Bhf. Zoo: Kundgebung zum 27.Januar

Sonja Brünzel 27.01.2006 22:47 Themen: Antifa
Anlässlich des Auschwitz-Gedenktages gab es mehrere Gedenkveranstaltungen auf deutschen Bahnhöfen, um damit an die Massendeportationen der Deutschen Reichsbahn zu erinnern. In Berlin versammelten sich zur Opener-Aktion der Aktionswochen 2006 ca. 60 Menschen am Bahnhof Zoologischer Garten und verteilten drinnen und draußen tausende Flugblätter an die Reisenden.
Zunächst versammelten sich die Leute draußen vor dem Bahnhof, bei der Kundgebung des VVN-BdA. Nach einiger Zeit wurde dann auch im Bahnhof selbst verteilt. Im Gegensatz zum letzten Jahr duldeten DB und BGS die Aktion und gingen nicht gegen die Verteiler_innen vor. Ob das an der Ankündigung lag, bei Versuchen der Polizei die Aktion zu verhindern, auf ein "dezentrales Konzept" auszuweichen und "das großzügige Netz der DB in Berlin" zum Verteilen zu nutzen, ist unklar. Nach ca. 1 1/2 Stunden fuhren dann noch etliche Leute zum Alexanderplatz und verteilten dort weiter die folgende Fahrgastinformation:


"+++Fahrgastinformation+++Fahrgastinformation+++Fahrgastinformation+++

Werte Reisende,

heute vor 61 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz von den Soldaten der Roten Armee befreit. Bis zu diesem Zeitpunkt waren dort mehr als eine Million Menschen dem Hunger überlassen, zu Tode geschunden oder vergast worden. Dieser Massenmord war Teil der sogenannten Endlösung der Judenfrage, der in Europa fast 6 Millionen Jüdinnen und Juden zum Opfer fielen. Dieses Verbrechen war nicht nur ein Produkt des mörderischen Wahns der Nazis, sondern auch der stillschweigenden Duldung durch die deutsche Bevölkerung und der aktiven Beteiligung deutscher Unternehmen, wie der Deutschen Reichsbahn. Sie stellte ohne zu zögern ihre Logistik, ihr Schienennetz und ihre Transportkapazitäten zur Verfügung und ermöglichte somit die Deportationen in die über ganz Osteuropa verstreuten Ghettos und Todeslager. An diesen Menschentransporten verdiente die Bahn Millionen, denn pro Kilometer erhielt sie vier Pfennige für die Fahrt in den Tod.
Zu diesem blutigen Teil der Firmengeschichte wurde von Serge und Beate Klarsfeld eine Ausstellung mit 150 Fotos und zahlreichen Dokumenten erarbeitet, die das Schicksal von 11000 jüdischen Kindern nachvollzieht, die zwischen 1942 und 1944 von den deutschen Besatzern aus Frankreich verschleppt und mit der Bahn nach Auschwitz deportiert worden waren. In Frankreich gelang es der Organisation "Fils et Filles des Deportés Juifs de France" ( Söhne und Töchter der jüdischen Deportierten Frankreichs ), Fotos und Dokumente 3 Jahre lang auf 18 Bahnhöfen des Landes zu zeigen, wo sie auf starke Resonanz stießen. Konfrontierte sie doch zufällig Vorübergehende und Bahnreisende im öffentlichen Raum mit dem Schicksal der jüdischen Kinder und der Rolle, welche die Bahn bei der Koordination und Durchführung der Transporte spielte. Die französische Staatsbahn stellte die Tafeln, bewachte die Ausstellung und übernahm deren Transport. Der Vorstandschef der französischen Staatsbahn SNCF bekannte sich in seiner Eröffnungsansprache im Juli 2004 zur Verantwortung der Bahnen für deren Beteiligung an der Deportation jüdischer Kinder.
In der Bundesrepublik ist das nicht zu erwarten. Angefragt, ob eine ähnliche Aktion auch auf deutschen Bahnhöfen möglich sei, lehnte die Bahn AG ab und verwies auf die Möglichkeit einer Ausstellung im Firmenmuseum in Nürnberg. Dieser Ausweichort ist jedoch für Beate Klarsfeld unannehmbar. Denn ihre Ausstellung soll sich an ein breiteres Publikum richten: "Wenn man in ein Eisenbahnmuseum geht, interessiert man sich für Eisenbahnen und nicht für jüdische Kinder.[...] Für uns ist das mehr oder weniger ein Abstellgleis."
Mit ihrem Vorschlag versucht die Deutsche Bahn das Gesicht zu waren. In der nun entbrannten öffentlichen Debatte hält sie alle möglichen fadenscheinigen Ausreden bereit: ein Bahnhof sei in erster Linie Verkehrsstation, eine solche Ausstellung sei im Bahnhof nicht gut platziert, auf einem Bahnhof herrsche sehr viel Betrieb und Verkehrssicherheit und die Sicherheit der Kunden seien gefährdet, es fehlten die personellen und finanziellen Ressourcen. Schließlich beendete Bahnsprecher Klingberg die Debatte mit den Worten, ein Bahnhof sei nun mal keine Ausstellungshalle. Dann behauptete die Bahn, auch der Zentralrat der Juden sei ihrer Meinung. Eine Frechheit, denn der Zentralrat ist der Meinung, es sei durchaus eine gute Idee, eine solche Ausstellung auf Bahnhöfen zu zeigen. Um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, sie scheue vor einer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zurück, verweist die Bahn auf ihre offene und aktive Beschäftigung mit der Rolle der Reichsbahn im Nationalsozialismus und ihre Ausstellungen in Nürnberg. Gleichzeitig legt sie aber Wert darauf, dass es sich ja bei der Deutschen Bahn um ein 1994 gegründetes privates Unternehmen handele, das- angeblich- nicht Rechtsnachfolgerin der Reichsbahn sei. Der Standpunkt der Bahn ist ganz einfach: wir haben genug an Auseinandersetzung geleistet, obwohl wir es gar nicht waren, aber irgendwie doch, und jetzt lasst uns endlich in Ruhe. Solchen Schuldabwehr gilt es entgegen zu treten und immer wieder den unangenehmen Satz zu wiederholen: die Bahn kam auch nach Auschwitz!

Fordern Sie die Deutsche Bahn AG auf, die Ausstellung über die Deportation jüdischer Kinder aus Frankreich endlich auf ihren Bahnhöfen zu zulassen und sich öffentlich mit ihrer Geschichte auseinander zu setzen!

Schreiben Sie an die Deutsche Bahn AG Konzernleitung, Potsdamer Platz 2, 10785 Berlin."
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Ergänzungen

auch in

Leipzig: 27.01.2006 - 23:16

Bundesweite Aktionen

Maxe 28.01.2006 - 10:08
Bundesweit gab es getsern Aktionen. Besonders hinweisen möchte ich hierbei auf diesen Artikel:

Mit einer Demonstrations- und Veranstaltungsserie in der gesamten Bundesrepublik antworten deutsche Organisationen auf das Gedenkverbot der Bahn AG. Der größte europäische Logistik-Konzern sperrt seit einem Jahr sämtliche Publikumsbahnhöfe für eine Ausstellung über die Deportationen von mehreren zehntausend Kindern, die über das deutsche Schienennetz in die NS-Vernichtungslager transportiert wurden.
 http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56216?PHPSESSID=dg4k22ho6pb9bs9uvqjki4biu1

Zu Berlin muss mit Bedauern festgestellt werden, daß "antideutsche" Politsekten ungehindert das Gedenken missbrauchen konnten, um ihre Selbstdarstellungsshow abzuziehen und das Thema für die Präsentation ihrer Dogmen zu missbrauchen. Daß es nur eine Handvoll Sektierer war (die sich gleich mal 5 oder 6 Gruppennamen gibt, um wie 100 zu wirken) macht die Sache nicht besser. Aber ich kann verstehen, daß der VVN-BdA die Veranstaltung nicht gefährden wollte (wobei der VVN-BdA schon mehrmals massiv von diesen Sekten angegriffen wurde).

11000 kinder

sophia 28.01.2006 - 14:18
es freut mich zu sehen das es in ganz deutschland aktionen gegen die deutsche bahn gibt, im rahmen der austellung "11000 kinder".
am 27.1 hatte auch das weimarer aktionsbündniss einen veranstaltung auf dem hbf in weimar.
die austellung "11000 kinder" wird dem nächst in weimar gezeigt aber nicht wie geplant im hbf wo die reisenden sie sehen können sondern im weimarer stadt museum.

Historische Frage

Zora 28.01.2006 - 14:44
Hat die rote Armee Auschwitz befreit oder haben sich, unterstützt durch den druck der herannahenden roten armee, die gefangenen erstmal selbst befreit? Finde ich eigentlich gar nicht so uninteressant. Ich zählte eigentlich nie zu den leuten, die in der schule meinten sie hätten jetzt genug von dem thema, trotzdem habe ich z.B. erst vor kurzem erfahren, daß es in Auschwitz auch so etwas wie einen aufstand gab (-> Film: the greyzone).

auch in köln

- 28.01.2006 - 19:09
mahnwache und mahnmal-anbringung mit über 200 leuten. bericht und fotos folgen mit sicherheit noch auf indy...

Israel-Fahne

Roland Ionas Bialke 30.01.2006 - 17:03
Bitte keine negative Kritik zur Israel-Fahne.

Blau = Freiheit

Weiss = Frieden

Davidstern = 888 (Symbol Gottes)

Anmerkung: Die Bedeutungen der Symbole sind wirklich richtig. Bitte nicht 888 mit 88 verwechseln! Diese Flagge steht nicht für eine Nation, genau wie die Juden nicht für ein Volk steht. Durch die jahrhundertelangen Verfolgung des Judentums ist es zu verschiedene Missverständnisse gekommen, welche fälschlicherweise selbst von Juden in die jüdische Identität übernommen worden sind.

Juden sind Menschen einer Religion, nicht Menschen eines Staates. Sie stellen einen "Prieserstamm" - ohne eigenes Land - dar.

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