Stoiber, raus aus dem Kameradenkreis

Dr. Stoiber 29.04.2005 13:28 Themen: Antifa Militarismus
AK Angreifbare Traditionspflege (NRW) fordert:


Austritt des Ministerpräsidenten Stoiber aus dem „Kameradenkreis der Gebirgstruppe“ und keine weitere Unterstützung der bayerischen Staatsregierung für diese „Selbsthilfegruppe der Kriegsverbrecher“

Es ist eine unerträgliche Verhöhnung der Überlebenden des KZ Dachau, der aus Auschwitz und Theresienstadt nach Dachau Deportierten, wenn der bayerische Ministerpräsident am 1. Mai vor sie hintritt und gleichzeitig noch Mitglied in einem Traditionsverband ist, in dem die Täter organisiert sind, die die Athener Juden zusammen getrieben und die Deportationszüge nach Auschwitz begleitet haben, die auf Kephalonia 5000 italienische Kriegsgefangene ermordeten und das Massaker im griechischen Kommeno an 317 Frauen, Kindern und Greisen zu verantworten haben!



Zum Hintergrund:



Aktueller Bezugspunkt ist Stoibers Rede auf der zentralen Gedenkveranstaltung zur Befreiung des KZ Dachaus am 1. Mai 2005. Stoiber ist Mitglied des „Kameradenkreises der Gebirgstruppe e.V.“, in dem auch Veteranen organisiert sind, die in Athen die JüdInnen zusammen getrieben und die Todeszüge nach Auschwitz begleitet haben. Nach Dachau wurden viele GriechInnen deportiert und Dachau war auch die letzte Station

der Todestransporte aus Auschwitz und der Ausgangspunkt für die Todesmärsche Richtung Mittenwald und Wolfratshausen.

Hintergrund dieser Forderung sind Recherchen der letzten Monate, dass im „Kameradenkreis der Gebirgstruppe e.V.“, in dem Ministerpräsident Stoiber nach wie vor Mitglied ist und für diesen Verein er auch aktuell im Oktober 2004 zur Jahreshauptversammlung Grußbotschaften verschickte, Veteranen organisiert sind, die im Polizei-Gebirgsjäger Regiment 18 und in der 1. Gebirgsdivision die Deportationen der griechischen JüdInnen in Athen und in Nordgriechenland durchgeführt haben.



Unter dem Oberkommando von Hermann Franz, Befehlshaber der Ordnungspolizei, SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei, zuvor Kommandeur des Polizei-Gebirgsjäger-Regiments 18 - verschleppten deutsche und griechische Polizisten an Hand der Kartei, in der die JüdInnen registriert waren, Gemeindemitglieder aus ihren Wohnungen und brachten sie zur Athener Synagoge. Zu den eingesetzten Polizeieinheiten gehörten die dritte und vierte Kompanie des I. Bataillons des Polizei-Gebirgsjäger-Regiments 18. Polizisten dieser Einheit begleiteten die Todeszüge nach Auschwitz. Weiterhin ist die „Begleitung“ von Häftlingstransporten aus dem KZ Chaidari bei Athen nach Dachau belegt.

Hermann Franz war nach dem Krieg hoch geehrtes Mitglied des Kameradenkreises. Veteranen des Gebirgsjäger- Polizei-Regiments 18 sind Mitglieder im Kameradenkreis, wie zahllose Berichte in der Vereinszeitung „Gebirgstruppe“ belegen. Ähnliche Beteiligungen lassen sich auch für die Deportationen aus Nordgriechenland nachweisen.

Dasselbe gilt für die Mitgliedschaft der SS-Gebirgsdivision Nord im „Kameradenkreis“. Dieser Einheit werden ebenfalls zahlreiche NS-Kriegsverbrechen zugeordnet. Schließlich sind in den Traditionskameradschaften 11., 12.,13. /98 die Täter der Massaker von Kommeno und Kephalonia organisiert.

(Ausführlich mit Belegen siehe: www.nadir.org/mittenwald)  http://www.nadir.org/nadir/kampagnen/mittenwald/broschuere2005/athen1.html

Wir bitten um Unterstützung unserer Forderung durch Einzelpersonen und Organisationen im In-und Ausland Unterstützungsunterschriften bitte an  angreifbare.tradition@freenet.de

senden.

Kontakt: Tel.: 0160/5942758





Münchner Merkur 27.4.2005



Wirbel um "Gebirgsjäger-Kamerad" Stoiber
Pfingsttreffen von Veteranen bei Mittenwald schlägt schon jetzt Wellen

Mittenwald - Es ist fast schon ein Ritual: Jedes Jahr am Pfingstsonntag
veranstaltet der als Verein organisierte "Kameradenkreis der Gebirgstruppe"
eine Gedenkfeier - die Zahl der ehemaligen Soldaten, die dann zu der
vereinseigenen Gedenkstätte am Hohen Brendten bei Mittenwald (Kreis
Garmisch-Partenkirchen) kommt, geht in die tausende.

Ebenso fast ein Ritual ist der Widerstand, angeführt von Historikern aus dem
linken Spektrum, gegen diese Art der "Traditionspflege" - schließlich waren
die Gebirgsjäger im Zweiten Weltkrieg an Massakern beteiligt.
Auch in diesem Jahr dürfte am Hohen Brendten wieder ein massiver
Polizeieinsatz bevorstehen. Schon im Vorfeld hat sich der Organisator der
Gegendemonstration, Stephan Stracke aus Wuppertal, einen prominenten Gegner
ausgesucht: Edmund Stoiber. Der Ministerpräsident müsse aus der
Kameradschaft austreten, fordert er. Das löste beim Kameradenkreis sogleich
Empörung aus. Die Austrittsforderung sei "unglaublich", sagte der Redakteur
des Vereinsorgans "Die Gebirgstruppe", Hans Lindinger. Morgen will Stracke
in München zusammen mit zwei KZ-Überlebenden, Ernst Grube und Martin
Löwenberg, indes noch nachlegen. Es gebe neue Recherchen über
Polizei-Gebirgsjäger, die Deportationen an griechischen Juden durchgeführt
hätten. Ob von Einheiten, die an Massakern oder Deportationen beteiligt
waren, heute noch Mitglieder in der Kameradschaft organisiert sind, ist die
eine Frage. Die andere ist, ob Stoiber auf die Vorwürfe reagiert. Die
Staatskanzlei war gestern zu keiner Stellungnahme bereit.

dw/cs




Gebirgsjäger und die Vernichtung der Athener Juden
Die „Endlösung“ der Judenfrage in Griechenland trat mit der Ankunft von Dieter Wisliceny am 20. September 1943 in Athen in ihre letzte Phase. In Thessaloniki hatte er die Vernichtung von rund 56.000 Juden und Jüdinnen organisiert. Wisliceny war Bevollmächtigter Adolf Eichmanns für die Slowakei, Griechenland und Ungarn. Als Angehöriger des „Judenreferats” im SD-Hauptamt und Chef des Sonderkommandos für „Judenangelegenheiten” in Griechenland trug er einen großen Teil der Verantwortung für die Vernichtung der griechischen Juden.[1] Innerhalb von 24 Stunden nach seinem Eintreffen in Athen ordnete Wisliceny an, dass ein Judenrat gebildet werde und forderte präzise Informationen über die jüdische Gemeinde Athens. Letzteres scheiterte daran, dass Athener Juden das Personenarchiv der jüdischen Gemeinde bei einem Einbruch in das Gemeindebüro entwenden und zerstören konnten, um zu verhindern, dass die Unterlagen den Nazis in die Hände fielen.[2] Am 8. Oktober 1943, Yom Kippur, befahl der HSSPF in Griechenland, SS-Gruppenführer Jürgen Stroop, dass sich alle Athener Juden registrieren lassen mussten. Bis Februar 1944 folgten dem aber lediglich etwa 1.500 Menschen, weil sie sonst keine Arbeitserlaubnis erhalten hätten.[3] Nicht registrierte Juden, die den Nazis während dieser Monate in die Hände fielen, wurden in das Durchgangshaftlager Chaidari gebracht, wo sie Schwerstarbeit leisten mussten.[4]

Die registrierten Athener Juden mussten sich jeden Freitag Morgen in der Synagoge melden, so auch am 24. März 1944. SS-Obersturmführer Anton Burger erklärte an diesem Tag dem Vorsteher der Jüdischen Gemeinde von Athen, die Juden würden wegen ihrer anglophilen Einstellung zum Arbeitseinsatz nach Deutschland gebracht werden. Unter dem Oberkommando der deutschen Polizei – Befehlshaber der Ordnungspolizei war SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei Hermann Franz, zuvor Kommandeur des Polizei-Gebirgsjäger-Regiments 18 - holten deutsche[5] und griechische Polizisten an Hand der Kartei, in der die Juden registriert waren, Gemeindemitglieder aus ihren Wohnungen und brachten sie zur Synagoge.[6] Zu den eingesetzten Polizeieinheiten gehörten die dritte und vierte Kompanie des I. Bataillons des Polizei-Gebirgsjäger-Regiments 18 unter ihren Kompaniechefs Hauptmann Baier (3. Kompanie) und Hauptmann Reischl (4. Kompanie).[7] Sie waren seit dem 20. September 1943 in festen Quartieren in Athen und Piräus stationiert.[8] Viele Juden glaubten aber auch, in der Synagoge würde eine Ration Mehl zur Herstellung von matsoth, ungesäuertem Brot, ausgegeben. Den auf dem Appellplatz vor der Synagoge Wartenden wurde von den Wächtern befohlen, in die Synagoge zu gehen. Als alle drinnen waren, wurden ihre Tore geschlossen. Niemand wusste, was geschah. Es wurden weitere Juden in die Synagoge gebracht. Gegen 13 Uhr wurden die inzwischen etwa 700 Menschen auf die Straße heraus gelassen. Sie war auf beiden Seiten von mit MGs bewaffneten Soldaten, bei denen es sich höchstwahrscheinlich um Angehörige des Polizei-Gebirgsjäger-Regiments 18 handelte,[9] abgesperrt. Die Gebirgsjäger bewachten die Juden in der Synagoge und auf dem Platz davor und sperrten die Straßen ab. Die Jüdinnen und Juden wurden auf LKWs nach Chaidari gefahren. Dort wurden sie nach Geschlechtern getrennt in leer stehende Blöcke eingesperrt. Sie erhielten weder Nahrung noch Betten oder Decken. Am folgenden Tag wurden rund 1.000 weitere Menschen, die u. a. von Angehörigen des Polizei-Gebirgsjäger-Regiments 18 überwiegend in ihren Wohnungen verhaftet worden waren, eingeliefert, so dass am Abend des 25. März 1944 insgesamt etwa 1.700 Athener Jüdinnen und Juden in Chaidari inhaftiert waren. Nach neun Tagen, am 2. April 1944, wurden sie gruppenweise auf LKWs zur zentralen Athener Bahnstation Rouf gefahren und von dort aus in Viehwaggons nach Auschwitz und Dachau deportiert.[10] Viele Athener Juden wurden von Chaidari aus in das Sonderkommando in Auschwitz-Birkenau kommandiert, wie Marcel Nadjari[11] und Leon Cohen, der Auschwitz überlebte. Angehörige der 3. und 4. Kompanie des I. Bataillons des Polizei-Gebirgsjäger-Regiments 18 sowie der Polizei-Gebirgs-Artillerie-Abteilung begleiteten die Deportationszüge nach Auschwitz und Dachau.[12]



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[1] Artikel „Wisliceny“, in: Jäckel, Eberhard, Longerich, Peter, Schoeps, Julius H. (Hg.): Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, Bd. 3, 2. Aufl., München 1998, S. 1608.

[2] Sevillias, Errikos: Athens-Auschwitz, Athens 1983, zit. als: Sevillias, Athens; hier: S. XX.

[3] Ebd., S. XXII.

[4] Ebd., S. 6.

[5] Bislang konnte noch kein Einsatzbefehl o.Ä. für deutsche Polizisten gefunden werden. Die Schlussfolgerung, dass deutsche Polizisten beteiligt waren, beruht auf der Analyse der Dienststelle des BdO und des BdS. Die Aussage Mazower’s (Mazower, Mark: Inside Hitler’s Greece. The Experience of Occupation 1941-44, New Haven, London 1995, zit. als: Mazower, Greece, hier: S. 256ff.), in Athen habe die SS die Deportation ohne Wehrmacht bewerkstelligt, spricht ebenfalls hierfür. Griechische Quellen sind nicht exakt in Bezug auf die Waffengattungen, lediglich die Waffen-SS wird wegen ihres Totenkopfes immer sicher erkannt.

[6] Beschluss LG Bremen in der Voruntersuchung gegen Blume u.a. vom 29.1.1971 (StA Bremen 4,89/3-858, S. 6). Deutsche Polizisten werden dort nicht erwähnt, lediglich die SS wird genannt. Das Erkenntnisinteresse der Staatsanwaltschaft richtete sich jedoch ausschließlich auf die Frage, welche Rolle die Beschuldigten aus der Dienststelle des BdS gespielt haben, nicht darauf, welche Einheiten faktisch an den Deportationen beteiligt waren (vgl. Anm. 5)

[7] Franz, Herrmann: Gebirgsjäger der Polizei. Polizei-Gebirgsjäger-Regiment 18 und Polizei-Gebirgs-Artillerieabteilung 1942-1945, Bad Nauheim 1963, zit. als: Franz, Gebirgsjäger; hier: Anlage 3. Andere Polizeieinheiten „aus dem Reich“ unterstanden dem BdO in Athen nicht (s. Aufstellungen in Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde R19/322 sowie Neufeldt, H.-J.; Huck, J.; Tessin, G.: Zur Geschichte der Ordnungspolizei 1936-1945, Koblenz 1957, Teil II, S. 72).

[8] Franz, Gebirgsjäger, S. 107.

[9] Sevillias spricht von mit MGs bewaffneten Soldaten. Polizei-Gebirgsjäger hatten MGs, waren in Athen stationiert und wurden von Nichtmilitärs leicht für Wehrmachtsangehörige gehalten. Außerdem schließt Mazower eine Zusammenarbeit mit Wehrmacht ausschließt (s. Anm. 5).

[10] Sevillias, Athens, S. 7 ff. S. a. Mazower, Greece, S. 256.

[11] Mitglied des jüdischen Sonderkommandos in Auschwitz und dort ermordet. Nadjari schrieb seine Erlebnisse nieder. Sie wurden 1980 gefunden (Nadjari, Marcel: Chroniko 1941-1945, Thessaloniki 1991).

[12] Staatsanwaltschaftliche Vernehmung Hermann Franz, 14.9.1967 (StA Bremen 4,89/3-852, Bl. 2611). Franz’ Aussage wird durch das Ermittlungsergebnis im Verfahren gegen Blume und Linnemann bestätigt, wonach reichsdeutsche Polizeikräfte die Deportationszüge begleiteten (Ltd. Oberstaatsanwalt beim LG Bremen, 2.9.1964, StA Bremen 4,89/3-844, Bl. 540f.). Die einzigen reichsdeutschen Polizeikräfte in Athen waren die Polizei-Gebirgsjäger, und zwar während des gesamten Jahres 1944 bis zum Abzug aus Athen im September des Jahres, wie aus den Aufstellungen im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde R19/322 hervorgeht.





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Münchner 29.04.2005 - 15:33
Ist für den 1.5. in dachau irgendetwas geplant?
ist ja nicht ganz ohne vom ort und anlass her, also nur stumpf stören wär halt irgendwie scheisse, trotzdem sähe ich als opfer das als hohn, wenn nichts laufen würde...

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Skandal?! — redskin