Infowar: "Celler Loch" in Genua

G. Orwell 17.07.2001 16:11 Themen: Medien
Am Montag platze in Genua eine Bombe. Am Dienstag wurde eine weitere Gefunden. Und morgen auch. Hatten die Medien uns nicht wochenlang davor gewarnt, daß so etwas geschehen würde? Oder ist alles ganz anders?
Kriege werden schon immer mit Informationen geführt. Ob mit Propaganda, Gerüchten oder Zerstörung bzw. Manipulation ger gegnerischen Informationskanäle. Im Informationszeitalter bekommen diese jedoch Strategien - nicht erst seit Echolon - eine wesentlich größere Bedeutung.
"Wenn das Entscheidende in den Kriegen der Zukunft nicht mehr die Feuerkraft, sondern die Informationsvorherrschaft ist, so die postmoderne Wende, dann zielt die Kriegsstrategie nicht mehr auf den Körper des Gegners, sondern auf seinen Geist. Die Selbst- und Umweltwahrnehmung des Gegners soll so strukturiert werden..." schreibt Ralf Bendrath in seinem Text Die Informationsrevolution und ihre Rezeption im strategischen Denken der USA.

Nach dem Kosovkrieg war wohl kaum jemand überrascht, als sich die meisten Greulmeldungen (Hufeisenplan, KZ's oder Massaker) als Propagandalügen von Scharping und befreundeten Medien herausstellten. Ob von Werbeagenturen, dem Militär oder von Scharping direkt erfunden ist erst mal nebensächlich. (Wer erinnert sich noch an die Brutkastenlüge vor dem Golfkrieg?) Überraschend war vielleicht, daß sämtliche bürgerlichen Medien wie gleichgeschaltet agierten, grundsätzliche Kritik nicht wahrzunehmen war. Auch die Konsumenten dieser Medien scheinen sich bis heute darüber kaum im Klaren zu sein. Nach dem Krieg waren dann die Medien nicht mehr wie davor. Der "Meinungskorridor", von dem Chomsky sprach ist seither viel enger geworden.
Ein Reader über die Infowar-Strategie während des Angriffskrieges der Nato hat das Gegeninformationsbüro ins Netz gestellt.
hier ist eine Linksammlung zum Thema Medien und Krieg



Auch gegen Opposition werden diese Strategien seit jeher angwendet. Im Falle der Propagandalügen ist die Berichterstattung zu Genua sehr interessant: Die Medien berichten darüber, daß Bin Laden, die Tschetschenen, Terroristen der IRA und ETA, sowie andere "Bösewichte" zusammen mit den "Anarchisten" planen, die Staatsches in Genua töten zu wollen. Mal ist die rede von AIDS-verseuchten Blut, mal von Biokampfstoffen, mal von Sprengstoff auf Segelflugzeugen. Da helfen dem Staat scheinbar nur noch Panzer, Stacheldraht und Maschinenpistolen. Nebenbei sei noch einmal erinnert, daß der italienische Regierungschef einer der größten Medienmogule der Welt in dessen Besitz viele Fernseh- und Radisender sowie Zeitungen - nicht nur in Italien - sind. Das ändert die Sache aber nur unwesentlich.
Zur Unterstützung dieser Kampagne, die bei der Bevölkerung Angst und Ablehnung auslösen soll (Angst soll natürlich auch bei den Dissidenten geschürt werden - daher die Body Bags, Leichenhallen und Luftabwehrraketen) ließ man mal eben noch eine Bombe hochgehen. Auch das ist üblich zur Stimmungsmache gegen die Opposition - nicht erst Hitler (Reichstagsbrand, Sender Gleiwitz) wußte das zu nutzen. 1978 ließ Niedersachsens Regierungschef Ernstt Albrecht den Verfassungsschutz in die JVA Celle ein Loch sprengen. Die Polizei wußte natürlich von nichts und so konnte die muntere Terroristenhatz beginnen. An einem anderen Ort - dem Hamburger Hauptbahnhof - wurde ähnliches versucht. Als die Sache aufflog, wurde dies juristisch gedeckt, da der Staat doch sein eigenes Eigentum zerstören darf. Wie das mit Betrug und Vortäuschen einer Straftat aussieht, wurde erst gar nicht verhandelt.
Zu dem angeblichen Anschlag in Genua schrieb die liberale österreichische Zeitung Standard: "Der Chef der italienischen GlobalisierungsgegnerInnen, Luca Casarini, kritisierte die Explosion des Sprengkörpers . "Diese Bombe ist gegen unsere Anti-Globalisierungsbewegung gerichtet gewesen. Während Tausende von Personen nach Genua reisen, um den Armen der Welt eine Stimme zu geben, reagiert das Imperium mit Terrorismus. Man wird uns aber nicht bremsen. Der bürgerliche Protest ist unsere Antwort", sagte Casarini, der eine Plattform aus mehreren Gruppen von MenschenrechtsaktivistInnen, Autonomen und Umweltschutzorganisationen führt.
"Mit dieser Bombe versucht man mit antidemokratischen Terrormitteln eine Bewegung zum Schweigen zu bringen, die die Basis eines Imperiums unterminiert. Es ist egal, wer die Bombe ins Kuvert gelegt hat. Wir wissen, wer dies getan hat. Die italienischen und ausländischen Geheimdienste haben in diesem Land in den vergangenen Jahren schon oftmals reaktionäre Gruppen eingesetzt, um ihre Strategie gegen die Demokratie durchzusetzen", sagteCasarini.
Vittorio Agnoletto, Chef des "Genoa Social Forums", einer Gruppe aus gemäßigteren GlobalisierungskritikerInnen, bezeichnete die Explosion als "verwerfliche Provokationen gegen eine Massenbewegung". "Da man nicht in der Lage ist, mit uns einen konstruktiven Dialog über die Themen zu führen, die wir vorschlagen, versucht man ein Klima des Terrors zu nähren, um uns in eine Spirale der Gewalt zu drängen", meinte Agnoletto. "
In den deutschen Medien wird das dann so beschrieben: "Das Soziale Forum von Genua, eine Dachorganisation von rund 800 Protestgruppen, verurteilte den Anschlag und äußerte die Hoffnung, dass er nicht zu Spannungen zwischen dem Staat und den Oppositionsgruppen führe. Das Forum erklärte sich zudem mit dem verletzten Polizisten solidarisch. Es erneuerte Einen Aufruf zu friedlichen Massendemonstrationen während des Gipfels."
Daß sich noch weitere Bomben finden, ist klar. Stimmung will ja gemacht werden. Die Strategen werden noch einige Überraschungen parat haben.
So eine Berichterstattung soll natürlich noch mehr als verunglimpfen. Eine Spaltung der Bewegung würde die Zerstörung am leichtesten machen. Bei vergangenen Bewegungen hat dies gut funktioniert. Verschiednen Fraktionen werden aufeinander gehetzt - unterschieden in die "guten" und "bösen", Streit innerhalb der Bewegung instrumentalsiert. Gern schaltzen sich dazu auch Provokateure in Diskussionen ein. Das ist auch hier bei Indymedia zu sehen.
Die "guten" Protestler dürfen in Medien klagen, daß die "bösen" verhindern, daß Inhalte in die Medien kommen. Dabei ist es doch die Entscheidung des Journalisten, über die Ereignisse und Inhalte während des Gegengipfels zu berichten. Das wird aber nicht getan. Wenn Journalisten Interviews führen, dann werden aber selten Inhaltliche Fragen gestellt. Auch die Bezeichnung einer Bewegung aus den veschiedensten Gruppen und Menschen mit einem Wort - "Autonome", "Globalisierungsgener" - sorgt neben den hervorgehobenen Gewaltdiskurs (der eigentlich gar nicht die Realität der Bewegung wiederspiegelt) für eine Abgrenzung von der Gesellschaft. Eine Identifikation mit Menschen, die von außen als eine feste Gruppe mit unverständlichen Forderungen und einem Hang zur Gewalt wahrgenommen werden, ist schwer möglich. Das mit den "unverständlichen Forderungen" hängt natürlich damit zusammen, daß Inhalte nicht oder nur (beweußt) verzerrt in den Medien erscheinen. Die Bezeichnung der Bewegung als "Globalisierungsgener", die eigentlich falsch ist (bei einer international vernetzten Bewegung) tut ein übriges. Die Wahrnehmung als gewalttätig wird verstärkt, indem die Regierung nach außen hin so tut, als wenn sie die "Strategie des Dialoges" wählt, in Wirklichkeit jedoch eskaliert und repressiv handelt. Da werden selbst Schüsse auf Demonstranten in den Medien bejubelt. Agent Provocateur tun ein übriges. Kaum eine größere Demonstration, auf der nicht versucht wird, die Situation durch Polizei in Zivil anzuheizen. Die Nachrichtenagentur AP schrieb erstaunlicherweise zu Ereignissen in Barcelona: "Zu den Krawallen kam es, als sich die Demonstranten im Anschluss an einen Protestmarsch in einem Park in der Innenstadt von Barcelona versammelten. Augenzeugen berichteten, die Polizisten seien in die Menge gestürmt, nachdem eine kleine Gruppe Maskierter ein Handgemenge gestartet habe. Bei den maskierten Männer und Frauen habe es sich offensichtlich um Polizisten gehandelt, und der Kampf sei inszeniert gewesen, hieß es. Die Bereitschaftspolizei sei erst eingeschritten, als sich Demonstranten in die Rauferei einschalteten. Die Polizei habe den Zwischenfall offenbar als Vorwand benutzt, die Demonstration aufzulösen, sagten Reporter vor Ort."

Links dazu:
- Noam Chomsky: Dikatur der Medien
- Macht der Manipulation?
- Infowar-Seite des Gegeninformationsbüros
- Medienrandale - Gegenstrategien
- Bundesanwaltschaft konstruiert neue RAF


Andere Seiten des Infowars, wie Überwachung, Besetzung und Zerstörung von Informationskanälen, hab ich nicht weiter erwähnt, obwohl sie nicht weniger wichtig sind: Gerade in Genua wird damit gerechnet, daß die Handynetze ausgeschaltet werden (es gab wohl schon einen Test). Bestimmte Mailinglisten zur Genuavorbereitung wurden mit Viren überhäuft und Überwachung ist eh nichts neues....
Wer Links und weitere Informationen hat: Bitte unten anfügen...
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Ergänzungen

wen wunderts?

17.07.2001 - 17:07


Nicht nur gefakte Anschläge vom geheimdienst auch "eine Reihe von
Attentaten in den 70er-Jahren, die zunächst der italienischen Linken in die Schuhe
geschoben wurde, tatsächlich aber auf das Konto von radikalen rechten
Splittergruppen gingen, wie sich später herausstellte." (telepolis) sind bekannt. Währen eine Bewegung
nach der Anderen verschwand und neu entstand, hat der Staat jedesmal dazugelernt. Wir müssen bei einigen Dingen
(in denen uns etwa die 68er voarraus waren) neu anfangen - der Staat macht weiter. Er hat hunderte Strategen und
Psychologen und Werbefachleute - Die Frage ist, ob wir wachsam genug sind. Auf jeden Fall sind mit die
wichtigsten Dinge: 1) Dialog mit Norm,alos - Das von den geschaffenen Bild muss durchbrochen werden und 2)
Spaltung verhindern. Am besten mit Leuten reden die dahin tendieren andere Fraktionen auszugrenzen.
(Verschiedene Utopien und Wege dorthin widersprechen sich nicht) ............................... interessanter Text zu Genua-Bomben: Link anklicken

ohja

onein 17.07.2001 - 18:18
"Die Medien berichten darüber, daß Bin Laden, die Tschetschenen, Terroristen der IRA und ETA, sowie andere "Bösewichte" zusammen mit den "Anarchisten" planen, die Staatsches in Genua töten zu wollen. Mal ist die rede von AIDS-verseuchten Blut, mal von Biokampfstoffen, mal von Sprengstoff auf Segelflugzeugen"

---> Das sind doch gute Ideen ! ;-)

wie wärs wenn wir einmal genau das tun, was die Bösen über uns behaupten. Denn das erwarten sie bestimmt nicht !

Hannelore Kohl 17.07.2001 - 19:55
Naja, denkst Du denn, daß wenn Bush tot ist, die Welt gut wird? Der ist doch auch bloß ein Produkt des Systems.Wir müssen Rudolf Scharping erwischen, der ist viel hässlicher!

Schluss mit der Repression!

ein Leser 17.07.2001 - 22:03
Nun ja, eine Auswirkung haben die "Bomben" von Genua schon gehabt: es gab in mehreren norditalienischen Städten Hausdurchsuchungen.

"Angaben aus den Justizkreisen zufolge wurden bei den Razzien in Genua, Venedig, Florenz und Padua keine Schusswaffen und Sprengstoffe gefunden. Die Agentur ANSA meldete, in Padua habe die Polizei Schlagstöcke, Kugeln für Schleudern und Teile für Brandsätze entdeckt."
[Reuters - 17. Juli 2001]

Razzien in Italien

Rudolf Scharping 17.07.2001 - 22:28
Das schöne an diesen Razzien: Nicht mal ein Tag danach fanden die statt! Ungewöhnlich wioe schnell die Polizei in Italien reagiert - oder sollte etwa..... ?

hilfe !

xyz [a] 18.07.2001 - 00:21
in meinem kleiderschrank [t-shirt]und meiner küche [milchsflaschen] finden sich auf teile von brandtsätzen ! wo kann ich mich freiwillig stellen ??

Komisch gell?

Doc Sneider 18.07.2001 - 14:29
Mir fallen da auf anhieb noch ein paar andere "Terroranschläge" ein:
Oktoberfest Attentat, Solingen(einer der Täter arbeitete für den VS), Anschlag auf die Düsseldorfer U-Bahn (????) usw. usf..
Aber soetwas gibt es natürlich nur bei euch und bei anderen nicht!

das hat seit jahren methode

paran0id 18.07.2001 - 15:26
Gerade in Italien ist Gladio (ein faschistisches Terrornetz der NATO) sehr stark, und aktiv.
Dieses Netz ist genau für solche Aufgaben zuständig, und hat auch derartiges in der Vergangenheit mehrfach durchgeführt.
Auch wenn diese inzwischen aufgelöst sein soll, scheint Italien damit mehr Probleme zu haben, diese Gruppe aufzulösen, da sie dort viel Einfluss hat.

z.B ein paar Infos unter :

 http://www.dir-info.de/nachrichten/ifolinks/00/03/0003135367ba94.htm
 http://zoom.mediaweb.at/zoom_4596/gladio.html
 http://zoom.mediaweb.at/zoom_4596/naumann.html
 http://gib.squat.net/texte/drogen-kontraguerilla-nazis.html
 http://www.nadir.org/nadir/periodika/lotta_dura/n9/gladio.html

oder einfach mal nach Gladio suchen ;)

Reichstagsbrand in Italien

18.07.2001 - 18:41
Jetzt lässt Berlusconi sogar Brandbomben an seine Untergebenen schicken, damit die Hetze perfekt ist!

In meinem Kühlschrank steht...

19.07.2001 - 18:19
ich weiß es genau...
ein Atomkraftwerk vor dem Supergau...

österreich

eine kreatur 21.07.2001 - 23:05
im österreichischen staatsfernsehen geht´s auch schlimm zu ..... hier ist von "wenigen gewalttätern", "barbaren" usw. die rede ...... außerdem hab ich so nebenbei mitbekommen, daß gestern auch der berüchtigte kommandant der ebenfalls berüchtigten wiener polizeispezialeinheit wega, der sich in genua befand, zu den ausschreitungen interviewt wurde. was er in genua macht, ob er privat (wohl kaum) oder dienstlich dort ist .... keine ahnung.
bis auf den online-standard gibt es in österreich keine halbwegs brauchbare oder objektive berichterstattung ......

noch was

eine kreatur 21.07.2001 - 23:17
noch immer offene fragen - was ist denn mit der einen person, die die polizei kurz vor dem gipfel in genua mit einer großen menge sprengstoff und waffen aufgegriffen hat? eine schlagzeile und aus?
wer war der mann? also wenn der was mit uns zu tun hätte, wäre das wohl der aufhänger der woche gewesen!
.......