-G8 - die hochindustrialisierten Länder

rp 13.07.2001 02:19 Themen: Globalisierung
-Gx - the highly industrialized countries ...

Nicht zufällig fällt die erste Sitzung des (damals noch) G5 benannten Kreises in eine Krisenphase der fordistischen Regulationsweise. Am 17. November 1975 trafen sich in Frankreich auf Schloß Rambouillet die 'am stärksten industrialisierten Länder'. Dem vorausgegangen waren mehrere informelle Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs, die aufgrund der Loslösung der Währungen vom Goldstandard (1973) und der akuten 'Oelkrise' - nun - redebedarf anmeldeten.
Der durch die fordistische Produktions- und Regulationsweise entstandene Traum immer währender Prosperität kehrte Ende der sechziger, Mitte der siebziger Jahre auf den Boden der Realität - aka Krise - zurück. Im Kern wurde die Krise des Fordismus durch einen Rückgang der Kapitalrentabilität in allen kapitalistischen Metropolen verursacht.

Ein Blick zurück offenbart, dass die enormen Wachstumsraten auf der Ausschöpfung vorhandener Produktivitätsreserven und einer keynesianischen Regulierung der zunächst auf den Binnenmarkt konzentrierten Produktion fußten. (Das Nachkriegsdeutschland orientierte sich jedoch schon damals stark auf den Export. Bspw. Käfer.) Diese Produktivitätsreserven speisten sich jedoch nicht aus einem nimmer versiegenden Quell, sondern die tayloristische Zerlegung des Arbeitsprozesses und deren Neuzusammensetzung konnten nicht weiter bzw. in gleichbleibendem Tempo optimiert werden, was sich einhergehend mit zunehmenden Klassenkonflikten teilweise negativ auf die Profitraten auswirkte.

Dieser Prozess begann die Fundamente des staatsinterventionistischen Regulationsmodus zu untergraben. Sozialstaatliche Verteilungspraktiken bzw. Subventionspolitiken, die sich zuvor aus den starken Sozialproduktzuwächsen speisten, konnten mit deren Abflachung und Verlangsamung nicht mehr finanziert werden und wurden damit zu einem weiteren Verstärker zur Schmälerung der Profitrate. Insbesondere der internationale Wettbewerb, angeheizt durch die Liberalisierung der Märkte und damit einhergehender Gewichtung auf den Exportsektor, führte einerseits zu einer geringer werdenden Bedeutung des Binnenmarktes [ Hirsch schreibt hierzu: "[...] dass die Verwertung des Kapitals von der Entwicklung der Masseneinkommen nicht nur unabhängiger wurde, sondern dass die Höhe der Löhne als Kostenfaktor im internationalen Wettbewerb immer wichtiger erschien." (Hirsch 1995: 84)] und nicht zuletzt zu einem Druck auf die Lohnhöhe.

Eine weitere Marge der krisenhaften Entwicklung des Fordismus stellt der Zusammenbruch des Systems fixer Wechselkurse von Bretton-Woods Anfang der siebziger Jahre dar. Dieses System, das die nationalen Ökonomien unabhängig vom jeweiligen Goldvorrat machte, band die nationalen Währungen an den Dollar. Gleichzeitig unterlag der Handel mit Devisen staatlicher Aufsicht und war in vielen Ländern genehmigungspflichtig. Durch den Druck der Banken und der Industrie gaben ab 1970 die USA, BRD, Kanada und die Schweiz die Kapitalsverkehrskontrollen auf. Aus Sicht von Martin/Schumann [Martin, Hans P. / Schumann Harald, Die Globalisierungsfalle. Rowohlt, Hamburg 1997: 73ff] gab dies das Inizial für den Zusammenbruch des Systems fester Wechselkurse. Im internationalen Wettbewerb geriet die amerikanische Ökonomie vor dem Hintergrund ihres kostspieligen Militärapparates und des in Gang gesetzten wirtschaftlichen Aufholprozesses Japans und einiger europäischer Staaten unter Druck, mit der Folge eines volkswirtschaftlichen Defizits, wachsender internationaler Verschuldung und einer Schwächung des Dollars, was die USA zwang ihre Golddeckung aufzugeben. [Vgl. Altvater 1992: 144] Der Zusammenbruch Bretton-Woods´ führte zur Aushebelung der "institutionalisierten politischen Regulierung des Weltmarktes" [Hirsch 1995: 85].

Die Verwertungskrise des Fordismus, d.h. Einer auf Skalenökonomie begründenden Wirtschaftsweise bedeutet im Kern dass die Produktion nicht im Einklang mit dem Absatz der produzierten Güter steht. Aus diesem Grunde nahm die Profitabilität von Anlageformen jenseits der direkten Investitionen in die materielle Güterproduktion zu. Insbesondere die Entwicklung der globalen Finanzmärkte und eine stärkere Kapitalmarktorientierung der Unternehmen wurde hierdurch befördert. Der Zusammenbruch des System fester Wechselkurse führte zu einer Ausweitung der Devisenmärkte und entsprechend einer Ausweitung der Spekulation. Daran schloss sich eine schrittweise deregulierung der nationalen Finanzmärkte an. Eine ausweitung der nationalen, wie internationalen Anlagemöglichkeiten für Geldkapital spitzte nun die Rentabilitätsanforderungen an produktive Investitionen zu.

Auf diesem Weg spielte ein später als G5 bzw. noch später G7 und heute als G8 bekannter Kreis zumeist Schlipstragender Männer eine grosse Rolle:

Auf Einladung des US-amerikanischen Finanzministers George Shultz kamen am 25. März 1973 seine Amtskollegen aus Frankreich, Großbritannien und Deutschland zu einem informellen Gespräch ins Weiße Haus zusammen. Thema der Zusammenkunft war das währungspolitische Chaos (durch Aufgabe der Golddeckung) und ihre jeweiligen Standpunkte hierzu. Entscheidungen wurden bei dieser Zusammenkunft keine getroffen, lediglich das Vorhaben dieses Treffen fortzusetzen und den japanischen Finanzminister dazu einzuladen. In den folgenden Monaten gab es dann einige solcher Folgetreffen zu fünft, und bald schon konnte man in der Presse den Ausdruck: "G-5" lesen.

Diese Treffen waren die Keimzelle des "G7-Finanzgipfels", bei dem sich regelmäßig die Finanzminister und Notenbankchefs treffen. Es dauerte jedoch noch zwei weitere Jahre, bis eine Initiative des französischen Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing dazu führte, daß Frankreich am 17. November 1975 in Schloß Rambouillet Gastgeber des ersten Gipfeltreffens der am stärksten industrialisierten Länder wurde.

Giscard d'Estaing hob das G5 von der Ebene der Finanzminister auf die der Staatsführung, was unter anderem daran lag, dass er ja nun auch vom Finanzminister zum Präsidenten avancierte - ebenso wie sein Kollege Helmut Schmidt, der in der Zwischenzeit deutscher Bundeskanzler geworden ist. Akute Problemlage war eine gereifte Krise, die weiterhin mit dem Zusammenbruch des internationalen Währungssystems, und einem rasant gestiegenen Ölpreis umrissen werden kann.Zu diesem ersten Gipfel kamen sechs Staats- und Regierungschefs: die ursprüngliche Fünfergruppe und der italienische Ministerpräsident. Im folgenden Jahr waren es durch die Einbeziehung Kanadas dann sieben, und damit war die G7-Gruppe endgültig aus der Taufe gehoben.

Das Treffen von Rambouillet hatte noch nichts von einer internationalen Konferenz an sich. Den Vorstellungen des französischen Präsidenten entsprechend sollte es sich um ein informelles Treffen im kleinen Kreis handeln. Valéry Giscard d'Estaing selbst brachte lediglich zwei Spitzenbeamte mit. Seit 1975 treffen sich die Staats- und Regierungschefs der am stärksten industrialisierten Länder der Erde jedes Jahr zwei Tage lang zu einem Meinungsaustausch über die wichtigsten aktuellen Probleme. Dabei wird auch der Präsident der EU-Kommission beigezogen. Im Lauf der Jahre sind die Delegationen ununterbrochen gewachsen, und auf dem Gipfel von Halifax (Kanada) umfaßte die US-Delegation nicht weniger als 500 Personen. Die G7-Gipfeltreffen wurden auch zu einem der größten internationalen Medienereignisse. Für das Lyoner Treffen im Juni wünschte sich das Gastgeberland Frankreich deshalb ein "Zurück zum Ursprung": Man bat die Teilnehmerländer um einen "Schritt der Bescheidenheit" - das heißt, sie sollten selbst die Zahl der eingeladenen Mitarbeiter begrenzen.

Dem Gastgeberland steht bei der Organisation eines G7-Gipfels eine entscheidende Rolle zu. Insbesondere hat es die Tagesordnung nach Rücksprache mit den anderen Teilnehmern festzusetzen und kann so dem Treffen seinen Stempel aufdrücken. Die G7 ist keine internationale 'Institution', besitzt kein politisches Mandat und daher auch keine permanenten Strukturen. Von einem Gipfel zum anderen arbeiten die sogenannten "Sherpas" an der Vorbereitung der Diskussionen und an der endgültigen Form der Dokumente. So heißen im Jargon der Konferenz die persönlichen Vertreter der Staats- und Regierungschefs, die diesen beim 'erklimmen des Gipfels' behilflich sind. Aber auch diese "Sherpas" haben ihrerseits im Lauf der Jahre ein kleines Team von Mitarbeitern aufgebaut. Es besteht aus zwei "Vize-Sherpas" für den wirtschaftspolitischen Teil der Beratungen, von denen einer aus dem Außen-, der andere aus dem Wirtschaftsministerium kommt, sowie aus dem Direktor der Außenpolitischen Abteilung des Außenministeriums für den politischen Teil der Tagesordnung. Mit der steigenden Anzahl der für diese Gipfel beschäftigten weitet sich entsprechend das Feld der Thematik. Die Spanne reicht von makroökonomischen Fragen, Handel und Entwicklung bis zu Veränderungen in den Reformstaaten. Über die Umsetzung der auf dem Gipfel getroffenen Entscheidungen wachen die Außen- und Wirtschaftsministerien der Teilnehmerländer.
Der Anlass für diese Gipfeltreffen waren zunächst makroökonomischer Natur. Seit 1978 treten ebenfalls politische Problematiken auf den Plan (bspw. Massenarbeitslosigkeit oder Kernenergie).
Mit dem Jahr 1994 wurde der russische Staatschef - obwohl nicht formelles Mitglied - zur Teilnahme an der zweiten Hälfte der Beratungen eingeladen. Der zweite Tag dient - nunmehr zu acht - politischen Gesprächen. Diese Diskussionen gehen dann in eine Erklärung ein, die traditionellerweise vom Gastgeberland veröffentlicht wird. Seit 98 ist Russland regelgerecht in den Club aufgenommen.

Eine Auswahl der Themen in ungeordneter Reihenfolge: Kernkraftwerke, Beschäftigungssituation, Oelpreise, Exportförderung von Rüstungsgeschäften, electronic commerce, Entschuldung, Finanzmärkte

Letztlich kann vereinfacht gesagt werden, dass die G5/7/8 eine Art Deliplenum der aufgrund wirtschaftlicher Entwicklung zur gemeinsamen Diskussion genötigten Nationalstaaten darstellt. Die sich selbst gesetzte Aufgabe besteht in der Reaktion auf Kapitalismusimmanente Krisenpotentiale und der Regulation, bzw. forcierung von aus Globalisierungstendenzen entstehenden Problematiken.

Insbesondere bzgl. einer Ausgestaltung des Finanzmarktes (liberalisierung / schaffung multipler Finanzanlagemöglichkeiten)ist die Abstimmende Funktion des Gipfels nicht zu unterschätzen. Letztlich kann die ideologische Phrase der 'new economy' als ein Richtungswechsel markierender Eckpunkt, von der materiellen zur immateriellen Produktion (e-commerce, IT, Finanz- Aktienmarkt) gesehen werden, der u.a. auf den Gipfeltreffen verhandelt wurde. Nicht im Sinne einer Verschwörung, sondern als Reaktion der Nationalstaaten, auf die subjektlose Selbstbewegung des 'sich selbst verwertenden Wertes'. Diese zu regulieren, bzw. abzustimmen und zu gestalten ist die selbstgesetzte Aufgabe des Gipfels.
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Ergänzungen

grazie

ein studierender 13.07.2001 - 15:56
ein leises, frohes danke für den stil, die sprache des berichtes. ein ganz aufschlussreicher artikel.
es wäre schön gewesen, wäre der exclusive moment der treffen - wir, die mächtigsten acht, treffen uns, für unsere wirtschaft und politik [also für unseren kapitalismus und unsere kapitalisten] und beraten locker, fröhlich und leicht oder auch mal angespannt und besorgt über das schicksal der GANZEN welt, immer im sinne UNSERER interessen.
und alle vertretungen anderen länder
und vor allem die unter unseren beschlüssen mutmaßlich leidenden, ausgebluteten länder
bleiben ausgeschlossen.
und soziale, unabhängige initiativen sowieso.
sollen die doch ein mal in vier jahren ihre vertreter ins parlament wählen.
eben ihre stimme abgeben.

zeigen wir unsere stimme, unser gemüt, unsere art und unseren willen in genua. wir müssen uns nicht einschließen.

keine Institution

Mr.Yates 14.07.2001 - 12:57
"Die G7 ist keine internationale 'Institution', besitzt kein politisches Mandat und daher auch keine permanenten Strukturen."
Deshalb verstehe ich auch die Kritik nicht, das G8 Treffen sei undemokratisch. Es beraten auf dem Treffen Staatschefs die alle aus demokratischen Ländern stammen also vom Volk gewählt wurden.

Um es kurz zu halten Mr.Yates

Liam 15.07.2001 - 21:43
Die g8(!) stellt sehr wohl ein etabliertes institutionalisiertes Gipfelregime mit gemeinsamen normen und Prinzipien dar - also vielleicht doch Strukturen ???
die g8(!) besitzt kein politisches mandat ??? hält aber insgesamt 49.44% der IWF stimmenanteile und 48.22% der stimmenanteile an der Weltbank laut weltbankreport `98 - ich denke eine gewisse politische einflußnahme eben gerade ohne mandat der bevölkerung ist nich zu übersehen

Was ist denn an der G8 bitte falsch?

Loko 20.07.2001 - 19:53
Die G8 hat KEINE formelle Struktur und ist KEINE formelle Institution. Das is nunmal ein Fakt an dem nicht zu rütteln ist.
Das die G8 Staaten ein hohes Mitspracherecht innnerhalb des IWF und der Weltbank haben ist eine logische Konsequenz aus der Tatsache, dass diese Länder auch einen entsprechenden finanziellen Beitrag leisten.
Was soll das ganze Gefasel hier eigentlich? Warum ist denn die Absprache und Koordination innerhalb der wichtigsten Wirtschaften schlecht? Die Globalisierung die Milliarden von Menschern ein Zukunft gibt (siehe den massiven Aufschwung Südostasiens innerhalb der letzten Jahre, der fast ausschliesslich auf internationalem Handel basiert)beruht nunmal auf internationaler Zusammenarbeit und Absprachen. Klar verfolgen die G8 Staaten nicht nur altruistische sondern auch ihre eigenen Interessen. Anderseits ist die Armut in der 3. Welt zu 90% eine Folge der gesellschaftlichen Missstände in diesen Ländern und nicht die Folge der Einflussnahme der "ach so Bösen" G8 Staaten. Die Welt ist nunmal nicht Schwarz-Weiss. Aber mit dieser komplizierten Realität könnt Ihr Hohlköppe ja gar nicht anfangen. Ihr braucht ein Opfer, "den Ursprung allen Übels", um eure Wut zu kanalisieren und eurem verschiessenen Leben wieder Sinn zu geben. Aber das hatten wir ja schon mal: Damals war es das Böse des Internationalen Judentums auf das sich die Wut des Plebs kanalisierte und austob. So Leute wie Ihr wird es immer geben. Leider ist die Welt nicht so simpel und die G8 hat auch (mehrheitlich!) gute Seiten und nicht NUR schlechte.

Das geht zuweit

loko 25.07.2001 - 10:54
Obwohl sich meine grundlegende Haltung nicht geändert hat möcht ich doch sagen, dass die Polizei in Genua anscheinend nicht mehr klar ist in der Birne und sich nicht im Griff hat. Was die da angerichtet haben ist ja die reinste Bananenrepublik-Polizei Aktion. Da wird einem ja Angst und Bange. Man sollte geistig simplen Menschen halt keine Waffen und Macht geben. Das führt zu gar nix!