Versammlungsgesetz: Rückschlag für Werthebach

BesucherInnen 17.05.2001 17:29 Themen: Repression
Der "Entwurf eines Gesetzes zur Veränderung des Versammlungsgesetzes" wurde gestern im Innenausschuss des Bundestages von fast allen Gutachtern in der Luft zerrissen. Zuvor hatten die innenpolitischen Sprecher der SPD und Bündnis 90/ Gruene den Entwurf vorab als mit dem Grundgesetz nicht vereinbar zurückgewiesen. Werthebach machte sich davon unbeeindruckt unterdessen bei ZuhörerInnen und Abgeordneten mit unqualifizierten Reden und Versprechern selbst zur Lachnummer.
Gestern fand im Innenausschuss des Bundestages eine Anhörung von 10 Experten zum Gesetzesentwurf (  http://dip.bundestag.de/btd/14/047/1404754.pdf ) der CDU/CSU hinsichtlich einer Verschärfung des Versammlungsgesetzes statt.

Eine Presseerklärung (  http://www.gruene-fraktion.de/archiv/pm/2001-2/01-0290.htm ) der innenpolitischen Sprecher von rot/grün sorgte im Vorfeld der Anhörung bei der CDU/CSU und dem auch als Sachverständigen geladenen berliner Innensenator Werthebach für Aufregung, da in dieser bereits zwei Stunden vor der Expertenanhörung der Gesetzesentwurf entschieden zurückgewiesen wurde.
Die Anhörung fand trotzdem statt, fast alle Experten beurteilten den Gesetzesentwurf äußerst kritisch, selbst der geladene Polizeipräsident von Dortmund bilanzierte:
Der Gesetzesentwurf bringt keine Verbesserung, sei wenig anwenderorientiert und verfassungsrechtlich bedenklich.

Der Gesetzesentwurf, der laut oben zitierter PM fast vollständig von Werthebach selbst verfasst worden sein soll, beinhaltet neben der zweifelhaften Aufnahme aussenpolitischer Interessen als Schutzgut innerer Sicherheit und damit potentieller Verbotsgrund von Demonstrationen unter anderem auch die Verschärfung von Anmeldebedingungen von Demonstrationen, die Ausweitung von Bannmeilen sowie implizit Verbotsmöglichkeiten, die nicht nur über Äußerungen sondern über Inhalte einer Veranstaltung begründet werden können sollen.

Als Werthebach schließlich selbst um ein 10 minütiges Statement gebeten wurde, legte der Innensenator ungeachtet des obligatorischen Ablaufes der Anhörung richtig los.
Er beschwerte sich in seinen Vorbemerkungen über die "diskriminerende, diffamierende Presseerklärung", beanstandete die Meinung eines der anderen Experten, dankte der CDU/CSU für ihre Bestrebungen, das Versammlungsgesetz zu verändern, brüskierter sich über eine Zuschrift, in der er angesichts seiner Demonstrationsverbote am 1. Mai als "Nazi-freund" bezeichnet worden sei um gleich anschließend die seiner Meinung nach aus polizeilicher Sicht bestehende Unterscheidung zwischen "Rechts" und "Links" darzulegen: "Links, da fliegen die Steine raus, Rechts, da fliegen die Steine rein". Auch sei das Grundgesetz bekanntlich nicht Wertneutral, eine "Inhaltskontrolle" ( hinsichtlich zu verbietender Veranstaltungen) sei nicht nur erlaubt, sondern geradezu geboten". So habe schon Carlo Schmidt zu "Illiberalität gegenüber Verfassungsfeinden" aufgefordert. Bisher funktioniere eine Inhaltskontrolle nur über das Strafgesetz, er sei dagegen, sich zur Inhaltskontrolle immer neue Straftatbestände ausdenken zu müssen..
An dieser Stelle wurde sein Redefluss von der Vorsitzenden abgeschnitten, die auf die Zeitbegrenzung hinwies ("dieser Hampelmann hat eh nix zu melden" murmelt ein Journalist auf den Besucherbänken), immerhin durfte Werthebach noch mit seinem Schlußsatz die Anwesenden belustigen: "Es müßte auch nachdenklich stimmen, daß die Länder Mecklenburg Vorpommern, Rheinland Pfalz und seit heute wie ich weiß auch das Land Thüringen die Notwendligkeit begründen, das Versammlungsrecht nun rasch und zügig zu beenden..äähhh..zu verändern!"

Nach dem Ende der Anhörung gab es dann noch eine Fragerunde im Innenausschuss, in der schon deutlich wurde, daß der Gesetzesentwurf wohl nicht verwirklicht werden wird. Einige Experten, um eine Prognose gebeten, ob eine mögliche Veränderung des Versammlungsgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht bestand haben könnte, äußerten sich dazu allerdings unterschiedlich: Während einige diese Frage ziemlich klar verneinten, wurde von anderen die Möglichkeit eines Bestandes nicht ausgeschlossen, ein Experte erinnerte an die unerwartet günstige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum "G-10-Gesetz" ( Lauschgesetz, siehe dazu  http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/7630/1.html ), die vorher auch von Abgeordneten und Experten als undenkbar eingestuft worden war.

In der Fragerunde amüsierte Werthebach nocheinmal durch seine düstere Prognose, daß innerhalb der nächsten 5 Jahre angesichts der neuen Gefahren (zitiert wurden hier wiedermal 2600 Demonstrationen in Berlin jährlich) womöglich Artikel 8 des Grundgesetzes geändert werden müsse (was natürlich nicht sein Wunsch sei), wenn der Gesetzgeber das Versammlungsgesetz jetzt nicht ändere. Auf die zynischen Fragen hin, wer denn bitte nach dem Entwurf die "Inhaltskontrollen" vorzunehmen habe, wer beurteilen könne, durch welche Inhalte aussenpolitische Interessen der Bundesrepublik verletzt werden könnten("der Aussenminister?" Stroebele), antwortete Werthebach, was ja eigentlich auch zu erwarten war, mit dem Vorschlag, diese Kompetenzen gesetzlich zB dem "Senat" zuzuteilen.
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Ergänzungen

Oh...

17.05.2001 - 17:36
Naja, doppelt hält besser ;-)
Gruß an wR

2600 Demos?

17.05.2001 - 17:44
Nicht das es jetzt große Relevanz für die Sache hätte, aber hat sich irgendwer mal bemüht, diesen Zahlen auf den Grund zu gehen? Soweit ich weiß stecken da als "Demonstrationen" zB auch die Anmeldungen hunderter von Infoständen irgendwelcher Tierrechtsgruppen und ähnlichem drinn, auch die Loveparade wurde bisher noch als Demo gwezählt... warum wird diese Zahl immer kritiklos von allen zitiert?

Doch es hat Relevanz

smithers 17.05.2001 - 18:16
Schließlich halte diese gefakten Zahlen immer für Verbotsdiskussionen hin. Es gab mal vom ND eine Auflistung, nach der weniger als 70 Demos wirklich Demos zu nennen sind (also mehr als 50 Teilnehmer)....Ich weiß nicht wer sich erinnert: Die wollten mal das Demorecht einschränken, da dies das "Grundrecht auf Staufreiheit" (!!!) einschränkt. Damals gab es viele viele Artikel in der Presse dazu.

Inhaltskontrolle

E T 17.05.2001 - 20:06
Das ist das Markenzeichen der Diktatoren, das sie kontrollieren, bis nichts mehr zum kontrollieren da ist.

Monolog an Werthebach

E T 17.05.2001 - 22:33
Herr Werthebach ist das Ihr Aufstand der Anständigen, es ist zwar nicht Gut das Steine von Links nach Rechts fliegen, aber irgend etwas muss gegen Ewig Gestrige, die Farbige Menschen und Ihre Geistig Ideologischen Führer fliegen, die Farbige Menschen unter Strassenbahnen werfen, die Schwangere mit Kinderwagen aus Strassenbahnen werfen, die Obdachlose Sozialhilfe Empfänger Tot prügeln, und von ihren Kampfhunden zerfetzen lassen, die Ausländische Menschen, die sich aus Not hier in Deutschland in Containern wohnen müssen abfackeln wollen, es klingt mir noch in den Ohren "wir brauchen den Aufstand der Anständigen!" nun haben sie am 1 Mai in Berlin insbesondere, und Ihre Kollegen Bundesweit vorgestellt, wie Sie sich einen Aufstand der Anständigen vorstellen, Herr Werthebach dem will Ich Nicht folgen, und ich bin der Meinung, das Sie und Ihre Kollegen, nach dieser Schäbigen Vorstellung am 1 Mai, auf ihren Posten die Sie Derzeit besetzen, Nichts zu suchen haben, Sie und Ihre Kollegen repräsentieren auf Keinen Fall, die Meinung der Mehrheit der Bürger der Bundesrepublik.

werthebachscher Versprecher

infojunk 17.05.2001 - 23:37
Für alle, dies hören wollen, auf  http://www.sfb.de die Sendung von gestern als Real-video angucken ;-)

Re: Oh...

wR 18.05.2001 - 00:26
> Naja, doppelt hält besser ;-) Gruß an wR

gruß zurück. ist e ne gute ergänzung. das gestammel von werthebach hatten wir doch kein bock zu beschreiben. wolltens eigentlich als audiodatei zur verfügung stellen...

werthebach-audiodatei?

icke 18.05.2001 - 00:52
..würd ich, weils Spaß macht, trotz Beschreibung gern auch hören können

Re: werthebach-audiodatei?

wR 18.05.2001 - 11:34
yo...ok. immer mit der ruhe. kommt bald...

Rechtspflege

Thorbald 01.06.2001 - 15:35
Hab gerade mal den Link zu www.heise.de geknüpft - wer auch immer Kontakt zur Rechtspflege hat, sollte versuchen die Mitglieder zu Klageschritten gegen das G - 10 zu motivieren.Das kostet zwar einige Zeit und Nerven, aber in diesem Falle gilt: "Viel hilft viel". Werthi, Ecki & Co. muß endlich mal das Fell über die Ohren gezogen werden, denn der nächste Schritt (siehe sächsische Gesetzesvorlagen)wird einfach nur die genetische Überwachung sein, um von Auschwitz II "nachgebessert" zu werden.
Es lebe der Geist der Internationale !!!