WM 2006: "0-Eur-Sicherheitskräfte" fordern!

Gil 10.05.2006 10:23 Themen: Repression
Das deutsche Sicherheitskonzept der WM 2006 ist widersprüchlich: Sicherheitshysterie auf der einen Seite, Sparwut und "Geiz ist geil"-Mentalität auf der anderen. Nun sollen "1-Eur-Sicherheitskräfte" schlecht bezahlten privaten Wachleuten Konkurrenz machen.
WM 2006: "0-Eur-Sicherheitskräfte" fordern! Motto: Die Welt zu Gast bei Praktikanten

Das Millionengeschäft der FIFA, die WM 2006, genießt in Sachen Sicherheit viel Aufmerksamkeit. Ein staatlich-privater Sicherheitsverbund (siehe hierzu:  http://www.jungle-world.com/seiten/2006/08/7225.php ) soll dafür Sorge tragen, dass beispielsweise terroristische Anschläge und Hooliganausschreitungen verhindert werden. Neben gutbezahlten Polizeibeamten werden private Sicherheitskräfte in und um die Stadien, im ÖPNV, beim "Public Viewing" auf öffentlichen Plätzen, in Mannschaftshotels und Trainingsanlagen zum Einsatz kommen, um für (öffentliche) Sicherheit zu sorgen und die millionenschweren Fußballstars zu schützen. Und mit Sicherheit werden dabei nicht alle "WM-Security’s" nach Tarif bezahlt.
Seit Monaten brüsten sich die Arbeitgeber der Sicherheitswirtschaft mit Neueinstellungen; bereits im Vorfeld steht aber fest, dass mit Abpfiff des Endspiels die meisten der WM-Security’s wieder in die Arbeitslosigkeit zurückkehren werden. Eine von den Arbeitgebern - über den WM-Zeitraum - in Aussicht gestellte Weiterbeschäftigung dürfte denn auch mehr der Motivationsförderung ("Wenn Sie sich bewähren...") der Mitarbeiter dienen.
Die Pläne von Bundesinnenminister Schäuble die Bundeswehr in das WM-Sicherheitskonzept zu integrieren und am Boden einzusetzen sorgten bei der Lobby der Sicherheitsunternehmer für Verärgerung – Umsatzeinbußen wurden befürchtet.

BDS kritisiert "1-Eur-WM-Sicherheitskräfte"

Nun kritisiert der Bund der Selbständigen – Deutscher Gewerbeverband (BDS-DGV) Landesverband Berlin den Einsatz von "1-Eur-WM-Sicherheitskräften“ und sieht „keine Chance für regionale Unternehmen" (siehe hierzu:  http://www.verbaende.com/News.php4?m=38052 ). Und es stellt sich die Frage: Wie werden die Berliner (WM)Sicherheitsdienstleister nun darauf reagieren? Ihren Bewerbern etwa Praktikas und unbezahlte Probearbeit im Zusammenhang mit WM-Einsätzen anbieten?
Unter Federführung von Securitas Deutschland wurde für den 1. Mai 2005 das Berliner Projekt "Protection 05" (siehe hierzu:  http://www.taz.de/pt/2005/04/26/a0259.1/text ) ins Leben gerufen. Kreuzberger Jugendliche sollten sich durch ein "Security-Praktikum" i.V.m. Bühnenschutz für die Ausbildung zur Sicherheitsfachkraft qualifizieren (ähnliche Projekte siehe unter:  http://www.trend.infopartisan.net/trd1204/t401204.html ).
Nebenbei: Einem Bekannten von mir wurde von einer Jobvermittlung ein Arbeitsplatz in Aussicht gestellt unter der Bedingung, dass er sich vor der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages zu acht(!) Wochen unbezahlter Probearbeit ("Einarbeitungszeit") bereit erklärt. Auch solche Dinge sind in der deutschen Arbeitswelt längst Realität.

Der große Widerspruch

Bei all der (Un)Sicherheitshysterie die mit Blick auf die WM 2006 geschürt worden ist und weiter geschürt wird wundert es doch sehr, auf was für Experimente sich die Sicherheitsverantwortlichen in den Ministerien, bei der Polizei, in der FIFA und im DFB hier einlassen. Wie motiviert sind "1-Eur-Sicherheitskräfte", die zu ihrem zeitlich begrenzten Job gezwungen werden und die keine Konsequenzen (z.B. für unkorrektes Verhalten) fürchten brauchen?
Zu Recht wird in Bezug auf das WM-Sicherheitskonzept von der Öffentlichkeit erwartet, dass alle eingesetzten Dienste miteinander kooperieren und die zugehörigen Kräfte - die einzelnen Mitarbeiter - zuverlässig ihre Arbeit verrichten. Nicht alle Bereiche unterliegen dabei so hohen Gefährdungsstufen, dass es gut ausgebildete und besser bezahlte Polizeibeamte braucht – der Grund weshalb “Private“ auch mitspielen dürfen. Merkwürdig und Ungerecht ist jedoch die unterschiedliche Entlohnung der einzelnen Sicherheitsakteure im bereichsübergreifenden Sicherheitskonzept. Den unterbezahlten WM-Security’s und Wachmännern, die in dieser Zeit vermutlich Überstunden leisten werden, ist nur schwer vermittelbar, dass sie im “FIFA-Millionen-Zirkus“ (einer in Bezug auf’s Geld mehr privaten als öffentlichen Veranstaltung) mit “Peanuts“ abgespeisst werden sollen – ganz zu schweigen von den „1-Eur-WM-Sicherheitskräften“.
Wenn die Sicherheit bei diesen Weltfestspielen so groß geschrieben wird: Wie kann es dann sein, dass hierbei 1-Eur-Jobber unterbezahlten Wachmännern Konkurrenz machen können?
Wie verschiedene Fernsehmagazine in den letzten Monaten berichteten verdrängen 1-Eur-Jobs nicht nur in verschiedenen Bereichen die Erwerbsarbeit sondern sie sorgen auch dafür, dass Löhne sinken! In kommunalen Sicherheitsbereichen wird künftig vermutlich verstärkt mit 1-Eur-Jobs experimentiert werden.

Erfahrungen beim Confed-Cup 2005

Wo dieses Sparkonzept mit Sicherheit hin führt weiss man spätestens seit dem Confed-Cup 2005: Teile der ausländischen Presse spotteten damals über das deutsche Sicherheitskonzept und zeigten den Verantwortlichen die gelbe Karte: „Die Deutschen werden schnell ungeduldig, sind starr und, so unglaublich das klingen mag, sie sind mit der Routine großer Wettbewerbe wenig vertraut.“, schrieb die Brasilianische Zeitung ’O Globo’ im Sommer letzten Jahres (Junge Welt, 24.06.05). Von Funktionären, Fans und Journalisten kritisiert wurde das teilweise unfreundliche und “genervte“ Verhalten des deutschen Sicherheitspersonals.

Die WM als “Aufmerksamkeitserreger“ nutzen

Um aufzuzeigen wie widersinnig dieses WM-Sicherheitskonzept (Sicherheitshysterie auf der einen Seite, Sparwut und “Geiz ist geil“-Mentalität auf der anderen) zum Teil ist und wie schnell man sich damit – vor den Augen der Weltöffentlichkeit – ein Eigentor schiessen kann bin ich dafür die (überzogene) Sparwut zu stützen und öffentlich den Einsatz von “0 Eur-WM-Sicherheitskräften“ in Form von Praktikanten und Probearbeitern zu fordern und damit den “System-Wiederspuch“ deutlich zum Ausdruck zu bringen. Motto: Die Welt zu Gast bei Praktikanten.
Seit Jahren ist bekannt: Die Dienstleistung Sicherheit kann und darf es nicht zu Dumpingpreisen i.V.m. Dumpinglöhnen geben – schon gar nicht als (zukunftsweisenden???) “1-Eur-Job“ in öffentlichen Sicherheitskonzepten. Was nutzen aufwendige Sicherheitsüberprüfungen der Mitarbeiter, wenn eine gewisse Gefahr von unmotivierten, unterbezahlten Sicherheitspersonal ausgeht? Auftraggeber und/oder Arbeitgeber die vom Sicherheitspersonal gute Arbeit, sprich “Sicherheit“ verlangen, müssen auch bereit sein dafür einen angemessenen Preis zu zahlen und allen Mitarbeitern in der Sicherheitswirtschaft soziale Sicherheit zu geben. Angesichts der real existierenden Branchenlöhnen von 3,58 Eur/h im ostdeutschen Bewachungsgewerbe und vor dem Hintergrund des beschriebenen WM-Sicherheitskonzeptes macht es aus Sicht des Basispersonals des deutschen Sicherheitsgewerbes Sinn, die WM 2006 als Podium für Protestaktionen - und damit verbundenen Forderungen (Löhne & Arbeitsbedingungen) - zu nutzen; es geht darum, ein Zeichen für die Sicherheitsbranche zu setzen. Die rote Karte für all diejenigen die dafür verantwortlich sind, dass Wachleute systematisch in die Armut getrieben werden!
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Ergänzungen

Gut gerüstet und "Lehren gezogen"

Sepp Blatter 11.05.2006 - 08:18
Sicherheitsdienste und OK sehen sich für WM gerüstet

Frankfurt/Main - Knapp einen Monat vor dem Beginn der Fußball-WM sehen sich das Organisationskomitee und die privaten Sicherheitsdienste gut gerüstet. Aus dem teils harschen Auftreten der Ordner beim Confederations Cup 2005 habe man rechtzeitig Lehren gezogen, erklärte der OK-Sicherheitsverantwortliche Helmut Spahn. Das mit der Bewachung von Hotels und Trainingsplätzen beauftragte Unternehmen Securitas habe die Anwerbung und Überprüfung zusätzlicher Kräfte nahezu abgeschlossen. (dpa, Kölner Stadt-Anzeiger, 10.05.06)

WM-Watching

wm-watch 11.05.2006 - 08:28
mehr Infos über die Schattenseiten der WM auf www.anti-wm.blog.com

Protest und Demos zur WM?

H. Spahn 11.05.2006 - 11:25
Auf welcher Seite werden wohl die "schlecht bezahlten" WM-Sicherheitskräfte stehen wenn's bei der WM Demo's & Proteste und damit verbundenen Sicherheitsprobleme gibt?

Ankündigung siehe unter:

 http://www.labournet.de/diskussion/arbeit/aktionen/wmdezentral.pdf

S-Bahn-Wachmann ruft auf T-Shirts zu Gewalt..

H. Spahn 13.05.2006 - 11:49
S-Bahn-Wachmann ruft auf T-Shirts zu Gewalt auf

Fußball-WM: Hooligans im Internet. Securitas-Mitarbeiter aus Norderstedt bot Hemden auf Homepage an. Das Unternehmen distanziert sich von Nils H. (Hamburger Abendblatt, 13.05.06)


Zeitungsbericht unter:

 http://www.abendblatt.de/daten/2006/05/13/562320.html

Hamburger Abentblatt-Kommentar

H. Spahn 13.05.2006 - 12:30
Größte Sorgfalt ist gefragt

Kommentar: Gefahr von Gewalt bei der WM

Höchste Sensibilität ist gefragt, wenn es um die Fußball-WM 2006 geht, nicht nur auf dem Platz sondern, vor allem auch rundherum. Gewalt darf bei diesem Fest, bei dem "die Welt zu Gast bei Freunden" sein soll, keinen Raum erhalten. Wenn nun ausgerechnet ein Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma auf seiner (privaten) Internet-Seite T-Shirts mit dem Aufdruck "Gewaltbereit - WM 2006 Mayhem" (dt. Chaos) anbietet, tun alle Beteiligten gut daran, diesen Spuk so schnell wie möglich zu unterbinden. Wenn der Sicherheitsmann auch noch bei einer Firma arbeitet, die bei der WM eingesetzt wird und für die Sicherheit in den Hamburger S-Bahnen (mit)verantwortlich ist, gilt um so größere Sorgfaltspflicht. Die Beteiligten haben reagiert, zum Glück. Doch dieser Fall aus Hamburg zeigt, wie schwer es ist, Sicherheit zu schaffen.
(Hamburger Abendblatt, 13.05.06)

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Hoch ! — Franz

Mehr Polizei! — Bulle

(A) — (B)

lieber himmel! — rrrrrrrrr