Die politische Halbierung des Nazi-§175
Von Linken als Erfolg verbucht, vom CSU-Abgeordneten Norbert Geis als Schande bezeichnet, ist die Aufhebung der Urteile gegen Homosexuelle in der NS-Zeit mehr als nur ein halbherziger Schritt. Die 50.000 Urteile vor bundesdeutschen Gerichten, die nach exakt demselben Gesetz gefällt wurden, bleiben davon nämlich unberührt. Vor allem aber kostet dem deutschen Staat seine großherzige Haltung auch 60 Jahre danach keinen Pfennig.
Der Deutsche Bundestag hat am Freitag vorletzter Woche gegen die Stimmen von CDU und FDP eine Ergänzung des NS-Aufhebungsgesetzes beschlossen. Danach werden die Urteile gemäß § 175 (Unzucht zwischen Männern) in der von den Nazis verschärften Fassung wenigstens bis 1945 pauschal aufgehoben.
Die Nazis hatten 1935 im Rahmen einer Umdefinition vom Vergehen zum Verbrechen nicht nur das Strafmaß des § 175 verdoppelt, sondern alles, vom Kuss über die "unsittliche" Berührung bis zum "lüsternen Blick", mit Haftandrohung belegt. Während der Geltung des Nazigesetzes bis zum Jahr 1969(!) wurden ca. 200.000 Männer mit zum Teil tragischen Folgen angeklagt, 100.000 verurteilt. Viele verloren ihre Arbeitsstelle oder wurden nach Verbüßung ihrer Haftstrafe von den Universitäten nicht mehr immatrikuliert. Andere nahmen sich bereits nach ihrer Vorladung das Leben oder landeten aufgrund einer Einweisung durch die Gestapo trotz Freispruch im Konzentrationslager. Der ehemalige KZ-Häftling Heinz Dörmer verbrachte insgesamt fast zwei Jahrzehnte hinter deutschen Gefängnismauern - auch nach 1945.
Nun sollen die Urteile bis 1945 aufgehoben werden, obwohl die Rechtsgrundlage danach, wenigstens in der BRD, die gleiche war. Das "Rechtsstaatsprinzip" mache die Aufhebung der rund 50.000 Urteile nach dem Zweiten Weltkrieg nahezu unmöglich, da die damaligen Urteile aus bundesdeutscher Sicht juristisch rechtmäßig ergangen seien, erklärt Günter Dworek, Referent der grünen Bundestagsfraktion und Sprecher des Lesben- und Schwulenverbands, in einem Ton, der fast so etwas wie Verständnis signalisiert. "Die Verurteilten haben auch keine Möglichkeit, vor dem Bundesverfassungsgericht gegen § 175 zu klagen – da der Paragraf ja nicht mehr existiert", zerstreut Dworek vorsorglich auch jede noch so leise Hoffnung der Opfer, dass ihnen einmal Gerechtigkeit widerfährt.
Warum sagt der Mann das? Dazu ein paar Hintergründe. Anfang der 90er Jahre verabschiedete sich der bürgerliche Teil der deutschen Schwulenbewegung vom innerlich zerstrittenen Bundesverband Homosexualität (BVH) und übernahm den DDR-Verband "SVD". In ersterem hatte er sich mit seiner auf den deutschen Staat fixierten Anerkennungspolitik, vor allem in Gestalt der Homo-Ehe, niemals durchsetzen können. In letzterem bildete er nun allein die Mehrheit und konnte so nach der schleichenden Auflösung des BVH den zu erwartenden Zustrom von Linken verhindern. Mit dabei auch damals schon Manfred Bruns, der als Bundesanwalt a.D. und LSVD-Sprecher heute offen zugibt, nicht nur an politischen Verfahren, sondern auch an Verurteilungen wegen § 175 beteiligt gewesen zu sein.
Ein offensives Vorgehen gegen die Urteile nach 1945 würde daher nicht nur die Biographie eines maßgeblichen Repräsentanten der bürgerlichen Schwulenbewegung in ein grelles Licht rücken. Es wäre darüber hinaus ein Affront gegen die Regierungsparteien, denen der LSVD seinen kometenhaften Aufstieg als alleinigen Ansprechpartner der rotgrünen Regierung in der Lesben- und Schwulenbewegung zu verdanken hat. Schier unfassbar erscheint es, dass die Opfer des § 175 nun verraten und verkauft sind, weil Verbandsfunktionäre vor allem ihre politische Karriere oder wie im Fall des ehemals verheirateten Bruns' die rückwirkende Legitimierung ihrer schäbigen Vergangenheit als Diener eines homophoben Staats im Auge haben.
Die Nazis hatten 1935 im Rahmen einer Umdefinition vom Vergehen zum Verbrechen nicht nur das Strafmaß des § 175 verdoppelt, sondern alles, vom Kuss über die "unsittliche" Berührung bis zum "lüsternen Blick", mit Haftandrohung belegt. Während der Geltung des Nazigesetzes bis zum Jahr 1969(!) wurden ca. 200.000 Männer mit zum Teil tragischen Folgen angeklagt, 100.000 verurteilt. Viele verloren ihre Arbeitsstelle oder wurden nach Verbüßung ihrer Haftstrafe von den Universitäten nicht mehr immatrikuliert. Andere nahmen sich bereits nach ihrer Vorladung das Leben oder landeten aufgrund einer Einweisung durch die Gestapo trotz Freispruch im Konzentrationslager. Der ehemalige KZ-Häftling Heinz Dörmer verbrachte insgesamt fast zwei Jahrzehnte hinter deutschen Gefängnismauern - auch nach 1945.
Nun sollen die Urteile bis 1945 aufgehoben werden, obwohl die Rechtsgrundlage danach, wenigstens in der BRD, die gleiche war. Das "Rechtsstaatsprinzip" mache die Aufhebung der rund 50.000 Urteile nach dem Zweiten Weltkrieg nahezu unmöglich, da die damaligen Urteile aus bundesdeutscher Sicht juristisch rechtmäßig ergangen seien, erklärt Günter Dworek, Referent der grünen Bundestagsfraktion und Sprecher des Lesben- und Schwulenverbands, in einem Ton, der fast so etwas wie Verständnis signalisiert. "Die Verurteilten haben auch keine Möglichkeit, vor dem Bundesverfassungsgericht gegen § 175 zu klagen – da der Paragraf ja nicht mehr existiert", zerstreut Dworek vorsorglich auch jede noch so leise Hoffnung der Opfer, dass ihnen einmal Gerechtigkeit widerfährt.
Warum sagt der Mann das? Dazu ein paar Hintergründe. Anfang der 90er Jahre verabschiedete sich der bürgerliche Teil der deutschen Schwulenbewegung vom innerlich zerstrittenen Bundesverband Homosexualität (BVH) und übernahm den DDR-Verband "SVD". In ersterem hatte er sich mit seiner auf den deutschen Staat fixierten Anerkennungspolitik, vor allem in Gestalt der Homo-Ehe, niemals durchsetzen können. In letzterem bildete er nun allein die Mehrheit und konnte so nach der schleichenden Auflösung des BVH den zu erwartenden Zustrom von Linken verhindern. Mit dabei auch damals schon Manfred Bruns, der als Bundesanwalt a.D. und LSVD-Sprecher heute offen zugibt, nicht nur an politischen Verfahren, sondern auch an Verurteilungen wegen § 175 beteiligt gewesen zu sein.
Ein offensives Vorgehen gegen die Urteile nach 1945 würde daher nicht nur die Biographie eines maßgeblichen Repräsentanten der bürgerlichen Schwulenbewegung in ein grelles Licht rücken. Es wäre darüber hinaus ein Affront gegen die Regierungsparteien, denen der LSVD seinen kometenhaften Aufstieg als alleinigen Ansprechpartner der rotgrünen Regierung in der Lesben- und Schwulenbewegung zu verdanken hat. Schier unfassbar erscheint es, dass die Opfer des § 175 nun verraten und verkauft sind, weil Verbandsfunktionäre vor allem ihre politische Karriere oder wie im Fall des ehemals verheirateten Bruns' die rückwirkende Legitimierung ihrer schäbigen Vergangenheit als Diener eines homophoben Staats im Auge haben.
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Ergänzungen
Zusatzinfo
"Rechtmäßigkeit"
Kompromiss?
Das ist wohl eher als verharmlosend einzustufen. Daß nun auch Lesben, die bisher nicht inkriminiert worden sind nun auch darunter fallen war nur den rechten Bestrebungen der Parteipolitiker zuzuschreiben. Nun kann also eine 19jährige Lesbe bestraft werden die mit einer 17jährigen eine Beziehung hat!
Korrektur des Beispiels
Selbstkorrektur