Politische Bewertung Attac-Kongress

Gruppe Landfriedensbruch 22.10.2001 12:57 Themen: Globalisierung
Attac ist ... Mit-Wegbereiter der Modernisierung von Herrschaft ("Zivilgesellschaft"), an Selbstdarstellung und Prominenten-Einbindung interessiert, betreibt die Kombination aus Integration und Spaltung und wird sehr unvollständig kritisiert.
Versuchte Zusammenfassung zum Attac-Kongreß
(Gruppe Landfriedensbruch mit einigen Auszügen anderer Schreiberlinge)

1. Langweilig
Die von Attac selbst veröffentlichten Redetexte und Statements sind vor allem unglaublich langweilig. Ihnen fehlt fast jegliche konkrete politische Forderung oder gesellschaftliche Analyse. Ganz allgemein wird eine soziale Schieflage beklagt, die irgendwie durch irgendetwas Böses in der Welt hervorgerufen wird.

2. Politikunfähig?
Die Basis von Attac Deutschland (FR, taz, junge Welt, Spiegel usw.) sorgen sich nach dem Kongreß offenbar um die Politikfähigkeit von Attac. Damit meinen sie, eine beratende Tätigkeit der Regierung in Lobbyarbeit und kreativer Politikfolklore (viele Aktionen, groß oder dezentral, mit Appellen an die PolitikerInnen, nett zu sein oder Kleinigkeiten zu korrigieren) auch tatsächlich leisten zu können. Um dem nachzuhelfen, ergehen Aufrufe an Attac, eben diese Politikfähigkeit herzustellen, und bewiesenermaßen "politikfähige" Prominente (Cohn-Bendit, Lafontaine usw.) werden in der Berichterstattung in den Vordergrund gestellt. Hier zeigt auch Attac schon, daß sie bereit sind, sich weiter zu entwickeln - auch sie stellen die Promis in den Vordergrund ihrer Berichte.
Wieder war es die Aufgabe der regierungstragenden Medien, Attac zum Sammelbecken zu erklären, damit es alle glauben. Überschrift der FR am 22.10., Titelseite: "Heimatlos gewordene Linke versammelt sich unter dem Dach von Attac".

3. Herrschen = Teile und herrsche, Attacs Part: Integriere und spalte
Der Kongreß und auch das Geplänkel drumherum war eine intelligente Umarmungstaktik. Einige Organisationen wurden sehr geschickt einverleibt (z.B. medico international, die plötzlich überall als Kontakt- und Mitträgername auftauchen ... wenn auch mit Telefonnummer in Verden - gelungener Schachzug?). Mit ihren inhaltsleeren Kampfansagen an jegliche Programmatik und für totale Offenheit ist die Umarmungstaktik offensichtlich. Eher unbemerkt ist sie verbunden mit der Spalterei. Laut Spiegel teilte Attac-Oberideologe Sven Giegold mit: "Gegen deren Forderung nach Radikalisierung setzten Giegold und seine Mitstreiter ihr Konzept der "wirklich innovativen" Netzwerk-Organisation: Außer Neo-Nazis und Gewalttätern solle jedermann mitarbeiten dürfen. Unter dem Rubrum attac könnten gleichwohl nur jene "Kernforderungen" firmieren, die "in jahrelanger Arbeit international unter hunderten von Initiativen" abgestimmt seien." Also: Militante sind wie Nazis zu behandeln. Und das wirklich Wichtige (die zentralen Forderungen) macht natürlich ein undurchsichtiger Klüngel auf internationaler Ebene. Aber ansonsten ist Attac offen für alle (... für alle dummen Schäfchen, die sich abstampeln für eine Organisation, deren zentrale Arbeitsebene des Lobbyismus und der Medienpolitik sie nicht mitbestimmen können).
Es ist Attac, die unter dem Nebel der Integration und Harmonie Spaltung pur betreiben. Und nicht die KritikerInnen von Attac!

4. Selbstdarstellung auf allen Ebenen
Vieles, was geschieht, dient der Selbstdarstellung eines Projektes, das, um seine Aufgabe als Sprachrohr der Zivilgesellschaft im modernen Herrschaftskonzept des "Governance" statt "Government" zu erfüllen, eine bestimmte Größe und Repräsentativität haben muß - ob nun real oder nur scheinbar, spielt dabei keine Rolle. Spannend ein Blick in ein Protokoll des Attac-Koordinierungskreisen zur Auswertung von Genua ... das meiste ging schief, aber die Presse- und Selbstdarstellungsarbeit klappte. Und das war wichtig.
Zitat: "Hugo berichtet über Veranstaltungen des Gegengipfels und die Demonstrationen. Die Selbstdarstellung von Attac sowohl bei inhaltlichen Veranstaltungen wie die sichtbare Beteiligung bei den Aktionen und die Organisation durch das französische Büro seien gut gewesen. Er vermisste, dass der internationalen Vorbereitung kein internationaler Abschluss entsprach, der zugleich zu einem gemeinsamen Protest gegen die Polizeibrutalität hätte führen können.
Oliver schildert die Probleme während der Busfahrt. Die Busse waren kostendeckend. Es fuhren jedoch nur 10 - 15 deutsche Attacis mit. "Die Mobilisierung unserer Leute war schlecht!" ... (längere Abhandlung zu Problemen an der Grenze) ... Der Presseauftritt von Attac wird allseits für gut befunden. Philipp: waren überfordert ist aber gut gelaufen. Oliver: haben Genua vorher unterschätzt, schlecht gelaufen ist im Büro auch, dass die gesamte Genua-Organisation bis wenige Tage vorher bei Oliver lag und trotz Überlastungsanzeige nichts abgenommen wurde. Aber Medienauftritt war ein großer Erfolg. Sven berichtet über die Anfragenflut in Büro. Werner betont die Notwendigkeit einer unabhängigen linken Untersuchungskommission.
Sven eröffnet die Gewaltdiskussion mit der Frage, ob wir in Interviews unsere Strategie als "gewaltfrei" oder "friedlich" beschreiben ... (weiter mit Gewaltdebatte)"
Damit ist das Protokoll (bis auf die gekennzeichneten Auslassungen) vollständig zitiert und macht deutlich, was das wichtigste für Attac ist - die Aktionen zu nutzen, sich selbst darzustellen (Hugo ist übrigens Hugo Braun, Spitzenfunktionär in DKP und Umfeld, gleichzeitig im Attac-Führungszirkel).


5. Interne Spannungen bei Attac
Auch wenn für die Politik von Attac (z.B. auch bezogen auf den Attac-Kongreß die Auswahl der ReferentInnen, die Positionierung von Promis, die Internetdarstellung mit dem Promikult usw.) nur eine undemokratische Zentralgruppe verantwortlich ist - einheitlich ist die nicht. Das geht z.B. aus den Protokollen des Koordinationskreises hervor, die sich zu lesen lohnen (unter www.attac-netzwerk.de, dort bei Internes). Zu sehen ist eine Streitlinie um Abgrenzungen gegenüber Radikalen/Militanten - hier verläuft die Streitlinie zwischen der Verden-JungmanagerInnenclique plus Peter Wahl gegenüber vor allem Werner Rätz, z.T. auch anderen. Ähnlich verläuft die Streitlinie bei der Frage der Prominenten (Protokoll 26.7.01 unter Tagesordnungspunkt 5 "Lafontaine": "Sven: Brauchen Prominenz" - sichtbar wird im übrigen, daß Attac Lafontaine aktiv angeworben hat). Die dritte Streitlinie mit ähnlichen "Lagern" gibt es um die Frage der Organisationsstruktur. Vor allem aus Verden gibt es die Hoffnung auf einen straffen Verband. Als Pro-Punkte werden genannt, daß dann besser Personen aus "wichtigen gesellschaftlichen Bereichen" in Leitungs- und Repräsentationsgremien von Attac integriert werden können, das es dann Identifikationsmöglichkeiten für Mitglieder gibt, das Ganze besser steuerbar ist und eine Rechtssicherheit vor allem finanziell und personell entsteht - interessant: Obwohl das alles als positiv bewertet wird, tritt Attac nach außen als offen und als "Netzwerk" auf. Auch daraus ist die Verlogenheit des Konzeptes gut zu sehen.

6. Die Kritik von "links" geht an der Hauptfrage vorbei
Attac ist ein strategisches Projekt. Die inhaltlichen Fragen sind völlig nebensächlich. Der Vorwurf, Attac würde eine falsche ökonomische oder gesellschaftliche Analyse betreiben, ist zwar richtig und in vielen Texten auch überzeugend offengelegt, aber das ist nicht die Frage. Denn: Attac irrt nicht, die wissen, was sie tun. Attac ist nicht unser Gegner in ökonomischer Analyse (die widersprechen Dir einfach nicht, daher geht die Kritik von links, wo sich Linke von BUKO bis felS zwar als bessere ÖkonomiekennerInnen zeigen, an der eigentlichen Frage aber vorbeidiskutieren.
Attac ist eine Strategie. Die der totalen NGOisierung politischer Opposition. Und der Vorbereitung des Konzepts "global governance", der Beteiligung von sog. "Zivilgesellschaft" zur Akzeptanzbeschaffung einer Pseudodemokratie. Es ist völlig wurscht, ob die die Tobin Tax, Rot-Weiß Essen soll in die Champions League oder mehr Petersilie in die Bockwurst fordern. Entscheidend ist, daß damit ein Super-NGO geschaffen wird, der legitimiert SCHEINT (!!!!), die Zivilgesellschaft (also auch UNS in der vermittelten Bedeutung dieses Wortes) zu vertreten - zum Konzept der Zivilgesellschaft gehört aber dazu, daß es ein völlig undemokratischer abgehobener politische anbiedernder Funktionärshaufen ist. Solange die Debatten aber um Reform und Revolution oder sowas geht, trifft sie diesen Punkt nicht. Es geht mal wieder um Herrschaft! Und deren Legitimation und Ausbau durch die Einbindung eines kontrollierten Faktors "Zivilgesellschaft".
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Ergänzungen

Jeder so wie er es sieht!

Urmel 22.10.2001 - 13:27
Nichts zu tun, kann auch Politik sein!

Es gibt Viel zu tun!

Ali Met 22.10.2001 - 13:31
Saufen wir eerst mal einen, und schlafen ne Nacht drüber.

unsre gang ist super, eure gang ist doof

tick, trick & track 22.10.2001 - 15:23
versteh ich nicht. wenn es um herrschaft geht, dann doch darum, daß attac anscheinend leute wie euch einbinden will, damit auch sie "mitherrschen" können, im gegnsatz zu jetzt, wo man nur bischen krakeelen und folgenlos radikal sein darf. außerdem, warum regt ihr euch über andere gruppen so auf, ihr müsst doch nicht mitmachen, ihr könnt doch selbst ein breites bündnis zusammenrufen mit euren eigenen forderungen. das klingt eher nach neid, weil ihr wisst, daß bei eurer tollen gruppe keiner mitmachen will. überhaupt: landfriedensbruch - was soll das denn für eine name sein. findet ihr bürgerkrieg toll? seid ihr so typen, die irgendwelche geschäfte plündern und autos anzünden und sich dann wie die pariser kommunarden persönlich vorkommen?
kein wunder, daß das normale nette schlaue schlechtverdiener nicht anspricht, auch wen sie genauso angekotzt von dem spiel sind.

das was du erzählst

ö 22.10.2001 - 15:51
würde darauf hinauslaufen, gegen die wende 1989 in der ddr zu sein, da die ja auch verbotende sachen gemacht ahben, anstatt erich h. nette briefe zu schreiben. und die französische revolution erst - igitt! ein tolstoi würde heute im gefängnis sitzen wegen aufruf zu straftaten!

er war gar nicht da!!!

raus mit spaltern 22.10.2001 - 17:39
Die Gruppe Landfriedensbruch war gar nicht auf dem Kongreß, es ist anmaßend dann über Spaltung seitens Attac zu reden.

an tick, trick, track

22.10.2001 - 17:56
wenntu schon nicht argumentieren kannst, muttu nicht immer gleich auf alle einhacken, die ihr gehirn zu mehr benutzen können, als zur aufnahme von kommix.

selber denken

iii 22.10.2001 - 22:38
die gruppe landfriedensbruch hat lange mit attac zusammengearbeitet. im gegensatz zu dir kennen die die nicht nur aus flugblättern. - wunschvorstellungen bauen elfenbeintürme

die Strategiefrage stellen

keine Spaltpilze zulassen 23.10.2001 - 02:50
Die Feststellung ist richtig: "Attac ist ein strategisches Projekt. Die inhaltlichen Fragen sind völlig
nebensächlich." Die Frage ist aber, welche Strategie verfolgt Herr Projektwerkstatt? Es ist stets die Spaltung ausgehend von einer richtigen Feststellung, die aber das falsche Ziel vor Augen hat: nicht den Abbau von Herrschaft sondern den unproduktiven Streit unter dominanten Personen.