20.Juni: Lufthansa geht offline
[update: 20/6/01 - 17:00] Die Online- Demo war ein Erfolg, für kurze Zeit waren die Lufthansa- Seiten nicht erreichbar, und Flugbuchungen im Internet nicht mehr möglich. Vor allem aber wurde sehr viel Medienaufmerksamkeit erreicht, und die Beteiligung an der Online- Demo war heute morgen bei vielen Menschen Gesprächsthema Nummer eins. Bei der Lufthansa- Jahreshauptversammlung in Köln wurde protestiert, am Alexanderplatz in Berlin ein großes Transaprent aufgehängt: Miles and Mord.
[update: 20/6/01 - 12:00] Die Lufthansa-Webseiten waren einige Zeit zum Teil nicht erreichbar. Den Statistik-Graphen gibt es weiterhin unter http://de.indymedia.org/demo.
[update: 19/6/1-15:30] Die Lufthansa verkauft jährlich 10.000 sogenannte "Deportee-Tickets" an den deutschen Staat und ist damit die größte Nutznießerin im Geschäft mit der Abschiebung per Luft. Ein Teil dieser Abschiebungen findet mit direkter körperlicher Gewalt durch BGS-Beamte statt, unter der Anwendung von Fesseln, Knebeln, Klebeband. Bisher wurden zwei Flüchtlinge auf den Sitzen der Lufthansa getötet.
Im Rahmen der Kampagne gegen die "deportation-class" rufen kein mensch ist illegal und libertad! zur weltweiten Online-Demo vor dem Internetportal der Lufthansa auf. Mit dieser relativ neuen Aktionsform wird auch gezeigt, dass das Internet kein Raum ist, in dem die Konzerne in Ruhe ihre Geschäfte abwickeln können, sondern dass sie auch hier mit massenhaften Protesten gegen ihre Praxis konfrontiert werden.
mehr Infos bei:Libertad!
kein mensch ist illegalUpdate 20.6., 17 Uhr:
Bilder von den Protesten vor der Lufthansa-Aktionärsversammlung: http://www.kmii-koeln.de
Bericht von der Jahreshauptversammlung: Ein nicht nur virtueller Schlag im Flügel des Kranich
Das Informationsmaterial - flyer, deportationclass-Tüten, Zeitungen, "Info für Investoren" - das den AktionärInnen in Köln am Eingang geschenkt wurde, scheiterte an den strengen Sicherheitskontrollen (Bild)
Bilder von der Lufthansa Aktion in Berlin , Nahaufnahme Miles and Mord
Lufthansa-Seite um 10 Uhr 20 nicht erreichbar
DFN abgetrennt
Kommentare zur Online-Demo (mit widersprüchlichen Einschätzungen).
Neue Aktionsformen brauchen häufig etwas Gewöhnungszeit
Zur Erinnerung
Am 30. August 1994 wird der Nigerianer Kola Bankole in Hockstellung gefesselt von BGS-Beamten ins Flugzeug getragen. Als er in seinen Sitz gezwungen werden soll, wehrt er sich immer noch heftig, worauf ihm ein Beamter ein Skisockenknäuel in den Mund presst und mit einem Gurt anzieht. Dies obwohl er zuvor schon Blut gespuckt hatte. Dem Gefesselten verpasst der anwesende Arzt eine Beruhigungsspritze. Als der Nigerianer zusammensackt, unternimmt der Arzt zunächst keine Hilfeleistungen. Wenig später ist Kola Bankole tot.
Am 28.Mai 1999 wird der Sudaner Amir Ageep an Händen und Füssen gefesselt und mit einem Integralhelm auf dem Kopf im Mittelsitz einer Dreierreihe angeschnallt. Als er sich immer noch panisch wehrt, stemmen sich drei BGS Beamte auf ihn, drücken seinen Oberkörper und den Kopf nach unten. Nach einigen Minuten ist Ageep erstickt.
Dies sind nur die tragischen Höhepunkte einer Abschiebepraxis, in der Fesseln, rassistische Beschimpfungen, Schläge, Klebeband und Knebel zur normalen Behandlung für sich wehrende "Schüblinge" gehört.
Lufthansa in der Kritik
Kola Bankole und Amir Ageep starben in Maschinen der Lufthansa. Von den über 30.000 "deportee tickets" die jährlich für abgelehnte Asylbewerber ausgestellt werden, werden ca. 10.000 von der Lufthansa verkauft. Für dieses Geschäft mit der Abschiebung ist die Fluggesellschaft seit dem Tod von Amir Ageep in heftige Kritik geraten. Bei der Aktionärsversammlung vor einem Jahr gelang es der Stop Deportation Class-Kampagne, mit ihrer Kritik den Geschäftsablauf empfindlich zu beeinflussen. Die Pilotenvereinigung Cockpit und die ÖTV sprachen sich gegen die Abschiebepraxis aus und empfahlen ihren Mitgliedern, unfreiwillige Beförderungen von Abschiebehäftlingen nicht mehr durchzuführen. Schließlich sah sich Vorstandssprecher Thomas Weber gezwungen, selber die Beförderung von sich wehrenden "Schüblingen" in Frage zu stellen. Aber zu einem Ausstieg aus dem schmutzigen Geschäft mit der Abschiebung, wie es die niederländische Air Martin, die belgische Sabena oder die Swissair bereits vollzogen haben, sah sich der Konzern bisher noch nicht gezwungen.
Die Rechtslage für ein Ablehnen der Beförderung ist übrigens eindeutig. Nach dem Tokyoter Abkommen von 1963 hat der Flugkapitän die "Bordgewalt", sobald sich die Türen schließen. BGS-Beamte und Flüchtlinge sind somit gleichermaßen Passagier und wenn der Pilot ein Sicherheitsrisiko für einen der Mitreisenden feststellt, hat er sogar die Pflicht, den Start zu verweigern. Hier kann auch die Solidarität der Mitreisenden relativ einfach greifen: wenn z.B. viele Passagiere lautstark protestieren und sich weigern, ihre Plätze einzunehmen, kann der Start nicht durchgeführt werden. Und gegen prügelnde BGS-Beamte einzuschreiten ist kein Widerstand gegen die Staatsgewalt, vielmehr das einzig rechtmäßige in dieser Situation - alles andere wäre unterlassene Hilfeleistung.
Die Lufthansa nicht die einzige Firma, mit Abschiebungen Geld verdient. Die meisten großen Europäischen Airlines sind im Abschiebegeschäft. Die rumänische Fluggesellschaft TAROM bietet sogar reine Abschiebe-Charterflüge mit eigenem Sicherheitspersonal an, incl. "ärztlicher Betreuung" und routinemäßig mitgeführten Elektroschockgeräten. Mit der Lufthansa wird jedoch ein Konzern angegriffen, der mit einer Imagekampagne empfindlich getroffen werden kann und der das zynische Ineinander von Service-Gesellschaft und rassistischer Praxis aufs Beste repräsentiert.
Online demonstrieren?
Eine Online-Demo ist nur eine Ergänzung, nie eine Alternative zu anderen Formen des Widerstands. Wenn aber Konzerne immer größere Teile ihres Gewinns im Internet erwirtschaften, dann muss Widerstand gegen ihre Politik sie auch an diesem Ort treffen. Schon jetzt hat die Lufthansa im Netz ihre größte Filiale, will in diesem Jahr 500.000 Tickets online verkaufen, im Jahr 2005 sollen es dann ein Viertel der Tickets sein. Die wirtschaftlichen Ausfälle durch die Blockade werden sich trotzdem in Grenzen halten, nur wenige werden ihren Flug woanders buchen, nur weil sie ein paar Stunden nicht auf die Lufthansa-Seite kommen. Und eine dauerhafte Blockade, wie es das mexikanische Finanzministerium und der Spielzeugkonzern Etoys zu spüren bekamen, wird bei der immensen Kapazität der Seite nicht zustande kommen. Doch es geht nicht in erster Linie um wirtschaftlichen Schaden (der ließe sich durch ein paar geziete Hacks einfacher erreichen), es geht darum, Öffentlichkeit zu schaffen, durch neue Aktionsformen neue Leute zu mobilisieren, den globalen Widerstand in globalen Aktionen abzubilden und damit die Lufthansa bei ihrem teuer erworbenen Saubermann-Image zu packen. Schon jetzt gibt es eine immense Medienberichterstattung und wenn es wirklich gelingen sollte, zehntausende an die Computer zu bekommen, dann ist das Kampagnenziel, Lufthansa zu einem Ausstieg aus dem Abschiebegeschäft zu zwingen, greifbar nah.
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Hintergründe
Online-Widerstand, Wireless Communities und die Macht von Diskursen
Interview mit Ricardo Domínguez
Ricardo Domínguez lebt in New York und ist einer der Begründer des Electronic Disturbance Theatre. Die Gruppe macht seit Ende der 90er Jahre mit elektronischem zivilen Widerstand von sich reden und entwickelte zur Unterstützung der zapatistischen Bewegung in Chiapas das Zapatista FloodNet, eine Software zur Automatisierung elektronischer Sit-Ins, die wiederholt u.a. gegen die mexikanische Regierung eingesetzt wurde. Als Mann vom Theater agiert Domínguez vor allem auf der performativen Ebene von elektronischem Widerstand, in jenem Bereich des information warfare, der auf der Ebene von Diskursen ausgetragen wird. Miriam Lang befragte ihn zum Verhältnis zwischen indianischen Zapatisten in Mexiko und globaler zapatistischer Bewegung sowie zur Reichweite dieser Ebene von Widerstand.
Formen und Geschichte digitalen Ungehorsams
1. Formen digitalen Ungehorsams
Der Cyberspace ist ein neuer öffentlicher Raum, der so umkämpft ist, wie es der städtische der bürgerlichen Gesellschaft einst war.
2. Die Zukunft des zivilen elektronischen Widerstands
Email-Interview mit Ricardo Dominguez, Online-Aktivist der ersten Stunde und Mitentwickler der FloodNet-Technik für virtuelle Sit-ins.
3. Zur Geschichte des elektronischen zivilen Ungehorsams.
denial of service, virtual reality sit-in, hacktivsm? Eine Einführung.
Auszüge aus den internationalen Vorschriften bei Abschiebungen per Flugzeug
(geschickt von der Austrian Cockpit Association am 31.5.01):
Im Zusammenhang mit Fragen der Abschiebung von Personen auf dem Luftweg existieren Regeln, Empfehlungen und Richtlinien auf den unten verlinkten Seiten.
Justizministerium verneint Recht zur Online-Demo
Der Streit um die Rechtmäßigkeit von virtuellen Sit-ins und DoS-Attacken spitzt sich im Vorfeld der geplanten Lufthansa-Demo zu
Virtuelle Sit-ins - wie jetzt gegen die Lufthansa geplant - sind nach Auffassung des Bundesjustizministeriums kein legitimes Mittel zur politischen Meinungsäußerung. Mehrere Straftatbestände könnten erfüllt sein, das Versammlungsrecht greife im Netz nicht. Nicht so schnell, warnen liberalere Rechtsexperten dagegen vor einer voreiligen Einschränkung von Grundrechten der Netzbürger.
Links:
Electronic Disturbance Theatre (EDT)
kein mensch ist illegal
Libertad! - Deportation-Class
no-racism.net
Pressespiegel mit Auszügen aus dem massiven Medienecho auf die Kampagne
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
Ergänzungen
Hmmm...
Zweifelhafte Aktion
Gegenangriff
anonym und juristisch
Na Klasse
re: zweifelhafte aktion
Anonym bleiben....
ausserdem wird durch die masse der anfragen auch ein art anonymität geschaffen.
gibts bei: http://anon.inf.tu-dresden.de
Anonymität
Ich bin gespannt
mieses Foto
Demonstration von Euch gezogen, wo man ja leider auch ablichtet werden kann. Auf einer normalen Demonstration werden aber keine Mollis geworfen. Schließlich ist ein Kennzeichen dieser online-demo die Transparenz sowie die öffentliche Vertretbarkeit, so habt ihr immer wider betont. Das Foto sagt aber das Gegenteil aus. Mit dem Foto sprecht ihr nur eine bestimmtes Spektrum an und schreckt andere ab - es ist nicht einmal besonders witzig. Es bietet nur genug Angriffsfläche zur Diffamierung dieser Aktion. Ihr habt ein scheiß Foto ausgewählt.
DDos?
und wieder sind ein paar mehr terroristen
naiv
und im i-net cafe gibts das photo von der überwachungskamera gratis dazu. bleibt eigentlich nur noch zur oma mit alzheimer oder, wie früher, mit dem akkustikkoppler in die telephonzelle zu gehn...
tja jeder wäre gerne ein hacker, aber grad mal so klicken - so einfach isses nun auch nich.
viel spass noch im netz.
Lufthansa kündigt Gegenwehr an
http://www.heise.de/newsticker/data/em-18.06.01-000/
Anscheinend bereitet die Lufthansa Gegenmaßnahmen vor -- ich schätze, die werden versuchen, wiederholte gleichartige Anfragen vom gleichen Rechner rauszufiltern & vielleicht daneben die verfügbare Bandbreite erhöhen. Über die juristische Seite denken die wohl noch nach... Wahrscheinlich auch darüber, ob der Image-Schaden durch Prozesse nicht größer wird.
Re: mieses Foto
ReRe: mieses Foto
Siehe an, selbst Internetuser kommen über die platte Widerspiegelungstheorie (etwa des sozialistischen Realismus) nicht hinaus. Nein, Technik ist kein Garant für den sozialen und daher mentalen Fotschritt, soviel Recht liegt in Deinem "nur". Am Anfang war das Feuer ...
Just Do It
Die Frage der Anonymität würde ich gelassen sehen. Natürlich sind wir bei Demos identifizierbar, egal ob auf der Straße oder im Netz - es ist eine Frage der Technik und des Aufwandes. Aber wen die eigene Identifizierbarkeit wirklich davon abhält, sich gegen gesellschaftliche Entwicklungen zu wenden, die/den können wir ohnehin vergessen. Wannanders und woanders haben Leute ganz andere Folgen zu befürchten und machen trotzdem was!
Und wie ...
Hier sollte man nicht nur meckern sondern auch mal konstruktive Vorschläge machen.
Das führt zu neuen Gesetzen für das Internet
Das sollten alle bedenken.
Re: anonym und juristisch
mitgeloggt. Wenn ein Schaden entstanden wäre,
hätte die Lufthansa ggf. Anzeige wegen Computersabotage
stellen können. Dann hätte die Obrigkeit schnell alle
Teilnehmer verfolgen können.
Wie kommt Ihr denn immer auf "misslungen"?
Was soll das Bild ausdrücken ?
Befürwortet Indymedia.de etwa gewalttätige Proteste etwa wie beim EU-Gipfel, womit man sich ja auch ausgiebig befasst hat ?
Jetz lenk mal mnich ab!
Hey Müller
DFN hat vermutlich gar nichts gemacht
Ich glaube kaum, dass das DFN etwas aktiv gemacht hat. Daran haben die kein Interesse und es fehlt jede Rechtsgrundlage. Entweder es wurden beim DFN Teile des Netzes überlastet, da zig Studenten das DOS-Programme verwendet haben. So eine Störung kann schnell passieren. Da genügt manchmal
eine Kleinigkeit.
Oder DEBIS, welche das Lufthansa-Netz offenbar betreibt, hat im Rahmen der Lufthansa-Gegenmassnahmen alle DFN-Nutzer aus den genannten Gründen vorübergehend (bis ca. 15:00 Uhr) ausgesperrt.
Man kann die Lufthansa und DEBIS aber kaum dazu zwingen, sich mit solchen Protest-http-Anfragen auch noch
freiwillig bombardieren zu lassen.
fehler? versehen?
verschwunden?
schwach im kopf
denk doch mal irgend jemand darüber nach!!?
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Katharinchen, du bist dumm (nt)