Urteil zur Leibesvisitation von Fussballfans

Goleo 06.06.2006 02:32
Verwaltungsgericht Saarbrücken erlaubt eine Woche vor WM-Beginn das völlige Entkleiden unverdächtiger Fans durch Polizei
Saarbrücken/Dresden. Weibliche und männliche Fußballfans, die "unscheinbar und unverdächtig sind" dürfen ohne Angabe von Gründen vor dem Stadionbesuch von der Polizei nackt ausgezogen werden. Dies geht aus einem Urteil hervor, dass vom Verwaltungsgericht Saarbrücken unter Aktenzeichen 6 K 74/05 eine Woche vor der WM veröffentlicht wurde.

Das Verwaltungsgericht wies damit die Klage einer 16-Jährigen ab, die sich wie viele andere weibliche Fans bei dem am 11.03.2005 stattfindenden Zweitligaspiel 1. FC Saarbrücken gegen 1. FC Dynamo Dresden vor dem Stadion vor Polizeibeamten ohne Angabe von Gründen in einer Kabine nackt ausziehen mussten. "Am Ende der Durchsuchung wurde der Klägerin angewiesen, den BH für eine Abtastkontrolle nach oben umzuklappen. Der Slip musste bis zu den Knien heruntergezogen werden und die Klägerin musste eine vollständige Körperdrehung durchführen", so die Tatbestandsbeschreibung im Urteil (Seite 4). "Man konnte von draußen hineinsehen, da die Kabinen offen waren. Außerdem waren die Pflastersteine im März entsetzlich kalt", erzählt die Klägerin.

Nach Angaben der Polizei Saarbrücken wurde die Klägerin wie viele weitere weibliche Fans gerade deswegen untersucht, weil sie zu den so genannten unverdächtigen Dynamofans gehört. Solche sind nach Definition der Polizeibehörde "unscheinbare, jüngere oder ältere und insbesondere weibliche Personen, die aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes nicht den gewalttätigen Fans zugeordnet werden können." (Seite 11) Die Polizei begründete vor Gericht dieses Vorgehen damit, dass solche "unverdächtigen Fans" Waffen, Rauchpulver und Signalmunition – versteckt in BHs und Slips – ins Stadion transportiert hätten. Weitergehend hätte es sogar einen Fall gegeben, in dem ein weiblicher Fan pyrotechnische Erzeugnisse im Intimbereich versteckt ins Stadion hineingeschmuggelt hätte. "Es ist nach meiner Kenntnis allerdings kein einziger Fall von der Polizei dokumentiert worden, in dem das tatsächlich passierte", berichtet Sven Schellenberg, der die Klage gegen die Landespolizeidirektion Saarland finanziell unterstützt. Auch bei dem Spiel in Saarbrücken wurde bei keinem der Fans, die sich ausziehen mussten, etwaige Gegenstände gefunden.

Das Gericht sah die Polizeiaktion "sowohl von der Anordnung als auch vom Umfang her rechtmäßig" an und stellte keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der 16-Jährigen fest (Seite 10). Vielmehr bedurfte es "zum Auffinden derartigen Materials einer vollständigen Inaugenscheinnahme des unbekleideten Körpers." (Seite 13) Zudem hätte die Klägerin bei einem Besuch eines Spiels des 1. FC Dynamo Dresden mit einer solchen Durchsuchung rechnen müssen, da bei Spielen dieses Vereins wiederholt Pyrotechnik abgebrannt wurde.

"Das Urteil ist entwürdigend für alle insbesondere weiblichen Fußballfans. Es stellt vor allem weiblichen Fans unter den Generalverdacht der Unterstützung von Randale", wertet Sven Schellenberg das Urteil. Dass das Verwaltungsgericht eine Woche vor der Fußball-WM die Entscheidung veröffentlicht, sei ein Affront gegen alle friedlich feiernden Fußballfans. Für ausländische Gäste könne eine solche Entscheidung eines Rechtsstaates nur Verwunderung hervorrufen. Er werde gemeinsam mit der Klägerin Berufung gegen das "Skandal-Urteil" einlegen. "Mit dieser Begründung ist ein solches Vorgehen zudem nicht nur bei Fußball, sondern bei jeder Veranstaltung möglich", so Schellenberg.

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Die Pressemitteilung ging/geht so übrigens mit kompletten Urteil an unterschiedliche Presseagenturen und Redaktionen raus. Es kann gern komplett auch in andere Foren gepostet werden.

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Auszug aus dem Urteil:

"Die Durchsuchung der Klägerin war sowohl von der Anordnung als auch vom Umfang her rechtmäßig und verletzte diese nicht in ihren Rechten, insbesondere stellt die Maßnahme keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht dar."



[Liebe Mods, dieser Text stammt aus einem Fussballforum und ist somit ein crossposting. Sorry, aber ich hielt ihn für zu interessant, um ihn unter den Tisch fallen zu lassen.]
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Ergänzungen

Anmerkung

Roland Ionas Bialke 06.06.2006 - 06:06
Dieses Urteil hat aber nur bedingt bundesweite Relevanz, da jedes Bundesland andere Ordnungsgesetze haben kann.

Niemand muss sich, also in der freiwillig durchsuchen lassen. Will das Pig innere Kleidung, Taschen, Körperhöhlen und Medien durchsuchen sollte widersprochen werden und betont werden, dass man sich nicht freiwillig durchsuchen lässt. (Vielleicht aber auch das man keinen Widerstand leisten will...)

Wenn man nun zwangsweise und ?rechtmässig? durchsucht wird, dann immer eine genaue Bescheinigung verlangen. Aber nix nichts unterschreiben, auch nicht wenn es so auf den Vordruck steht.

Nach meiner Auffassung sind Fussballfans in und auf den Weg zu Stadien eine "Versammlung (meist) unter Freien Himmel". Sie müssen stehts friedlich sein und unbewaffnet. Daher halte ich eine Durchsuchung für legitim. Natürlich gehören Pyros normalerweise genauso zu Fussballspielen wie Fahnen. Eine Pyrozone in jedem Stadion wäre nicht schlecht.

Mir stellt sich abschliessend nur die Frage, ob sich irgendjemand schon mal über das Uniformierungsverbot bei (Fussball-)Versammlungen gemacht hat.

So jung sind die Fussballer nun auch wieder nicht.

Das ganze Urteil

uf97 06.06.2006 - 20:54

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