Genua - Innenministerium versus Eltern
Schreiben des Innenministeriums an Bodo Zeuner, Vater einer von der genueser Polizei mißhandelten Aktivistin, und Antwortschreiben an das Ministerium.
Fritz Rudolf Körper
Mitglied des Deutschen Bundestages
Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Inneren
Herrn
Prof. Dr. Bodo Zeuner
Sehr geehrter Herr Professor Zeuner,
besten Dank für Ihr Schreiben vom 2. August 2001. Herr Bundesminister Schily hat mich gebeten, Ihnen darauf zu antworten.
Bei seinem kürzlichen Treffen mit seinem italienischen Amtskollegen, Herrn Innenminister Claudius Scajola, hat Herr Minister Schily ihn auf die Ereignisse in Genua, die Sie und andere Beschwerdeführer geschildert haben, angesprochen. Innenminister Scajola hat Herrn Bundesinnenminister Schily zugesagt, die Vorwürfe zu prüfen. Unabhängig davon sind auch von der italienischen Justiz entsprechende Ermittlungen eingeleitet worden. Außerdem hat der italienische Senat eine Untersuchungskomission unter dem Vorsitz des früheren Innenministers Enzo Bianco eingesetzt.
Bundesminister Schily ist überzeugt, dass die genannten italienischen Instanzen entsprechend ihrem Auftrag die jeweiligen Untersuchungen mit der gebotenen Gründlichkeit und Sorgfalt durchführen werden. Soweit ein Fehlverhalten der italienischen Polizei im Einzelfall festzustellen ist, wird das sicherlich zu entsprechenden Konsequenten führen. Die Tatsache, dass Innenminister Scajola bereits personelle Umbesetzungen bei den Führungspositionen der italienischen Polizei vorgenommen hat, bestätigt das.
Der Klarheit halber ist jedoch auf folgendes hinzuweisen:
1. Militante Gruppen aus Italien und anderen Ländern haben mit erheblich krimineller Energie planvoll Gewalttaten großen Ausmaßes begangen, die zu umfangreichen Personen- und Sachschäden geführt haben. Diese kriminellen Gruppen tragen in erster Linie die Verantwortung für die Ereignisse in Genua. Ein hartes Vorgehen der italienischen Polizei gegen diese kriminellen Gruppen war notwendig und nicht zu beanstanden.
2. Die italienische Polizei befand sich in einer äußerst schwierigen Situation. Nach Genua sind etwa 200.000 Demonstranten eingereist. Leider haben sich die friedlichen Versammlungsteilnehmer nicht von den militanten Gruppen ferngehalten. Die friedlichen Demonstranten haben leider auch nicht für ein Mindestmaß an Organisation gesorgt, es gab weder einen Ordnungsdienst noch gab es verantwortliche Ansprechpartner für die Polizei.
Diese Tatsachen müssen bei einer objektiven Beurteilung mit einbezogen werden. Selbstverständlich rechtfertigt das in keiner Weise ein Verhalten der Polizei, das mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht in Einklang steht.
Die Bundesregierung wird sich aktiv dafür einsetzen, dass in Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden eine rasche Aufklärung der Vorwürfe erfolgt.
Prof. Dr. Bodo Zeuner
An den
Parlamentarischen Staatssekretär
beim Bundesministerium des Inneren
Herrn
Fritz Rudolf Körper
Alt-Moabit 101D
10559 Berlin
Sehr geehrter Herr Staatssekretär Körper,
für ihre Antwort nach 20 Tagen auf meinen im Namen der Eltern von in Genua polizeilich mißhandelten Demonstrant/innen geschriebenen Brief vom 2. August bedanke ich mich.
Allerdings fehlt mir jedes Verständnis für den Inhalt Ihrer Ausführungen. Zunächst verwahre ich mich gegen den bevormundeten und anmaßenden Ton („Der Klarheit halber ist jedoch auf folgendes hinzuweisen"): Sie dürfen hinweisen, worauf sie möchten, aber sie haben kein innenministerielles Monopol auf „Klarheit" zu beanspruchen!
Der Sache nach schaffen sie nicht Klarheit, sondern Verdrehung, wenn sie behaupten „Militante" und „kriminelle" Gruppen trügen „in erster Linie die Verantwortung für die Ereignisse in Genua", und den friedlichen Demonstranten wiederum eine Mitschuld an der Militanz, von der diese sich nicht ferngehalten hätten, aufbürden.
Es ist nachgerade perfide, auf diese Weise unsere Töchter und Söhne, die von einem Polizeikommando im Schlaf überfallen, halb tot geprügelt, auf der Polizeistation mißhandelt und in Todesangst versetzt wurden, jetzt zu Mitschuldigen, wenn nicht gar indirekt zu Hauptschuldigen an den Gewalttaten zu machen.
- Ist Ihnen nicht bekannt, daß es zu den genannten systematischen Polizeibrutalitäten mittlerweile über 100 glaubwürdige Augenzeugenberichte und Filmdokumente gibt, und dass niemand in der seriösen Presse mehr daran zweifelt, dass die mit dem Begriff „chilenische Nacht" bezeichneten Geschehnisse stattgefunden haben?
- Ist Ihnen nicht bekannt, das fast alle dieser Augenzeugenberichte von faschistischen Grüßen, Liedern, Parolen und Symbolen auf Seiten ihrer Peiniger berichteten - also von einem im italienischen Polizeiapparat offenbar seit langem vorhandenen und nicht erst durch militante Gipfel-Gegner erzeugten antidemokratischen Gewaltpotenzial?
- Ist Ihnen nicht bekannt, dass Journalisten und Augenzeugen übereinstimmend berichteten, die Genueser Polizei habe die Gewalttäter gewähren lassen und sei dann brutal gegen friedliche Demonstranten vorgegangen? Und dass es Beobachtungen und Bilddokumente über eine direkte Zusammenarbeit von Polizei und „Schwarzen Block" gibt?
- Wenn Ihnen dies alles nicht bekannt ist - woher nehmen Sie und der Minister, in dessen Auftrage sie schreiben, das Recht zu einer so immensen Ignoranz?
- Wenn Ihnen das bekannt ist, woher nehmen Sie das Recht, die Menschenrechtsverletzer und Kriminellen in der italienischen Polizei zu entschuldigen und zu verteidigen?
- Wieso ist eine Entschuldigung für Polizeibrutalität, dass so viele Demonstranten - 200.000, wie Sie schreiben - nach Genua angereist waren? Oder dass die „Friedlichen" sich nicht von den „Militanten", wie Sie schreiben, „ferngehalten" - hätten (was bei dem von Ihnen ausgemalten Gedränge ja schon rein technisch sehr schwierig sein musste)?
- Mit welchem Recht begrüßen Sie ein „hartes Vorgehen" der italienischen Polizei, wo doch für einen Innen- und Verfassungsminister als Bewertungsmaßstäbe für polizeiliche Aktionen nur die Effektivität, die Verhältnismäßigkeit, die Rechtmäßigkeit und die Rechtsstaatlichkeit zu gelten hätten?
Sehr geehrter Herr Staatssekretär,
ich bedaure, Ihnen zusammenfassend sagen zu müssen, dass ich nach Ihrer Antwort überzeugt bin, dass nicht nur in Italien, sondern auch in Deutschland die Menschenrechte, der Rechtsstaat und die Verfassung beim derzeit amtierenden Innenminister nicht in guten Händen sind.
Mitglied des Deutschen Bundestages
Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Inneren
Herrn
Prof. Dr. Bodo Zeuner
Sehr geehrter Herr Professor Zeuner,
besten Dank für Ihr Schreiben vom 2. August 2001. Herr Bundesminister Schily hat mich gebeten, Ihnen darauf zu antworten.
Bei seinem kürzlichen Treffen mit seinem italienischen Amtskollegen, Herrn Innenminister Claudius Scajola, hat Herr Minister Schily ihn auf die Ereignisse in Genua, die Sie und andere Beschwerdeführer geschildert haben, angesprochen. Innenminister Scajola hat Herrn Bundesinnenminister Schily zugesagt, die Vorwürfe zu prüfen. Unabhängig davon sind auch von der italienischen Justiz entsprechende Ermittlungen eingeleitet worden. Außerdem hat der italienische Senat eine Untersuchungskomission unter dem Vorsitz des früheren Innenministers Enzo Bianco eingesetzt.
Bundesminister Schily ist überzeugt, dass die genannten italienischen Instanzen entsprechend ihrem Auftrag die jeweiligen Untersuchungen mit der gebotenen Gründlichkeit und Sorgfalt durchführen werden. Soweit ein Fehlverhalten der italienischen Polizei im Einzelfall festzustellen ist, wird das sicherlich zu entsprechenden Konsequenten führen. Die Tatsache, dass Innenminister Scajola bereits personelle Umbesetzungen bei den Führungspositionen der italienischen Polizei vorgenommen hat, bestätigt das.
Der Klarheit halber ist jedoch auf folgendes hinzuweisen:
1. Militante Gruppen aus Italien und anderen Ländern haben mit erheblich krimineller Energie planvoll Gewalttaten großen Ausmaßes begangen, die zu umfangreichen Personen- und Sachschäden geführt haben. Diese kriminellen Gruppen tragen in erster Linie die Verantwortung für die Ereignisse in Genua. Ein hartes Vorgehen der italienischen Polizei gegen diese kriminellen Gruppen war notwendig und nicht zu beanstanden.
2. Die italienische Polizei befand sich in einer äußerst schwierigen Situation. Nach Genua sind etwa 200.000 Demonstranten eingereist. Leider haben sich die friedlichen Versammlungsteilnehmer nicht von den militanten Gruppen ferngehalten. Die friedlichen Demonstranten haben leider auch nicht für ein Mindestmaß an Organisation gesorgt, es gab weder einen Ordnungsdienst noch gab es verantwortliche Ansprechpartner für die Polizei.
Diese Tatsachen müssen bei einer objektiven Beurteilung mit einbezogen werden. Selbstverständlich rechtfertigt das in keiner Weise ein Verhalten der Polizei, das mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht in Einklang steht.
Die Bundesregierung wird sich aktiv dafür einsetzen, dass in Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden eine rasche Aufklärung der Vorwürfe erfolgt.
Prof. Dr. Bodo Zeuner
An den
Parlamentarischen Staatssekretär
beim Bundesministerium des Inneren
Herrn
Fritz Rudolf Körper
Alt-Moabit 101D
10559 Berlin
Sehr geehrter Herr Staatssekretär Körper,
für ihre Antwort nach 20 Tagen auf meinen im Namen der Eltern von in Genua polizeilich mißhandelten Demonstrant/innen geschriebenen Brief vom 2. August bedanke ich mich.
Allerdings fehlt mir jedes Verständnis für den Inhalt Ihrer Ausführungen. Zunächst verwahre ich mich gegen den bevormundeten und anmaßenden Ton („Der Klarheit halber ist jedoch auf folgendes hinzuweisen"): Sie dürfen hinweisen, worauf sie möchten, aber sie haben kein innenministerielles Monopol auf „Klarheit" zu beanspruchen!
Der Sache nach schaffen sie nicht Klarheit, sondern Verdrehung, wenn sie behaupten „Militante" und „kriminelle" Gruppen trügen „in erster Linie die Verantwortung für die Ereignisse in Genua", und den friedlichen Demonstranten wiederum eine Mitschuld an der Militanz, von der diese sich nicht ferngehalten hätten, aufbürden.
Es ist nachgerade perfide, auf diese Weise unsere Töchter und Söhne, die von einem Polizeikommando im Schlaf überfallen, halb tot geprügelt, auf der Polizeistation mißhandelt und in Todesangst versetzt wurden, jetzt zu Mitschuldigen, wenn nicht gar indirekt zu Hauptschuldigen an den Gewalttaten zu machen.
- Ist Ihnen nicht bekannt, daß es zu den genannten systematischen Polizeibrutalitäten mittlerweile über 100 glaubwürdige Augenzeugenberichte und Filmdokumente gibt, und dass niemand in der seriösen Presse mehr daran zweifelt, dass die mit dem Begriff „chilenische Nacht" bezeichneten Geschehnisse stattgefunden haben?
- Ist Ihnen nicht bekannt, das fast alle dieser Augenzeugenberichte von faschistischen Grüßen, Liedern, Parolen und Symbolen auf Seiten ihrer Peiniger berichteten - also von einem im italienischen Polizeiapparat offenbar seit langem vorhandenen und nicht erst durch militante Gipfel-Gegner erzeugten antidemokratischen Gewaltpotenzial?
- Ist Ihnen nicht bekannt, dass Journalisten und Augenzeugen übereinstimmend berichteten, die Genueser Polizei habe die Gewalttäter gewähren lassen und sei dann brutal gegen friedliche Demonstranten vorgegangen? Und dass es Beobachtungen und Bilddokumente über eine direkte Zusammenarbeit von Polizei und „Schwarzen Block" gibt?
- Wenn Ihnen dies alles nicht bekannt ist - woher nehmen Sie und der Minister, in dessen Auftrage sie schreiben, das Recht zu einer so immensen Ignoranz?
- Wenn Ihnen das bekannt ist, woher nehmen Sie das Recht, die Menschenrechtsverletzer und Kriminellen in der italienischen Polizei zu entschuldigen und zu verteidigen?
- Wieso ist eine Entschuldigung für Polizeibrutalität, dass so viele Demonstranten - 200.000, wie Sie schreiben - nach Genua angereist waren? Oder dass die „Friedlichen" sich nicht von den „Militanten", wie Sie schreiben, „ferngehalten" - hätten (was bei dem von Ihnen ausgemalten Gedränge ja schon rein technisch sehr schwierig sein musste)?
- Mit welchem Recht begrüßen Sie ein „hartes Vorgehen" der italienischen Polizei, wo doch für einen Innen- und Verfassungsminister als Bewertungsmaßstäbe für polizeiliche Aktionen nur die Effektivität, die Verhältnismäßigkeit, die Rechtmäßigkeit und die Rechtsstaatlichkeit zu gelten hätten?
Sehr geehrter Herr Staatssekretär,
ich bedaure, Ihnen zusammenfassend sagen zu müssen, dass ich nach Ihrer Antwort überzeugt bin, dass nicht nur in Italien, sondern auch in Deutschland die Menschenrechte, der Rechtsstaat und die Verfassung beim derzeit amtierenden Innenminister nicht in guten Händen sind.
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(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
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Ergänzungen
Mehr...
...
Es gibt doch noch Demokraten
Danke
solche leute brauchen wir
ja, ganz nett....