Otegi im Knast - Friedensprozess beendet?

Ralf Streck 27.05.2005 10:08 Themen: Repression Weltweit
Der spanische Nationale Gerichtshof in Madrid hat am späten Mittwoch den Batasuna-Sprecher Arnaldo Otegi inhaftieren lassen. Internationaler Haftbefehl erging gegen Jon Salaberria, dabei, so ist inzwischen klar, war der nicht einmal vorgeladen war. Ist das das Ende eines möglichen Friedensprozesses? Grossdemo am 4. Juni in Bilbao.
Der spanische Nationale Gerichtshof in Madrid hat am späten Mittwoch den Batasuna-Sprecher inhaftieren lassen. Angeblich geladen hatte das Sondergericht auch den Ex-Parlamentarier von Batasuna Jon Salaberria, hatte die Presse vorher berichtet. Doch faktisch gab es, im Gegenteil zum Fall von Arnoldo Otegi, kein ordentlich Vorladung gegen Salaberria. Das hat die Anwältin der beiden gestern öffentlich gemacht und ihr wurde das vom Gericht bestätigt. Trotzdem stellte der Richter einen einen internationalen Haftbefehl gegen ihn aus. Es scheint, in Spanien wird man jetzt ausgeschrieben, weil man auf die Vorladung der Presse nicht reagiert. Otegi und Salaberria Beide waren bis vor kurzem Parlamentarier im Regionalparlament. Nach dem Verbot der Partei 2003 konnten sie sich nicht wieder zur Wahl stellen.  http://de.indymedia.org//2003/03/44768.shtml

Beschuldigt werden sie im Verfahrens des umstrittenen Ermittlungsrichters Baltasar Garzón gegen Kneipen von Batasuna (Einheit). Die wurden geschlossen, weil sie angeblich zur „Geldwäsche“ und zur „Finanzierung der ETA“ dienten. Doch sind sie längst wieder offen, weil der eingesetzte Finanzverwalter keine Anomalien in den Büchern feststellen konnte. Das Verfahren müsste also längst eingestellt sein. Doch wie andere aus der Zeit der konservativen Vorgänger wird es von den Sozialisten über das Ministerium für Staatsanwaltschaft weiter genutzt.  http://de.indymedia.org//2003/04/50068.shtml

Doch der angebliche ETA-Führer kommt frei, wenn er 400.000 Euro Kaution bezahlt. Allein dies zeige den politischen Charakter der Verhaftung, die baskische Politiker als Antwort auf die Bombe der ETA sehen, die am Mittwoch großen Sachschaden in Madrid angerichtet hat.  http://de.indymedia.org/2005/05/118007.shtml

Der Chef der großen Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV) Josu Jon Imaz sagte: „Glaubt jemand, ein ETA-Chef kommt mit der Zahlung von 400.000 Euro frei? Sind jetzt alle verrückt geworden.“ Dazu kommt, dass die übrigen in dem Verfahren auf freiem Fuss sind, oft ohne Auflagen und wenn Kaution dann mit 6000 Euro. Auch damit wird klar, dass es eine politische Entscheidung war, Otegi jetzt einzuknasten. Die Sprecherin der Regionalregierung Miren Azkarate fordert von der Zentralregierung Aufklärung: „Die Gesellschaft muss schnell, ohne jeden Raum für Zweifel, wissen, warum ein bedeutender Politiker inhaftiert wurde“. Die Verhaftung und der Anschlag seien keine Beiträge zu einem Friedensprozess, fügte sie an.

Als „Türschlag und die niederschmetternde Antwort auf den Wunsch nach Frieden im Baskenland“ bezeichnete der Co-Sprecher Joseba Permach den Vorgang. Der sozialistische Regierungschef und seine PSOE seien direkt dafür verantwortlich die „bedeutendste Person von Batasuna und wichtigster Vermittler“ einzusperren. Das ist richtig, denn der Vorgang geht von der Staatsanwaltschaft aus, die in Spanien ein Ministerium und untersteht damit direkt der Regierung ohne deren Plazet sich kein Staatsanwalt zu einem solchen Schritt trauen würde.

Otegi hatte im letzten Jahr einen Friedensvorschlag gemacht.  http://de.indymedia.org//2004/11/99236.shtml Schon wegen der nicht verbotenen Versammlung wurden drei weitere Parlamentarier angeklagt. Gestern gab es überall Demonstrationen, auch heute geht es in verschiedenen Städten weiter. Die fallen mit den üblichen Freitagsdemos für die inzwischen mehr als 700 politischen Gefangenen zusammen, bei denen sich diese Woche die von der PSOE eingeführte Zerstreuung zum 18. Mal jährt.  http://de.indymedia.org//2003/03/43119.shtml Batasuna ruft zu einer Großdemonstration am 4. Juni in Bilbao auf.

Erstaunlich ist, dass der Vorgang kurz nach dem Parlamentplenum ausgeführt wird, als sich Für den hatte sich Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero das Plazet des Parlaments geholt für Verhandlungen mit der ETA geholt hat.  http://de.indymedia.org//2005/05/117176.shtml
Kurios war schon kurz danach, dass diverse Minister kriegerisch die „Einkreisung“ der ETA und ihre„Zerschlagung“ ankündigten. Verteidigungsminister José Bono bezeichnete Otegi pötzlich als „Komplizen von Mördern und einen Entführer“ nannte. Dabei wurde Arnaldo Otegi von dem Vorwurf frei gesprochen, an einer Entführung beteiligt gewesen zu sein. Eine Verbindung der Partei zur ETA konnte nie bewiesen werden. Dafür wurden etliche Führungsmitglieder der Sozialisten (PSOE) für Mord und Entführung der staatlichen Todesschwadrone verurteilt.  http://de.indymedia.org//2003/06/55371.shtml

Es gibt drei mögliche Lesarten: Entweder die Sozialisten haben tatsächlich keinen Bock auf einen Friedensprozess oder sie wollen zuvor nocheinmal Stärke zeigen, um ihre Verhandlungsposition auszubauen. Ein typischer Vorgang in solchen Prozessen. Dagegen spricht, dass der Prozess noch sehr unreif ist und deshalb an einer solchen Aktion frühzeitig scheitern könnte. Am wahrscheinlichsten ist, dass es sich um reinen Wahlkampf vor den anstehenden Wahlen in Galizien handelt. Erstmals will die PSOE der ultrarechten Volkspartei (PP) ihre Hochburg abjagen.  http://de.indymedia.org//2005/04/112853.shtml Dort regiert noch immer ein Ex-Minister der Franco-Diktatur.  http://de.indymedia.org//2005/03/108613.shtml

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastián 27.05.2005
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Ergänzungen

Presseerklärung

.. 27.05.2005 - 10:19
BATASUNA's international press release

Denouncing Arnaldo Otegi's imprisonment


BATASUNA holds Zapatero responsible for the arrest


The national board of BATASUNA (the executive) in a public and
collective appearance this morning, 26th May 2005, place the blame for
the arrest of Arnaldo Otegi directly on the PSOE and its leader and
president of the Spanish government Jose Luis Rodriguez Zapatero. The
main leader and national spokesperson of the Basque pro-independence
left party was imprisoned yesterday, 25th May 2005, accused by the
Special anti-terrorist tribunal called "Audiencia Nacional" of being a
member of ETA, setting a huge bail of 400.000 Euros (around 266.666
English pounds) for his provisional release.

BATASUNA has manifested that the arrest of Arnaldo Otegi is a very
serious attack on the exceptional political context the Basque Country
lives, where in the past months a social and political climate in
favour of a political resolution in the Basque Country has been
created.

The national board of BATASUNA has remembered that Arnaldo Otegi is
also Batasuna's main mediator and that within the past months he has
maintained many meetings with trade unions and social and political
organizations in order to settle a peace and political normalization
process in Euskal Herria (Basque Country).

BATASUNA believes that the imprisonment of the main negotiator of one
of the sides of the conflict, completely discredits the discourse
carried out by the president of the Spanish government, Jose Luis
Rodriguez Zapatero, in the past weeks in relation with his political
willingness to open the path of dialogue and agreement. We have to add
to this imprisonment the arrests carried out these past months in both
Spanish and French ruled Basque Country, as well as the maintenance of
the Basque political prisoners dispersion policy and the banning of
Batasuna and other social organizations.

An attack on the Basque society's desires

Never the less, the whole of the Basque society, no matter what their
political believes are, sees Arnaldo Otegi as the essential political
figure to establish a political process which shared objectives are
peace and political normalization in the Basque country, that is why
BATASUNA believes is a direct attack to the Basque Country's main
longing.

BATASUNA's national executive considers necessary to shield the future
of the political resolution process of the conflict, by the political
activation against the measures mentioned above and of course the
social mobilization of the Basque citizens. That is why has called for
demos and protest in all the PSOE Basque offices all through out the
week, and has specially summoned the society to take part at the
national demo in defence of the political resolution of the conflict
to be held in Bilbao the 4th June 2005.

Strong bid in defence of the process and solidarity request

Finally, the National executive of Batasuna has cleared that no-one
nor nothing will turn the Basque pro-independence left movement aside
one single millimetre from its path, not even the imprisonments of the
Spanish high court that by now has lost all its democratic credibility
in the Basque Country.

BATASUNA reiterates that the Alternative for the democratic resolution
of the Basque conflict forwarded the 14th November 2004 at the Anoeta
sport-hall of Donostia/san sebastian called "Orain herria, Orain
bakea" – Now the people, now peace - is still its main project.

That is why BATASUNA calls for the international community's political
parties and personalities who have shown their agreement and
solidarity towards the political resolution process of the Basque
conflict to manifest their rejection to Arnaldo Otegi's imprisonment
and defend a peace process and political normalization in the Basque
Country by carrying out public initiatives on its favour.

Joseba Albarez
Menber of BATASUNA's national executive
Head of international relations department
26th May 2005

P.D. The mentioned initiatives and declarations should be please sent
to the e-mail address;  alvarezforcada@hotmail.com


Denunziert Bedingungen

Zeitungsleser 28.05.2005 - 09:19
Gestern mussten sie Otegi wieder frei lassen, nachdem die Kaution aufgebracht war. Zunächst denunzierte er die Situation der mehr als 700 politischen Gefangenen. Er nutzte die Anwesenheit der Medien aber auch, um im Namen der sozialen Gefangen die Lage im Isolationstrakt von Soto de Real anzugreifen, wo er zwei Tag inhaftiert war. Die hatten ihn darum gebeten. Otegi erklärte, die Inhaftierung ändere nichts an der Linie der Partei, einen Weg für eine friedliche Lösung zu suchen. Erreicht hat die Regierung, dass er nicht mehr ins Ausland reisen kann (auch nicht ins französische Baskenland) weil er seinen Pass abgeben musste.

kleine korrektur

galicia 29.05.2005 - 17:56



1) Die direkte Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft ist schlicht Unfug, schließlich hat z. B. (der eigentlich den Sozialisten nahestehende) Untersuchungsrichter Garzón seinerzeit auch die Anklage gegen den sich in London befindenden Pinochet erhoben - gegen den erklärten Willen der Regierung Aznar.

2) Es ist richtig daß Aznars Volkspartei (pp) und Teile der Sozialisten im Kampf gegen ETA und baskische Nationalisten Gesetze zu ignorieren. Im Gegenzug braucht man aber auch nicht Otegi, Batasuna usw. alles für bare Münze abzunehmen.


Und - bei aller Bescheidenheit bei meinem nach langer Zeit ersten Beitrag - die Lesarten machen einfach gar nicht her. Viel sinnvoller liest sich doch folgendes:

Das Bombenattentat in Madrid Anfang der Woche liefert den konservativen Seilschaften insbesondere in der Staatsanwaltschaft (hier hat Aznar noch vorgesorgt) einen willkommenen Anlaß, Zapateros Kurskorrektur gegenüber den baskischen Nationalisten zu torpedieren.


In Galicien nutzt eine Eskalation des Konfliktes nicht PSOE, sondern der Volkspartei!





@galicia

Millie 29.05.2005 - 20:40
Garzon ist ein Wetterhahn, der seine Nase mit dem Wind dreht. Richtig, er hat unter den Sozialisten begonnen, aber nach dem Wahlsieg der PP 1996 sich dann auch schnell auf die "andere" Seite geschlagen.
Das ganze mit Pinochet könnte man auch als Ablenkungsmanöver werten, schließlich wurde so damals der Weltöffentlichkeit gezeigt, daß Spanien sich um die Menschenrechte kümmert. Man weiß aber auch das bis heute kein Verfahren wegen Verbrechen in der Franco-Diktatur in Spanien eröffnet wurde.
Vielleicht sollte Garzon doch erstmal vor der eigenen Tür kehren, schließlich hat das mit Pinochet auch nichts gebracht, außer Wirbel.

Nichts kapiert

Paul 29.05.2005 - 22:57
Genau weil die Staatsanwaltschaft direkt an Weisungen der Regierung gebunden ist, gibt es die Figur des Ermittlungsrichters, der soll nämlich Unabhängig sein. Was man im Fall von Garzon also auch nicht gegeben ansehen kann. Bei der Machtübernahme der Volkspartei (PP) nennt deren Innenminister Mayor Oreja drei Ziele der Regierung: „Die Führung der ETA zu fangen, die Führung von Herri Batasuna zu inhaftieren und die Zeitung Egin zu schließen“.
Was die Verhaftung der ETA-Führung angeht, so war dies stets das Ziel aller Regierungen seit ihrer Entstehung 1959.
Ähnlich verhielt es sich auch mit den politisch-gesellschaftlichen Organisationen und den Medien. Denn auch hier wurden die Ankündigungen innerhalb von zwei Jahren umgesetzt. Zwei Jahre nach dem Machtantritt der PP sitzt die Führung von Herri Batasuna hinter Gittern und die Zeitung und das gleichnamige Radio Egin sind verboten.
Die 25 Mitglieder der kollektiven Führung von HB werden sofort 1996 nach dem Wahlsieg der PP unter dem Vorwand kriminalisiert, dass sie einige Sekunden aus einem Video der ETA in einem Wahlkampfspot veröffentlichen wollten. Dies ist schon deshalb erstaunlich, weil die ETA darin der spanischen Regierung ein Dialogangebot unterbreitet. Garzón klagt sie deshalb wegen Unterstützung einer bewaffneten Bande an und 1997 werden 24 HB-Führer zu sieben Jahren Haft verurteilt. Doch das Urteil wird vom Verfassungsgericht 1999 kassiert und die HB-Führung nach 20 Monaten unrechtmäßiger Haft frei gelassen. Das Verfassungsgericht stellt fest, dass der Paragraph auf den sich der Schuldspruch des Obersten Gerichtshofes bezog, nicht verfassungsgemäß angewandt worden sei. 1998 wurde dann auch der Egin verboten.
Die Grundzüge für die Verbotspolitik der letzten Jahre über Garzón exekutiert, hat der ein Jahr nach der Machtübernahme der PP in einem Vorwort zu einem Buch dar. Er macht sich die These von Oreja zu eigen, dass die Organisationen der linken Unabhängigkeitsbewegung (MLNV) allesamt von der ETA gesteuert werden: „Heute ist klar, dass die MLNV strategisch in einen politisch-militärischen Zusammenhang integriert sind, der sich aus verschiedenen politischen Strukturen, legal, illegal und bewaffnet zusammen setzt und von einer illegalen Struktur mit dem Namen KAS geführt wird.“ Beweise hat er bis heute nicht vorgelegt, noch kein Prozess wurde geführt.

Leider auch falsch

Paul 29.05.2005 - 23:01
@galicia.

Der Ex Parlamentarier der PSOE Garzon hat die PSOE mit abgesegt und die PP unterstützt um an die Macht zu kommen. Dazu hat er ein bißchen was von den GAL-Todesschwadronen Geschichten aus dem Kasten geholt, die er zuvor Jahrelang nicht ermittelt hat. Er hatte die Fraktion der PSOE verlassen, weil er den Ministerposten nicht bekommen hat, den man dem frühren Symphatisanten der Kommunisten versprochen hat. Von daher liegst du wieder richtig mit Wetterhahn.

Neue Entwicklungen

Ralf 04.06.2005 - 14:56
Wie gehts mit der Repression gegen Batasuna weiter...  http://de.indymedia.org/2005/06/118940.shtml

Zum Tod von Jon Idigoras
 http://de.indymedia.org/2005/06/118942.shtml

Demos

Ralf 06.06.2005 - 10:07
Neues zur Entwicklung und den Demos am Wochenende#
 http://de.indymedia.org/2005/06/119143.shtml