"Intifada" in der Westsahara

Ralf Streck 30.05.2005 16:11
Seit Tagen ist die Westsahara und Marokko der Schauplatz von Protesten der Saharaouis, die von der marokkanischen Polizei und Militär unterdrückt werden. Auch am Samstag ging die Polizei wieder brutal gegen Protestierende vor. Angehörige der in letzten Tagen verhafteten Personen hatten einen Sitzstreik vor einem Gericht in der Stadt El Aiun durchgeführt und wurden brutal auseinandergeprügelt. Dass der Konflikt nicht gelöst wird, hängt stark mit Ölinteressen von den USA und Frankreich zusammen. International gibt es dazu eine Kampagne.
Seit vergangenem Montag kommt es in El Aiun, der Verwaltungshauptstadt der von Marokko 1975 besetzten Westsahara, immer wieder zu Protesten. Die haben sich inzwischen auch auf andere Städte ausgeweitet. Entzündetet hatten sie sich an dem Versuch, einen prominenten Gefangen aus El Aiun nach Agadir zu verlegen. Der Saharaoui Mohamed Hadi wurde zu 12 Jahren Haft wegen Beleidigung des Königs verurteilt, weil er ein Bild des marokkanischen Königs zerrissen hatte. Insgesamt soll es bisher etwa 100 Verletzte geben, davon etwa zehn schwer. Etwa zwei Dutzend Personen wurden verhaftet und etwa 20 Personen gelten als verschwunden, nachdem sie von den Sicherheitskräften in Gewahrsam genommen wurden. Wegen der Situation haben die Saharaoui-Studenten Rabat und Marrakesch verlassen und versuchen in die Westsahara zurückzukehren.

Die Proteste sind Ausdruck der sich zuspitzenden Lage in der Westsahara. Die Befreiungsfront Polisario spricht von einer „Intifada“ gegen Marokko. Es ist klar, dass den 150.000 Saharaouis der Geduldsfaden reißt. Seit 15 Jahren hält die UNO die 150.000 Saharaouis hin, die zum Großteil unter schwierigsten Bedingungen in Wüstenlagern leben. Die UNO ist unfähig oder unwillig, gegenüber Marokko die Vereinbarungen durchzusetzen, welche das Königreich 1991 eingegangen ist und zu einer Waffenruhe mit der Polisario geführt haben. Seither warten die Saharaouis auf das versprochene Referendum über die Unabhängigkeit, dass die UNO-Mission Minurso überwachen wollte.

Die Mission wird zwar ständig verlängert, die Abstimmung kommt aber nicht näher. Besonders verärgert ist die Polisario nun darüber, dass der UNO-Generalsekretär Kofi Annan in seinem neuen Bericht zur Lage in der nicht einmal mehr den Baker-Plan erwähnt. Die Befreiungsfront Polisario droht immer offener damit, den bewaffneten Kampf wieder aufzunehmen.  http://de.indymedia.org//2005/04/113562.shtml Die Bevölkerung der spanischen Ex-Kolonie werde ihre Rechte „mit allen Mitteln“ verteidigen, sagte Polisario-Generalsekretär Mohammed Abdel Asis letzte Woche.Ohnehin verwässert der Baker-Plan die Versprechen schon stark. Die Abstimmung über die Unabhängigkeit wird erneut auf 2008 verschoben, bis dahin sollen die Saharaouis mit einer begrenzten Autonomie abgespeist werden. Doch selbst das ist Marokko noch zuviel.

Das Verhältnis der UNO hat stark mit den Ölinteressen zu tun. Denn vor allem die USA und Frankreich machen heftig Druck. Die französische Elf und US-Energie-Konzern Kerr-McGee haben schon mit Marokko Verträge über die Ausbeutung der Vorkommen in der Westsahara geschlossen. So verwunderte es nicht, wenn Frankreichs Präsident Jacques Chirac von der Westsahara als „Provinzen im Süden“ von Marokko spricht.

Am 1. Mai begann die „Western Sahara Resource Watch", ein Zusammenschluss der internationalen Solidarität aus 20 Ländern, eine neue Kampagne gegen Kerr-McGee. Der Firma wird vorgeworfen, völkerrechtswidrig die Öl- und Gasvorkommen ausplündern zu wollen. Die Kampagne wendet sich an die 600 größten Aktionäre des Unternehmens, darunter 15 aus Deutschland. Kerr-McGee soll dazu gebracht werden, den Vertrag mit dem Königreich nicht zu verlängern.

Der steigenden Spannung in der Region ist auch der Gipfel der „Union des Arabischen Maghreb“ (UAM) zum Opfer fallen. Erstmals seit zehn Jahren sollte sich der 1989 geschaffenen UAM letzte Woche erneut treffen, damit Marokko, Algerien, Mauretanien, Tunesien und Libyen die wirtschaftliche Integration vorantreiben können und Nordafrika mehr Stabilität erhält. Der Westsahara Konflikt verurteilte die Union aber von Anfang an zur Untätigkeit. Zwei Tage vor Beginn des geplanten Gipfels am vergangenen Mittwoch sagte der marokkanische König Mohammed VI. die Teilnahme ab. Rabat begründete dies damit, dass Algerien seine Unterstützung für die Polisario verstärkt habe.

Die Westsahara die letzte Kolonie in Afrika. Obwohl völkerrechtlich dazu verpflichtet, hat die alte Kolonialmacht Spanien die Dekolonisierung verweigert und stattdessen faktich Marokko, der neuen Kolonialmacht, das Gebiet übertragen.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 30.05.2005
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Ergänzungen

Letzer Sommer

wüst 30.05.2005 - 19:47
Das Hauptproblem ist die beständige Besiedlung von Seiten Marokkos, womit bis zur Wahl die Mehrheitsverhältnisse im Land umgekehrt werden sollen.
Die lage war letztes Jahr aber völlig entspannt. Die Saharaouis mit denen ich gesprochen habe waren zwar nicht glücklich über die Situation aber resigniert. Am verhalten der Militärs und Polizei konnte man merken, daß keine direkte Bedrohung zu existieren scheint. Die Kontrollen an den Straßensperren waren eher lasch. Was wohl auch am Berm (Mauer der Schande) liegt.

Der Begriff Intifada

Gefärbterpalilappen 30.05.2005 - 20:20
"Intifada" bedeutet so viel wie "abschütteln".
Es bezieht sich darauf die Besatzung und Unterdrückung "abzuschütteln".
Muss sich also nicht unbedingt auf Palestina beziehen.

Die 1. (palästinensische) Intifada entstand nicht durch Selbstmordattentate gegen Israelis sondern durch Steuerboykotte, Landwirtliche Selbstversorgung, Demonstrationen (auch Straßenschlachten).
Auch wurde die emanzipation der Frau in der 1. Intifada gestärkt.
Leider gab es auch in der 1. Intifada schon einen Missbrauch von TerroristInnen, auch die PLO war damals schon scheisse und die Bewegung war leider nicht frei von Antisemitismus, Nationalismus und ähnlicher Scheisse.

Die 2. Intifada hat aber wenig mit der 1. gemeinsam.
Frauenemanzipation und weitere emanzipatorischen Strömungen spielen keine Rolle mehr, das Gegenteil ist der Fall.
Friedlicher Wiederstand ist auch eine Randerscheinung.
Antisemitismus, Nationalismus etc. sind vorherrschende Meinungen.
Terrorismus ist das Hauptmittel.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 5 Kommentare an

Intifada ? — _-_-_-_-_-

Hä? — ...

Zitat — augenauf

So ein Blödsinn.... — Antiimp

Bilder von represion in El Aaiùn — gora intifada !