NPD Open Air 9.7.2005 Gera

xmalcolmx 29.06.2005 05:24 Themen: Antifa
Am 9. Juli soll in Gera das 3. NPD Open Air stattfinden. Mit »Rock für Deutschland« soll der Bundestagswahlkampf der NPD eingeleitet und zugleich das Pressefest des »Deutschen Stimme« ersetzt werden. Um die linke Mobilisierung zu beeinträchtigen wird eine NPD-Demonstration in Berlin vorgetäuscht; die NPD kündigt ihre Teilnahme an Gegenveranstaltungen an; Kraftschlag sagt Auftritt ab; Antifa kündigt offensiven Widerstand an, der sich nicht nur gegen Nazis richtet...
Ein Indymedia-Beitrag über den aktuellen Stand und die Hintergründe des 9. Juli 2005 in Gera
»Rock für Deutschland« statt Pressefest

Die Thüringer NPD will am 9. Juli zum dritten Mal in Folge ein Nazikonzert in der Geraer Innenstadt veranstalten. Das NPD Open Air, welches dieses Jahr den Titel »Rock für Deutschland« trägt, wurde laut dem NPD-Presseorgan »Deutsche Stimme« zum offiziellen Wahlkampfauftakt der kommenden Bundestagswahl erklärt. Als Redner hat sich neben mehreren Landesvorsitzenden auch der Parteivorsitzende Udo Voigt angekündigt. Zudem wird im Internet das Nazikonzert als Ersatz für das Pressefest der »Deutschen Stimme« beworben. Dieses fand vergangenes Jahr mit mehreren tausend Besuchern im sächsischen Mücka statt und wird dieses Jahr aufgrund der Wahlkampfaufwendungen ausfallen. »Am 9. Juli sollten sich nationale Aktivisten in Gera treffen«, heißt es dazu in einem Rundbrief der NPD, um nicht »auf die Erlebnisse, die das Pressefest mit sich bringen würde« verzichten zu müssen.

NPD kündigt Teilnahme an Gegenveranstaltungen an

In einem Offenen Brief an die Ausländerbeauftragte der Stadt Gera hat der Thüringer NPD-Funktionär Frank Schwerdt angekündigt, sich an diesem Fest mit oder ohne Infostand der NPD, welcher seiner Ansicht nach »sicherlich zum Gelingen des Festes beitragen« würde, beteiligen zu wollen. Mit seinem Schreiben versucht der NPD-Landesvorsitzende Sympathiepunkte für seine Partei einzuheimsen. So würde er sich »außerordentlich glücklich schätzen, mit [der Ausländerbeauftragten] und anderen Vertretern des ›Runden Tisches Gera‹ ins Gespräch zu kommen.« Er hoffe zusammen mit seinen »politischen Freunden aus Gera auf einen toleranten und friedlichen 9. Juli 2005«.
Tatsächlich gibt es Querfrontstrategien der NPD, welche sich auch in der jüngsten Auseinandersetzung bezüglich der Unterwanderung der WASG durch NPD-Anhänger widerspiegelt. Die rassistischen Ausfälle Oskar Lafontaines stießen bei der NPD auf offene Ohren. Der Hamburger Nazikader Thomas »Steiner« Wulff wähnt mit der WASG einer »nationalen Oppositionsarbeit weitere Tore« hin zur »deutschen Volksbewegung« geöffnet. Was immer wieder auch im bundesdeutschen Diskurs als geäußerte Befürchtung der Zivilgesellschaft durchschlägt, ist in vielen Städten der Neuen Bundesländer schon längst Realität. Allein in Gera wurden über zwei Dutzend Montagsdemonstrationen mit geduldeter, teilweise gar hofierter Beteiligung von Neonazis durchgeführt.
Der Offene Brief von Frank Schwerdt wirkt nur auf eine oberflächige Betrachtungsweise genuin. Die Vorgeschichte des wegen Volksverhetzung vorbestraften Neonazis lässt vielmehr den Verdacht zu, dass das Schreiben durchaus auch als Drohung zu verstehen ist. Bereits beim ersten NPD Open Air im Jahr 2003 kam es zu mehreren Angriffen von Nazis auf Besucher der städtischen Gegenveranstaltung »Gera bunt«. Auch hier war Frank Schwerdt als Redner geladen, um dem braunen Publikum die ideologische Grundlage für ihre Gewaltorgien zu liefern. Wie offen sich der Landesvorsitzende der Nazipartei gegenüber der Öffentlichkeit zeigt, hat er zuletzt im April im Anschluss an den Thüringer NPD-Landesparteitag in Pößneck unter Beweis gestellt, als er von Spiegel TV um ein Interview gebeten wurde. Er flüchtete in dieselbe Lokalität, in der im Anschluss an den Parteitag ein Nazikonzert mit über 1.000 überwiegend gewaltbereiten Neonazis stattfand, um den Sänger der als kriminelle Vereinigung verbotenen Naziband »Landser«, Michael »Lunikoff« Regener, vor seinem knapp dreijährigen Haftantritt zu verabschieden (siehe  http://www.spiegel.de/sptv/magazin/0,1518,349566,00.html). In einem Kontraste-Interview begrüßte Schwerdt den kürzlichen Parteibeitritt Regeners in die NPD und bekannte sich offen zum Nationalsozialismus (siehe  http://www.rbb-online.de/_/kontraste/beitrag_jsp/key=rbb_beitrag_2026624.html).

Auftakt im NPD-Bundestagswahlkampf

Die NPD scheut keine Mühe, einen erfolgreichen Auftakt der NPD im Bundeswahlkampf zu gewährleisten. So wurde kurz nach bekannt werden einer linken Berliner Mobilisierungswebsite kurzerhand für den gleichen Tag in Ahrensfelde, einem verlassenen Randbezirk Berlins, eine vorgetäuschte Demonstration »für Lernmittelfreiheit als ersten Schritt aus der Bildungsmisere« angekündigt. Wen oder was die NPD an einer S-Bahn-Endstation erreichen will ist dabei offensichtlich, geht es doch darum die Berliner Antifa-Mobilisierung nach Gera zu schwächen.
Um die Veranstaltung aus der öffentlichen Schussbahn zu rücken, wurde ein Auftritt der Naziband »Kraftschlag«, welche dem in Deutschland verbotenen »Blood & Honour« Netzwerk nahe steht, untersagt. Stattdessen soll die Naziband »Hauptkampflinie« auftreten, deren Veröffentlichungen aber nicht minder nationalsozialistisch sind und deshalb indiziert wurden.

Bürgerfest vs. offensiver Widerstand

Von antifaschistischer Seite wird bundesweit nach Gera mobilisiert. Es finden diese Tage in neun deutschen Städten Infoveranstaltungen zu den Gegenaktionen am 9. Juli statt. Die antifaschistischen Aktionen am 9. Juli sollen vielfältig und offensiv werden. Neben der Demonstration unter dem Motto »Der Provinz einheizen« (gegen ein Verbot der geplanten Route wird derzeit geklagt), wird eine Kundgebung mit Chaoze One (Polit-HipHop) als Anlaufstelle für direkte Aktionen dienen.
Die Polizei hat offensichtlich große Sicherheitsbedenken und will die beiden Veranstaltungen mit einem Großaufgebot an Polizisten auseinander halten. Eine »Bannmeile« soll die NPD-Veranstaltung von Gegendemonstranten abschirmen.
Auch die Stadt wird am 9. Juli nicht untätig bleiben und ist um Schadensbegrenzung der kommenden Bundesgartenschau-Region bemüht. Dabei steht bereits fest, dass es neben dem obligatorischen Bürgerfest »Gera bunt« auch mit der Demonstration »Gewaltfrei gegen Nazis« kein politisches Novum in der Provinz geben wird.
Während die Stadt also mit »Straßenmusik« und »Mitmachangeboten für die ganze Familie« versucht, den brodelnden Topf des Gewaltbefördernden Nazikonzerts zu deckeln, hat die Antifaschistische Aktion Gera angekündigt, konsequent gegen Nazis vorzugehen. Darüber hinaus wird der öffentliche Umgang mit den Nazis thematisiert und Kritik an den bestehenden Verhältnissen geübt. So soll gerade auch am 9. Juli das apodiktische Postulat Horkheimers, »Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen«, geltend gemacht werden. Treffend konstatiert Anna Schneider von der Antifaschistischen Aktion: »Wer den Faschismus als Krisensymptom der kapitalistischen Gesellschaft begreift, kann nicht so tun als wäre es sonderlich progressiv den Nazis hinterher zu rennen oder angesichts der anstehenden Bundestagswahlen eine erneute NPD-Verbotsdebatte zu entfachen.« Folglich wird der Widerstand auch im Aufruf der Antifaschistischen Aktion formuliert: »Wer es ernst meint mit dem Kampf um eine befreite Gesellschaft, sollte in der gegenwärtigen historischen Situation nicht nur in der Theorie eine kommunistische Gesellschaftskritik üben, sondern auch in der Praxis die Negation der kapitalistischen Verhältnisse zum Ausdruck bringen. Es sollte darum gehen, die gesellschaftlichen Widersprüche zu benennen und entlang ihrer Konfliktlinien zu polarisieren. Konkret bedeutet das für uns eine klare Abgrenzung zu den bürgerlichen Veranstaltungen der Zivilgesellschaft, die für ein Projekt einstehen, dem unser Widerstand gebührt. Wir wenden uns am 9. Juli gegen Deutschland und Kapitalismus. Wir werden diejenigen in den Fokus unserer Kritik rücken, welche dafür verantwortlich sind, dass seit Jahren linksradikale Antifapolitik unterminiert wird – die Stadt und ihre BewohnerInnen. Wenn wir also dazu aufrufen, am 9.Juli 2005 das NPD Open Air zu verhindern, dann wird sich unser Widerstand nicht nur gegen die Nazis richten, sondern vielmehr die kulturelle, ökonomische und politische Formierung des wieder erstarkenden Deutschlands angreifen.«


:: MOBILIZATION ::

Noch ausstehende Infoveranstaltungen:

01. Juli _ Erfurt _ Besetztes Haus _ Rudolstädter Str 1 _ 19 h
Warm up Konzert mit Fluid [Screamotrakcore G] | Perth Express [Hardcore ABG]
02. Juli _ Jena_ Besetztes Haus _ 19 h
Warm up Konzert mit Fluid [Screamotrakcore G] | Perth Express [Hardcore ABG]
02. Juli _ Berlin _ K9 _ Kinzigstr 9 Friedrichshain _ 22 h
Warm up Disko und Party mit Super U [80's Disco] | No Pop! No Style! [Pop und Electro]
02. Juli _ Marburg_ HavannaAcht _ Lahntor 2 _ 17 h
05. Juli _ Göttingen _ T-Keller _ Geismarlandstr 19 _ 20 h
06. Juli _ Nürnberg _ Metroproletan _ Eberhardshofstr 11 _ 20 h
07. Juli _ Dresden _ Conni _ Rudolf-Leonhard Str 39 _ 19 h
08. Juli _ Gera_ AZ Klaushaus _ Bieblacher Str 62 _ 19 h


:: 09.07.2005 ::

Demonstration »Der Provinz einheiz'n – Standortnationalismus angreifen«
11 Uhr Platz der Demokratie

Anschl. Kundgebung mit Chaoze One [Polit-HipHop aus Karlsruhe]
13 Uhr Heinrichstraße Ecke Breitscheidstraße


:: LINKS ::

Video der Demo vom 29. Januar
 http://www.germany.indymedia.org/2005/01/105598.shtml

Websitearchiv der AAG mit massig Infos über Gera
 http://aag.antifa.net/aag_archiv/index2.html

Dokumentation der vergangenen NPD Open Airs in Gera
 http://aag.antifa.net/aag_archiv/aag2004.htm

Weitere Informationen unter
 http://www.provinz-einheizen.tk
 http://gera.antifa.de
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Ergänzungen

Nazis und Antifatreffpunkt

@Nachfrager 29.06.2005 - 15:07
Die Antifademo fängt bereits um 11 Uhr an. Treffpunkt ist der Platz der Demokratie direkt beim Hbf, die Nazis treffen sich in der Regel erst gegen 13 Uhr (12 Uhr ist Beginn). Von daher kannst Du ruhig mit dem Zug fahren. Abgesehen davon werden weitaus mehr Antifas als Nazis nach Gera kommen. Und die müssen ja auch mit dem Zug fahren. Wenn es also ein Spießrutenlauf wird, dann mit Sicherheit nicht für uns ;)

Das schreibt die OTZ zum Offenen Brief

- 29.06.2005 - 15:14
Rechte fragen für Bürgerfest in Gera an

Gera (KW). Provokanten Zuspruch von Rechts hat der "Runde Tisch für Toleranz und Menschlichkeit" Gera erfahren. Ausgerechnet die NPD hat in einem via Internet verbreiteten Offenen Brief um eine Teilnahme an jenem Bürgerfest nachgefragt, das der Runde Tisch als Gegenpol zu einer NPD-Veranstaltung am 9. Juli in Gera organisiert. Genaugenommen würde die NPD gegen das eigene Treffen auftreten wollen, sagt der evangelische Jugendpfarrer Michael Kleim.

Am Toleranzgedanken aufgehängt, sorgt sich mit aufgesetzter Höflichkeit NPD-Landesvorsitzender Frank Schwerdt um das Gelingen des Festes: Es müsse im Interesse der Initiatoren sein, dass sich ein möglichst breites Spektrum von Bürgern treffe. Ein Info-Stand der NPD würde da "sicherlich zum Gelingen des Festes beitragen". Und am Ende würde sich Schwerdt auch noch "außerordentlich glücklich schätzen", mit Vertretern des Runden Tisches ins Gespräch zu kommen.

"Der Brief und sein Stil haben uns verwundert", gibt Jugendpfarrer Kleim zu. Im Jahr 2000 hatte sich Kleim noch gegen eine steckbriefartige Bedrohung von Rechts, ebenfalls veröffentlicht im Internet, gerichtlich zur Wehr setzen müssen. "Diese Form der Provokation ist nun neu."

"Die haben Kreide gefressen, um den eigenen Leuten zu zeigen, dass sie auch Ministerialdeutsch drauf haben", sagt Eugen Weber, Kreissprecher der Bündnisgrünen in Gera. Deutlichere Worte würde man dann wohl beim NPD-Treffen hören: "Mit Kreide in der Stimme lockt man keine Nazis hinterm Ofen vor."

Der Runde Tisch, dem Stadtratsfraktionen, der Oberbürgermeister, Vertreter der Polizei, der Kirchen, von Vereinen und Verbänden angehören, hat jetzt seinerseits mit einem Offenen Brief geantwortet. Ohne sich aus der Reserve locken zu lassen, so Weber, wurde Absage erteilt: "Eine Teilnahme der NPD und ihrer Anhänger an den Veranstaltungen des Runden Tisches zur Umsetzung des Programms für Toleranz und Menschlichkeit, gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit in der Stadt Gera ist ausgeschlossen", heißt es. Die Bürgerinstanz sei ein Zusammenschluss der demokratischen Kräfte der Stadt. Dazu könne die NPD aufgrund ihrer Politik nicht gehören. Für Geras Aussiedler- und Ausländerbeauftragte Evelyn Fichtelmann, an deren Adresse sich der Offene Brief richtete, war es keine Frage auf das NPD-Schreiben zu reagieren. "Das haben wir sachlich und klar getan."

Quelle: OTZ vom 28.06.2005

Verzicht!

helmutberger 29.06.2005 - 15:17
Kann leider nicht teilnehmen, würde aber die Bitte haben das selten dämliche "Kühe, Schweine, Ostdeutschland" doch bitte nicht zu verwenden. Gerade im Osten haben sich die Nazifratzen mittlerweile in einigen bürgerlichen Zusammenhängen quasi "etabliert" und mit dem Spruch beweisen wir dass selbst die antifaschistische Linke nicht frei von Vorurteilen, tumpen Verallgemeinerungen und - sagen wir`s wie´s ist - offensichtlicher Dummheit ist.

Aber prinzipiell finde sowieso ich das ablassen von verbalen Beleidigungen selten dämlich, verstehe ich doch unter Aktionismus was ganz anderes... Außerdem wissen die Nazifressen schon längst dass sie keiner mag. Nicht mal ihre eigenen Eltern!

Weitere Artikel zum Thema

- 29.06.2005 - 16:43
Der Provinz einheiz'n
[Aufruf der AAG]
 http://de.indymedia.org//2005/06/121354.shtml
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[Mobi 2005]
 http://de.indymedia.org//2005/06/120591.shtml
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Info-u. Konzertreihe im Vorfeld d.9.Juli Gera
[Mobi 2005]
 http://de.indymedia.org//2005/06/121775.shtml
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Nazis wollen Antifa-Mobilisierung sabotieren
[Über die vermeintliche NPD Demo in Berlin]
 http://de.indymedia.org//2005/06/121596.shtml
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Aktionen gegen "Blood & Honour"- Konzert am Samstag in Gera
[Mobi 2003]
 http://de.indymedia.org//2003/06/54982.shtml
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We'll rock YOU - Nazi-Aktionstag am 21. Juni in Gera verhindern!
[Mobi 2003]
 http://de.indymedia.org//2003/06/54298.shtml
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Gera und der NaziZoo
[Bericht 2003]
 http://de.indymedia.org//2003/06/55731.shtml
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Über 400 Antifas in Gera gegen Naziläden
[Bericht der letzten Demo in Gera]
 http://de.indymedia.org//2005/02/105656.shtml

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Bayern ist doch dabei! — nixsauersein

Antifa Demo ist NICHT verboten! — @ bernhard beier

Auffie — Knut Knutsen

nazis verjagen — terrorüberalles