Depleted uranium in jugoslavia

felicitas 30.05.2001 01:13 Themen: Militarismus
uranmunition war kurze zeit in der westlichen öffentlichkeit ein großes thema, nachdem einige soldaten der kfor-besatzungstruppen an verschiedenen erkrankungen litten, welche fortan als sog. balkansyndrom zusammengefasst wurden. das die zivilbevölkerung jedoch in viel stärkerem ausmaß von der kontaminierung betroffen ist wurde in den hiesigen medien meistens ignoriert.
aus diesem grunde interviewte ich den belgrader arzt m. dosen, der in einer medizinerInnen-gruppe zu diesem thema arbeitet. von ihn wollten ich erfahren wie das thema in jugoslawien diskutiert wird und ob es maßnahmen gegen die kontaminierung großer landstriche gibt.
Uranmunition

Uranmunition war lange Jahre kein Thema in unseren Medien. Im Herbst letzten Jahres, überschlugen sich jedoch die Berichte in der internationalen Presse, über NATO-Soldaten, welche an Leukämie oder anderen Krebsarten erkrankt waren. Schnell fiel der Verdacht auf die Depleted Uranium (DU)-Munition, als Auslöser dieser Krankheiten, welche unter dem Begriff "Balkansyndrom" zusammengefasst wurden.
DU entsteht als Abfallprodukt bei der Anreicherung von Uran für Kernkraftwerksbrennstäbe oder Atomwaffen. DU ist schwächer radioaktiv als natürliches Uran. 95% der Strahlung besteht aus Alpha-Strahlung, welche die Haut nicht durchdringt. Ein geringer Teil der Strahlung kann jedoch in tiefere Gewebeschichten vordringen. Neben der Gefahr, welche durch die (wenn auch geringe) Strahlung, ausgeht, besteht noch die toxische Wirkung von DU als Schwermetall. Dieses lagert sich in bestimmten Geweben ein und kann, abhängig von der Dosis, zu schweren Organschäden, bis hin zum Tod führen.
Nach NATO Angaben wurden auf dem Gebiet der Bundesrepublik Jugoslawien ca. 11 Tonnen DU-Munition abgefeuert. Im Golfkrieg gegen den Irak wurden 1991 schon 300(!) Tonnen dieser Munition eingesetzt, welche wegen ihre besonderen Härte gegen gepanzerte Gefährte und Gebäude benutz wird.
In der hiesigen Berichterstattung standen immer die Erkrankungen von westlichen Soldaten im Vordergrund. Über die Auswirkungen der DU-Munition auf die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten wurde und wird wenig berichtet.
Wir trafen in Belgrad den jungen Arzt Marco Dosen von der Studierenden Organisation SUMC (Union der Serbischen Medizinstudenten), die studentische Vertretung von IPPNW (International Physicians for the Prevention of a Nucelar War) in Serbien.
Von ihm wollten wir erfahren, wie DU in Serbien diskutiert wird, und was es für die Leute bedeutet, in den kontaminierten Gebieten zu leben.



F: Seit wann beschäftigt sich die Öffentlichkeit in Jugoslawien mit dem Thema DU?
MD: DU war lange Zeit kein Thema in Serbien. Erst als die westlichen Medien über Nato-Soldaten berichteten, welche am sog. Balkansyndrom erkrankten, fingen auch hier die Medien an, darüber zu berichten.
In der Zeit vor dem 5. Oktober 2000 habe ich vergeblich versucht, Informationen über DU zu bekommen. Ich habe beim Gesundheitsministerium, sowie beim medizinischen Institut des Militärs angefragt, beide konnten oder wollten mir keine Informationen geben.

F: Wie war die Reaktion auf die westliche Berichterstattung hier?
MD: Die Mehrzahl der Bevölkerung ließ sich nicht sehr von den Nachrichten beeindrucken. Die Leute hier haben gerade andere Probleme. Nur wenige änderten ihre Lebensweise. Ein befreundeter Arzt isst zum Beispiel kein frisches Gemüse mehr. Ich habe mein Verhalten nicht geändert.
Es scheint, daß die Öffentlichkeit im Westen stärker besorgt war, als hier. Allerdings mehr über ein paar NATO-Soldaten und weniger über die Bevölkerung im Kosovo, die sie schützen wollten. Das scheint mir paradox zu sein.

F: Was weißt Du, über das Ausmaß der Kontamination in Serbien und im Kosovo?
MD: Es wurde von der UNEP (UN Enviroment Programme) Boden-, Wasser- und andere Proben von 11 Plätzen genommen und in fünf, voneinander unabhängigen Laboren untersucht.
Im Januar 2001 gab sie an, dass in den Proben Spuren von Uran 236 gefunden wurden. Diese Isotop kommt weder in der Natur vor, noch entsteht es bei dem Anreicherungsverfahren von Uran 235. Dies deutet darauf hin, daß Teile des DU aus Wiederaufarbeitungsanlagen stammen.
Im Februar 2001 bestätigt die UNEP Spuren des hochgiftigen Plutoniums in den untersuchten DU-Geschossen.
In ihrem Abschlussbericht kam sie zu dem Ergebnis, dass in den Proben nur geringe Werte von Radioaktivität nachzuweisen seien. Des weiteren würden die Untersuchungsergebnisse keinen Hinweiss auf mögliche toxische Gesundheitsschäden durch DU ergeben.
Als nächstes behaupten sie wahrscheinlich, dass DU überhaupt nicht gesundheitsschädlich ist. Vielleicht gibt es ja bald ein Haarshampoo, welches, versetzt mit DU, für besonders glänzendes Haar wirbt.
Die USA stationieren jedoch ihre Truppen im Kosovo nur an Orten, welche am geringsten mit DU kontaminiert sind. Des weiteren gibt es strenge Sicherheitsregeln für US-Soldaten was den Transport, Lagerung und Umgang mit DU- Munition angeht
Selbst wenn keinen Kurzzeitschäden festgestellt werden können, sollten wir nicht mögliche Langzeitrisiken übersehen und die weitere Verwendung von DU als Munition hinnehmen.
Auch ist eine Verbindung zwischen der Verwendung DU-haltiger Munition und dem sogenannten Balkansyndrom nicht grundsätzlich auszuschließen.

F: Gibt es Untersuchungen, welche der Einschätzung der UNEP widersprechen?
MD: Tierversuche ergaben, das es zu dosisabhängigen Schädigungen der Nieren und Leber und zu Veränderungen des Erbguts kommt.
Bei dem Auftreffen von DU-Munition auf Panzerungen von Fahrzeugen oder Gebäuden entsteht durch die Hitze ein uranhaltiges Aerosol welches eingeatmet werden kann. Diese Uranoxide bleiben über Jahre in der Lunge und anderen Organen aufgrund ihre geringen Löslichkeit.
Ich möchte betonen, daß bislang von keiner Stelle eine Forschung über die Langzeiteffekte von DU-Munition existiert. Weder die UNEP noch serbische Stellen planen eine solche Untersuchung. Auch gibt es aus dem Irak, keine Langzeitstudien.

F: Gibt es Untersuchungen einzelner jugoslawischer WissenschaftlerInnen zu diesem Thema?
MD: Einzelne Ärzte und Ökologen habe immer wieder auf Folgeschäden durch den Einsatz von Uranmunition hingewiesen. So sagten einige Onkologen aus, dass nach ihrer Einschätzung die Krebsrate in Serbien deutlich gestiegen sei.
Im Gegensatz dazu veröffentlichte die serbische Ärztekammer neulich eine Erklärung, in der sie alle "inoffiziellen Ergebnisse" von einzelnen Ärzten als unwahr bezeichnet wurden. Sie behauptet, dass es keine Hinweise auf eine erhöhte Rate von Krebserkrankungen gäbe.
Anscheinend will sie keine Langzeituntersuchung veranlassen, um das eh schon marode serbische Gesundheitswesen nicht weiter zu belasten. Serbischen Ärzten wurde bislang der Zutritt zu kontaminierten Gebieten im Kosovo von der NATO verweigert.
Offizielle Ergebnisse über die Strahlenbelastung in Belgrad ergaben, dass diese nicht erhöht ist und die menschliche Gesundheit nicht beeinflusst.

F: Warum meinst du, hat die Regierung unter Slobodan Milosovic den Einsatz von DU-Munition durch die NATO nicht stärker instrumentalisiert?
MD: Die Regierung Milosovic hielt Informationen über DU zurück, weil sie Angst hatte, Panik unter der Bevölkerung zu erzeugen. Außerdem wäre damit das von ihr verkaufte Bild vom Sieg über die Nato beschädigt worden. Auch hatte sie nicht die finanziellen Mittel, um etwaige Konsequenzen, wie Absperrung, Dekontaminierung etc. zu tragen.
Ein weiterer Grund, warum das Milosovic-Regime sich nicht um DU kümmerte, war, dass es hauptsächlich albanisch bewohnte Gebiete in Kosovo waren, die mit DU kontaminiert sind.

F: Und was ist mit der jetzigen Regierung? Wie geht diese mit dem Thema um?
MD: Die Regierung unter Kostunica hat ebenfalls kein großes Interesse, die NATO-Länder auf Entschädigung zu verklagen. Schließlich erhofft sie sich von genau diesen Ländern Unterstützung für den ökonomischen Wiederaufbau des Landes.
Auch will sie die eben erlangte politische Integration in die internationale Gemeinschaft nicht durch übertriebene Forderungen gefährden.

F: Was macht Ihr als SUMC bezüglich DU?
MD: Wir sammeln seit Mitte ´99 Informationen zu DU. Im Frühjahr 200 nahmen wir in Rumänien am europäischen IPPNW Studierendentreffen teil. Das Treffen verabschiedete eine Resolution in der es sich sehr besorgt über die Effekte von DU auf die menschliche Gesundheit zeigt und weitere Forschung zu diesem Thema anmahnt.
Bis diese Forschungen nicht mehr Klarheit über die Gesundheitsrisiken von DU bringen, forderte das Treffen ein Stop der Verwendung von DU-Munition.
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Ergänzungen

Gute arbeit

qsi 30.05.2001 - 07:42
wirklich ein guter Report. Und dieser haette wohl nicht in der komerzieller Presse veroeffendlicht werden koennen. Toll.

viele grusse aus Japan, qsi

Danke

Bödefeld 31.05.2001 - 23:04
für das Interview, Felicitas. Kam mir immer schon spanisch vor, dass andauernd über unsere armen kranken Jungs berichtet wird, die nur unschuldig den Abzug gedrückt haben. Während über die Folgeschäden für die Menschen, auf die das Zeug tonnenweise runtergebombt wird, fast nichts bekannt wird.

Danke

Jens Raeder 04.07.2001 - 13:58
Vielen dank für dieses sehr informative Interview. Ich werde, wenn nichts dagegen spricht, dieses Interview auf meine Homepage bringen.
Viele Grüße
Jens