Presseerklärung der Rektoratsbesetzung (Bi)

BesetzerInnen-Pressegruppe 01.02.2006 16:24 Themen: Bildung
Die Bielefelder RektoratsbesetzerInnen haben um 16.15 die folgende Presseerklärung veröffentlicht.
Senat tritt den Willen der Studierendenschaft mit Füßen
Entscheidung pro Studiengebühren in ungeklärter Höhe gegen massiven Protest durchgedrückt

Über den Willen der Studierendenschaft hinweg, hat der Senat der Universität Bielefeld heute einen Beschluss zur Einführung von allgemeinen Studiengebühren in Form von Studienbeiträgen durchgewunken. Unter reger Beteiligung von etwa 3000 Studierenden wurde der relevante Tagesordnungspunkt im AudiMax diskutiert. Offensichtlich wurden die Stimmen von VertreterInnen der ProfessorInnenschaft und des akademischen Mittelbaus im Voraus mit Geldversprechen durch das Rektorat geködert. Andere, an der Entscheidungsfindung beteiligte Statusgruppen, darunter die studentische Senatoren, wurden im Vorfeld durch gezielte Desinformation unter eklatanter Missachtung des hochschulpolitischen Usus’ gegeneinander ausgespielt. Als Reaktion haben AStA und StuPa Rektor Dieter Timmermann einmütig zum Rücktritt aufgefordert. Mit beispielloser Arroganz ließ das Rektorat diese Forderung unter den Tisch fallen. „Die Abstimmung des Senats ist eine absolut scheindemokratische Farce und ein totales Armutszeugnis gegenüber den hochschulpolitichen Strukturen und dem erklärten Willen der Studierendenschaft.“, erklärt Ingo Bowitz, studentischer Senator. Auch VertreterInnen der wissenschaftlichen MitarbeiterInnen stimmten gegen die Einführung der Gebühren. Die Reaktionen auf den Beschluss reichten von Ungläubigkeit über Empörung, bis hin zu blankem Entsetzen und überschäumender Wut. Der massive studentische Protest mündete in der Besetzung des Rektorats als spontanes, erstes Zeichen praktischen Widerstands gegen die getroffene Entscheidung. Zentrale Forderungen der BesetzerInnen sind der Rücktritt von Dieter Timmermann sowie die Aufhebung des Beschlusses.
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Ergänzungen

Scheindemokratie?

Anti-Demokrat 01.02.2006 - 22:51
Is this what democracy looks like?

„Die Abstimmung des Senats ist eine absolut scheindemokratische Farce und ein totales Armutszeugnis gegenüber den hochschulpolitichen Strukturen und dem erklärten Willen der Studierendenschaft.“

Wenn mensch sich die Regeln der Demokratie etwas genauer anschaut, ist festzustellen, daß es mit hoher wahrscheinlich keine Verstöße gegen diese gab. Das was dort passierte wirkt auf mich durchweg demokratisch, und enspricht dem Wesen dieser Herrschaftsform. Demokratie ,mit all ihren Ritualen, ist eine Show, und wenn sie als "Schein" wahrgenommen wurde, so war sie in diesem Moment eine miese Show, und konnte ihren eigentlichen Charakter nicht überzeugend verbergen.

Auch wenn das Theater schlecht war, schaffte dieses offensichtlich 3000 Leute zu mobilisieren, ohne das soviele sich aus dem Bann dieser reißen konnten um sie zu einer Farce werden zu lassen und den MaskenspielerInnen ihrer Vermummung zu entreißen.

Yes, a huge show!

presse

e 02.02.2006 - 10:41
BIELEFELD: Proteststurm gegen Bezahl-Uni

Senat setzt auf Studienbeiträge / Rektor beworfen, beleidigt, blockiert

Bielefeld. Gegen die Stimmen der Studenten hat gestern der Senat der Uni Bielefeld nach einer emotional geführten Debatte ein klares Signal für Studienbeiträge gegeben. Das durch eine Professorenmehrheit geprägte höchste Gremium der Uni votierte für den Entwurf einer Beitragssatzung, die am 3. Mai beschlossen werden soll. Gut 2.000 Studenten begleiteten die Sitzung im Audimax lautstark, machten klar, was sie von den angestrebten 500 Euro pro Semester halten. Nichts.

Empört waren die Studentenvertreter auch darüber, dass ein zwar zu spät eingereichter, dann aber an das Ende der Sitzung verlegter Antrag zur Ablösung von Rektor Dieter Timmermann unter den Tisch fiel. Seine Behandlung hätte den Studenten ein weiteres Mal die Bühne für emotionale Ausbrüche gegen die Person Timmermanns gegeben ? so wurde der Rektor am Ende der Sitzung mit Schaum besprüht und Eiern beworfen, anschließend stürmten 150 Studenten sein Büro und diskutierten aufgebracht mit ihm. Beschimpfungen eingeschlossen. Auch während der Sitzung skandierten tausende Studenten immer wieder "Rücktritt, Rücktritt".

Timmermann, noch vor gut einem Jahr Kritiker des Gesetzes, ist nun Befürworter der Studienbeiträge; er fürchtet, den Anschluss an Bezahl-Unis zu verlieren. "Wir müssen Missstände in Lehre und Studium beseitigen." Da vom Land nicht mehr Mittel zu erwarten seien, müssten die Studienbeiträge her. Seine Kritik aus 2004 sei größtenteils entkräftet worden ? niemand müsse mehr als 10.000 Euro Schulden anhäufen, das habe teilweise Stipendiencharakter und sei sozial verträglich. Es könne nicht sein, "dass 80 Prozent der Kosten für Hochschulbildung von Nicht-Akademikern getragen werden".

Timmermann erwartet Einnahmen von gut zehn Millionen Euro jährlich. Studenten glauben, dass ein Großteil in der Verwaltung versickert. Studierendenvertreter Ingo Bowitz fürchtet, dass Studienbeiträge noch mehr Menschen daran hindern, ein Studium aufzunehmen. "Ich sitze lieber auf der Treppe, als andere auszuschließen." Auch vertraue er der Regierung (CDU/FDP) nicht, wenn die zusichere, dass die Zuschüsse für Unis nicht abgesenkt würden. Und er frage sich, warum Bielefeld bereits Kurs auf Studienbeiträge nehme, obwohl weder Gesetz noch Ausführungsbestimmungen vorlägen. Ein Antrag, erste Entscheidungen erst bei Vorlage des Gesetzes zu fällen, wurde mit Professoren-Mehrheit abgelehnt. Bielefeld ist so ein Vorreiter im Land.

Zwei Stimmen aus dem Wissenschaftsbetrieb bewegten sich zwischen den Polen: Mitarbeiter Dr. Reimund Anhut und Professor Ulrich Heinzmann. Sie regten an, über eine Differenzierung nach Studiengängen (Chemiker sind teurer als Pädagogen) und eine Progression bei den Beiträgen nachzudenken. Das soll in den Satzungsentwurf einfließen.

Heinzmann warf der Landesregierung "politische Feigheit" vor, weil sie die Entscheidung über die Beiträge an die Hochschulen delegiert hat. Nur er und Professor Klaus Cachay stellten sich der Debatte, die anderen Professoren schwiegen ? auch auf die Frage von Studentenvertreter Martin Isbruch: "Fühlen Sie sich mit Ihrer Mehrheit ausreichend legitimiert?" 250 Professoren haben im Senat zwölf Stimmen, 18.000 Studenten vier.

Isbruch zum Abschluss der Debatte: "Dieser Senat hat die Gründungsväter dieser Uni verraten."

(Neue Westfälische, 2.2.2006)