Antikapitalistischer Block zeigt Zähne, StudentInnen sind zahnlos?

Zumo 10.06.2002 15:32 Themen: Bildung
Reflexionen zur Düsseldorfer Demonstration

Mehrere tausend Menschen, unter anderem auch ich, nahmen am antikapitalistischen Block innerhalb der StudentInnendemonstration in Düsseldorf teil. Ich bin inzwischen zur Überzeugung gekommen, dass diese Menschen, die sich als Teil der radikalen Linken in Deutschland verstehen, mit Massenprotesten, wie der aktuell von StudentInnen getragene, konzeptionell völlig überfordert sind. Hier fehlt ganz einfach eine kompatible Demonstrationskultur. Es gab seitens der autonomen Gruppen keine breit angelegte Überlegung zu direkten Aktionen. Es wurde nicht vorab darüber nachgedacht. wie der bereits begonnene Protest der StudentInnen, an denen sich linke Gruppen nur am Rande oder als Betroffene beteiligten, sinnvoll unterstützt und mitgetragen werden konnte. Die TeilnehmerInnen des antikapitalistischen Block erwiesen sich als KonsumentInnen. Ihr elitäres Denken, ließ vollkommen außer acht, dass es bereits vor der Großdemonstration erfolgreiche, direkte Aktionen gab. So ist die Blockade der Autobahnauffahrt in Aachen und einzelne weitere Stör- und Besetzungsaktionen weit weniger von linken Asten oder autonomer Szene getragen als anzunehmen sein sollte.

In Düsseldorf wurden viele DemonstrationsteilnehmerInnen darüber informiert, dass nach (!) der Abschlusskundgebung eine Straßenblockade des Hauptverkehrsknotenpunkt Y anstehen sollte. Die Bereitschaft hierzu war mit Sicherheit sehr groß. Für das Scheitern dieses Vorhabens sind meines Erachtens viele verschiedene Gründe aufzuführen. Bereits vor Abschluss der Demonstration gab es den Durchbruchversuch in Form einer kleinen von der Restdemo abgekoppelten Aktion, mit annähernd klandestinen Charakter. In diesem Zusammenhang lassen sich sicherlich demonstrationspsychologische Aspekte heranführen, um das disasteröse Scheitern dieses Versuchs zu erklären. Es hätte der Gruppe bewusst sein müssen, das der Restteil der StudentInen wohl kaum ihrem Beispiel folgen würde, zu diesem, unangekündigten Zeitpunkt geschlossen die Demoroute zu verlassen. Faktisch, wäre, in dem Fall das vorzeitige Ende der Demonstration besiegelt. Trotzdem den Versuch durchzuführen kann für mich nur bedeuten, dass die Beteiligten selbst nicht daran geglaubt haben, das viele Menschen ihrem Beispiel folgen. Sie wollten vielleicht unter sich bleiben und sahen die demonstrationsunerfahrenen StudentInnen als großes Risiko an. Wenn der Gedanke der Wahrheit entspricht, wäre hier die Borniertheit und das elitäre Gehabe der Restlinken in Deutschland zu erkennen. Für mich stellt sich die Frage, was Hundertfünfzig relativ erfahrene DemoteilnehmerInnen alleine gegen das relativ kleine Polizeiaufgebot von Düsseldorf ausrichten wollen. Ein Aufgebot, das sich gegenüber unberechenbaren, von mehreren Tausenden getragenen direkten Aktionen als völlig überfordert darstellen würde.

Das Ziel der auf der Düsseldorfer Demonstration war zunächst zur Abschlusskundgebung zu gelangen, um sich erst dann an direkten Aktionen zu beteiligen. Warum wurde dann von den TeilnehmerInnen des antikapitalistischen Blocks nicht versucht, sich auf der Abschlusskundgebung als Block zu formieren, um gemeinsam mit den vielen interessierten StudentInnen Blockadeaktion zu starten? Vielleicht auch weil sich die ?Leitung? des antikapitalistischen Blocks nicht zu diesem Vorhaben durchringen konnte und die TeilnehmerInnen sich wieder mal als DemokonsumentInnen erwiesen. Mir schien, das den Meisten alles andere in den Köpfen umherschwirrte, als unangemeldet, spontan und evt. erfolgreich den Protest auf die Straße zu bringen. Aber es gibt weitere externe Gründe zum Scheitern dieses Anliegens. Kaum einer hatte die Geduld die endlosen Reden auf der Abschlusskundgebung über sich ergehen zu lassen, so dass im Laufe der Zeit die Bereitschaft aller Interessierten zum Blockadeversuch insgesamt immer mehr abbröckelte. Hatte der Asta zunächst noch eine kurze Abschlusskundgebung angekündigt, zogen sich die Vorträge in der Realität endlos hin. Leider gab es keine Gruppe, die bereits vor Abschluss der Kundgebung die Initiative ergriff und signalisierte, dass der Zeitpunkt zur Blockade gekommen sei. Ich bin mir sicher, dass es die Möglichkeit gab Düsseldorf für einige Stunden lahm zu legen. Im Grunde genommen hätte die Blockierung wichtiger x-beliebiger Verkehrsstraßen ausgereicht um den Protest energischen Nachdruck zu verleihen. Nach der Kundgebung waren es nur noch wenige Studentinnen, denen es letztendlich doch noch gelang die Kreuzung Y für zehn Minuten zu blockieren. Ich möchte wirklich nicht wissen, wie viele bereits vorher entnervt nach Hause gegangen sind, weil sie nicht glauben konnten, dass überhaupt noch was passiert. Mir selbst sind aber viele StudentInnen und Gruppen bekannt, die verfrüht den Heimweg antraten. Meiner Meinung nach hätte letzten Samstag die Chance bestanden die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Studentenprotests anwachsen zu lassen. Hohe TeilnehmerInnenzahlen alleine reichten noch nicht aus um ihn als mediales Ereignis zu inszenieren. Traurig dabei macht mich dabei, die Borniertheit der eigenen linken Szene, die diese Möglichkeiten vielleicht auch in Zukunft nicht erkennen wird. Für mich wurde am Samstag eine große Chance vertan.


Nächste Demo:
14.00 Uhr in Aachen
Karman-Auditorium
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Ergänzungen

Fragezeichen nicht angenommen

Zumo 10.06.2002 - 16:01
Hier ist leider ein Fehler passiert. Eigenlich sollte ein Fragezeichen nach der Überschrift stehen. Leider wurde das Satzzeichen nicht mehr angenommen, wodurch der Sachverhalt völlig verfälscht wurde. Lasst Euch davon bitte nicht vom Lesen abhalten!

stimme

hundertprozentig zu 10.06.2002 - 16:41
dieser artikel ist absolut richtig und wichtig. es wurde am samstag in der tat eine große chance vertan, ich bin maßlos enttäuscht von den organisierten und den autonomen, die auf ganzer linie versagt haben. es war ohne probleme möglich, die brücke zu besetzen, aber da wir nur etwa 30 leute waren, mussten wir bald abbrechen. wo waren die ganzen organisierten leute???
der durchbruchversuch hingegen war meines erachtens richtig. als sich abzeichnete, dass keinerlei aktionen geplant sind, haben halt ein paar leute spontan überlegt, was zu machen,wären einige hundert bis tausend leute aus dem antikap-block hinterhergelaufen, hätte es prima werden können!!! es war immerhin ein versuch!!!
die arroganz mit der insbes. autonome die studi-proteste ignorieren sind skandalös und kontraproduktiv. wir sind auf euch und eure erfahrung angewiesen. viele von uns würden gerne aktionen mit anderem charakter durchführen, aber stellen eine minderheit dar. mit 20-30 leuten pro uni, die aus einem organisierten bereich stammen, ließe sich verdammt noch mal was an den start bringen.
welche chance auf veränderung haben wir, wenn linke bewegungen soziale proteste ignorieren, weil sie zu brav sind, statt selber mitzuhelfen, dass sie radikaler werden!!!

Fragezeichen wieder drin

10.06.2002 - 17:09
Ich wollte gerade (bevor die Mods das Fragezeichen hinzufügten) ein Kommentar von wegen elitärem Denken und "kein Wunder, daß die Linke so klein ist" posten. Ansonsten find ich hast Du recht! Wenn sich die radikale Linke als was besseres lühlt, sich mit eigenem Block nach aussen klar erkennlich abgrenzt, wird sie eher weiter schrumpfen. In diesem Falle wäre es dann nicht mal schade drum. Aber was ich hier bei Indy die letzte Zeit lese, macht mich doch wieder etwas zuversichtlicher!

kleine Begebenheit

ANA 10.06.2002 - 17:54
Du hast völlig recht, viele Organisierte in dem antikapitalistischen Block haben absolut arrogant agiert.
Als ich (w) ein Stück vor dem weißen Fronttranspi herlief, drückt sich plötzlich ein Typ an meinen Rücken und motzt mich an ich solle doch ein paar Schritte nach vorne gehen. Ich sagte ihm, dass da schon jemand anderes gehen würde und er forderte mich auf, den Leuten vor mir zu befehlen Platz zu machen, denn "wir (das weisse Transpi) müssen parallel zum roten sein". Ich entschuldigte mich bei ihm, dass ich die Marschiererei in Reih und Glied störte, worauf er noch mal mopperte, dass wir (die angeblich unorganisierten (nicht KOK-Mitglieder?)) sowieso hier alles durcheinander bringen. Solche Erlebnisse, die ich als politisch aktive, wenn auch nicht Demo-Block-technisch durchorganisierte am Samstag nicht zum ersten mal gemacht habe, führen dazu, dass Leute keinen Bock haben bei bestimmten Antifas und anderen Gruppen mitzumachen.
Hört auf den "Unorganisierten" jedes politische Bewußtsein abzusprechen. Anarchie funktioniert nur in Eigenverantwortung!

ihr alle..

..schreibt die wahrheit.. 10.06.2002 - 19:40
lasst uns dran ansetzen...

jau

robin 10.06.2002 - 20:59
seit langem mal endlich eine Diskussion, die zuversichtlich stimmt. bleibt nur die Frage, tragen wir das raus in unsere Zusammenhänge? Gelingt es uns, tatsächlich die Vorurteile zwischen "bürgerlichen" und "radikalen" anzugehen? ich denke, sie liegen auf beider seiten. Dafür, dass eine organisierte Struktur eher bereit sein sollte, vorurteile abzulegen (bzw. bestätigte vorurteile irgendwie zu verkraften), spricht meiner meinung nach nur die tatsache, dass sie organisiert sind und emotionen eher überwinden können. Aber trotzdem... weiter machen!!

Aufklärung statt Abgrenzung

egal 10.06.2002 - 23:55
Ich finde auch, dass mensch mit Arroganz nicht gerade eine Alternative vorstellt, die besonders anziehend auf die Menschen wirkt. Trotzdem finde ich wichtig zum einen einen eigenen unabhängigen und antikapitalistischen Block gebildet wird, um auch zu zeigen, dass es nicht nur um eigene Studiengebühren, sondern um die Zusammenhänge geht. Zusätzlich darf aber nicht die persönliche Aufklärung usw. fehlen, heisst: es sollte sich meiner Meinung nach nicht "überheblich" oder so, sondern offensichtlich Politisch abgesetzt werden, um in einer Menge unpolitischer Studenten o.ä. auch bewußt, extra wahrgenommen zu werden.
Zusätzlich muss aber vor allem über die kapitalistischen Zusammenhänge aufgeklärt werden, die gar nichts anderes zulassen als Geld für Bildung zu nehmen.

Zusammenhänge transparent machen

ANA 11.06.2002 - 00:35
Auch ich halte es für richtig politische Positionen in die Debatte einzubringen um von dem platten "50 Euro kann ich mir nicht leisten, ich will nichts bezahlen also bin ich dagegen" wegzukommen. Aber dazu müssen Inhalte auch wirklich vermittelt werden und Zusammenhänge dargestellt und nicht einfach nur postuliert werden. Hier einige Beispiele aus dem Aufruf zum antikapitalistischen Block

"Studiengebühren sind das zentrale Instrument zur endgültigen Durchsetzung marktförmiger Strukturen im Bildungssystem"

- Nein, denn Studiengebühren sind absolut etatistisch und fließen in die Staatskasse. Es ist nicht marktförmig, sondern absolut staatlich, denn es geht um die Stopfung von Haushaltslöchern. Es wäre besser stärker auf die Steuerpolitik hinzuweisen, auf eine staatlich unterstützte Umverteilung usw.

"Kapitalistische Vergesellschaftung erzeugt notwendig soziale Ungleichheit."

- den Satz verstehe ich nicht, was ist "Kapitalistische Vergesellschaftung", ist das jetzt etwas markt- oder etwas volkswirtschaftliches?

"Von Chancengleichheit ist immer weniger die Rede. Das Bildungssystem soll endgültig dazu
werden, was es im Kapitalismus immer auch war: Ein Instrument der Förderung gesellschaftlicher Eliten. Die
ökonomisch vermittelte Herrschaft von einigen über viele wird durch den Ausschluss von immer mehr Menschen von
qualitativ hochwertiger Bildung gefördert. "

- wenn ich jetzt den FlugblattschreiberInnen unterstelle, dass ihrer Meinung nach der Kapitalismus immer weiter erstarkt und sich auf weitere Gebiete ausweitet, dann komme ich in einen Erklärungsnotstand. Meines Wissens nach, wurde der Zugang zu Bildung in den letzten 200 Jahren in Europa einer größeren Gruppe von Menschen ermöglicht und nicht einer kleineren.

Ich möchte gerne noch klarstellen, dass ich weder für Studiengebühren bin, noch für Kapitalismus, noch dass ich glaube, die Uni wäre ein kapitalismusfreier Raum (Drittmittelfinanzierung, ...), aber um etwas zu bewirken ist es notwendig sauber zu argumentieren.
Angesichts mancher linker Flugblätter ist es schwierig Menschen Unpolitischkeit vorzuwerfen, wenn diese unsere Positionen nicht verstehen.

Organisierung vs. Naivität

Desorganisierter 11.06.2002 - 16:05
@ANA: Du hast noch mehr recht als Zurno!
Die Organisierten sind die ABSOLUTESTEN ARROGANTESTENTEN überhaupt!
Ich (m) spreche keiner/m Unorganisierten politisches Bewußtsein ab. Wieso das jetzt bei Dir der Fall sein soll, nur weil Du nem Fronttransparent im Weg standest, ist mir nicht verständlich...
Aber bzgl. KOK-Mitgliedern hast Du recht: Der ganze Block waren vermutlich KOK-Mitglieder (bekanntermassen ABSOLUT organisiert). Wie scheisse ORGANISIERT und arrogant die sind, sieht man ja alleine an deren Homepage: www.antifakok.de
Gut, daß es Menschen wie Dich gibt, die dies immer wieder betonen (und ihre Energie einzig darauf verwenden), EIGENVERANTWORTLICH ständig GANZ ALLEINE auf Demos rumzulaufen.
Danke!!

@Zurno: Wenn elitäres Denken so stark bei den TeilnehmerInnen des Antikap-Blocks vorhanden gewesen wäre, wie Du konstatierst, wieso sind diese dann nicht zu Hause geblieben, da ja "eh nichts geht"?!?
Und zu Deinen Blockadewünschen ließe sich wohl nur anmerken, daß wer auf Mobilisierung und Teilnahme hofft, zum einen die Aktion vorbereiten, zum anderen den Startpunkt bekanntmachen sollte... Ständiges Jammern bringt da wohl auch nix, Du Indymedia-Konsument! ;)

@ indy-gemeinde

grau 11.06.2002 - 21:34
ja, zerfleischt euch statt einander zuzuhören! und auf jeden fall habt ihr recht! die spalte heisst übrigens ergänzungen und nicht beschimpfungen oder besserwisserei....na ja, mensch muss ja nicht alles lesen.

Kommentar zu Kommentaren

Zumo 12.06.2002 - 09:01
Nirgendwo ist aus meinem Beitrag herauszulesen, dass ich etwas gegen die Organisierung eines kapitalistischen Blockes auf der Düsseldorfer Demo gehabt hätte. Seine politische Ausrichtung sagt mir sehr viel mehr zu, als sehr vieles was sonst auf der Demo zu finden war. Dennoch erkennen viele StudentInnen inzwischen, dass sie sich auf PolitikerInnen nicht verlassen können. Vielen geht es inzwischen mehr als nur um die Nichteinführung von Studiengebüren. Die Rede des antikapitalisischen Blocks auf der Abschlußkundgebung wurde allgemein mit Wohlwollen aufgenommen.

Ich betone nocheinmal, dass nicht nur ich bis heute den gewählten Zeitpunkt des Ausbruchversuch einiger Weniger auf der Demonstration in Düsseldorf für verfrüht halte. Es war vielen bekannt dass nach der Abschlusskundgebung eine größer angelegte Aktion starten sollte, die aus verschiedenen, u.a. in meinem Text erwähnten Gründen scheiterte. Ich kann immer nur daraufhinweisen, dass viele StudentInnen sich an Blockaden beteiligt hätten. Wir TeilnehmerInnen des antikapitalistischen Block waren leider nicht in der Lage auf diese Tatsache adäquat zu reagieren.
An Unorganisierter: Jeder und jede sollte das Recht haben, wie z.B. ana , hier subjektiv Empfundenes äußern zu dürfen Hier wünsche ich mir etwas mehr Fähigkeit zu einer eigenen kritischen Auseinandersetzung. Ich bin sicherlich auch Indymediakonsument, aber weil ich inzwischen auch mal nen Artikel geschrieben habe nicht nur, oder?