Die Krise bei Linksruck (Deutschland)

Linkswende 25.12.2001 18:48
Die Linksruck-Krise (Deutschland) aus der Sicht der Bundeskoordination von
Linkswende (Österreich)
Unsere deutsche Schwesterorganisation Linksruck ist dieses Jahr in eine schwere politische Krise gerutscht. Anfang Dezember kam es bei der Aktivenkonferenz (Vollversammlung) zu einer Abspaltung von Linksruck, der auch P., bis vor kurzem ein Mitglied unserer gewählten Führung, angehört.
Weder haben wir in die deutsche Krise interveniert "im Sinne aktiv für die eine oder die andere Seite Partei zu ergreifen" noch gedenken wir es zu tun. Erstens weil es uns nicht zusteht, uns in die Angelegenheiten von verbündeten Organisationen einzumischen. Linkswende ist kein Teil einer internationalen Partei, sondern gehört der International Socialist Tendency (IST) an, einem Bündnis von sozialistischen Organisationen auf Basis ähnlicher Grundsätze und einer gemeinsamen Tradition. Zweitens weil wir gar nicht in der Lage sind, politische Kampagnen in anderen Länder anzugehen.
Trotzdem sind wir besorgt und betroffen. Zahlreiche LW-GenossInnen haben persönliche Kontakt zu deutschen GenossInnen. Wir besuchen jedes Jahr die Rosa-Luxemburg-Tage und verwenden LR-Publikationen. Eine intensive Diskussion in Deutschland wird auf kurz oder lang hier auch Thema. Deswegen ist es wichtig, daß LW einen Standpunkt entwickelt und daß wir die politischen Lehren aus der Krise in Linksruck ziehen, um ähnliche Probleme in Zukunft zu vermeiden.
Die LW-Bundeskoordination (BK) hat zu verschieden Zeitpunkten im letzen Halbjahr eine andere Meinung als die LR-BK gehabt und hat derzeit immer noch Sorgen über die gegenwärtige Ausrichtung der deutschen Organisation, die wir hoffen in der nächsten Zeit aufklären zu können.


Sexismus

Die Krise kam auf als im letzten Sommer bekannt wurde, daß ein Mitglied der BK einen sexuellen Übergriff an einer GenossIn verübt hatte, daß der Vorfall aber verschwiegen wurde und von seiten der BK nichts gegen ihren Kollegen unternommen wurde. Erst nach Protesten der Basis wurde der Täter von LR ausgeschlossen. Kurz danach (noch im Sommer 2001) fand ein weiterer Übergriff statt. Diesmal war ein Mitarbeiter der Berliner Zentrale verantwortlich. Wieder wurde schleppend gehandelt, letztlich wurde auch dieser Mensch ausgeschlossen, dennoch wurde es klar, daß die führenden LR-GenossInnen Sexismus nicht genügend ernst genommen hatten. Tatsächlich schien es sogar so etwas wie eine sexistische Alltagskultur in der Berliner Zentrale gegeben zu haben. Etwas was in einer IST-Organisation eigentlich unmöglich sein sollte. Man solidarisierte sich nicht prinzipiell mit den Opfern! Im Herbst kam der bisher letzte Schlag: ein weiteres BK-Mitglied wurde aus der BK ausgeschlossen, als entdeckt wurde, daß er mit den Telefonen der Zentrale (d.h. mit dem Geld von LR) eine massive Telefonsexrechnung verursacht hatte.
Nicht bloß die Taten an sich, sondern auch die unklare und zögerliche Haltung der restlichen BK-MitgliederInnen, führten zu einem Aufschrei und einer Emotionalisierung der Debatte.
Die erste Lehre für uns in Linkswende: wir solidarisieren uns mit den Opfern von Sexismus. Wer einen sexuellen Übergriff zu verantworten hat, wird umgehend von Linkswende ausgeschlossen und zwar egal wer es ist.
Angesichts dieser Fälle forderten einige LRlerInnen eine Debatte über Sexismus bzw. Frauenunterdrückung. Dies fand auch statt. Dabei machte die LR-BK unserer Meinung nach politische Fehler: zum Beispiel wurde Pornographie in einem Dokument auf Entfremdung zurückgeführt, was zwar stimmt, nicht aber als Gewalt gegen Frauen gesehen. So wurde sich mit Männern solidarisiert, nicht aber mit Frauen! Die Debatte zeigte einen unklaren und verkrampften Umgang mit der Thematik innerhalb LR, der leider auch noch nicht restlos ausgestanden ist.
Die siegreiche Fraktion bei der Aktivenkonferenz sprach von einer notwendigen “scharfen Abgrenzung” des Marxismus von Feminismus. Das ist für uns der falsche Anfangspunkt. In der Tat hat der Feminismus als politische Ideologie zumeist Separatismus gefordert, Klasse als Kategorie des Kampfes abgelehnt. Unsere Tradition ist: Kein Sozialismus ohne Frauenbefreiung, keine Frauenbefreiung ohne Sozialismus. Dennoch, wenn sich eine neue Aktivistin heute als Feministin beschreibt, meint sie zu 90% nicht Separatismus, sondern daß Sexismus/Frauenunterdrückung ihr stinkt und daß sie etwas tun will. SozialistInnen kämpfen mit ihr Seite an Seite, z.B. um das Abtreibungsrecht zu verteidigen, und diskutieren dabei die beste Strategie für die Bewegung. Frei nach dem Motto der starke arm der arbeitenden Klasse allein kann Gesellschaft grundsätzlich verändern, deswegen braucht die Bewegung eine Orientierung in dieser Richtung. Diese Vorgehensweise entspricht auch wie wir in der antikapitalistischen Bewegung arbeiten: Unser Anfangspunkt dort ist nicht die Notwendigkeit einer scharfen Abgrenzung zu den ReformistInnen. LW hat keine Angst vor einer Debatte mit dem Feminismus. Die Mehrheit von Frauen können für eine Klassenperspektive gewonnen werden und den Separatismus ablehnen.
Aus der deutschen Krise entnehmen wir die Notwendigkeit für theoretische und politische Klarheit über Sexismus bzw. Frauenunterdrückung und ermutigen und fördern eine Debatte in der gesamten Organisation diesbezüglich.

Demokratischer Zentralismus und Projekt

Aber die Schwierigkeiten fingen in Wirklichkeit nicht mit Sexismus an. Bis zum Wahlsieg Schroeders in 1998 hat LR ein gutes Verhältnis zum und im Verständnis von Reformismus. Danach als die neue Regierung in die Mühle der kapitalistischen Sachzwänge geriet, hat LR eine Krise in der Sozialdemokratie erwartet. Obwohl die deutschen Grünen bald Probleme hatten, blieb die SPD- / Gewerkschaftsbasis robust. Während dieser Zeit verlor LR ihre Spürnase für den Reformismus und agierte Etwas abgehoben. Deswegen haben einige in LR in der letzten Zeit verstärkt die Taktik der Einheitsfront gefordert, was an sich kein Fehler ist.
Als 1999 die Theorie der antikapitalistischen Stimmung und Bewegung entwickelt wurde, schloß LR sich ihr an. Aber mit der Ausnahme der Pragmobilisierung schien die Organisation meistens nicht zu wissen was das Projekt war, hinter dem alle standen. Konzept, Organisationsform wurde immer wieder verändert, aber das große Bild fehlte. LW hingegen hatte meistens ein Projekt, in dessen Rahmen wir unsere ganze Politik und Praxis erklären konnten... Prag, D5, Anti-FPÖ-Wahlkampf, Salzburg, S29, Brüssel, München.
Die siegreiche LR-Fraktion erklärt diese Zeit in Deutschland jetzt als eine Periode, in der die "Partei"verloren ging und die Organisation sich in "ultralinken Milieus" auflöste. Ob das genau so stimmt sei dahingestellt.
Fehler kann jedeR machen, aber die deutsche Führung war augenscheinlich zu wenig empfänglich für Kritik. Wöchentlich debattierte die BK die Lage und gab eine Linie aus, für die die Führung in den Gruppen kämpfte. Das macht das LW-BK auch. Wir sind eine Kampforganisation und kein Debattierklub, wir müssen geschlossen wie eine Faust handeln, auch zwischen Aktivenkonferenzen. Aber der Kampf um die Linie, um ein Verständnis der gegenwärtigen politischen Lage, heißt: Debatte darum organisieren in jedem Teil der Organisation. Das versucht die LW-BK auch zu tun. Nur dann sind Korrekturen in der Linie der Führung überhaupt möglich bzw. können so viele GenossInnen wie möglich mit Selbstvertrauen nach außen gehen. In LR ging dieser Prozeß zu wichtigen Teilen verloren, die GruppenaktivistInnen wurden tendenziell zu BefehlsempfängerInnen. Man vergaß, daß demokratischer Zentralismus ohne Debatte zur Stagnation führt. Die LR-BK gesteht ihre Fehler in dieser Richtung. Es war nicht demokratischer Zentralismus an sich der fehlerhaft war, oder ein Problem, das die Praxis des IST allgemein widerspiegelt, sondern auch demokratischer Zentralismus muß richtig organisiert werden.
Die Lehre für die LW: Es bestärkt uns in dem Verständnis, dass Debatten über die gegenwärtige politische Lage in der gesamten Organisation geführt, so viele Leute wie möglich in der Auseinandersetzung und in der marxistischen und leninistischen Methode dahinter einbezogen werden müssen. Wir werden versuchen noch systematischer in diese Richtung zu arbeiten.

Antikapitalismus

LR setzt nun auf die Teilnahme in dem in Deutschland schnell wachsenden Attac, als zentrales Projekt für die gesamte Organisation. So soll die fehlende Distanz zum Reformismus überbrückt werden, aber auch ein "Milieuwechsel", also ein Bruch mit den "ultralinken Milieus", die angeblich für die Krise in LR verantwortlich gewesen sind, vollzogen werden.
In diesem Zusammenhang wird über Arbeiterbewegung und Arbeiterpolitik gesprochen, ohne daß es klar wird wie dies konkret umgesetzt werden soll. Es klingt für uns wie "abstrakt Propagandismus". Wir finden das Attac-Projekt sehr sinnvoll, befürchten aber, daß sich dahinter einen Bruch mit der Bewegung verbergen könnte. Denn nicht die Milieus sind für die Krise verantwortlich, sondern der defensive Umgang von LR mit diesen Milieus und das mangelnde politische Profil.
SozialistInnen müssen sich mit ihnen engagieren, die besseren Argumente haben und die Debatten gewinnen. Es ist falsch zu denken, daß die Debatten um Attac herum so sehr anders werden. Man kann vor Debatten nicht weglaufen oder die AktivistInnenmilieus beliebig austauschen. Es wird die Praxis zeigen, ob das LR-BK bestätigt wird oder nicht. Den ersten Test "Brüssel "hat sie unserer Meinung nach nicht bestanden. Linksruck, eine Organisation von 700 zahlenden MitgliederInnen war so gut wie nicht anwesend. Es ist eigentlich eine Katastrophe, daß die griechischen, österreichischen und hollandischen Organisationen besser vertreten waren, als Linksruck. Auch die kleinere französische Organisation arbeitet in Attac, sie war aber viel mehr sichtbar.

Schluß

Wir wünschen Linksruck Erfolg in dem Attac-Projekt und im Aufbau ihrer Organisation. Wir werden ihren Fortschritt kritisch verfolgen, wie bei jeder anderen Gruppe in der IST. Wir unterstützen die Abspaltung nicht, denn es wäre unsere Meinung nach besser gewesen in LR um eine Strategie zu kämpfen. Die Spaltung scheint uns auf sehr schwache Beine zu stehen, ihre politische Strategie ist uns nicht klar.
Die antikapitalistische Bewegung bietet SozialistInnen eine Chance, die nur einmal in einer Generation kommt. Die Krise in LR warnt uns davor, was passieren kann, wenn wir die Chance nicht zu nutzen wissen.

Linkswende-Koordination
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Ergänzungen

Kernspaltung

fischnet 25.12.2001 - 19:52
Schon die Sprache erinnert an alte Zeiten, aber der interne Knatsch einer Politsekte geht mir ziemlich am A.... vorbei. Das trotzkistische Sekten sich häufiger als Uranatome spalten is ja bekannt. Das einige Probleme mit weiblichen Mitgliedern haben, fällt wohl unter sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Oder einige Obergurus meinen, da sie eh schon über die Untergeordneten Papierverteiler verfügen, würde dies sexuelle Verfügbarkeit einschließen. Steig mit mir ins Bett und ich sorg dafür das du in die Leitung kommst. Warum solls da anders zugehen als im Großkonzern? Die Führung ist mit Sicherheit ein Männerverein, habs nicht nachgeprüft, war aber schon früher so und warum sollte sich das ausgerechnet in einer hierarchisch aufgebauten Politsekte geändert haben? Na man kanns als abschreckendes Beispiel stehen lassen.

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| 25.12.2001 - 21:50
wir wünschen Linksruck den baldmöglichsten Untergang.

Linkswendes Krokodilstränen

sektenbeauftragter 30.12.2001 - 13:31
Limkswende wrote : ...........................................................
Unsere deutsche Schwesterorganisation Linksruck ist dieses Jahr in eine schwere politische Krise gerutscht. ............................................................Hier ist Aufklärung geboten: Die sog. politiche Krise läuft spätestens seit Prag 2000.Nach dieser Aktion blieben nämlich die letzten Leute lieber zu Hause,als sich mit den Propagandhaphrasen aus London weiter füttern zu lassen. LR ist da nicht irgendwie hineigerutscht,sondern die politische Praxis wandelte sich zunehmend von einem diskussionfreudigen Netzwerk zu einem stalinistischen Parteiapparat. Die ProtagonistInnen dieser stalinistischen Linie haben alle anderen Aktiven rausgemobbt und nun ist halt Niemensch mehr da,den die unterdrücken können.Das Euch die letzten "FunktionärInnen" des Mittelbaus auch noch weglaufen,ist da nur konsequent.
Linkswende wrote : ............................................................
Anfang Dezember kam es bei der Aktivenkonferenz (Vollversammlung) zu einer Abspaltung von Linksruck, der auch P., bis vor kurzem ein Mitglied unserer gewählten Führung, angehört.
Weder haben wir in die deutsche Krise interveniert "im Sinne aktiv für die eine oder die andere Seite Partei zu ergreifen" noch gedenken wir es zu tun. Erstens weil es uns nicht zusteht, uns in die Angelegenheiten von verbündeten Organisationen einzumischen. Linkswende ist kein Teil einer internationalen Partei, sondern gehört der International Socialist Tendency (IST) an, einem Bündnis von sozialistischen Organisationen auf Basis ähnlicher Grundsätze und einer gemeinsamen Tradition. Zweitens weil wir gar nicht in der Lage sind, politische Kampagnen in anderen Länder anzugehen. ...........................................................Wie schon gesagt,der Laden ist schon lange marode,das euch in Haiderland das jetzt erst auffällt,gibt mir zu denken.Auf dem Kongress in Berlin hat LR noch das letzte Trauerspiel seiner Unfähigkeit aufgeführt:Eine eigene Diskussionsveranstaltung nur für die KritkerInnen.Die Schlüsse,die die LR Führung daraus gezogen hat,können nur gewesen sein: Weiter so mit der stalinistischen Linie. Von LW waren och Leute dort,von euch habe ich nur Hurraparolen gehört - allerdings nicht auf der Kritikerdiskussion. Hört ihr nur die Hurranachrichten aus den Führungs-Notizen oder macht ihr euch mal selbst ein Bild vom Status eurer sog. Schwesterorgas,und zwar perönlich vor Ort ? Eure verkrampfte Rhetorik des nicht Einmischens kommt nicht gut rüber,mir scheint eher,das Linkswende aus dem Niedergang des LR noch Vorteile für sich ziehen will.Aber alle Vereine ,die sich auf die SWP beziehen und von ihr auch materiell abhängig sind ziehen die gleiche Linie durch wie LR und werden auch so enden. Eure IST ist nichts anderes als die SWP,denn immerhin hat die SWP mittlerweile weltweit alle Orgas aus der IST rausgemobbt,die ihr nicht passen.Bei euch ist das Erbe Trotzkis und Stalins gut aufgehoben,macht weiter so.

**********Gegen Heuchelei und Dogmatismus !!! ************
@fischnet: mittlerweile sind wohl die weiblichen FührerInnen in der Mehrheit,das ändert aber nichts am stalinistischen Machtgehabe,zum Glück ham die kaum noch Leute,die sie mit ihren Parolen uff die Gass schicken können.Stalinismus ist kein Vorrecht der Männer.

Denke ich auch

fischnet 30.12.2001 - 21:41
Können Frauen genausogut und wegen einiger Frauen ändert sich noch keine sektiererische Politik.Haben einige offenbar kapiert, das es etwas mager ist, Kinder auf ner Friedensdemo die vorgefertigten Pappschilder in die Hand zu drücken und das hinterher als erfolgreiches Eingreifen in bestehende Bewegungen zu beklatschen.Zumindest der Sprachgebrauch ist mir noch gut vertraut. So nannte man das in den 70igern.