Solidaritätsdemo zum Berliner Abschiebeknast

freyafluten 09.05.2005 14:37 Themen: Antirassismus
Am 7. Mai 2005 versammelten sich zwischen 150 und 200 Menschen am S- Bahnhof Spindlersfeld in Berlin Köpenick um ihrer Solidarität mit den 17 Hungerstreikenden in dem Berliner Abschiebeknast Grünau / Berlin Köpenick Ausdruck zu verleihen und ihre Wut gegen das unmenschliche Abschieberegime der BRD gegen die Mauern zu schreien.
Solidaritätsdemonstration zum Abschiebeknast Grünau am Samstag 7. Mai 2005 in Berlin

Am 7. Mai 2005 versammelten sich zwischen 150 und 200 Menschen am S- Bahnhof Spindlersfeld in Berlin Köpenick um ihrer Solidarität mit den 17 Hungerstreikenden in dem Berliner Abschiebeknast Grünau / Berlin Köpenick Ausdruck zu verleihen und ihre Wut gegen das unmenschliche Abschieberegime der BRD gegen die Mauern zu schreien.
Nach dem wir auf alle NachzuüglerInnen gewartet hatten und mit guter Musik auf eine fast beachtliche Menge angewachsen waren, liefen wir zum Abschiebeknast. Die Strassen, durch die wir kamen, waren trotz des Samstagnachmittags fast menschenleer. Köpenick, ein scheinbar ausgestorbener Randbezirk Berlins mit den drei ‚Highlights’: dem Abschiebeknast, der NPD-Parteizentrale und einem geplanten ‚nationalen Schulungszentrum’. Die Bullen war mit mindestens einer Hundertschaft angerückt, um die nichtvorhandene Bevölkerung vor unserem Protest zu schützen und um uns daran zu hindern, direkt an die Knastmauern zu kommen. Der Parkplatz vor dem Knast war mit Gittern abgesperrt, hinter denen Hunde und BeamtInnen kläfften, so dass wir uns auf die Strasse stellen mussten. Immerhin war die Strasse so komplett dicht und der Tramverkehr lahmgelegt. Laut und solidarisch schickten wir nun unsere Grüße an die Hungerstreikenden und die anderen InsassInnen des Abschiebeknastes in Form von mehrsprachigen Reden, kurdischen Gesängen, Musik und lauten Trommelrhythmen der mitdemonstrierenden Sambaband.
Die InsassInnen, die ihre Zimmer an der Außenwand hatten, winkten uns durch die Gitter zu. Dies ist immer einer der deprimierendsten Momente vor dem Abschiebeknast, denn die Rufe aus den Fenstern verdeutlichen die Mauern, die zwischen uns stehen und die wir leider immer noch nicht einreißen können. Ca. 15 Gefangene haben während unseres Besuches vor den Mauern eine Eisentür aus den Angeln gerissen und wollten damit die Fenster einzuschmeißen, um so mit uns in Kontakt kommen zu können. Leider bekamen wir dies selber erst später über den Polizeiticker mit, wir sahen einen sich fertigmachenden Schlägertrupp der Bullen, der während der Demo den Knast jedoch nicht betrat. Telefonisch konnten wir auf der Kundgebung einen der Hungerstreikenden erreichen, der über Glieder- und starke Kopfschmerzen klagte, jedoch weiterhin aufgrund der unhaltbaren Situation in dem Abschiebeknast an dem Hungerstreik festhalten will. Ein weiterer Mann hat sich in der Zwischenzeit den Hungerstreikenden angeschlossen, so dass nun 17 Männer die Nahrung verweigern, 16 von ihnen nun schon seit über 20 Tagen. Die Hungerstreikenden selber lagen in einem so entfernten Trakt des riesigen Abschiebeknastes, dass sie uns trotz aller Wut und Lautstärke nur sehr schwach hören konnten.

Trotz des deprimierenden Beigeschmacks bei der Konfrontation mit der bundesdeutschen Abschiebemaschinerie war es toll, dass wir doch so viele waren, die zusammen laut unsere wütende Solidarität an die Knastmauern geschrieen haben. Und wir kommen wieder und irgendwann fallen dann auch die Mauern. Mit Sicherheit!

Pressemitteilung der Antirassistischen Initiative und der Initiative gegen Abschiebehaft:
Die Proteste richten sich vor allem gegen die langen Haftzeiten und Misshandlungen. Aktuell verweigern 16 Männer seit dem 18. April in der Abschiebehaft in der Grünauer Straße 140 in Berlin Köpenick jegliche Nahrungsaufnahme, um sich gegen die »unmenschliche Behandlung« in dem Gefängnis zu wehren. Sie protestieren damit gegen die langen Haftzeiten ohne Entscheidung und gegen schlechte Behandlung und Übergriffe durch Polizeibeamte. Ein Anlass für den Beginn des Hungerstreiks war der Übergriff auf einen Häftling am 16. April 2005. An diesem Samstag sollte eine ganze Etage von der 6. in die 5. verlegt werden. Um 8:30 Uhr stürmten die Beamten in die Zellen, in denen die Leute noch schliefen. Ein Palästinenser aus dem Libanon sagte zu einem Beamten, dass er bereit sei zu gehen, sich aber vorher das Gesicht waschen wollte. Als er in die Richtung des gegenüberliegenden Badezimmers gehen wollte, griff der Beamte seinen linken Arm, drehte ihn am Handgelenk auf den Rücken und stieß ihn mehrmals mit dem Kopf gegen die Wand. Der Gefangene wurde ärztlich untersucht. Dabei wurden ein angebrochener Finger, eine Verstauchung des Handgelenkes, eine Platzwunde an der Stirn und diverse Schwellungen und Prellungen festgestellt. Der Verletzte hat Anzeige erstattet.
Ein weiterer Grund für den Hungerstreik sind die langen und unabsehbaren Haftzeiten. Eine Haft wird normalerweise für drei Monate seitens der Ausländerbehörde beantragt, kann dann aber immer wieder (bis zu 18 Monaten) verlängert werden. Für die Häftlinge ist dadurch völlig unklar, wie lange sie inhaftiert werden, zumal sie keine Infos über den Stand ihrer Verfahren bekommen.
Im Verlauf des Hungerstreiks kam es auch zu mehreren Selbstverletzungen. Seitens der Polizei wurde versucht, durch Verlegungen einiger Hungerstreikender den Streik zu brechen. Einzelne Beteiligte wurden in Isolationshaft genommen. Am Dienstag, den 26.4. fand von 20:00 bis 22:30 zusätzlich eine Razzia auf der Etage III/1 statt. Dabei mussten sich die Hungerstreikenden sowie alle Männer arabischer Herkunft nackt ausziehen und wurden ohne Rücksicht auf die Intimsphäre penibel untersucht, während ihre Zellen völlig verwüstet wurden. Die Gefangenen haben dies als besonders demütigend erfahren (»Keine Ehrfurcht vor Niemand« »Was ist das für ein Land«). Die Perspektivlosigkeit der Situation, die Ungewissheit über die Dauer der Inhaftierung, die menschenunwürdige Behandlung und die Angst vor der Rückkehr in das Herkunftsland schaffen ein Klima der Hilflosigkeit, Frustration und Verzweiflung. Hungerstreiks, Selbstverletzungen und Suizidversuche sind in der Berliner Abschiebehaft an der Tagesordnung. Wir als Antirassistische Initiative, der Initiative gegen Abschiebehaft und der Initiative gegen das Chipkartensystem unterstützen die Forderung der Inhaftierten. Wir fordern ein Ende des Abschiebehaftsystems.

Antirassistische Initiative: 030/7857281
Public Domain Dedication Dieses Werk ist gemeinfrei im Sinne der Public Domain
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Und so sehen es die Bullen:

aufmerksame leserin 09.05.2005 - 14:56
Polizeiticker: 07.05.2005 - 18:50 Uhr
"Demonstration löst Unruhe im Abschiebungsgewahrsam aus:
Während der Abschlusskundgebung einer Demonstration vor dem Abschiebungsgewahrsam in Köpenick kam es heute Mittag zu Tumulten im Gebäude.
Der Aufzug, der unter dem Motto „Unterstützung des derzeitigen Hungerstreiks“ stand, endete gegen 14 Uhr vor dem Gewahrsam, in dem derzeit sieben Insassen die offiziell angebotenen Speisen ablehnen.

Während die Demonstrationsteilnehmer draußen die Kundgebung verfolgten, randalierten im Innern des Hauses etwa fünfzehn Insassen einer Etage und brachen dabei eine Eisentür eines Aufenthaltsraumes aus dem Türrahmen. Mit der Eisentür versuchten sie dann zwei Fensterscheiben einzuschlagen, um so in Kontakt zu den Demonstranten treten zu können. Außerdem griffen sie das Personal an und bewarfen die Angestellten mit Lebensmitteln. Ein Mitarbeiter wurde dabei im Gesicht getroffen und leicht verletzt. Herbeigerufenen Einsatzkräften und dem Sozialarbeiter des Gewahrsams gelang es allmählich die Lage zu beruhigen.

Die insgesamt 29 Insassen der Etage mussten für die Dauer der Reinigungs- und Reparaturarbeiten auf andere Gebäudeflügel verteilt werden.
Bei den Randalierern handelt es sich um Schwarzafrikaner und Araber."

Mensch beachte die falsche Angabe zu den Hungerstreikenden und die tolle Definition "die offiziell angebotenen Speisen ablehnen"! Bleibt noch zu ergänzen, dass auf Nachfrage, warum sich die Bullen in Richtung Knasteingang formieren würden, vom Einsatzleiter jegliche Auskunft verweigert wurde und seine lustige Assistentin meinte, die "würden vielleicht Dehnübungen machen". Ein Dritter machte uns dann richtig Angst als er meinte, wir sollten mal lieber aufpassen, dass die nicht dazu da wären "uns gleich wegzuräumen"! Bleibt zu hoffen, dass die "Randalierer" nicht die Nächsten sind, die von Bullenübergriffen im Knast betroffen sind - viel kraft und Stärke den Menschen im Knast!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 3 Kommentare an

frage — derfrag0r

an den fragenden — freyafluten

blö — ripple