Israel News

Observer 15.05.2002 22:01
Verhaftung israelischer Rechtsextremisten / Israels Bevölkerung unterstützt Sharon / Siedlungsbericht der israelischen Menschenrechtsgruppe Betselem /
Am Dienstag wurden in Israel zwei Männer in Haft genommen, die zusammen mit vier schon früher Festgenommenen Terrorakte gegen palästinensische Einrichtungen planten und vermutlich auch für früher begangene Terrorakte verantwortlich sind. Bei den verhafteten Extremisten handelt es sich um den langjährigen Sprecher der Nachfolgeorganisation der wegen Rassismus und Extremismus verbotenen Kach- Organisation, Noam Federmann, aus der jüdischen Siedlung in Hebron. Der zweite Verhaftete, Menashe Levinger, ist der Sohn des Führers der Siedlergemeinde in Hebron, des einschlägig vorbestraften Rabbis Moshe Levinger. Der Richter, der die Untersuchungshaft der beiden Männer bestätigte, erklärte, dass Anhaltspunkte für die Verwicklung der beiden in geplante Attentate bestünden. Die Angelegenheit wurde durch Zufall entdeckt. Scheinbar hatte der israelische Geheimdienst keinerlei Informationen über etwaige Tätigkeiten jüdischer Extremisten.
Die Affäre flog auf, als vor einigen Wochen Polizeibeamten im Ostteil der Stadt Jerusalem zwei verdächtige, als Siedler erkennbare Israeli auffielen. Es stellte sich heraus, dass sie einen mit einer großen Bombe beladenen Fahrzeuganhänger beim arabischen Al-Mukassad-Spital, in der Nähe einer Mädchenschule, abgestellt hatten. Ein Zeitzünder hätte den Sprengstoff, der mit Gasflaschen verbunden war, am nächsten Morgen zur Explosion bringen sollen. Die Bombe konnte entschärft werden, und die beiden Verdächtigen wurden in Haft genommen. Die Explosion des Sprengsatzes hätte zweifellos ein Massaker an palästinensischen Schülern und Krankenhauspatienten zur Folge gehabt. Über die Affäre wurde auf richterliche Anweisung ein Publikationsverbot verhängt.
Einige Tage später wurden zwei Helfer verhaftet. Deren Aussagen führten offenbar zur Festnahme von Federmann und Levinger. Den beiden wird vorgeworfen, dass sie die jüdischen Terroristen bei der Beschaffung von Waffen unterstützt hätten. Mindestens zwei der zuerst Verhafteten sollen ihre Beteiligung an dem geplanten Attentat zugegeben haben. Federmann und Levinger weisen jedoch jegliche Schuld von sich und behaupten, dass ihre Verhaftung eine Intrige sei.
Federmann wurde in den vergangenen Jahren wegen verschiedener, nationalistisch motivierter Vergehen Dutzende von Malen verhaftet, aber bloß wenige Male wegen kleinerer Vergehen verurteilt. Vor einem Jahr war sein Auto in Hebron unter mysteriösen Umständen explodiert. Obwohl damals angenommen wurde, dass er oder Komplizen in dem Fahrzeug Granaten und Sprengstoff versteckt hatten, die vorzeitig detonierten, wurden in der Sache keine weiteren polizeilichen Ermittlungen bekannt. In den vergangenen ein einhalb Jahren waren sieben Palästinenser ermordet worden. Diese Taten konnten bis jetzt nicht aufgeklärt werden. Außerdem war es in der Vergangenheit zu Attentaten auf zwei arabischen Schulen gekommen. Die Sicherheitsbehörden wollten keine Angaben zu einer eventuellen Beteiligung der Verhafteten an diesen Taten machen.
Unterdessen hat der israelische Ministerpräsident Sharon neue Bedingungen präsentiert, unter denen er angeblich den Friedensprozess wieder aufnehmen wolle. Vor der Knesset erklärte er, dass Verhandlungen mit den Palästinensern erst dann in Frage kämen, wenn der palästinensische Terror und "die Aufhetzung gegen Israel" vollständig abgeklungen seien. Außerdem müsse die palästinensische Behörde grundlegende Reformen einführen, die Bereiche wie Sicherheit, Sozialwesen, Justiz oder Wirtschaft umfassen müsse. Danach werde möglicherweise eine längere Periode beginnen, während der Israel die Aufrichtigkeit der palästinensischen Behörde prüfen werde. Erst nachher könne ein endgültiges Abkommen geschlossen werden. Mit einem Regime, das den Terror befürworte, werde Israel keinen Frieden schließen, rief der Ministerpräsident aus.
Oppositionsführer Sarid erklärte in seiner Replik, dass Sharons Plan nur darauf angelegt sei, Verhandlungen zu verhindern. Je mehr militärischen Druck Israel ausübe, desto weniger Reformen könnte die palästinensische Behörde einführen. In der anschließenden Abstimmung billigte die Knesset allerdings den Kurs Sharons. Im Streit um die Bildung eines palästinensischen Staates kann Sharon mit der Unterstützung der israelischen Bevölkerung rechnen. Mehr als zwei Drittel der Israeli teilen die Auffassung Sharons, wonach der Likud-Block auf seinem Parteitag am Sonntag nicht über die Frage eines palästinensischen Staates hätte abstimmen sollen. Das ergab eine am Dienstag veröffentlichte Umfrage in der Zeitung «Yediot Acharonot». Auch 64 Prozent der Likud-Wähler waren dieser Meinung.
Die israelische Menschenrechtsorganisation Betselem hat am Montag in Jerusalem einen Bericht vorgestellt, in dem sie die geographische Situation der jüdischen Siedlungen in Cisjordanien analysiert. Trotz der Entlassung palästinensischer Agglomerationen in die "Autonomie" behalte sich Israel die Kontrolle über große Landstriche vor. Laut dem Bericht stellt die bebaute Fläche in jüdischen Siedlungen zwar weniger als 2 Prozent des Gebietes dar, doch kontrolliert Israel etwa 42 Prozent von Cisjordanien. 35 Prozent ist unentwickeltes und unbebautes Land, das der Jurisdiktion der von Israel eingesetzten Regionalbehörden untersteht. Der Rest, 7 Prozent, wird von den lokalen Munizipalitäten kontrolliert. Etwa ein Viertel des letzteren Gebietes, was etwa 95 Quadratkilometern entspricht, ist mit israelischen Bürgern besiedelt. Der Rest werde für Siedlungserweiterungen in Reserve gehalten. Da die Siedlungen von Israel als Entwicklungszonen definiert sind, erhalten die dortigen Siedler große Steuererleichterungen und andere Vergünstigungen.
Laut Angaben der Organisation wollte die Ziviladministration der israelischen Armee zuerst keine Angaben zu den geographischen Gegebenheiten machen und lieferte die für den Bericht benötigten Daten erst, nachdem Betselem gerichtliche Schritte angedroht hatte. Der Bericht sieht in den jüdischen Siedlungen eine empfindliche Behinderung für die Entwicklung Cisjordaniens, da sie palästinensische Ortschaften regelrecht einkreisten. Als Beispiele führt Betselem die Stadt Nablus an, die im Umkreis von etwa fünf Kilometern von der Siedlung Alon Moreh im Nordosten, von Itamar im Südosten, von Har Braha und Yitshar im Süden, von Kedumim im Westen und von Shavei Shomron im Nordwesten umgeben wird.
Wegen der für die Siedler gebauten Umfahrungsstrassen sind Palästinenser gezwungen, große Umwege zu fahren, um von einer Ortschaft in den Nachbarort zu gelangen. Mehrere von der palästinensischen Behörde verwaltete Ortschaften seien autonome Enklaven inmitten von israelisch kontrolliertem Gebiet. Die Organisation geht davon aus, dass durch die Zerstückelung Cisjordaniens dort nie ein lebensfähiger Staat entstehen kann. Durch die israelische Landnahme sei, so Betselem, eine Situation entstanden, in der auf gleichem Raum zwei verschiedene Rechtssysteme existierten, die - je nach der Nationalität des Einwohners - in verschiedener Weise angewendet würden.
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