Schattenseiten der WM

goat-keeper 06.03.2006 19:57 Themen: Kultur Militarismus Repression
Vom 9.Juni bis zum 9.Juli 2006 ist "die Welt zu Gast bei Freunden" - so das offizielle Motto der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland. Bei der WM handelt es sich um ein Ereignis mit ungeahnter politischer Reichweite, versuchen doch seit Monaten verschiedenste Akteure alle nur erdenklichen reaktionären Forderungen, mit der Fußball-WM zu rechtfertigen.
Schon im Vorfeld löste das Ausspionieren der Fans Kritik aus. Die Tickets zur WM sind nur im Internet erhältlich, und dort muss ein Fragebogen ausgefüllt werden der laut Datenschützern an Länge und Intimität der Daten mit ALG2-Anträgen mithalten kann. Eine Rechtfertigung, warum ein Ticket zu einem Fußballspiel solche Fragen nötig macht gibt es keine - ebenso wenig wie Antworten, was mit den Daten eigentlich geschieht. Der kommerziellen Nutzung kann nur auf dem Briefweg widersprochen werden. (mehr)

Doch nicht nur die Verkaufsmodalitäten der Tickets sind anrüchig - die Eintrittskarten selbst haben es ebenso in sich. Die Tickets sind mit einem sogenannten RFID-CHIP versehen, einem winzigen von außen aus Entfernung auslesbarem Funkchip. Dabei handelt es sich um eine äußerst umstrittene Überwachungstechnik, die u.a. das Erstellen persönlicher Bewegungsprofile ermöglicht, ohne dass der Betroffene dies überhaupt bemerkt, Die Fußball-WM wird nun anscheinend genutzt um dieser gefährliche Technik massenhaft einzusetzen und ihr Akzeptanz in der Bevölkerung zu verschaffen. (mehr)

RFID-Chips sind nicht die einzigen Überwachungsmaßnahmen, die im Rahmen der WM zum Einsatz kommen. Im Namen der 'Sicherheit' soll alles ausgeweitet werden, was der Polizeiapparat zu bieten hat. Nicht nur die Videoüberwachung öffentlicher Plätze soll ausgeweitet werden, auch die Polizeipräsenz allgemein soll verstärkt werden. An Bahnhöfen, Flughäfen und auf offener Straße sollen präventive Kontrollen ausgeweitet werden. Das solche Maßnahmen vor allem gegen ungeliebte Gruppen, wie Obdachlose, Punks, MigrantInnen und Homosexuelle zum Einsatz kommen werden, ist ein offenes Geheimnis. Bayerns Innenminister Beckstein möchte zusätzlich öffentliche Plätze auf denen über Videoleinwände die WM zu sehen ist, polizeilich abgeriegeln und mit einer Art 'Einlaßkontrolle' 'sichern'. So werden noch größere Bereiche der Innenstädte für Menschen mit der 'falschen' Haar- oder Hautfarbe zur No-Go-Area.

Schon jetzt machen die bayerischen Gefängnisse Platz für die erwarteten Massenverhaftungen während der WM. Beckstein will dafür spezielle Schnellgerichte einführen, die Verdächtige über Nacht internieren oder aburteilen können. (mehr) Auch die Privatwirtschaft wittert ihre Chance, eigen asoziale und undemokratische Forderungen im Namen der WM durchzudrücken. So fordert die Hamburger Handelskammer und der Einzelhandelsverband etwa ein generelles Bettelverbot in der Innenstadt. In vielen Kommunen ist Betteln und "sich lagern" sowieso schon verboten, die WM bietet nun willkommenen Anlass für die restlichen Städte, die Armen endlich aus ihrem Stadtbild zu verdrängen.(mehr)

Womit viele offenbar aber kein Problem haben, sind Panzer und schwerbewaffnete deutsche Soldaten im Stadtbild. Die CDU möchte diesen offenbar erhebenden Anblick zur Normalität machen und die Bundeswehr in Zukunft auch "im Inneren", also gegen die eigene Zivilbevölkerung einsetzen können. Anlass soll natürlich wiedereinmal die Fußball-WM bieten. Glücklicherweise verbiete das Grundgesetz aus den Erfahrungen mit dem deutschen Faschismus heraus solche unsäglichen Phantasien. Kein Grund jedoch, für Schäuble, Beckstein und Co, ihren Traum aufzugeben. Eine Grundgesetzänderung soll her, oder - wenn das wegen der Kürze der Zeit vor der WM nicht mehr klappt - das Gesetz 'phantasievoll' umgangen, also gebrochen, werden. (mehr)

Bei der Rechtfertigung des Militäreinsatzes wird ein weiterer Fall der Instrumentalisierung der WM offenbar. Denn die Bundeswehr soll ja vor bösen Muslimen schützen, die nach konservativer Lesart nichts besseres zu tun haben, als brave Christenmenschen den Spaß durch Anschläge auf deutsche Fußballstadien zu vermiesen. Innenpolitisch fügt sich das ganze perfekt in die ständig zunehmende rassistische Hetze gegen Muslime, die in der Propaganda zur finsteren Gegenmacht aufgebaut werden, gegen die nur die bedingungslose Unterwerfung unter die westlichen Staatsinstituionen helfen kann. Auch außenpolitisch ist die WM im Kulturkampf verwertbar. Ausgerechnet die iranische Fußballmannschaft - in ihrer Heimat wegen ihrer kurzen Hosen selbst mißtrauisch beäugt - samt ihrer Fans wird da von manchen Extremisten zum Sündenbock gemacht. Im Rahmen der Kriegsvorbereitungen gegen den Iran fordern da etwa Politiker den Ausschluss des Iran von der Fußball-WM (mehr) oder Sonderbehandlungen für iranische Fußballfans. (mehr) Man kann nur hoffen, das solche unsäglichen Debatten die iranischen Fans nicht davon abhalten lassen ihre Mannschaft bei der WM genauso zu unterstützen und wie das alle Fans anderer Nationalität auch tun. Aber vor allem sollten die deutschen Fans derartiger rassistischer Stimmungsmache eine klare Absage erteilen.

Mehr Infos regelmäßig aktualisiert auf: http://www.anti-wm.blog.com

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Ergänzungen

Repression

karski 06.03.2006 - 23:10
Guter Artikel der aber nur die Sicherheit um das Stadion bei der WM beleuchtet. Meiner Meinung fehlt ganz klar die Repression seitens des Staates seit der Bekanntgabe, dass die WM'06 in Deutschland stattfinden wird.
Ein überhöhtes Sicherheitsaufgebot bei Spielen der Ligen und viel Willkür den Fans gegenüber.

Hinkel

Charly 06.03.2006 - 23:32
Als ich die kleine Randnotiz zur englischen Presse auf der Titelseite der WZ gelesen hatte hab ich noch gedacht "naja die englische Boulevard-Presse".
Als ich dann direkt die entsprechende Seite aufgeschlagen hatte musste ich erstmal laut lachen.
-Wobei das ja eigentlich nicht so toll ist.
Die Ähnlichkeit lässt sich doch garnicht abstreiten.
Nicht nur dass der Schirm der Polizeimütze, die ja eh den gleichen Schnitt hat wie ..."damals" vor 1945 auch der Diktator trug, an den Seitenscheitel erinnert und das schraffierte Bärtschen (das ist doch keine Nase)...
Auch der Erdball erinnert doch sehr stark an die Szene aus Charly Chaplins
"Der große Diktator" wo Hinkel mit dem Globus spielt und tanzt.

Kaum vorzustellen, dass dies bei der Auswahl des Logos nicht aufgefallen sein soll.
Die Kritik müssen sie sich dann ja wohl gefallen lassen.
Wozu brauchen die überhaupt ein WM-Logo?

Polizei bekommt (rechtswidrige) private Hilfe

Karl-Heiz Weis 06.03.2006 - 23:33
"Freundesfreunde und Helfershelfer

Im Jahr der Fußballweltmeisterschaft boomen die privaten Sicherheitsdienste. Sie nehmen der Polizei Aufgaben ab und erledigen, was sie nicht darf." (Jungle World Nr. 8 vom 22.02.06)

 http://jungle-world.com/seiten/2006/08/7225.php

Nationale Sicherheit

Anti-Volk 07.03.2006 - 03:19
Es geht bei der WM nicht nur um innere Sicherheit. Weltweite Sportereignisse, wie auch die Olympischen Spiele, sind ein Schaulaufen nationaler Identitäten. „Gib Deutschland dein Gesicht!“ wirbt die Telekom mit Nationaltrikots. Ekelhaftester Chauvinismus macht sich breit: „Du bist Deutschland.“ Jetzt geht der geforderte RUCK durch Deutschland. „Reih dich ein in die Volksgemeinschaft!“ Die Kritik der deutschen Zustände muss ausgeweitet werden. Deutschnationale Begeisterung schickte Züge Auschwitz. Die Polizei auf der Straße befolgt dem hegemonialen Diskurs. Autoritäre, rassistische, homophobe und antisemitische Wahrheiten in Polizeihirnen überraschen wohl kaum. Eine radikale Kritik muss der Subjektkonstitution unter den Bedingungen kapitalistischer Vergesellschaftung gelten. Eine radikale Praxis muss deshalb alles daran setzten kollektive Identitäten zu zersetzten. Die freie Assoziation der Individuen, als anarchokommunistische Utopie, ist eben die Assoziation freier Individuen.
Die bürgerliche Verkehrsform zerstören!
Die herrschende Ideologie zerschlagen!
Das Deutsches Volk verraten!
Hoch der Anarchokommunismus!

;)

;) 07.03.2006 - 04:20
;)

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