Das Davos der NATO

eric cantona 06.01.2002 12:50 Themen: Globalisierung
oder der Offenbarungseid der Antiglobalisierungsbewegung. Ein Artikel hinsichtlich der Proteste gegen die Münchener Sicherheitskonferenz Anfang Februar , der in der Januarausgabe des Leipziger Szeneblattes "KLAROFIX" abgedruckt wurde und kritisch versucht eine Perspektive für Antifa im Rahmen der "Antiglobslisierungsproteste" aufzuzeigen.

contact:  klarofix@hotmail.com
Der Offenbarungseid der Antiglobalisierungsbewegung oder "das Davos der NATO"


Letzteres prophezeit der Aufruf des Anti-NATO-Komitee, ein Bündnis verschiedener süddeutscher Gruppen, welches die geplanten Proteste gegen die "Münchener Konferenz für Sicherheitspolitik" am 1./2. Februar 2002 mitorganisiert. Dieser Text wirbt für die Beteiligung an den Protesten und versucht die Rahmenbedingungen zu umreißen, unter denen sich für eine antifaschistische radikale Linke darin eine Perspektive auftun könnte.

Auf dem Antifakongress 2001 kündigten die OrganisatorInnen an, sich perspektivisch Themenfeldern zuwenden zu wollen, die sich u.a. mit globalen Prozessen auseinandersetzt. Zu dieser Zeit waren "Globalisierungsproteste" im vollsten Gange und nicht wenige Gruppen sahen in einer Beteiligung an diesen und der dazugehörigen Formulierung einer antikapitalistischen Kritik den Rettungsanker für die Antifa.
Mit den Aufrufen zu den Gipfeln in Göteborg (AAB-Juni 2001) und Genua (BgR Leipzig und Antifa (M) Göttingen-Juli 2001) wurde dieses Vorhaben von den kongressvorbereitenden Gruppen in die Tat umgesetzt.
Bei der Betrachtung der Mobilisierung und der Aktivitäten aus dem linken und linksradikalen Spektrum während des EU-Gipfels Mitte Dezember in Laeken (Belgien) tut sich der Eindruck auf, der Zenit dieser "Antiglobalisierungsproteste" scheint überschritten. Über die Gründe kann spekuliert werden. Die - für viele ProtestlerInnen in dieser Form unerwarteten - Gewaltexzesse der italienischen Bullen, die Carlo Giuliani das Leben kosteten und die Terroranschläge auf Pentagon und WTC am 11.September in New York, in deren Folge nicht selten GlobalisierungsgegnerInnen in einem Atemzug mit den Attentätern genannt wurden, könnten eine Zäsur und damit das Ende zumindest der Gipfelproteste eingeleitet haben.
In der derzeitigen weltpolitischen Situation, in der nicht unerwartet die Schere zwischen "Gut und Böse", zwischen "zivilisierter Welt hier" und "Barbaren dort" aufgemacht wird, scheint so manche/r Kritiker/in das eigene Hemd näher als der Rock. Dabei fallen nicht wenige auf die Konfliktlösungskonzepte der Zivilgesellschaft herein. Daß "humanitäre Einsätze" und "friedensschaffende Maßnahmen" im Zeitalter neuer NATO-Strategien in der Regel den Einsatz militärischer Mittel - also Krieg - bedeuten, wird dann in so fern geschluckt, als das der Mär von Menschenrechten Glauben geschenkt wird. Diese Sache an dieser Stelle weiter auszuführen hieße den BgR-Aufruf zum 1.9.2001 runterzubeten.

Antifa - (gemeinsam) geht nichts mehr
Glaubt man den Verlautbarungen vieler antifaschistischer Gruppen so besteht weitgehende Einigkeit den Hort allen Übels im gesellschaftlichen System - dem Kapitalismus - ausgemacht zu haben. Zumindest auf Parolen wie "Smash Capitalism" und "Kapitalismus abschaffen" scheint man sich noch einigen zu können. Mangels Möglichkeit gibt es - wie hinlänglich seit Ende der AA/BO beteuert - kein Forum, wo sich Gruppen über den Stand ihrer gesellschaftliche Analyse austauschen können. Von da ausgehend könnten theoretisch solche Punkte herauskristallisiert werden, die für das Verständnis von Gesellschaft für notwendig befunden werden, um diese einer weiteren genaueren Betrachtung zu unterwerfen. Ziel müsste es sein, diese Kritik an konkreten Punkte mit symbolischen Aktionen transparent zu machen und zu propagieren.
Das nach dem Antifakongress 2001 initiierte Zeitschriftenprojekt "Phase 2" hat sich nach eigenem Bekunden dieser Sache angenommen, von einer gemeinsamen Diskussion und Verständigung unter Gruppen ist aber bis dto. nichts zu vernehmen. Die bisherigen Gipfelproteste wurden im Sog von ATTAC zum Selbstläufer.
So ist es derzeit nur schwer möglich einen gemeinsamen Nenner antifaschistischer Gruppen zu erkennen, da sich nur in Einzelfällen aufeinander bezogen wird und bis dto. kein gruppenübergreifendes Papier existiert, welches als Grundlage für eine Politik unter linksradikalen Vorzeichen bezeichnet werden könnte. So lange sich so etwas auch nicht abzeichnet, wird es auch nur punktuell möglich sein die, heterogene "Antiglobalisierungsbewegung" mit den eigenen Standpunkten zu konfrontieren und in diese hineinzuwirken.
Für einige mag die eigene Unklarheit die Beteiligung an Gipfelprotesten eher noch beflügeln, in der Annahme dort so etwas wie ein offenes Rennen vorzufinden, in dessen Verlauf sich eine inhaltliche Auseinandersetzung innerhalb dieser Bewegung schon irgendwann ergeben wird.
Das sollte aber nicht beispielhaft für eine ernstzunehmende linksradikale Position stehen.

Der Ton macht (auch) die Musik
Für viele steht die Frage im Raum, über welche Eckpunkte sich eine gemeinsame Diskussion über antikapitalistische Kritik und Proteste definieren könnte. So die Beantwortung dieser Frage denn überhaupt ernsthaft von antifaschistischen Gruppen in Erwägung gezogen wird, ist derzeit keine verallgemeinerbare Herangehensweise an das Monstrum Kapitalismus erkennbar.
Erkennbar sind momentan eher Trends in der Analyse. Da stößt man auf Krisentheorien, Apologeten des Klassenkampfes oder auf Suchende nach dem grundsätzlichen Prinzip des Kapitalismus. Wieder andere streiten in ihren Elfenbeintürmen über die Bedeutung von Imperialismustheorien oder über die Rolle und Entstehung von Identitäten. So lobenswert die Versuche die Welt zu interpretieren sind, kommen sie leider allzu oft im Gewande der reinen Lehre daher, ohne auch nur erkennen zu lassen, diese zur Disposition stellen zu wollen. Dabei hat die Parole aus den 70ern "Praxislos ist die Lektüre des "Kapitals" nichts als bürgerliches Studium (..) und sind programmatische Erklärungen nur Geschwätz" diesbezüglich bis heute nichts an Aktualität eingebüßt.
Vergessen werden dabei nicht selten die eigene Biografien und das Problembewußtsein von Teenagern, die das wesentliche Potential für die Autonomen, wie für die Antifa darstellten und neuerdings auch für Antiglobalisierungsgruppen wie ATTAC und Linksruck darstellen.
So ist es nun mal ein alter Hut, daß die augenscheinlichsten "Ungerechtigkeiten" für moralische Empörung sorgen und ein Ventil für den eigenen Unmut gesucht wird. Seit dem Ende des Staatsbürgerkundeunterrichts ist es an den Schulen vorbei mit den Grundlagen des Marxismus.
Wenn heutzutage Jugendliche rebellieren, dann sowohl in Wut gegen den Nazi, der "Ausländer" zusammenschlägt, im Angesicht verhungernder Menschen weltweit und auch aus den eigenen Erfahrung mit gesellschaftlichen Zwängen, sei es die Normierung durch Schule, Zwangsdienst oder die Tatsache mit Beginn des Arbeitsalltags eigentlich aufzuhören zu leben. Das aufzugreifen und im konkreten anzusetzen, darin besteht die einfache Logik, die den ATTAC und Linksruck-Boom erklärt. Die dann dazu führt, daß am ATTAC-Kongress 4000 TeilnehmerInnen Interesse haben, während ein Antifakongress (nur) 600 Interessierte anzieht. Und dieser Realität muß sich eine antikapitalistische Linke auch stellen. "Eine Erklärung der marxistischen Dialektik eignet sich mehr für einen Kurs zur Kaderbildung als für die erste Einführung für Aktivisten(...)daher ist es angebracht mit Begriffen zu beginnen, die unmittelbar überprüfbar sind - soziale Ungleichheit, Klassenkampf, kapitalistische Ausbeutung. Erst nachdem die Bewegung der heutigen Gesellschaft und ihre Widersprüche geklärt sind, kann man pädagogisch zu der abstrakteren und grundlegenden Konzeption der Dialektik als universeller Logik der Bewegung übergehen"
Das bedeutet natürlich nicht, alle Pamphlete im Teenie-Style zu schreiben, aber muß bei aller Notwendigkeit der eigenen Weiterentwicklung ein konzeptioneller Teil linksradikaler Öffentlichkeitsarbeit und Propagierung sein.

Gründe, die für eine Beteiligung an den Protesten sprechen
Setzen wir mal voraus ein Großteil des Spektrums der "GlobalisierungsgegnerInnen" ist in seiner inhaltlichen Ausrichtung kaum gefestigt, heterogen und nicht zuletzt deshalb auch anfällig für einfache Erklärungsversuche, so sind die Proteste von Seattle, Göteborg und Genua doch zumindest links konotiert.
Die häufige und berechtigte Kritik an ATTAC ist, sie seien nicht kapitalismuskritisch, sondern vielmehr nur darauf ausgerichtet, relativ augenscheinliche Ungerechtigkeiten auf der Welt zu problematisieren. Das ist es, was ihnen eine mediale Aufmerksamkeit zukommen lässt, das ist es aber auch, wo eine sich radikal verstehende Linke ansetzen muß. Bei der momentanen Schwäche emanzipatorischer Meinungen (von Bewegungen ganz zu schweigen) ist es nicht verwunderlich, das eine Orientierung an emanzipatorischen Ideen mangels Erkennbarkeit gar nicht oder nur eher zufällig erfolgen kann. Das spricht aber auf jeden Fall eher dafür als dagegen, dieses Protestspektrum mit linksradikalen Positionen zu konfrontieren. Eine Garantie, daß sich dann für eine eher abstrakte Option (Perspektive) als für konkrete Forderungen an anerkannte gesellschaftliche Partner (Staat, transnationale Interessenverbände wie IWF) entschieden wird, gibt es natürlich nicht.
Doch wo soll eine an Bewegung interessierte Linke ansetzen, wenn nicht bei Menschen, die überhaupt noch wahrnehmbar eigene Interessen artikulieren (auch wenn das meist in der 3.Person erfolgt). Die Möglichkeit und die Bereitschaft andere (gesellschaftskritische) Meinungen überhaupt zur Kenntnis zu nehmen sind bei "Rebellierenden" überproportional höher als im Alltäglichen.
Wenn es gelingt, die Auseinandersetzungen innerhalb der sich als globalisierungskritisch verstehenden Bewegung in eine antikapitalistische Richtung zu forcieren, so bietet das die Möglichkeit, daß sich Gruppen aus den eher klassischen Bewegungsbereichen (Antifa und Antira) der letzen Jahre, dort inhaltlich wiederfinden können. Die notwendige und ja auch streckenweise viel beschworene Öffnung und Transformation dieser Teilbereiche hin zu einer Politik basierend auf grundsätzlicher Gesellschaftskritik wäre möglich.
Beispielhaft für Anknüpfungspunkte ist die, nach dem 11. September relativ ungenierte Verwendung rassistischer Argumentationen. Diese schlägt sich dann eben in Sicherheitspaketen, im Zuwanderungs(begrenzungs-)gesetz und bei der Legimitation von Krieg gegen die Barbaren und Schurken nieder.
Krieg nach außen, Repression nach Innen, im Zusammenspiel mit dem Schüren der Angst vor den "Fremden" und der Relativierung der Geschichte Deutschlands. Es scheint geradezu paradox, wenn da die kampagnenerfahrenen "TeilbereichsspezialistInnen" keine Anknüpfungspunkte an ihre bisherige Politik sehen sollen. So makaber es erscheinen mag, aber in Anbetracht der aktuellen globalen Entwicklungen lassen sich in den gelaufenen Kampagnen der letzten Jahre: Überwachungsgesellschaft, Antifakongress, Deutschland den Krieg erklären, eher viel zu viele richtige Einschätzungen wiederfinden. Ein Grund sich noch mal die Papiere von "damals" zu Gemüte zu führen.
Genauso dringlich sind eine linke Bewegung konzeptionelle und strategische Überlegungen, die Fehler der Vergangenheit aufarbeiten. Eine Bewegungen inneliegende Problematik ist ihre Verfasstheit und die Gefahr, in die sie sich - wie jetzt im Falle der Antifa - begibt, springt sie so mir nichts dir nichts auf den nächsten Zug der Bewegung verheißt auf. Scheiterten doch die bundesweiten Strukturen weniger an inhaltlichen Differenzen, als an der Passivität der meisten Gruppen, der Ungleichzeitigkeit der Bewegung, Fluktuation und dem Fehlen von verbindlichen Diskussionsplattformen für Auseinandersetzungen. Diese Schwächen würden wohl vorerst eher fortgesetzt als aufgehoben und auf kurz oder lang wird man wieder an die eigenen Grenzen stoßen müssen.
Die Proteste und das Vorbereitungsbündnis in München bieten dahingehend eine Möglichkeit, zumindest im Nachgang eine überregionale inhaltliche Verständigung der beteiligten Gruppen herbei zu führen. Denkbar wäre durchaus, dass bei der Nachbereitung über deren Institutionalisierung nachgedacht wird, um beim nächsten Gipfel o.ä. nicht alle Diskussionen wieder von vorn anfangen zu müssen.


Keine uneingeschränkte Solidarität!
Wie bereits weiter oben benannt, sind Teile der "Antiglobalisierungsbewegung" durchaus im eigenen Selbstverständnis links, was zumindest erst einmal hoffnungsvoll stimmt. Die Aufgabe einer radikalen Linken muß es sein, gewisse Standards zu etablieren. Nur die Vermittlung der eigenen antikapitalistischen, antistaatlichen Positionen und die Schaffung begrifflicher Klarheiten eröffnet innerhalb der "Antiglobalisierungsbewegung" eine Perspektive. Das stete Beharren auf dem Antagonismus des kapitalistischen Systems und den - wenn auch diffusen - Vorstellungen einer herrschaftsfreien Gesellschaft muß dabei die Grundvoraussetzung bilden

Gründet sich die ATTAC-Idee im wesentlichen auf die Forderung nach Einführung der Tobin Tax, stellen weite Kreise eher Forderungen, die vor Jahren von Seiten der Gewerkschaften gekommen wären. Das ist natürlich nicht zuletzt dem fast vollständigen Verschwinden linker Gewerkschaften (zumindest für die BRD lässt sich das sagen) und systemkritischer, parlamentarischer Opposition geschuldet.
So wird allerorten zu Recht um den Abbau des Sozialsystems gefürchtet und die voranschreitende Privatisierung sozialer und kultureller Institutionen beklagt. Nur werden dabei - in gewissem Sinne zwangsläufig - die Ursachen falsch verortet. Nicht mit der weltweiten Durchsetzung des Kapitalismus und der damit einhergehenden Deregulierung und der Senkung der Lohnnebenkosten (was dann übersetzt soziale Leistungen heißt), wird dabei ins Gericht gegangen, sondern die Konkurrenz der billigeren Standorte und der gegenüber der Wirtschaft und dem internationalen Finanzsystem schwache Staat wird dafür verantwortlich gemacht. Dieses Denken befördert das "Zusammenrücken" der Nation gegen die ausländische Konkurrenz und lässt sich somit in nationalprotektionistische Konzepte sehr gut integrieren. Mit dem beliebten Argument des Abbaus der "Lohnnebenkosten" werden dann im allseitigen Einvernehmen Löhne gesenkt, Arbeitszeiten erhöht, also die Arbeitsbedingungen verschärft und Tarifverträge ausgehebelt. Das dabei die Stabilität der Profitraten und der kapitalistischen Verhältnisse im Vordergrund stehen und die Lebensbedingungen notwendiges Beiwerk darstellen wird, dabei übersehen.
Nur die erfolgreiche Vermittlung der Zusammenhänge von Staat und Ökonomie, also der Darlegung, welche Rolle spielt der Staat in der kapitalistischen Gesellschaft und im Rahmen der Globalisierung eigentlich und welche Interessen spielen bei Institutionen wie EU, G8 etc. zusammen, birgt die Chance in sich, dass diejenigen GlobalisierungsgegnerInnen, die noch auf den Staat als regulierenden Heilsbringer setzen, überhaupt erst einmal in die Verlegenheit geraten, ihre eigene Kritik zu hinterfragen und diese zu radikalisieren.

Eine wesentliche Aufgabe für die radikale Linke liegt in der Entpersonalisierung der Kritik bei Gipfelprotesten. Ohne die Repräsentanten des Schweinesystems aus ihrer Verantwortung zu nehmen, muß Kritik an den Interessensvertretern der kapitalistischen Akteure (Nationen, Konzerne) immer im Kontext mit ihrer eigentlichen Funktion geübt werden. Allzu leicht verfallen viele GlobalisierungsgegnerInnen Weltverschwörungstheorien. Da werden die G8 oder die NATO zu Weltregierungen gemacht, wird Israel zur Speerspitze des US-Imperialismus, werden aus islamischen Gotteskriegern Befreiungsbewegungen. Dort liegen ProtestlerInnen und Volkes Mund nah bei einander, da gab es bei so mancher Friedensbewegungsdemo gegen den Afghanistankrieg üble Beispiele wo so etwas zu enden droht. In diesem Zusammenhang muß - gerade für eine Linke in der BRD - höchste Priorität auf die Verhinderung antisemitischer und antiamerikanischer Tendenzen gelegt werden.

Hin und wieder sollte man auch mal wieder genauer hinhören und die "Herrschenden" einfach beim Wort nehmen. Wenn der deutsche Bundeskanzler Kohl 1991 in seiner Regierungserklärung 1991 erklärte: "Deutschland hat mit seiner Geschichte abgeschlossen, es kann sich künftig offen zu seiner Weltmachtrolle bekennen und soll diese ausweiten" und dann 1993 in die bundesdeutschen verteidigungspolitischen Richtlinien von der "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftordnung" die Rede ist, dann bringt man das mit Bush's Neuer Weltordnung , der neuen NATO-Doktrin und der Instrumentalisierung der UNO zusammen und kommt schnell dahinter, daß sehr rationale Interessen hinter dem Golfkrieg, den Balkankriegen, dem "Plan Colombia", dem Gewährenlassen der Türkei bei der Lösung des "Kurdenproblems" und den glänzenden Handelbilanzen mit Staaten, die weiterhin die Todesstrafe praktizieren, stehen.
Weltweiter Handel braucht politische Stabilität, duldet keine Sonderwege und schert sich im Zweifelsfall einen Dreck um Menschenrechte - das bedeutet kapitalistische Hegemonie.

...münchengehen

Die Proteste gegen die Münchener Sicherheitskonferenz werden zeigen, in wie weit sich Globalisierungskritikerinnen, Antifa und Antira mit der "Neuen Weltordnung" auseinandergesetzt haben und gegen die Normalisierung von Kriegen als Mittel der Politik protestieren werden. Einer Politik, die die Durchsetzung des Kapitalismus weltweit nach den Regeln und mit den Mitteln der kapitalistischen Zentren betreibt.
Der (in diesem Heft abgedruckte) Aufruf des Anti-NATO-Komitee München stimmt, wenn man o.g. Kriterien anlegt, optimistisch. Mit Einschätzungen zur militärischen Umgestaltung Europas, den veränderten Rollen der Bundeswehr und der NATO, den Zusammenhängen von Krieg, Repression und Rassismus auch in Anbetracht des 11.September sind die AufruferInnen auf dem Stand der Zeit und man könnte durchaus darauf aufbauend eine Standortbestimmung der antikapitalistischen Linken vollziehen. Die aktuellen Veröffentlichungen in linken Printmedien wie Phase 2, Alaska, iz3w und arranca gehen diesbezüglich momentan ziemlich in die selbe Richtung.
Nicht unverkennbar zumindest im Vokabular des Aufrufes sind die Einflüsse alt-linker, antiimperialistischer Politisierung. Diese kann ggf. auch Erfolgserlebnisse in Erinnerung rufen, wenn man an den 1.März 1997 denkt, als in München 10.000 DemonstrantInnen, die größte Nazidemo seit den 60er Jahren stoppten. Der überwiegende Teil waren Alt-68er, Jusos nur keine autonomen Antifas. Diese Konstellation schlägt sich dann natürlich auch in Aufrufen nieder, aber vielleicht ja auch bei der Beteiligung an den Aktivitäten Anfang Februar in München.
Inwieweit sich die sicherheitspolitischen Maßnahmen auf die Proteste auswirken werden ist spekulativ, aber interessanterweise findet sich die darauffolgende Einschätzung schon in konkret 08/92 als Falco Werkentin anläßlich des Münchner Kessels beim Weltwirtschaftsgipfel resümierte: Die Juli-Tage in München bedeuten keineswegs eine "neue Stufe polizeilicher Eskalation". Vielmehr signalisieren sie die Rückkehr zur bundesdeutschen Normalität. Zum einen - und das ist erfreulich - in dem Sinne, daß nach einigen Jahren oppositioneller Lähmung offenbar die Bereitschaft wieder wächst, den Widerspruch gegen die herrschende Politik erneut in den öffentlichen Raum zu tragen, zum anderen in dem Sinne, daß die herrschende Politik ihre Polizei in alten Formen darauf antworten läßt. Dies als Rückkehr zur Normalität zu bezeichnen, muß nicht heißen, sich mit ihr versöhnt zu haben. Denn vielfach ist es gerade die alltägliche "Normalität", hier wie in anderen Bereichen, gegen deren Unerträglichkeit zu streiten ist.
see you in munich!
Eric
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Ergänzungen

genau

ene mene muh 06.01.2002 - 15:24
das mit den jungen leuten, die irgendwie diffus angekotzt sind von der lebens-und arbeitswelt, die ihnen real - im gegensatz zu immer tolleren medialen versprechen (auch du kannst ein popstar sein, in dot.com-unternehmen gehts total locker zu etc.) präsentiert wird, und die da all die widersprüche entdecken - genau. da mal anzuknüpfen, an einer real erlebten situation. und jenseits von dogmatischen theorien, die man über die realität stülpt, die aber nie wirklich passen - es sind ja nur modelle, die was veranschaulichen sollen, nicht die weltformel - bei konkreten situationen anzusetzen. genau untersuchen, was einem selber wann warum nicht passt, und inwiefern das politisch ist. und mit was es zusammenhängt. ob es ein muster gibt. und wo die schwachpunkte/sollbruchstellen/widersprüche sind. ob andere ähnlich empfinden. warum man sich nicht wehrt. wovor man angst hat. was macht bedeutet, wie sie sich ausdrückt, wie man sie persönlich erlebt. und immer wieder die eigene rolle hinterfragen. und die klischees abwerfen, die sind kontraproduktiv. mit erstarrung wird man der erstarrung nicht begegnen können, in einer welt, in der auch die rebellion nur noch eine ware unter vielen ist. und in einer welt, in der das wichtigste die erscheinung und die hülle ist, und inhalte nur noch unbewusst effizient transportiert werden, die ästhetik nicht so leicht abzutun. überraschen. wenn sie auf den vermummten krawallmacher warten, im anzug mit einem gerichtsbeschluss kommen. nicht gegen windmühlen kämpfen, sondern sie nutzen. da gibt es ja schon klitzekleine fortschritte. und ansonsten einfach mal die herschende ideologie beim wort nehmen: demokratie? wunderbar! her damit!

Genau

... und raus bist du 06.01.2002 - 17:15
Sehr schöner Kommentar, macht Laune und Mut!

Zicke Zacke

Hühnerkacke 06.01.2002 - 20:48
Und wenn sie auf einen Gerichtsbeschluß warten, mit Mollies überraschen :-)

Na ja

ja na 08.01.2002 - 06:47
Es ist schön, wenn junge menschen widersprüche endecken und mit total kreativer persöhnlicher Rebelion darauf reagieren, aber leider, so grausam das ist, wird man so nicht verstehen was das wesen des "Kapitalismus" ist, denn er ist nur in einer abstrakten Theorie zu erkennen. Scheiße!!
Das sich heute niemand mehr für politische Theorien interessiert, weil sie ja eh nicht war sind, wir keine "Zombiebegriffe"(Ulrich Beck) mehr verwenden und uns nur noch total individuell verhalten, sind wunschvorstellungen von neoliberalen Konservativen. Im gegensatz dazu muß Kritische Theorie nach den Hintergründen und der Form der gesellschaft fragen und die lässt sich nun mal nicht im alltag erkennen. Die analyse wikt immer abstrakt, weil sie`s auch ist, denoch unvermeidlich für ne linke!! Wie weit die konservativ-neoliberale ideologie in die "linke" hinein wirkt, wird sehr deutlich, wenn selbst von uns behauptet wird, wir bräuchten keine "veralteten" analysen mehr. Individualität statt kritischem Bewustsein, eine besonders "moderne" konservative forderung.

je nun

franz von assisi 08.01.2002 - 15:35
die kritische theorie ist ja auch keine bibel, die schon immer da war und unantastbar ist. es sind überlegungen, die selbstverständlich aus betrachtungen des alltags und reflexion darüber entstehen, genauso wie marxens theorien.
daß da auch noch philosophische bildung mit hineinfliesst und das bewusstsein, daß es schon vor dir leute gab, die darüber nachdachten, ist ja auch schön. aber keine dieser theorien ist für die ewigkeit, und die tatsache, daß begriffe wie arbeiterklasse, klassenkampf etc. antiquiert und
nichtssagend formelhaft klingen angesichts der heutigen realität, hat ja nun nicht nur mit den bösen medien und dem neoliberalismus zu tun. das sklavische nachbeten irgendwelcher theorien, die man als die einzig wahren und ewigen erkannt zu haben glaubt, ist reaktionär und religiös. "man" empfindet das ja auch nur ganz subjektiv: diese theorie überzeugt mich, diese schallplatte gefällt mir, diesen pulli zieh ich an...wahrheit? die ablehnung dieser theorienverehrung als konservativ oder neoliberal abzustempeln, ist ein durchsichtiges manöver von leuten, denen die felle davonschwimmen, von gralshütern reiner lehren aus den siebzigern, die auf die realität nur noch marginale wirkung hatten und vollkommen gescheitert sind. das neoliberale denken ist ja auch nicht nicht beliebigkeit und freiheit, sondern im gegenteil schlecht kaschierte ideologie par excellence.

Von Berlin nach München

Klemo 16.01.2002 - 16:53
Wir fahren am 2.2.02 in Berlin am Zoo um 0.15 am gleis 3 mit dem wochenendticket nach München und werden dort gegen 13:30 Uhr ankommen.Sontag um 12:30 fahren wir in München auf gleis 24 ab und werden um 23 Uhr wider am ostbahnhof sein. Jeder der will kan sich uns anschliesen. Es Kostet zwichen 8,5 € und 20 € je nachdem wiefiel wir sind (für Hin und Rückfahrt)!