Potsdamer Gericht verurteilt Volksinitiative

Korrespondent 17.01.2002 01:46 Themen: Netactivism
Am 16.1. erließ das Potsdamer Landgericht ein Urteil in dem Domainstreit um www.polizeibrandenburg.de. Das Gericht folgte der Klageargumentation des klagenden Innenministeriums.
Seitdem sich im August 2001 die Volksinitiative zur Stärkung der Grund- und Bürgerrechte gegenüber der Polizei im Internet präsentiert, ist das Potsdamer Innenministerium beunruhigt. Wird dort doch befürchtet, dass durch die Adresse, unter der sich die Initiative zeigt, eine „Zuordnungsverwirrung“ beim surfen durch die Weiten des WWW einstellt. Denn laut Argumentation des Ministeriums, entstünde bei der Domain www.polizeibrandenburg.de der Verdacht, dort verberge sich der Internetauftritt der brandenburgischen Polizei und nicht der Volkinitiative. Grund genug eine Klage beim Landgericht einzureichen und die Aktivisten vor Gericht zu bringen.

„Wir würden uns lieber mit unserer eigentlichen Arbeit beschäftigen, anstatt uns hier vor Gericht verteidigen zu müssen“, sagte Beate Netzler, Sprecherin der Volksinitiative. Seitdem der Innenminister des Landes Brandenburg, Jörg Schönbohm, vergangenen Jahres eine Verschärfung des Polizeigesetztes erreichte, bemüht sich die Initiative Aufklärungsarbeit zu leisten und die Kontrolle der Polizei zu erhöhen. „Die Rechte der Polizei gegenüber den Bürgern werden immer weiter ausgebaut, während Kontrollmöglichkeiten für normale Menschen fast gar nicht bestehen“, so Netzler und verweist dabei auf die neu eingeführte Videoüberwachung, die Möglichkeit zur Verhängung von Aufenthaltsverboten und den polizeilichen Todesschuss. „Um so verwunderlicher ist es“, laut Netzler „dass das Ministerium nun ein neues Bürgerrecht konstruiert, nämlich das, auf verwirrungsfreies Surfen im Netz. In der Tat, beim surfen durchs Netz, springen schön öfter mal Werbefenster auf oder es erfolgt eine Umleitungen zu einer anderen Seite. Juristisch gesehen geht es aber um das Namensrecht an dem Wort Polizeibrandenburg. Und das hat, so die Richterin, ganz eindeutig das Land Brandenburg. Einwände nach dem der Begriff Polizei nicht eindeutig definierbar sei ließ das Gericht nicht gelten. Statt dessen verurteilte es die Volkinitiative auf Herausgabe der Domain, andernfalls würden eine viertel Million Euro oder 6 Monate Haft drohen. Für Beate Netzler völlig unverständlich, beschäftigen sich doch die Initiative genau damit, was der Domainname auch sage, mit der Polizei in Brandenburg. Und damit, so Netzler, würden sie auch die Kontrollaufgaben des Innenministeriums und damit eine öffentliche Aufgabe übernehmen. Sie verweist auf die Räumung eines besetzten Hauses in der Potsdamer Breitscheidstraße im Sommer letzten Jahres.„Die Polizei stürmte das Haus unbegründet und behauptete, sie habe Diebesgut darin gefunden.“ Bis heute würde die hochbrisante Sache hingezogen, bei der sich auch der Oberbürgermeister eingeschaltet hatte. Es sei erwiesen, dass sowohl die Tatsachen zur Räumungsanordnung als auch die Diebstahlbehauptung falsch sei. „Kein Wort des Ministeriums dazu“, so Netzler. Auf der Homepage der Volksinitiative befände sich jedoch ein umfangreicher Bericht dazu. „Und ausgerechnet jetzt fällt dem Innenministerium ein, unsere Adresse zu beanspruchen“, so Netzler. Der Verdacht liegt tatsächlich nahe, dass hier unliebsame Kritiker zum Schweigen gebracht werden sollen.

In der Vergangenheit sahen es Minister Schönbohm und sein Pressesprecher Homburg (beide CDU) nämlich mit dem „Domaingrabbing“ nicht zu ernst. War es doch für ihren jetzigen Job sehr von Vorteil, dass sie sich im Landtagswahlkampf 1998 die Adressen www.manfred-stople.de und www.reginehildebrandt.de sicherten und direkt auf die Seiten der Landes CDU leiteten. Doch davon wollen sie jetzt nichts mehr wissen.

Dem Gericht war jedenfalls an einer Presseberichterstattung nicht viel gelegen, denn es verwies Journalisten, die im kleinen Verhandlungssaal kein Platz mehr fanden des Raumes. Eine Stuhlreihe mehr, hätte dem ganz einfach abgeholfen.

Ob sich die Initiative eine neue Domain sucht, oder ob sie in Berufung geht, das halten sich die Aktivisten derzeit noch offen.
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Ergänzungen

Na und

ACAB 17.01.2002 - 02:49
Dann sichert euch eben die Domain bullenschweine-brandenburg.de. Mal sehen, ob die genauso dämlich sind wie die Telekom, die Telekomiker.de verklagt hat.

Was macht ihr jetzt?

Frager? 17.01.2002 - 07:39
Geht Ihr in Berufung? Iregwie hab ich den indruck, daß der Richter nicht ganz unabhängig war - das müsste wahrscheinlich von einem nicht-Brandeburger Gericht verhandelt werden. (Unabhängigkeit von Schönbohm) ... Kann man das Gericht dazu zwingen, etwas über die genannten Fake-URLs der CDU was zu sagen. (Was an denen legal ist)? Geht eine andere URL; die ähnlich klingt (.net oder .org oder etwas falsch geschrieben)?

Berufung!

www.polizeibrandenburg.org 17.01.2002 - 11:06
Das Urteil ist ja wohl ein typisch dienstbeflissenes Erst-Instanz-Urteil, bei dem es auf solide Anwendung des geltenden Rechtes gar nicht so ankommt als mehr darauf, die "Ordnung aufrechtzuerhalten". Potsdam, die Hauptstadt Preußens und der Uniform-Kadaver-Mentalität eben. Schönbohm hat in dieser Tradition ja erklärtermaßen seine geistige Heimat.