Bildungschaos in Hamburg

Michel Alexander 31.05.2002 22:15 Themen: Bildung
Hamburgs Bildungssenator Lange spart an allen Enden an den Schulen - jetzt beschimpft er seine eigenen Mitarbeiter und auch die eigene Partei (FDP) fragt sich: "Wie Lange noch?" Für den 10. Juni sind gewaltige Proteste angekündigt.
Die FDP als Bildungspartei? In Hamburg ganz bestimmt nicht! Der "liberale" Ex-Konteradmiral und jetzige Schulsenator Rudolf Lange schaffte es innerhalb weniger Monate, Lehrende und Lernende gegen sich aufzubringen - und auch in den eigenen Reihen fragt mensch sich mittlerweile: "Wie Lange noch?"
Nachdem schon im Koalitionsvertrag ein anderer Wind angekündigt wurde (mehr Selektion, Zerstörung der Gesamtschulen, ...), brachte Lange das Faß kürzlich zum Überlaufen, als er unvorbereitet zur Senatsklausur fuhr. "Es gibt keine Sparvorgabe und die würde ich mir auch verbitten." sagte er kurz davor; da er jedoch keine Sparvorschläge unterbreitete, wurde einfach beschlossen, dass jede zweite Lehrerstelle in den nächsten Jahren nicht mehr besetzt werden solle. Nach heftigen Protesten von allen Seiten wurde nun auf Klarheit gewartet, wie viele LehrerInnen es denn nun überhaupt in Hamburg gebe. Und die Schulleitungen brauchten eine Planungsgrundlage fürs neue Schuljahr. Ergebnis: 10,3 Prozent weniger LehrerInnen an Gesamtschulen, an Gymnasien und beruflichen Schulen Minus 3-4 Prozent - an den Haupt- und Realschulen wollte der Senator nicht sparen.
Für die späte Bekanntgabe dieser Horrorzahlen machte Lange gestern in der Fragestunde der Bürgerschaft die Beamten seiner Behörde verantwortlich, griff den Landesschulrat persönlich an.
Er bewegt sich in stürmischen Gewässern: Für den 10. Juni ruft das breite Bündnis für Bildung aus SchülerInnen-, Eltern- und LehrerInnenkammern und den LehrerInnen-Gewerkschschaften zur Großdemonstration vor dem Hamburger Rathaus auf - "Feuer und Flamme für Bildung" lautet das Motto in Anspielung auf die hanseatische Olympiabewerbung. ASta und weitere Organisationen haben sich bereits solidarisch erklärt und werden sich in die Sternmärsche einreihen.
Mehr Infos unter www.skh.de/
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Ergänzungen

Flugi des RSB Hamburg zum Thema

der nestscheißer 31.05.2002 - 23:36
an der Uni HH ist vom 10.06.-15.06. eine Aktionswoche angesetzt, hoffentlich entwickeln sich auch Aktionen, welcher in der Lage sind, die ganzen Angriffe von senat & Co. abzuwehren - damit die ganze Sache nicht nur im selbstverliebten Gelaber angehender reformistischer BürokratInnen endet.

HH: Uni-VV u.Demo gegen Bildungsklau am 10.6.

Mensch aus HH 08.06.2002 - 14:53
Hamburg: Wissenschaftsbehörde plant Zwangsexmatrikulation von Langzeitstudierenden

Ende April stellte Wissenschaftssenator Dräger seinen Gesetzentwurf zur "Modernisierung" des Hamburgischen Hochschulgesetzes der Öffentlichkeit vor. Neben starken Einschränkungen der demokratischen Universitäts-Selbstverwaltung sowie der Einführung von Studiengebühren für Langzeitstudierende in Höhe von EUR 500,- ab Wintersemester 2003, wurde dabei - von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt - ebenfalls eine Vorschrift vorgesehen, die es den Hochschulen ermöglichen soll, Langzeitstudierende zwangsweise zu exmatrikulieren (§ 42 Absatz 4 des Gesetzentwurfes). Dabei zählt als "Langzeitstudierende/r", wer das Doppelte der Regelstudienzeit seines Studienfaches überschreitet, was angesichts der Tatsache, dass die meisten Studiengänge eine "offizielle" Regelstudienzeit von 8 bzw. 9 Semestern haben, keine sehr lange Zeit ist. Damit soll, quasi "durch die Hintertür", die Zwangsexmatrikulation von Langzeitstudierenden eingeführt werden.
Gemäß dem vor einigen Monaten vorgestellten Bericht des Studentenwerkes Hamburg "Zur sozialen Lage der Studierenden an den Hamburger Hochschulen im Jahr 2000" steigt die Zahl der Langzeitstudierenden kontinuierlich an. Waren im Jahr 1994 19,2% aller Hamburger Studierenden "Langzeitstudierende", d.h. Studierende, die seit 13 und mehr Hochschulsemestern studieren, so waren es im Jahr 1997 bereits 23,8%. Der in der o.g. Studentenwerks-Untersuchung ermittelte aktuelle Wert liegt mittlerweile bei rund 25% aller Hamburger Studierenden. Grund hierfür ist insbesondere die Tatsache, dass die meisten Studierenden zur existenziellen Sicherung ihres Lebensunterhaltes zwingend darauf angewiesen sind, neben ihrem Studium erwerbstätig zu sein: gemäß der o.g. Sozialerhebung des Studentenwerkes waren im Sommer 2000 79,5% der Hamburger Studierenden erwerbstätig, was weit über dem Bundesdurchschnitt von 66,6% liegt.
Selbst in dem zwischen CDU, Schill-Partei und FDP geschlossenen Koalitionsvertrag ist nicht die Rede von derart einschneidenden Maßnahmen gegen Studierende wie der Zwangsexmatrikulation von Langzeitstudierenden. Im Gegenteil ist dort auf Seite 9 zu lesen: "Das Hamburgische Hochschulgesetz wird novelliert und Studiengebühren nur für die Studierenden, die 4 Semester über die Regelstudienzeit studieren, eingeführt. Zur Durchführung dieser Maßnahme müssen die Voraussetzungen an den Hochschulen geschaffen werden, dass ein Abschluss in der Regelstudienzeit auch möglich ist." Von einer Schaffung dieser "Voraussetzungen" kann jedoch keine Rede sein: erst kürzlich stellte sich bei den Haushaltsberatungen der Bürgerschaft heraus, dass die neue Regierung den "Hochschul-Sparkurs" der alten Regierung nahtlos fortsetzen wird.
Sollte die beabsichtigte Änderung des Hamburgischen Hochschulgesetzes so verabschiedet werden, wie jetzt von der Wissenschaftsbehörde vorgestellt, werden 25% der Hamburger Studierenden früher oder später mit dem Thema "Zwangsexmatrikulation" konfrontiert sein. Lassen wir es nicht soweit kommen. Wehrt euch, solange noch Zeit ist! Kommt zur

Vollversammlung der Studierenden der Universität Hamburg
Montag, 10. Juni, 10 Uhr, Audimax

Im Anschluss: Demonstration zum Rathausmarkt, Treffpunkt: 12 Uhr auf dem Campus der Universität Hamburg

Beteiligt euch an der Aktionswoche gegen Bildungsklau vom 10. bis 15. Juni 2002!

Der Gesetzentwurf zur Änderung des Hochschulgesetzes und seine Begründung sind im Internet zu finden unter:
www.hamburg.de/fhh/behoerden/behoerde_fuer_wissenschaft_und_forschung/download/hochmoderngesetz.pdf
www.hamburg.de/fhh/behoerden/behoerde_fuer_wissenschaft_und_forschung/download/hochmodernbegr.pdf