips. Nachdem die Oberbürgermeisterin, der Rektor und der Landrat das Gründungsdokument unterzeichneten, durften noch zwei weitere Mitglieder der Initiative ans Rednerpult treten. Dr. Abo Rady bediente als einziger nicht die wirtschaftliche Verwertbarkeits- und Standortlogik. Im Gegensatz zum Landrat Uhlig bezog er auch Asylbewerber ein und forderte, das negative Image der Asylbewerber aufzubessern. Als Ziele der Initiative gab er ebenso die Integration an, die nicht nur durch Sprachkurse, sondern auch durch „menschenwürdige Unterbringung“ sowie eine sinnvolle Beschäftigung wie der eines Studiums mit anschließender Arbeit verwirklicht werden muss. Als letzter Redner erklärte Pfarrer Breutel, ebenfalls frischgebackenes Mitglied der Initiative, dass das „Bunte nach Freiberg hineingebracht“ werden müsse, und zwar nicht nur durch Blumenkästen an den Außenfassaden der Innenstadthäuser, sondern durch Denken und Handeln. Als einziges Gründungsmitglied fehlte Ex-OB Konrad Heinze (CDU). Welche Wirkung die Initiative entfalten kann, bleibt angesichts der schwammigen und allgemeinen Zielvorgaben fraglich. Die übermäßige Betonung der Standortargumente leistet nicht nur der Verwertungslogik mit der Trennung in willkommene nützliche Ausländer und lästige Asylanten Vorschub, es läßt außerdem nicht gerade hoffen, dass substanziell etwas gegen rechte Übergriffe und fremdenfeindliches Gedankengut getan werden wird. Vielmehr wird mit der Gründung der Initiative nach außen hin der Schein erweckt, „doch alles in unserer Macht stehende getan zu haben“. So fehlte bei jeder Rede und auch in der Erklärung der Ziele der I-nitiative, eine klare Positionierung gegen Ausländerhass und nationalistisches sowie rechtsextremes Gedankengut. Der Auftritt des neuen Wissenschaftsministers, des früheren Kultusministers Matthias Rößler (CDU), war nicht mehr als ein Heischen nach Publizität. Sinnvoller wäre eine Geste für die zahlreichen Opfer rechter Gewalt und Pöbeleien gewesen, die Freiberg verbittert den Rücken gekehrt haben. Sie alle dürfen nicht vergessen werden! Die Reaktion des Universitätsrektors Unland auf die Angriffe auf eine seiner Studentinnen aus Kamerun, die am Freiberger Hauptbahnhof von Jungnazis geschlagen wurde, bestand in dem Rat an die junge Frau, solche Plätze zukünftig zu meiden. Einfach zu wenig für einen weltoffenen Bürger, auch in der Kleinstadt Freiberg!
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