Bericht von der Nazidemo in Wien und den Gegenaktionen

TATblatt 14.04.2002 02:21 Themen: Antifa
Am 13.4. organisierten Nazis eine Demo gegen die Wehrmachtsausstellung in Wien. Dagegen regte sich Widerstand.
Wien, 13. April 2002:

Polizei verteidigt rechtsextreme Kundgebung mit Pfeffer, Hunden, Knüppel und Wasserwerfern gegen bis zu 5.000 AntifaschistInnen

Sie erinnerten ein bisserl an Ghostbusters, die mit Gasflaschen und daran angeschlossenen Gewehren bepackten Beamten, die ab zirka 15 Uhr vom Heldenplatz aus mit Pfeffer auf vor den Toren drängende AntifaschistInnen schossen. Wenig später kam auch ein Wasserwerfer zum Einsatz. Zuerst sprühte er seine Ladung noch in die Luft, um die DemonstrantInnen von oben zu berieseln. Schon bald zog die Polizei aber vor, den Strahl direkt auf die Köpfe und Bäuche der AntifaschistInnen zu richten. Gegen 16.00 Uhr wurden die DemonstrantInnen von mehreren Seiten von WEGA-Einheiten (WEGA=Spezialeinheit in Wien) mit Gummiknüppeln angegriffen.
Insgesamt wurden drei DemonstrantInnen festgenommen, zahlreiche Personen wurden an den Augen, einige am Kopf verletzt.
Die nicht einmal hundert Rechtsextremen, die sich am Heldenplatz versammelt hatten, um gegen die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" zu protestieren, blieben bei ihrer nationalsozialistischen Wiederbetätigung von der Polizei freilich unbehelligt.

Begonnen hat der Demo-Tag aber bereits um 12.00 Uhr, an den Treffpunkten Oper und Westbahnhof ...

Oper und Westbahnhof

Um zirka 12.50 Uhr zogen rund 1300 DemonstrantInnen (TATblatt-Zählung) von der Oper los. Sie bewegten sich erst Richtung Heldenplatz, bogen dann aber stadtauswärts in die Gumpendorfer Straße ein, um sich später in der Mariahilfer Straße mit dem Demozug vom Westbahnhof zu vereinigen. Warum das ursprünglich dezentrale Konzept aufgegeben wurde, war nicht ersichtlich.
Auch beim Westbahnhof setzten sich die DemonstrantInnen um ca. 12.50 Uhr in Bewegung. 2.700 TeilnehmerInnen konnten bei diesem Demozug gezählt werden.
Bis zur Ringstraße dürfte die Demo aber stetig noch weiter angewachsen sein. Einer weiteren, in der großen Menge nur mehr schwer durchzuführenden, TATblatt-Zählung zufolge, könnten es insgesamt fast 5000 AntifaschistInnen gewesen sein, die sich letztendlich Richtung Heldenplatz bewegten.

Burgtor und etwas daneben

Beim Burgtor traf die Demo auf eine Absperrung der Polizei: Tretgitter und eine Reihe SWB. Ihre Helme hatten die BeamtInnen zuerst noch nicht auf, das sollte sich aber rasch ändern.
Die erste Demo-Reihe rannte auf die Absperrung zu, einige DemonstrantInnen versuchten, die Tretgitter zu entfernen. Die BeamtInnen reagierten sofort mit Gummiknüppel-Schlägen, blieben aber hinter ihren Gittern. Wenig später flogen erste Gegenstände in Richtung der BeamtInnen - überwiegend Farbbeutel und Plastikflaschen, vereinzelt Holzstangen. Die Polizei fuhr zwei Wasserwerfer auf, der Katastrophenzug der Wiener Rettung eilte herbei. In der Folge entspannte sich die Situation an dieser Stelle aber.
Ein paar Meter weiter versuchten währenddessen einige DemonstrantInnen, ein unbewachtes abgesperrtes Gittertor zum Heldenplatz zu öffnen. Ein bisserl rütteln genügte, und schon war es tatsächlich offen. Die DemonstrantInnen waren aber gerade erst durch das Tor gelaufen, da kamen ihnen auch schon BeamtInnen mit Hunden entgegen. Ob Letztere Beißkorbe trugen, wurde von den DemonstrantInnen unterschiedlich wahrgenomen. Sie zogen es vor, sich lieber rasch wieder hinter das Tor zurück zu ziehen. Es folgten noch kleinere Auseinandersetzungen mit Stangen auf der einen Seite und Gummiknüppel auf der anderen, das von der Polizei notdürftig durch ein Fahrradschloss wieder versperrte Tor verhinderte aber gröbere Zusammenstöße.
Der Großteil der Demo zog Richtung Parlament weiter, rund tausend DemonstrantInnen blieben zwischen Burgtor und dem Abgang zur U-Bahn-Station Volkstheater in Höhe Bellariastraße zurück. Wenig später wurde auch beim Heldenplatz-Eingang in der Nähe des U-Bahn-Abgangs versucht, das Gittertor zu öffnen. Die Polizei versuchte erst durch Stöße mit Gummiknüppeln durch das Gitter, die DemonstrantInnen auf Distanz zu halten. Rasch wurde auch ein Wasserwerfer aufgefahren. Ehe dieser eingesetzt wurde, kamen aber noch die "Ghostbuster" zum Einsatz und schossen Pfeffer in die Menge. Einigen DemonstrantInnen wurde aus nächster Nähe direkt in die Augen geschossen. Der Pfeffernebel war aber auch noch viele Meter weiter zu spüren und verursachte bei vielen Atemnot und Hustenanfälle. Die PolizeibeamtInnen wurden u.a. mit Holzplanken, Eiern, Flaschen und Steinen beworfen.
Danach folgten Wasserwerfereinsätze. Zuerst wurden die DemonstrantInnen "nur" berieselt, dann wurde direkt auf Kopf und Körper gezielt.
Gegen 16.00 Uhr kehrte der größere Teil der Demo zurück. Über Lautsprecherwagen beschimpfte ein Vertreter einer sich "Antifaschistische Linke" nennenden trotzkistischen Gruppierung die den Pfeffer- und Wasserwerfer-Angriffen ausgesetzten DemonstrantInnen als Deppen und forderte alle DemonstrantInnen auf, sich zu entfernen. Kurz darauf kamen plötzlich Polizeieinheiten aus Richtung Parlament, rannten auf die DemonstrantInnen zu und schlugen auf sie ein. Einzelne DemonstrantInnen wurden aus der Menge gezerrt, durch die schlammigen Lacken des polizeilich versprühten Wassers geschliffen und/oder verprügelt, "nur" vereinzelt gab es auch Festnahmen.
In Höhe Burgtor konnten sich die DemonstrantInnen wieder sammeln. Allen Aufrufen des Sprechers der "Antifaschistischen Linken" zum Trotz, zogen es fast alle vor, dort auszuharren. DemonstrantInnen, die in die Bellariastraße getrieben worden waren, zogen über die so genannte Zweierlinie zum Burgtor. Als wenig später die Polizei das Platzverbot am Heldenplatz aufhob und die gesamte Demo durch das Burgtor ziehen ließ, war es just wieder der "Antifaschistische Linke", der kurz zuvor noch nichts wie weg wollte, dies als "gemeinsamen Sieg" zu haluzinieren.
Kurz danach löste sich die Demo auf.

Währenddessen: am Heldenplatz

Dazu erreichte uns der folgende Bericht:

Beim Erzherzog-Karl-Denkmal am Heldenplatz fand sich ein klägliches Häufchen von etwa 50 Jugendlichen (inklusive Kindern ab 10 Jahre; Einer der eines der großen Transparente am Rand hielt, war vielleicht 12) im Nazi-Skinhead-Outfit und etwa 30 burschenschaftermäßig bis Lodenjanker, im Alter bis zu Kriegsteilnehmende.
Zwischen der zweiten Gruppe und den anwesenden Linken gab es bis zur Kundgebebung (die dann mit "Ich hatt´ einen Kameraden" abgeschlossen wurde), immer wieder rege Diskussionen, die aber fruchtlos verliefen. Eine Demonstrationsteilnehmerin mit "Gegen Nazis"-Schild wurde von einem Polizisten gebeten, dieses nach einiger Zeit zu entfernen, da es sich um eine genehmigte Demo handle, und sie nicht mehr provozieren solle, die (uniformierte) Polizei hielt sich aber sonst sehr lange zurück, war rund um das Denkmal lange gar nicht zu sehen. Die linken Demonstrierenden sangen dann antifaschistische Lieder wie Bella Ciao, aber auch "Let it be", welches für die ZuhörerInnen im Refrain auch noch auf "lasst es sein, geht heim, und lernt Geschichte" übersetzt wurde. Auch Lieder aus der Friedensbewegung wie "How many roads" wurden gesungen.

Erst als ein Linker direkt vor einem der Transparente wiederholt "Scheiß Nazis" gerufen hatte, kam die Polizei, wohl von den Ordnern geholt, und stellte sich auf dieser Seite der Gruppe vor die Skinheads.

Während der Kundgebung, bei der der Anmelder (von einer Burschenschaft), ein älterer Lodenträger mit Kaiser-Willhelm-Bart, und ein Jüngerer im Skinhead-Look sprachen, und dabei von Tapferkeit und Ritterlichkeit der Kameraden in der Wehrmacht schwärmten, sowie sich selbst mit Verweis auf die andere Demo und die Donnerstagsdemo als die eigentlichen "Demokraten" hinstellten, war neben den Pfiffen der anwesenden Linken lautstart der Lärm der Demonstration am Ring zu hören. Um 15.30 Uhr war der geschichtliche Rückschritt vorbei, die Teilnehmer verließen langsam durch die Hofburg den Heldenplatz.

Botschaft besorgter BürgerInnen

Die Botschaft besorgter BürgerInnen am Ballhausplatz (ein Treffpunkt für die wöchentliche Anti-Regierungsdemo in Wien) war während der Kundgebung von PolizeibeamtInnen mit Tretgittern vor allfälligen Angriffen der Rechtsextremen, die allerdings zum Glück ohnedies ausblieben, geschützt worden.

Festnahmen

Insgesamt wurden unseren Informationen zufolge drei antifaschistische DemonstrantInnen festgenommen. Zirka 30 Leute zogen daher um 18.00 Uhr herum noch zur Rossauer Kaserne (Polizeigefangenenhaus), um für die Freilassung der Festgenommenen zu demonstrieren, wurden dort aber bald von der Polizei eingekesselt. Erst nach Aufnahme der Personalien durften sie wieder gehen. Ihnen wurden Anzeigen wegen Landfriedensbruch angekündigt.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

handeln !!!

jörg 16.04.2002 - 16:15
man kann es nicht oft genug posten

>  http://www.indymedia.de/2002/04/19478.shtml
>
>Strukturen schützen: Anna und Arthur halten?s Maul!
>Überlegungen zu Nutzen und Gefahren des Internetforums Indymedia

photos

michi 17.04.2002 - 03:25
hier einige photos von sammstag
wir waren 100:1 und haben trotzdem lieber einen zaun bekämpft als die nazis die derweilen auf die kärntnerstr. gezogen sind.... brauchen wohl noch viel viel mehr organisation!

wwi
michi