In der Höhle des Löwen

peter jungfleisch 03.02.2002 20:37 Themen: Militarismus
Bericht aus München

In der Höhle des Löwen

Dies ist ein Erlebnisbericht. Ich möchte das Miteinander und die gegenseitige Toleranz der verschiedenen Gruppen gegen NATO und Globalisierung fördern, da scheint mir ein erzählerischer Stil geeigneter, als die pure Polit-Analyse. Es ist alles ein bißchen ins Lächerliche gezogen, denn vieles, was ich am Samstag erlebt habe, ist eigentlich so unschön, daß man darum kämpfen muß, Spaß am Widerstand zu haben - und der ist wichtig! Der Spott geht auch gegen die eigenen Leute. Zu den häßlichsten Vorfällen auf dieser Demo zähle ich die verbissene Aggression, die manchmal gegeneinander abläuft. Dies trifft mich ebenso, wie wenn ich zuschauen muß, wie 8 Bullen einen Jugendlichen plattmachen, den sie gerade aus der Demo hinter die Polizeiketten gezogen haben. Wenn ich meinen Humor, der zuweilen in fatalistischen Sarkasmus übergehen kann, nicht besäße, ich hätte schon längst kapituliert. Im Übrigen bitte ich mein mangelndes Wissen über Internas und schlechte Ortskenntnisse zu entschuldigen.


Die Abfahrt

Chaos! Keiner weiß was und nix ist sicher. Ich habe jedoch den Glauben an die Organisierbarkeit schon lange abgelegt, sehe im Chaos eine kreative Kraft, die selbst unglaublich komplizierte Zusammenhänge in der Natur steuert und vertraue auch heute darauf. Die Lokalszene ist zu klein und sehr zersplittert, so daß nix zusammengeht. Die einen sind schon in München drin, andere fahren im Glauben an ein besseres Durchkommen mit der MLPD (und wurden dann nicht mehr gesehen), wir wollen von Regensburg aus mit dem Zug fahren. Wie sich im Nachhinein herausstellte, die beste Methode - mit dem Bus oder Auto ist kaum jemand in die bajuwarische Hauptstadt durchgekommen. Alle in dem Schrottkübel von Fahrzeug der Youngsters, mit denen ich zum Bahnhof fahre, sind zu spät dran (einschließlich mir, wie ich zu meiner Schande eingestehen muß), einen müssen wir erst wecken. In weiser Vorraussicht war der Zeitpunkt der Abfahrt früh gelegt, so daß wir es rechtzeitig schaffen. Der, den wir wecken mußten, hat zudem seinen Ausweis vergessen und unterwegs seinen Vater angerufen, der auch prompt und eilig aus dem Bett springt, die 20 Kilometer zum Bahnhof fährt und diesen bringt. Der Sohnemann erzählt, daß sein Papi stolz ist, daß er sich engagiert und zum Demonstrieren gegen die Bonzen fährt. Er kann stolz auf so einen Papi sein. Vor dem Bahnhof sammelt sich ein Pulk von 20 nicht organisierten Leuten, die nach München wollen. Wir kaufen Tickets, lernen uns ein wenig kennen und schreiben die EA-Nummer auf den Unterarm, lieb gewonnenes Ritual einer jeden Demonstration. Ich mustere die Passanten und da ist es wieder: dieses Augenzwinkern und das eher freundliche Lächeln. Bekleidungstechnisch sind zwar einige unserer Leute dem "Schwarzen Block" zuzurechnen, aber die Harmlosigkeit hupft ihnen aus dem Gesicht. Richtige Ablehnung sehe ich eher selten in den Blicken der vorbeigehenden Menschen, sagen tut keiner was. Am Bahnsteig dann die große Enttäuschung: kein Bulle weit und breit, obwohl die Nürnberger Zugfahrer am Vortag am Einsteigen gehindert wurden. Sie nehmen uns also nicht ernst, in Regensburg! Provinzfrust kommt auf. Nach der Einfahrt des Regionalexpress schwappen wir in diesen und verteilen uns im vollbesetzten Zug, in dem schon etliche Gruppen von Aktivisten reisen. Wir finden ein Plätzchen und beginnen, Einschätzungen auszutauschen. Als Resultat der unglaublichen Pressehetze im Vorfeld interessieren sich die unbedarften Reisenden um uns herum sehr für unsere Gespräche, so daß wir einigermaßen moderat bleiben und Szene-Jargon, wie z.B. das Wort "Bullenschweine", vermeiden. So bekommen etliche Leute mit, daß wir eine Demonstration durchsetzen wollen und nicht perverse Neigungen ausleben. Ab Moosbach wird unsere Nervosität übermächtig. Schweigend fahren wir dann in den Hauptbahnhof ein.


In die Innenstadt

Sofort nach dem Aussteigen zerfällt alles in Kleingruppen. So schaffen wir es, elegant die vielen herumstehenden BGS-Trupps zu umgehen, Chaos sei Dank - hätten wir uns zu einer größeren Gruppe geballt, wie anfangs vorgehabt, wären wir bereits hier im Kessel gestanden. Erste Strategien kommen auf: "wir müssen immer irgendwelchen Punks hinterher, die kontrollieren sie dann und wir sind raus". Leider ist in unserer Gruppe auch einer mit rotem Iro und so steckt die Hälfte bereits 50 Meter nach dem Bahnhof in einer Kontrolle. Der Rest der Gruppe verteilt sich intuitiv und versteckt sich unter den Wartenden einer nahen Bushaltestelle. Zwar glotzen zwei BGS'ler dauernd herüber, aber sie finden uns nicht mehr heraus. Zuerst schwelgen wir lange in der Angst, die Anderen würden nun in Sicherheitsverwahrung kommen, doch dann ist alles geritzt. Wir sammeln uns ums Eck und beschließen, vereinzelt und nur mit Sichtkontakt zu gehen. Es dauert aber noch eine Kontrollstelle, bis das richtig klappt, denn wir kamen in Zweiergruppen wie die Enten dahergewatschelt. Wieder wird die Hälfte kontrolliert, wieder sind es die Selben. In einer Fußgängerunterführung ohne Bullentrupp sammeln wir uns und weiten unsere taktischen Überlegungen aus. Wieder bemerke ich diese Symphathie, oder zumindest Belustigung, bei vielen Passanten, sie wird mir im Laufe des Tages noch zum gewohnten Begleiter, obwohl gerade die Münchner vielerorts als "grantig" verschrien sind. Da die Bullerei nur an bestimmten Knotenpunkten steht, beschließen wir, diese Hürden in völliger Vereinzelung zu überwinden und uns in der nächsten Nische wieder zu sammeln. Das ganze klappt sofort überraschend gut und wir kommen ohne weitere Probleme in die Fußgängerzone kurz vor dem Marienplatz. Die Situation ist gräßlich. Polizeitrupps, wohin man blickt, meistens einigermaßen freundliche BGS und BePo-Beamte, das USK ist irgendwo versteckt - für den Bürgerkontakt ungeeignet da zu primitiv. Sobald mehr als 3 Personen auf einem Haufen stehen, kommen sofort Cops angerannt und werden lästig. Wir treffen Leute, die uns erzählen, daß sie bereits sieben mal gefilzt wurden. Einer erzählt, daß er gesehen hat, wie sie eine 70jährige Frau umgerannt haben, seinem Eindruck nach mit Absicht. Doch wir werden bereits wieder verdächtig, also auseinander. So bleiben wir stets in Bewegung, um nicht aufzufallen. Immer wieder versammeln wir uns völlig konspirativ und debattieren vereinzelt stehend ohne Blickkontakt, das Ganze hat etwas von einem Spionage-Thriller, ist jedoch total lustig. "Wir müssen schauen, daß wir wieder in die Passage kommen", sage ich laut, während ich in einem Wühltisch gruschtle. Die Frau neben mir fühlt sich angesprochen und schaut mich verdutzt an. "Dann sollte aber einer weiter voraus gehen und die Lage peilen", antwortet der, der zwei Meter weiter ins Schaufenster guckt. Ein alter Freak mit langem weißhaarigem Zopf und einem Säugling im Kinderwagen lacht auf und meint: "mich haben sie heute auch schon kontrolliert, ich wohne hier". Nun lacht auch die Frau: "Das ist ein Chaos hier, die spinnen doch" und schaut in Richtung der Polizeihorden. Einmal frage ich eine Dico-Tussi, ob in der Straße, aus der sie gerade kam, Polizei steht. "Paßt's auf, die Bullen stehn in einer Seitengasse, die sieht man nicht," meint sie. Wir bekommen eine Spitzen-Stimmung, ich fühle mich ein bißchen an die WAA erinnert, wo die Unterstützung der Einheimischen schier grenzenlos war. So laufen wir eine ganze Weile in der Einkaufsmeile herum, grinsen andere Linke vielsagend an und vermeiden, eine Gruppe zu werden. Doch es hat nicht den Anschein, daß heute noch etwas gehen wird, zwar sieht man vereinzelt Grüppchen und Leute herumlaufen, aber viel zuwenig. Da ertönen - mittlerweile geht es auf ein Uhr zu - Sprechchöre vom Marienplatz, also nix wie hin.


Demonstration

Eine kleine Gruppe war dort eingekesselt worden. Dann - so etwas erstaunliches habe ich bisher noch selten gesehen - strömen von allen Seiten Leute wie aus dem Nichts heran und kesseln den Kessel ein. Dieser wird wiederrum von der Polizei eingekesselt, aber die Grüppchen strömen immer noch. Vollkommene Planlosigkeit macht sich bei den Bullen breit. Ketten werden gezogen, wo sie gar nicht sein müßten und strategisch wichtige Wege werden freigehalten. Die Einsatzleiter stiefeln irritiert und mit hochkonzetriertem Blick umher und funken wie die Weltmeister. Von überall her tönen nun Sprechchöre. Es ist mir nicht klar, wo diese Masse von Leuten vorher gesteckt hat. Gezwungen lächelnde Stadtpolizisten laufen herum und versuchen gegenüber den Passanten "liebe Polizei" zu spielen, was jedoch nur leidlich gelingt, wenn diese im nächsten Moment mit einem rüden Schupser vom USK aus dem Weg geräumt werden. Es sind überhaupt erfreulich viele Passanten, die den Laberpolizisten kräftig Kontra geben und sich über diesen Polizeistaat beschweren. Diese Reaktion dürfte ein Hauptgrund sein, weshalb in der Folge das Blut nicht gleich literweise floß, sondern die Polizeibrutalität einigermaßen in Grenzen blieb. Von unserem Standpunkt aus hören wir am Geschrei und Getrampel, daß auf der anderen Seite des Marienplatzes ein Durchbruchsversuch läuft, also rennen wir schnell um einen Häuserblock herum und schließen uns dort einer Demonstration an, die lautstark und mit bestimmt 4-5000 Leuten entschlossen in Richtung Tagungsgebäude losmarschiert. Die Stimmung ist nur noch gut, die Bullen haben zu dieser Zeit rein gar nichts im Griff und die Demo ist laut, mächtig und radikal. Wäre alles so, wie es in der Presse dargestellt worden war, dann würde in diesem Moment zumindest das McDonalds platt gemacht, an dem wir fast ohne Polizeibegleitung vorbeimarschieren. Doch die Unterstützung weiter Teile der "Normalos" hat offensichtlich nicht nur mich beeindruckt, es steht so etwas bei der Mehrheit der Demonstranten überhaupt nicht zur Debatte. Die ganzen Leute, die einen Teil ihres Einkaufsvormittages spontan dem Widerstand gegen Krieg und Polizeizeigewalt geopfert haben, würden ziemlich eins aufs Maul kriegen - es gehen auch etliche Passanten in der Demonstration mit. Neben mir erklärt eine ältere Dame, daß sie mit den Anarchie-Fahnen und den "Hoch-die-internationale-Solidarität"-Sprechchören nicht so ganz einverstanden wäre, aber "die da vorne sind doch keine Verbrecher, das sind doch unsere Kinder"! Jeder Angriff wäre ein Schlag gegen die Leute gewesen, die uns hier unterstützt haben. Nach einem Blick auf die Wasserwerfer-Konzentration auf einem Platz in Richtung Tagungshotel, biegt die Meute wieder in Richtung Innenstadt, den nachsetzenden USK-Truppen direkt in die Arme. Diese sind in diesem Moment zahlenmäßig völlig unterlegen, sie könnten von den Leuten regelrecht zermalmt werden. Ich bin erstaunt über die Bravheit der vielen Autonomen, die ich sehe - zu meiner Zeit hätte es das nicht gegeben - allerdings könnte man auch mit Eisenstangen auf diese Kreaturen aus Fleisch im Plastikmantel hauen, es würde ihnen nicht mal weh tun. Es wiederholt sich das Spiel vom Marienplatz, an dem im Übrigen auch noch viele Leute stehen. Kleiner Kessel um den Schwarzen Block, Demonstrantenkessel aussenrum und dann wieder ein ganz großer Bullenkessel. Mehrere Versuche, den eingeschlossenen Block mit Körpereinsatz rauszuholen, scheitern an sofortigem Rumgeknüppel und auch ein wenig an der mangelnden Mitarbeit der Eingeschlossenen. So werden ihnen wenigstens Apfelsinen und Schokis hinübergeworfen. Dutzende von Polizisten haben eine kleine Handkamera, manche auf Stativen in zweieinhalb Meter Höhe gehalten. Du hast das Gefühl, ein dickes, fettes Namensschild auf der Brust zu tragen, jeder Teilnehmer wird gefilmt. Während mit dem Großteil der eingesetzten Bereitschaftspolizei ein Gerempel auf der Basis eines gewissen gentlemen-disagreement möglich ist, sind die USK-Beamten auf Schädelbruch aus, die Blutspritzer auf dem Asphalt häufen sich, die Sanitäter tragen einen Verletzten auf einer Trage weg. Mehrfach wird Pfefferspray verspritzt. Flüchtende Menschen springen über parkende Autos, die ich später als Beweis für die Aggressionen der Demonstranten im Fernsehen wieder sehen werde, sie bekamen einige Kratzer ab.


Der Ausbruch

Nach einiger Zeit, in der Verhandlungen zwischen Linksruck- oder Attac-Leuten mit der Polizei geführt wurden, hört man plötzlich "4,3,2,1...Looos!" und es kommt an einer Stelle des komplett abgesperrten Terrains zu einem Durchbruch durch die Beppo-Ketten und der größte Teil der Eingesperrten formiert sich mit den draußen Gebliebenen zu einem neuen Demo-Zug Richtung Marienplatz. Wieder spurten die USK kopflos und knüppelnd in der Gegend herum, ihre Brutalität ist groß, der einsatztaktische Plan jedoch kläglich. Kein Wunder: die geschlossene Demonstration ist nur ein Teil der NATO-Gegner, die ganze Innenstadt ist voll von ihnen. Am Marienplatz stehen hunderte und rufen immer wieder Parolen und überall sammeln sich kleine Trupps an Treffpunkten um sich zu reorganisieren. Dazwischen laufen unzählige Münchner herum, die einen kaufen bloß ein, andere sind in Diskussionen mit Aktivisten oder den Bullen verstrickt. Die Polizei kann dieses Spektakel nicht überblicken und ist an jeder Kreuzung in Hundertschaftenstärke vertreten, ihr ganzes Potential ist somit querbeet verstreut. Allerdings trifft diese Aussage auch auf die Widerständler zu, es herrscht auch hier völliges Chaos. Groß ist die Verzweiflung bei den Gruppen, die ohne feste Organisation nicht leben können. Andere machen sich die Umstände zunutze und flitzen wie die Fische im Wasser durch die Gegend. Der geschlossene Zug wird 50 Meter vor dem Tor zum Marienplatz gestoppt und eingekesselt, obskurerweise mitten zwischen parkenden Polizeibussen. Diese werden sofort mit Spray verziert und ein bißchen beschädigt. Einige Demonstranten beschimpfen nun die Autonomen, was eigentlich überflüssig ist, denn bevor ein Fahrzeug nicht umfällt, ist es Unsinn von Gewalt zu sprechen. Trotzdem hören die Leute auf, denn es ist ohnehin klar, daß es sich bei den Autos um ein Bauernopfer handeln könnte, die Polizei braucht ja auch etwas Demoliertes zum Vorzeigen und bisher waren ausschließlich Demonstranten kaputt gegangen. Zudem hat sich eben diese brandenburgische Hundertschaft durch einigermaßen faires Verhalten hervorgetan. Einer der "gewalttätigen Monster", er riß gerade einen Scheibenwischer ab und schaut durch die Windschutzscheibe, ruft seinen Leuten zu: "Scheiße, das sind die Karren von den Ostdeutschen, hört auf"! Bevor der neue Kessel zugeht, schaffe ich es gerade noch, heraus zu kommen. Eine Weile stehe ich bei den Pressemenschen. Diese sind nur an Action-Fotos interessiert - wann immer die Polizei prügelt, werden sie sofort von einem Kordon von Knipsern umringt und die Blitzlichter blitzen, als würde sich Britney Spears nackt am Boden suhlen. Stattdessen wird ein Mensch misshandelt, ein unglaublicher Anblick. Die Fotos kommen meist noch nicht einmal in die Medien. Immerhin erfahre ich, daß sie auf der Pressekonferenz am Marienplatz (der erste Kessel) gleich einen der Sprecher der Initiative verhaftet haben, nachdem der Pressesprecher bereits am Donnerstag in Unterbindungsgewahrsam genommen wurde (!). Dabei haben auch Journalisten vom ZDF eins auf's Auge bekommen. Der einzige Weg, der mir nun bleibt, führt an einem Polizeirevier vorbei und da sehe ich Beamte ein und aus gehen, die könnte man als "Black Block" ins Wachsfigurenkabinett stellen. Doch diese Typen sind hauptsächlich unterwegs, um sich unbemerkt in die Menge zu schleichen und dort Beobachtungen zu machen, nicht als Provokateure. Ich begegne zwei Männern mit schwarzen Bomberjacken und Kapuzen, die aus dem Gebäude kommen und Kollegen grüßen, noch öfters, wie sie immer am Rand stehen und gaffen. Ihre Visagen passen so wenig zum Outfit, daß es fast schon peinlich wirkt (sie sind übrigens hier abgelichtet). Nach der Umgehung des Häuserblocks komme ich oberhalb des Kessels, kurz vorm Marienplatz, wieder heraus und bekomme gerade noch mit, wie der Anhänger mit Absperrgittern eines Bullenunimogs, der frech durch die Menge tuckert, abgestöpselt und geleert wird. Die Polizei rafft dies erst, als die meisten Gitter schon am Boden liegen und der Hänger ein wenig demoliert ist, rächt sich aber bitter und schlägt wahllos auf umstehende Leute ein. Auch dies könnte jedoch eine Provo-Aktion gewesen sein.


Abgang

Doch nun ist auch bei uns die Luft raus. Einige hundert waren bereits in Unterbindungsgewahrsam genommen und der Demo-Zug steht in mehreren kleinen und eng zusammengepressten Kesseln zusammen. Kurz vor fünf Uhr wird hier geöffnet und die Leute sollen sich in Richtung Sendlinger Tor entfernen. Zuerst macht die Polizei gleich hinter dem ersten Block wieder zu, doch damit ist nichts, dieser bleibt halt ungekesselt stehen, Sprechchöre branden auf. Die Polizeiführung kapituliert und läßt eine geschlossene Demonstration ziehen, "Demoverbot - ha, ha, ha" skandierend. Doch es wird klar, es ist mittlerweile bald halb sechs, es wird dunkel und die Passanten sind fast alle weg. In der nächsten Seitenstraße fängt das USK prompt an, immer wieder zu provozieren, verteilt Ohrfeigen und stürzt sich bei der geringsten Gegenreaktion hemmungslos prügelnd auf die Leute. Es wird Zeit, München zu verlassen. Gegen diese voll gepanzerten Robocops kann keiner was machen, es sei denn es würde geschossen werden und wer diese Eskalation weiterdenkt, landet in der Sinnlosigkeit. Ich fahre daher mit dem Zug kurz nach halb sechs nach Hause. Die Kids, die noch eine Weile in der Stadt blieben, berichten von einer regelrechten Treibjagd mit vielen Verletzten und Festnahmen, anders als am Nachmittag ohne Zeugen. Schade, daß sich die Menge nicht so verdünnisieren konnte, wie sie sich zusammengerafft hat. Das Zusammenschlagen des letzten Häufleins hat beim USK schon Tradition, das hätte nicht sein müssen.

Fazit

Wie das alles jetzt politisch rüberkommt, werden die kommenden Tage zeigen. Ich meine, es ist völlig schnurz, wie die etablierten Medien berichten - sie berichten ohnehin nur im Sinne der Herrschenden. Die Demokratur hat sich einmal mehr demaskiert, es geht immer weniger um Krieg oder Gerechtigkeit für die 3.Welt und immer mehr um die Zerschlagung dieser Pseudo-Republik als Grundvoraussetzung. Und viele haben schon längst realisiert, was abgeht, das zeigen z.B. auch die Kommentare im Forum der "Süddeutschen Zeitung", die in ihrer Online-Ausgabe gehetzt hat, was das Zeug hält (Mir hat aber auch schon jemand berichtet, daß dies in der Print-Ausgabe nicht so schlimm war). Auch wurden viele Leute aufgeklärt, wie sie im Internet an unabhängige Informationsquellen kommen (drum seid brav und postet nicht so boshafte Sachen). Obwohl ein großer Teil gar nicht erst nach München herein kam, waren wahnsinnig viele Leute da und eine Demonstration wurde durchgesetzt. Ein Erfolg war die ganze Sache sicher nicht, eher ein Scharmützel. Erstens muß ich immer an die ganzen Leute denken, die dafür bluten mussten (habe eine ziemlich brutale Festnahme mit angucken müssen: sie bearbeiteten den Jungen am Polizeibus mit Fäusten und Knien, damit die Knipser keine Prügelfotos machen können und warfen den leblosen Körper in den Bus, als wärs ein Sack Müll. Die Presseheinis, unter die ich mich gemischt hatte, wurden 10 Meter weit weg geschubst und fanden das völlig normal) und zweitens sehe ich erst dann den Erfolg, wenn wir die ganze Bonzenbande zum Teufel gejagt haben.

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Ergänzungen

Klasse Bericht!

03.02.2002 - 22:14
Das Beste, was bisher zu München zu lesen war. Hoffentlich hast du den auch an die linke und "linke" Presse geschickt; der taz täte so was auch mal gut (soll sie der Teufel holen, wenn sie den nicht abdrucken...). Wäre jedenfalls schade, wenn´s nur auf indymedia zu lesen wäre.

einführung hauptteil schluß...

StrgAltEntf 03.02.2002 - 22:19
...aber wo ist die pointe!?! dein bericht erinnert eher an einen mittelmäßigen schulaufsatz, als an einen aufschlußreichen erlebnisbericht von der nato konferenz ...
"Am Bahnsteig dann die große Enttäuschung: kein Bulle weit und breit, obwohl die Nürnberger Zugfahrer am Vortag am Einsteigen gehindert wurden..." die große enttäuschung am nürnberger hauptbahnhof also... hm... du solltest dir vielleicht mal überlegen das die ganze sache nicht einfach nur ein tolles abenteuer mit gewinnern und verlierern ist. ("weshalb in der folge das blut nicht gleich literweise floß...") gingst du denn davon aus, das auf dem münchener marienplatz "das blut gleich literweise fliesst" ...???...
...ich verstehe dich irgendwie nicht...

Wozu eine Pointe?...

peter 03.02.2002 - 22:32
...Die Geschichte ist doch noch gar nicht fertig. Im übrigen bitte ich auch die folgenden Kommentierer, nicht ausgerechnet die Anflüge von Selbstironie zu kritisieren, das ist gemein!

Danke für den Text!

Berliner 03.02.2002 - 23:37
Ich finde, daß er zu den besten Texten über München zählt, die hier erschienen sind. Neben der Idee mit den linken Medien wäre ich dafür, daß vielleicht eine Art Reader mit den besten Texten und einigen Bildern und mit Hintergründen erstellt werden würde..... Warum jemand bei einem Erlebnisbericht eine Pointe(?) wünscht, weiss ich nicht. Aber hier ist ja auch nicht SAT1.

exakt!

Julia 04.02.2002 - 01:33
Ich find den Text ansprechend geschrieben und das wichtigste: GENAU so hat sich das in München zugetragen... Ich hab nicht nur Situationen wiedererkannt sondern auch die Stimmung (die kam wieder so richtig hoch als ichs grad las - unsere "Demokratie" ist wortwörtlich zum Heulen!).
Erkenn einmal was hier gewaltig schiefläuft und Du wirst immer versuchen Dich dem entgegenzustellen oder anfangen Dich selbst zu belügen.
Es sind harte Zeiten - aber es sind die unsren!
Ich bin nicht allein... Danke Euch allen!
Scheiß Emotrip (München hats mir mal wieder gezeigt).

04.02.2002 - 01:34
hallo peter

ich komme gerade aus münchen wieder und lese nun, nachdem ich den text gelesen habe, deine "ergänzung". es gibt "ergänzungen" - da wird mir übel - deine gehöhrt mit sicherheit dazu.

hast du lindenstrasse geguckt, gabs da ne pointe.

Ein ausgezeichneter Text

Wolf 04.02.2002 - 15:19
vor allem weil er die Beckstein´sche geistige Bescheidenheit sehr gut demonstriert. Eine bessere Beschreibung der nicht denkfähigen Sklaven der USK hat es wohl lange nicht gegeben. Wohltuend sind auch die Komplimente an die im Gegensatz zu ihrer Regierung demokratisch und humanitär eingestellte Bevölkerung Münchens.
Sorry, ich habe im Moment auch keine Idee wie es gehen könnte. Uns sollte aber etwas einfallen. Diese und andere gute Beiträge müssen so bekannt werden, zumindest deren Existenz, daß die "Idiotenmacher"-Medien der Regierenden sie nicht mehr verschweigen können. Das Ausland muß unseren Stoibers, Ottos und Gerhards ihre Borniertheit und vor allem ihre Rechtslast um die Ohren hauen, schon aus berechtigter Angst vor diesem Deutschland.

Brandenburg

grün muss weg 04.02.2002 - 18:55
Die waren echt noch die "menschlichsten"
Freitag abend, so um halb sieben, einer der ersten Krankenwägen muss auffahren.
Die B-Bullen waren grade noch mit uns wegschieben und gleichzeitig diskutieren (und das gar nicht mal so arrogant oder selnstverliebt wie gewohnt) beschäftigt,einer kommentiert: "das hatte jetzt doch echt nicht sein müssen, diese Rowdys, das waren wieder mal die Bayern!"
gleich ein andere: Willst du etwa deinen Kollegen in den Rücken fallen"
Aber das war auch nur ein kleiner Teil, der Rest der huschaft war auch kacke, aber keiner, auch nicht die Sachsen sind an die bayernbrutalität rangekommen

Genauso!

EaUadD 05.02.2002 - 14:47
Bravo!! Dieser Beitrag trifft es einmal genau...Ich habe in München im wesentlich das gleiche erlebt, bin die slebe Tour gelaufen wie der Autor udn kann alles bestätigen, es ist richtig wiedergegeben...vor allem schön zu sehn das nicht immer nur PIOP Artikel mit polemischem Gelaber auftauchen die nachher eh kein vernünftiger Mensch mehr ernst nehmen kann!
Weiter so!

Presseheinis

Presseheini 05.02.2002 - 15:45
"Die Presseheinis, unter die ich mich gemischt hatte, wurden 10 Meter weit weg geschubst und fanden das völlig normal)"

Die devoten Hofberichterstatter kriegen öfters eins in die Fresse als die Spass-und-Freizeit-Journalisten von Indymedia das vielleicht wahrhaben wollen. Fängt halt nicht jeder gleich das Greinen an, wenn er mal geschubst wird.

gute schreibe, meister!

sukirissi 05.02.2002 - 17:04
die versprengten hatten dank der polizeiblockade des dgb-hauses und des schillerkessels dann ja schließlich doch noch ´ne anlaufstelle serviert bekommen. und was alles an die brandenburger cops gesagt wurde, bestätigt, was ich so mitbekommen hab: als wir am isartor ausgebrochen sind, haben sie einfach aufgemacht. klar konnten sie nicht viel gegen so viele von uns unternehmen, aber sie hätten knüppeln können. die brüder machen ihren job und wir finden´s scheiße, aber man hat doch deutlich gesehen, daß man als cop rumstehen und gepanzert aussehen kann oder andererseits den knüppel-aus-dem-sack spielen. ´s hat eben nicht jeder von den ´grünen´ lust, sich für stoiber, beckstein und ude in ne schlägerei verwickeln zu lassen...

toller bericht & kritik der devoten hofberich

marion 06.02.2002 - 17:28
sehr schöner bericht. beschreibt genau, was ich auch erlebt hab. ne anmerkung noch: aus meiner sicht als eingeborene war die demo am samstag ein unglaubliches ereignis für münchen - nämlich ein riesengroßer kollektiver akt zivilen ungehorsams, der in dieser stadt seit langem nicht mehr zu sehen war. ich war durch und durch glücklich, als ich die leute hab loslaufen sehen vom marienplatz!

und noch an die devoten Hofberichterstatter: der unterschied zwischen euch und uns spass- und freizeit-journalisten ist nicht nur der, dass wir unbezahlt da stehen, sondern, dass wir die bilder von den bulenprügeleien dann auch veröffentlichen. das könntet ihr übrigens auch tun, nämlich hier auf indymedia, wenns in euren eigenen medien nicht passiert....