Medien in Gera ohne Berührungsängste zu Nazis

Antifaschistische Aktion Gera [AAG] 30.11.2005 12:57 Themen: Antifa
GERA/THÜRINGEN, 30.November. Nachdem sich bereits in den letzten Jahren vereinzelt Nazis mit ihrer Propaganda direkt und mittelbar in den Lokalzeitungen von Gera präsentierten, schafften es diese erneut in die regionale Presse. In mehreren Zeitungen und im Stadtfernsehen konnten sie sich in bürgerlicher Manier zur Schau stellen.
Unterdessen kritisiert die Antifaschistische Aktion Gera [AAG] den lapidaren Umgang als „alltägliche und latente Akzeptanz gegenüber Nazis“
PE: Lokale Medien in Gera ohne Berührungsängste gegenüber Nazis

Wiederholt können sich Nazis in Presse und TV präsentieren

GERA/THÜRINGEN, 30.November. Nachdem sich bereits in den letzten Jahren vereinzelt Nazis mit ihrer Propaganda direkt und mittelbar in den Lokalzeitungen von Gera präsentierten, schafften es diese erneut in die regionale Presse. In mehreren Zeitungen und im Stadtfernsehen konnten sie sich in bürgerlicher Manier zur Schau stellen.
Unterdessen kritisiert die Antifaschistische Aktion Gera [AAG] den lapidaren Umgang als „alltägliche und latente Akzeptanz gegenüber Nazis“

Dem ganzen Vorschub leistete die Thüringische Landeszeitung (TLZ) und die Ostthüringer Zeitung (OTZ) mit ihren Berichterstattungen über die so genannte „15. Schwarzbiernacht“ am 08. Oktober in Gera.
Sie schrieben über eine „Nacht im Großstadtfieber“ und eine „riesige Party“ - eine fröhliche Welt in der sonst provinziellen Stadt in Ostthüringen.
Bei genauerer Betrachtung offenbart sich die Realität. In der Innenstadt treffen sich Nazigruppen und es kommt zu Übergriffen, wie zur „11. Schwarzbiernacht“ am 4.Oktober 2003 geschehen, als auf dem Marktplatz in Gera alternative und antifaschistische Jugendliche angegriffen wurden. Dass sich an der Präsenz von Nazis nichts geändert hat, zeigt die Foto-Galerie zum diesjährigen „Event“ auf den Webseiten der genannten Zeitungen. Unter dem heimattümelnden Titel „Thüringer Roster einen halben Meter lang gabs auf dem Steinweg“ [01] verkauft der Nazi Roberto „Matzo“ Graf Rostbratwürste.
Zuletzt gesehen bei dem Nazikonzert „NPD Open Air“ am 9.Juli in Gera, war er bis Juli 2003 Besitzer des Naziladens „Inside“, welcher schließen musste. Damals bot er von Nazis vertriebene Marken wie „Walhall Germany“ und „Consdaple“ oder so genannte „T-Hemden“ mit Aufschriften wie „Sturmwehr“ und „White Power“ zum Verkauf an. Zu Beginn der 90er Jahre saß er eine Haftstrafe ab und war auf einer Liste mit dem Namen „Prisoners of war“ (Kriegesgefangene) zu finden, welche in der Zeitschrift „New Order“ zu finden war. Herausgeber dieser war die in Deutschland verbotene Naziorganisation NSDAP/AO.
Zweitweise wohnte er mit dem damals schon aktiven Nazi und jetzigen NPD-Kreisvorsitzenden von Gera Gordon Richter zusammen.

Am 12. November bejubelte die Wochenzeitung „Neues Gera“ Lars Weber vom „Eastfight e.V.“ aus Gera als Deutschen Meister im Free Fight. Dass sich Weber bei dem „Eastfight e.V.“ in Nazikreisen bewegt, findet keine Erwähnung.
Dieser Verein fiel in letzter Zeit durch Mitglieder auf, welche neben Kleidung mit „Eastfight“ Aufdrucken auch T-Shirts und Pullover mit eindeutigen Schriftzügen wie „Opa war kein Verbrecher“ oder „Sportfrei für Gera“ und das von der Waffen SS geschaffene „Schwarze Sonne“ Symbol trugen. Unter ersterem Slogan initiierten Nazis in den letzten Jahren Aktionen gegen die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“. Letzterer lehnt sich an die Marke „Sport Frei“ an. Diese Kleidung wird von Neonazis aus Bremen und Zarrentin vertrieben und ist in Nazi-Hooligan und -Fight Club Kreisen beliebt.
Nach Informationen, welche der [AAG] zugespielt wurden, sollen sich Mitglieder beim Training auch per Hitlergruß begrüßt haben.
Demnach soll Weber selbst auch gute Kontakte zur überwiegend nazistischen Fight Club Szene in Chemnitz halten, deren Mitglieder im November 2004 eine antifaschistische Demonstration in Chemnitz angriffen. Erst vor kurzem soll Weber auch an einer Diskothekenschlägerei in Gera beteiligt gewesen sein.

Mit der Ausstrahlung von „Ausnahmezustand 1 und 2“, einen Bericht über eine „Fight Club“ Kickboxveranstaltung in der örtlichen Diskothek „MAXX“, setzte der Offene Kanal Gera (OKG) Ende November jedoch einen vorläufigen Höhepunkt im öffentlichen Auftreten von Nazis in den regionalen Medien.
Der bereits oben erwähnte Nazi Roberto „Matzo“ Graf wurde hier bei einem Kickboxturnier gezeigt, während im Hintergrund Musik der einschlägig bekannten und verbotenen Naziband „Landser“ ertönte. Deren Anführer, Nazi Michael Regener alias „Lunikoff“ muss u.a wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und Volksverhetzung eine mehrjährige Haftstrafe absitzen.
Trotz mehrmaligen Aufforderungen an den Lokalsender, diese Sendung aus dem Programm zu nehmen wurde diesen nicht nachgekommen.
Bereits Mitte Mai zeigte der OKG eine Sendung mit dem Titel „Flammenzauber Festival 2004“. Ein Neofolkkonzert aus einer „Lichttaufe“ Veranstaltungsreihe, hinter der Christian Kapke aus Jena steht. Jener Neonazi, welcher nach der Recherche- und Dokumentationsbroschüre zu Rechtsextremismus in Jena, „nicht vom Himmel gefallen“, Erwähnung findet. Danach sei er „ab 1998 aktiv in der neonazistischen Szene in Erscheinung getreten." So war er 1999 in "gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung und Nötigung" seines Bruders, André Kapke, verwickelt, der dafür rechtskräftig verurteilt wurde. André Kapke ist ebenso ein landesweit aktiver Nazikader in NPD und Kameradschaftskreisen, der auch Kontakte zu den immer noch untergetauchten Neonazis und Bombenbauern Uwe Mundlos und Beate Zschäpe hatte.“
Bereits 2003 startete Christian Kapke die „Lichtreigen“ Veranstaltungsreihe, musste nach Druck von AntifaschistInnen deren Beginn im Theaterclub Gera jedoch absagen. Seither gibt er sich unter dem Motto „Musik für Toleranz“ als unpolitisch und von seiner Vergangenheit geläutert und kann, trotz Protesten von örtlichen antifaschistischen Gruppen, im „Alten Gut“ in Jena und auf der „Wasserburg“ in Heldrungen seine Konzerte veranstalten.
Dabei hat Christian Kapke genau erkannt, dass sich neonazistische Inhalte außerhalb des typischen Nazi Klischees, „viel eher über soziale, politische, kulturelle und ästhetische Werte“ transportieren lassen. Vor wenigen Jahren noch auf Konzerten der in Deutschland verbotenen Naziorganisation „Blood & Honour“ gespielt, tritt er nun in einer Grauzone, dem nazistischen Teil der Dark Wave, Neofolk und Industriell Szene als Konzertveranstalter und Versandinhaber in Erscheinung. Hierbei macht Kapke aus seiner Motivation keinen Hehl. Es wird „bewusst versucht, politische Inhalte über Kunst zu transportieren, einfach weil es dadurch unscheinbarer oder entsprechend eingängiger erscheint.“ [02]
Dementsprechend traten auf „Flammenzauber Festival 2004“, welches im Offenen Kanal Gera veröffentlicht wurde, Bands wie die nazistische Neofolk Formation „Ostara“ aus Australien auf. Bis 1999 hieß diese Band „strength through joy“, zu deutsch „Kraft durch Freude“. Nach dem Umzug nach Deutschland musste sich jedoch umbenennen, da dies der Name der verbotenen Nazi-Organisation ist, an welche sich die Band anlehnte. Auf ihrem Album „Ultima Thule“ sind unter dessen zwei Leni Riefenstahl gewidmete Lieder zu finden. [03]
Hinter dem Bericht im OKG steht Jochen Mehlhase aus Gera, welcher seit Jahren in nazistischen Dark Wave, Neofolk und Industrial Kreisen um Christian Kapke verkehrt.
Auf dem „Flammenzauber Festival“ im April 2005 traten dann noch eindeutigere Nazibands auf, deren musikalisches Repertoire für sich sprechen. Die aus den USA stammende Band „Blood Axis“ ist eine der maßgeblichen extrem rechten Bands des Dark-Wave-Genre. Nach Ihrem Auftritt „folgte die Band ’Triarii’ aus Berlin. Die beiden Männer trugen, passend zur ihrem militärisch anmutenden Auftreten, ihre mit historischen Reden unterlegte martialische Musik vor. Mit ihrem Song ’Der Verwundete’‚ [...] gedenken sie dem Nazi-Bildhauer Arno Breker. Danach folgte die Formation ’Flores de Fyer’, hinter deren Namen sich jedoch die extrem rechte Band ’Allerseelen’ des Österreichers Gerhard Petak verbarg.“ Die Band „Blood Axis" spielten den Song „Wir rufen deine Wölfe". Dieses, einem gleichnamigen Gedicht zugrunde liegende Lied, „stammt vom einstigen Freikorpsführer Friedrich Hielscher. Er war neben Ernst Jünger Mitbegründer des ‚Neuen Nationalismus’ und Kämpfer gegen die Weimarer Republik. [...] Zum Repertoire von ’Blood Axis’ gehörte an diesem Abend aber auch der Song ’Comrades till the end’ über ’echte Kameradschaft’ in Zeiten des Kampfes. Sie widmeten den Song dem Publikum, das sie auch in ’schwierigen Zeiten’ unterstützte. Den Abend beschlossen sie mit dem Lied ’Wewalked in line’, einer proto-faschistischen Version des antimilitaristischen Joy Division Songs ’They walked in line’.“
Und die Taktik des Transportes von Naziideologie über die Dark-Wake, Neofolk und Industrial Genres zeigt Erfolg. Es „trugen etliche Besucher/innen des Festivals Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen [...], wie beispielsweise die Wolfsangel oder den SS-Totenkopf als auch andere deutlich extrem rechte Symbole wie die sog. Schwarze Sonne, das Krukenkreuz oder das Ritterkreuz. Eine Reihe männlicher Gäste wirkte im Übrigen mit ihrem Haarschnitt und ihrem Outfit wie Reinkarnationen aus der NS-Zeit. Sie trugen teilweise schwarze Stiefel, schwarze Armeehosen, ein dazu passendes Hemd und eine österreichische Flecktarnjacke, deren Musterung frappant an das der Waffen-SS erinnert. Zu erwerben gab es diese und andere Symbole an den Verkaufsständen.“ [04]

Bis zum heutigen Zeitpunkt scheint das Auftreten von Neonazis in lokalen Medien nichts Ungewöhnliches und ging in den letzten Jahren sogar soweit, dass dem „Allgemeiner Anzeiger“ ein Werbeblatt des Naziladens „Youngland“ beilag oder die „Ostthüringer Zeitung“ auf ihrer Website ein Foto mit einem Nazi, der ein White Power-Symbol zur Schau trug, veröffentlichte.
„Der lapidare Umgang mit Neonazis und die Veröffentlichung von nazistischem Lifestyle und Symbolen zeugt von einer gesellschaftlich alltäglichen und latenten Akzeptanz gegenüber Neonazis“, kritisiert Anna Schneider, Pressesprecherin der Antifaschistischen Aktion Gera [AAG]. Auch wenn es teilweiser Unwissenheit geschuldet sei, ist diese Akzeptanz, welche bis zu offenen Sympathiebekundungen gegenüber Neonazis reicht, in provinziellen Regionen wie Gera seit Jahren zu vernehmen. Deshalb bedarf es weiterer Kritik an deutschen Zuständen, an Rassismus, Antisemitismus und der Verbreitung von Naziideologie.
Die Minimalforderung der Antifaschistischen Aktion Gera an die lokalen Medien, kann daher nur heißen, „Nazis aller Couleur keine Plattform zu bieten, darauf zu achten, dass sich die unvollständige Reihe der geschilderten Fälle in Zukunft nicht wiederholen und antifaschistisches Grundverständnis zu stärken.“

Antifaschistische Aktion Gera [AAG]

Quellen:

[01] „Schwarzbiernacht in Gera“  http://diashow.otz.de/otz/gera.diashow.Schwarzbier-Nacht/otz.gera.diashow.Schwarzbier-Nacht.php?dianr=8
 http://diashow.tlz.de/tlz/gera.diashow.Schwarzbier-Nacht/tlz.gera.diashow.Schwarzbier-Nacht.php?dianr=8 , 2005
[02] „Braunes aus der schwarzen Szene“  http://www.turnitdown.de/91.html , 08.11.2005
[03] „Störfall im Zwischenfall“ www.ruhr-uni-bochum.de/bsz/619/1b.html , 2003
[04] „Flamme empor“ John Postma (Alert!) & Jochen Koblinski in Der Rechte Rand , 05./06.2005
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[AAG] 30.11.2005 - 13:11
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Mensch — Peterle,

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