Antifa und Antira Aktionswoche in Berlin Lichtenberg

zwerg 08.04.2002 22:00 Themen: Antifa
Am 20. April 2002 rufen wir zu einer antifaschistischen und antirassistischen Demonstration durch Berlin-Lichtenberg auf.
Sie soll der Abschluss einer kleinen antifaschistischen und antirassistischen Aktionswoche werden. Wir wollen auf die rechtsextremen Zusammenhänge in diesem Bezirk aufmerksam machen und es den Nazis in "ihrem" Bezirk etwas ungemütlicher machen. Lichtenberg ist sowohl für die NPD/JN wie auch für die militanten Kameradschaften eine der Berliner Hochburgen.
Antifaschistische und antirassistische Aktionswoche in Lichtenberg
Veranstaltung zu rechter Jugendkultur - "White Noise"
Referent vom Antifaschistischen Pressearchiv und zur Situation in Lichtenberg/Hohenschönhausen
Montag 15.4.2002 - 19.00 Uhr
Rathaus Hohenschönhausen, Große Leege Str. 103

Infoveranstaltung der Initiative gegen das Chipkartensystem
"Rassistisches Chipkartensystem, Asylbewerberleistungsgesetz und Möglichkeiten des Widerstandes"
Dienstag 16.4.2002 - 19.00 Uhr
Saal der "Kiezspinne", S.A.S: e.V., Schulze-Boysen-Straße 38, U+S-Bhf. Frankfurter Allee

Antirassistischer Einkauf - Bargeld statt "Infracard"!
Um Solidarität praktisch werden zu lassen, werden wir gemeinsam mit Flüchtlingen antirassistisch Einkaufen gehen. Euch den Einkauf - den Flüchtlingen das Bargeld! Bringt Geld und Rucksäcke mit!
Freitag 19.4.2002 - 16.00-18.00 Uhr, EXTRA-Markt, Anton-Saefkow-Platz, Berlin-Lichtenberg, S-Bhf. Storkower Straße

Antifaschistische Demonstration
Berlin-Lichtenberg
20.4.2002 - 12.00 Uhr
U-Bhf.-Tierpark

Am 20. April 2002 rufen wir zu einer antifaschistischen und antirassistischen Demonstration durch Berlin-Lichtenberg auf.
Sie soll der Abschluss einer kleinen antifaschistischen und antirassistischen Aktionswoche werden. Wir wollen auf die rechtsextremen Zusammenhänge in diesem Bezirk aufmerksam machen und es den Nazis in "ihrem" Bezirk etwas ungemütlicher machen. Lichtenberg ist sowohl für die NPD/JN wie auch für die militanten Kameradschaften eine der Berliner Hochburgen. Überdies ist der 20. April für viele Nazis ein Anlass zu feiern und dabei gezielt Jagd auf anders aussehende und anders denkende Menschen zu machen. Diese "Parties" wollen wir ihnen nicht ungestört durchgehen lassen. Und wir wollen nicht warten, bis die Nazis am 1. Mai geschützt von der Berliner Polizei auf die Straße gehen!
1.Mai - nazifrei!

Tatort Lichtenberg: Bereits in rechter Hand?

Der Berliner Bezirk Lichtenberg ist ein von Nazis stark frequentierter Stadtteil. Seit gut 11 Jahren ist hier ein Schwerpunktgebiet der Berliner Naziszene. Bereits 1990 tummelten sich in dem von der "Nationalen Alternative" besetzten Haus in der Weitlingstraße bekannte Führungskader der NS-Bewegung aus der damaligen Bundesrepublik, Österreich und der DDR. Das Haus in der Weitlingstraße diente den Nazis als Schaltzentrale für den Aufbau von Nazistrukturen in Ostdeutschland. Hier wurden Kader geschult, von diesem Haus aus wurden Überfälle auf MigrantInnen und "Linke" durchgeführt.

Ein weiteres Nazi-Highlight in Lichtenberg war dann bis Ende 1997 das "Café Germania" in der Normannenstraße, in dem sich Kameraden aus allen Strömungen der Berliner Naziszene zum Umtrunk trafen. An den Stammtischen des "Café Germania" wurde auch die "Kameradschaft Germania" gegründet, die den Naziaufmarsch am 12. Mai 2001 durch Lichtenberg organisierte.

Obwohl es heute das Haus in der Weitlingstraße und das "Café Germania" auf Grund breiter antifaschistischer Proteste nicht mehr gibt, sind die Nazistrukturen erhalten geblieben. Etliche Funktionäre der NPD/JN und Kader der "freien Kameradschaften", so z.B. der Anti-Antifa-Aktivist Oliver Schweigert, wohnen in Lichtenberg. Der NPD-Kreisverband Lichtenberg-Hohenschönhausen ist der aktivste in Berlin, unterhält dort eine Geschäftsstelle und führt regelmäßig Veranstaltungen durch. Vor Wahlen hängt an jeder zweiten Laterne ein Naziplakat; der Bezirk ist mit Naziaufklebern übersät. Viele Kneipen in Lichtenberg, so z.B. das "Avalon" in der Pfarrstrasse, haben keine Probleme mit Nazikundschaft und Nazi - Veranstaltungen.

Nach der Schließung des "Café Germania" wurde das "Prozentehouse" in Alt-Friedrichsfelde zum Treffpunkt der Berliner Naziszene, u.a. galt es als Stammlokal der "Kameradschaft Germania". Das wurde am 17.3.2001 deutlich, als die Jugendorganisation der NPD, die "Jungen Nationaldemokraten", im "Prozentehouse" eine Veranstaltung zu "Ehren eines SS-Kommandanten" machen wollten. Nach energischen antifaschistischen Protesten musste die Nazi - Veranstaltung abgebrochen werden. Der Preis dafür war allerdings hoch - es wurden 38 AntifaschistInnen festgenommen.

Immer wieder war dieses Lokal an den Wochenenden gerammelt voll mit "Jugendlichen aus der rechten Szene". Das Spektrum reichte von Nazi-Kadern aus NPD/JN und der "Kameradschaftsszene" über rechte Hooligans bis hin zum "normalen rechten, noch unorganisierten Jugendlichen". Hier tummelte sich das Potential, das u.a. für rassistische Übergriffe verantwortlich ist. Hier fand ein reger Austausch statt, hier wurden Jugendliche sozialisiert und von den Kadern an die organisierten Nazi-Zusammenhänge herangeführt. In der angrenzenden Diskothek "80 dezibel" wurde den Besucher-Innen abgeraten, die vom "Prozentehouse" und Disko gemeinsam genutzte Toilette aufzusuchen, da die Jungnazis dort "rumstressten". Im Umfeld der Kneipe kam es immer wieder zu rassistischen Pöbeleien. Am 23. Februar 2002 schenkte dann das "Prozentehaus" seiner treuen Kundschaft die letzen Getränke aus. Diese feierten - rechte Parolen gröhlend - Abschied und wurden schließlich von der Polizei zur S-Bahn eskortiert. Seit einigen Wochen ist das "Prozentehouse" geschlossen bzw. die Diskothek "80 dezibel" hat die Kneipenräume jetzt übernommen. Die braune Kundschaft hat nun erstmal ihre Sachen gepackt, aber es ist zu erwarten, dass die Nazis bald einen neuen Treffpunkt gefunden haben.

Tatort Staat und Gesellschaft:
Von der Abschaffung des Asylrechts zu den "Sicherheitspaketen"

Rassismus kommt aus der Mitte der Gesellschaft. Flüchtlinge und MigrantInnen sind stets die Ersten, die der tagtägliche Rassismus trifft, den die Nazis auf die Straße tragen und den der deutsche Staat und seine Institutionen in Verordnungen und Gesetze fasst. Dienten die militanten Nazis Anfang der 1990´er mit den Pogromen und Brandanschlägen von Solingen und Lübeck, von Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen als Katalysator zur Durchsetzung der faktischen Abschaffung des Rechts auf Asyl, ist heute die staatliche Politik die Rechtfertigung für Nazis, es den "Ausländern" und den Linken mal richtig zu zeigen. Die Debatte um die Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes 1999 wie auch die aktuelle Debatte um das Zuwanderungsgesetz haben das Klima in diesem Land für Flüchtlinge und MigrantInnen verschärft. Sie haben auch deutlich gemacht, dass Flüchtlinge und MigrantInnen hier allenfalls als willige Arbeitskräfte mit höchstem Integrationswillen willkommen sind - wer nicht in dieses Bild passt, muss leider leider wieder gehen.

Gleichzeitig hat der Verfassungsschutz offenbar die Naziszene nicht kontrolliert, sondern mit Personal und Geld ausgestattet. VS - Informanten leiteten Hunderttausende Euros in Naziorganisationen, schrieben antisemitische Hetzschriften, zeichneten verantwortlich für ein antisemitisches Wahlplakat der NPD, überfielen eine Veranstaltung zum Gedenken an KZ-Opfer und, und, und.

Die Behörden schieben Opfer und Zeugen rassistischer Anschläge ab. Polizisten verhaften die Opfer und plaudern mit den Tätern. Die Politiker fast aller Parteien, die eben noch zum Aufstand der Anständigen aufgerufen haben, führen Wahlkämpfe mit der "Zuwanderungsfrage" - auf Kosten eben jener "Zuwanderer", die sie nicht abwählen können. Mit den "Anti-Terror-Paketen I und II" sind in Deutschland alle Nichtdeutschen unter Generalverdacht gestellt worden. Rasterfahndung, Überwachung von öffentlichen Plätzen, verdachtsunabhängige Kontrollen und Regelanfragen beim Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst wie auch die gezielte Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei dienen auch dazu, alle missliebigen Flüchtlinge oder Zuwanderer möglichst problemlos wieder loswerden zu können.und damit die ersten Opfer bei der Rasterfahndung, bei verdachtsunabhängigen Kontrollen und bei der Regelanfrage bei Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst Neben diesen Maßnahmen und der völkischen Law and Order Rhetorik des Innenministers Otto Schily wirken die "Ausländer raus" Rufe der Nazis wie pubertäres Geschrei.

Tatort Sozialamt und Supermarkt:
Gutscheine, Chipkarten, Wohnheime: Bargeld statt "Infracard"!

Im Rahmen dieser kleinen Aktionswoche wollen wir auch auf den diskriminierenden Alltag von Flüchtlingen in Berlin und speziell in Lichtenberg aufmerksam machen. Flüchtlinge sind in der BRD vielfältigen Repressionen ausgesetzt. In Berlin wurde ihnen die Sozialhilfe auf 80% des Regelsatzes gekürzt. Das Geld wird in fast allen Bezirken nicht bar, sondern in Form von Gutscheinen und Chipkarten ausgehändigt. Mit diesen "Infracards" können AsylbewerberInnen und Flüchtlinge aus Kriegsgebieten nur in sehr wenigen und teuren Läden einkaufen. Oft müssen sie dafür weite Wege zurücklegen und BVG- Karten gibt es nicht auf Chipkarte zu kaufen. Sogenannte Genussmittel wie Zigaretten oder mal eine Flasche Bier sind ebenfalls nicht im Warenkorb, den die Berliner Sozialämter zusammengestellt haben. Neben der Residenzpflicht, aufgrund derer Flüchtlinge den ihnen zugewiesenen Wohnort unter Strafandrohung nicht verlassen dürfen, und der Unterbringung in streng kontrollierten Wohnheimen und Lagern ist die "Infracard" dem Staat und den Behörden ein weiteres effektives Instrument zur Stigmatisierung, Kontrolle und rassistischen Ausgrenzung von Flüchtlingen.

Deshalb wird es im Rahmen unserer antirassistischen und antifaschistischen Aktionswoche eine Infoveranstaltung zur diskriminierenden Chipkarten- und Gutscheinpraxis der Berliner Sozialämter geben und gemeinsam mit Flüchtlingen werden wir einen antirassistischen Einkauf durchführen, um zu praktischer Solidarität aufzufordern.

Gegen den rassistischen Normalzustand

Wo der Staat, sein Verfassungsschutz und die Mehrheitsgesellschaft die gesellschaftliche Grundlage für militante Nazis schafft, kann nur ein breites antifaschistisches und antirassistisches Engagement die Entwicklung von sogenannten "National befreiten Zonen" verhindern. Wenn es keine kontinuierlichen Aktivitäten gegen den alltäglichen und strukturellen Rassismus, gegen rechten Mainstream und Nazistrukturen gibt, werden die Rechten ihr Konzept der "National befreiten Zonen" immer häufiger durchsetzen. Widerstand bedeutet auch, den von Nazis bedrohten Menschen zu helfen, es bedeutet, den Nazis die (Handlungs-) Räume zu nehmen, in denen sie ihre Ideologien verbreiten und ihre Aktionen vorbereiten. Es bedeutet, ihnen das Leben so schwer zu machen, dass sie nicht mehr aktionsfähig sind.

Deshalb werden wir am 20. April, wenige Tage, bevor die Nazis wieder marschieren wollen, in einem "ihrer" Bezirke demonstrieren. Die Demonstration richtet sich auch gegen die Berliner Linie des Innensenats, Naziaufmärsche gegen jeglichen Protest mit tausenden Polizisten abzuschirmen. Wer antifaschistischen Protest unterbindet oder behindert, macht sich mit den Nazimarschierern gemein. Die Nazidemos wurden in den letzten Jahren am 1. Mai regelmäßig in Außenbezirke "verbannt". Die Demo soll auch dazu aufrufen, trotz Polizeipräsenz dorthin zugehen und den Aufmarsch, wenn möglich, zu verhindern.

nazistrukturen aufdecken und nazistrukturen zerschlagen!
gegen den rassistischen normalzustand... in lichtenberg und anderswo!
keine nazifeiern!

AufruferInnen und UnterstützerInnen:

Antifaschistische Initiative Moabit [AIM]
Postfach: 210235, 10502 Berlin
 a_i_m@gmx.de

Antifaschistische Gruppe im Prenzlauer Berg [AGIP]
c/o BAOBAB, Christburger Straße 38, 10405 Berlin
Antifasprechstunde: jeden Dienstag von 20.00 - 21.00 Uhr im BAOBAB
 agip_berg@gmx.de


Antifa Erkner
 teli-kids-erkner@gmx.de
infotel.: 0163/4529643

Autonome Antifa Nord-Ost [AANO]
 aanb@mail.nadir.org
www.nordost.antifa.de

Betroffenengruppe 17.3.2001
erreichbar über AIM

Initiative gegen das Chipkartensystem
Treffen jeden Donnerstag ab 20.00 Uhr im Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Strasse 4, 10405 Berlin
c/o Büro für gleiche Rechte
tel: 030/42021571
fax: 030/42021570
 konsumfuerfreiesfluten@yahoo.com


und nach der Demo:
"Rock für Links" im Schlosspark Biesdorf (S-Bhf. Biesdorf S5 S7)
Rock/Punk/HipHop live und kostenlos, Programm siehe www.rock-im-biesi.de.vu

Jugend Antifa Marzahn (JAM); Jugend gegen Rassismus in Europa Hellersdorf (JRE); Solid-Marzahn/Hellersdorf; Antifa Fried/Lich; Schwarz-Rote Antifa Front Marzahn (SRAFM); PDS Marzahn/Hellersdorf und unabhängige AktivistInnen
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
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Ergänzungen