Drei Jahre Verbot ohne Anklage

Ralf Streck 21.02.2006 12:34 Themen: Repression Weltweit
Am letzten Samstag waren auch die Journalisten der "Baskischen Tageszeitung" auf einer Demonstration in Bilbao, um gegen die Verbote durch den spanischen Nationalen Gerichtshof zu protestieren.  http://de.indymedia.org/2006/02/139505.shtml Einer Anordnung des Ermittlungsrichters Juan del Olmo fiel vor drei Jahren auch die Euskaldunon Egunkaria zum Opfer. Maskierte Paramilitärs der Guardia Civil stürmten am 20. Februar die Redaktion der weltweit einzigen Zeitung in baskischer Sprache und verhafteten zehn Journalisten.  http://de.indymedia.org//2003/02/42132.shtml Gegen die Schließung formierte sich in Donostia Tage darauf eine der größten Demonstrationen die es im Baskenland je gegeben hat.  http://de.indymedia.org//2003/02/42427.shtml Die Regierung hat einen neuen Trick gefunden, um die politischen Gefangenen im Knast zu halten.
Wie beim Egin 1998 lautete der Vorwurf erneut, die Zeitung stehe im Dienst der Untergrundorganisation ETA. Nach spanischem Recht können Kommunikationsmedien nur verboten werden, wenn sie „Teil einer terroristischen Bande“ seien. Bis heute hat das Sondergericht keinen Beweis dafür erbracht. Ende Januar konnten die Verteidiger erstmals ihre Argumente vorbringen und die Einstellung des Verfahrens fordern. Die Anklage spricht nun aber nur noch allgemein von einer „illegitimen Vereinigung“, mit dem kein Verbot begründet werden kann. Die Tatsache, dass die Journalisten nach kurzer Zeit wieder frei kamen, sprach schnell gegen ihre Mitgliedschaft in der ETA.

Seit drei Jahren warten sie auf eine Entscheidung, ob überhaupt Anklage erhoben wird. Die Zeitung wurde derweil ökonomisch liquidiert. Die Konten sind blockiert, das gesamte Material beschlagnahmt und die Angeklagten dürfen nicht einmal in den französischen Teil des Baskenlandes reisen. Sie vermuten, dass es wohl irgendwann zur Anklage kommt, obwohl es sich um eine Politik der Regierung der ultrarechten Volkspartei (PP) handelte, die reihenweise baskische Organisationen, Kommunikationsmedien und Parteien verbieten ließ. Seit zwei Jahren regieren zwar die Sozialisten (PSOE) in Spanien, aber der Ex-Direktor der Tageszeitung sieht „keine Veränderungen“. Martxelo Otamendi sagte, für die Einstellung sei das Verhalten des Ministeriums für Staatsanwaltschaft entscheidend: „Die Staatsanwaltschaft hat aber erklärt, das Verfahren vorantreiben zu wollen“.

Otamendi sieht Parallelen zu dem Massenprozess gegen baskische Organisationen, der seit vergangenem Herbst vor dem Nationalen Gerichtshof unter dem Aktenzeichen 18/98 läuft. Fast acht Jahre hatte es gedauert, bis nach dem „vorläufigen“ Verbot der Zeitung Egin ihr nun in diesem Rahmen der Prozess gemacht wird. Internationale juristische Beobachter halten das Verfahren wegen vieler Anomalien für nichtig. So tauchten im Dezember 100.000 Seiten geheimer Akten auf  http://de.indymedia.org//2006/01/136309.shtml , die der Verteidigung vorenthalten worden waren.  http://de.indymedia.org//2006/01/136698.shtml

Zehntausende forderten mit den 56 Angeklagten am Samstag auf der Demonstration die Einstellung aller Verfahren vor dem Nationalen Gerichtshof und die Auflösung des Sondergerichts. Unterstützt wurde die Demonstrationen von allen baskischen Parteien und Gewerkschaften. Die Anklagen „beruhten auch auf Aussagen, die unter Folter erpresst wurden“, kritisierten die Veranstalter. Folter hatten auch die Journalisten nach den Tagen in der berüchtigten Kontaktsperre angezeigt, in der Verhaftete fünf Tage nicht einmal Kontakt zu ihrem Anwalt oder der Familie haben.  http://de.indymedia.org//2003/02/42804.shtml Diese Anzeigen wurden ohne Prüfung eingestellt.

So zeigte sich sogar der UNO-Sonderberichterstatter für Folter kürzlich besorgt. Seine Vorschläge zur Bekämpfung der Folter seien auch bei der PSOE-Regierung im Mülleimer gelandet. Theo van Boven ist bestürzt darüber, dass sich, wie der Egunkaria-Direktor, nun die einer Anklage wegen Unterstützung der ETA gegenüber sehen, die Folter anzeigen. http://de.indymedia.org//2006/02/138888.shtml Die ETA weise angeblich ihre Militanten an, Folter anzuzeigen. Otamendi habe mit seiner Anzeige die ETA unterstützt, begründet der Nationale Gerichtshof den Vorwurf.

Klar ist, dass all diese Vorgänge eine friedliche Lösung des Konflikts eher behindern. Die ETA hat jedenfalls in einer am Samstag veröffentlichten Erklärung „Schritte“ von allen „baskischen Akteuren“ zu einer friedlichen Lösung des Konflikts gefordert. Sie hat eine unmittelbar bevorstehende Waffenruhe dementiert, die mehrere spanische Zeitungen zuvor angekündigt hatten.  http://de.indymedia.org//2006/02/139250.shtml

Mit mehreren Bomben hat die ETA den Druck auf die spanische Regierung erhöht. Seit Ministerpräsident Zapatero im Mai 2005 die Erlaubnis für Verhandlungen mit der ETA geholt hat  http://de.indymedia.org//2005/05/117176.shtml , ist nichts wirkliches passiert. Die ETA hatte den Schritt mit einer unerklärten Waffenruhe im vergangenen Sommer beantwortet.

Deren Vorgehen in der Frage der Gefangenen trägt ebenfalls nicht zu einem Friedensprozess bei. Die Regierung will nun neue „Anklagen konstruieren“, um die Freilassung von ETA-Gefangenen nach der Strafverbüßung zu verhindern.  http://de.indymedia.org//2006/02/138507.shtml Zum Jahrestag des Egunkaria Verbots ist ihr eine wirklich diabolische Auslegung der Gesetze eingefallen.

Offiziell wird es keine Doppelbestrafung geben. Die verschiedenen Einzelstrafen werden auch weiterhin zu einer Gesamtstrafe zusammengezogen. Doch in der praktischen Anwendung sieht das dann anders aus. Die möglichen Strafreduzierungen die bisher bei einem Studium automatisch noch wie bei anderen Gefangenen angewendet wurden, werden den politischen Gefangenen auch noch geraubt. Solange die Höchststrafe von 30 Jahren noch nicht erreicht ist, werden sie zwar angewendet aber dann setzt doch die Verurteilung wegen einer zweite, dritten, vierten .... Strafe an.

So sollen die Gefangenen jeweils die Höchstrafe voll absitzen. Nach der letzten Änderung des Strafrechsts ist das mit 40 Jahren praktisch lebenslänglich. Das soll nun für alle gelten, die demnächst aus dem Knast kommen sollen. Dass die ultrarechte Volkspartei (PP) erstmals die PSOE seit langem wieder mal gelobt hat, zeigt sich, wer sich hier durchgesetzt hat.

© Ralf Streck, Bilbao den 22.02.2006
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