San José: Alptraum geht weiter

bärbel schönafinger - kanalB 04.04.2005 17:09 Themen: Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Kolumbien, Urabá, San José de Apartadó: Am 23. März 1997 erklärte die zivile Bevölkerung der 28 Dörfer von San José ihr Gebiet zur Friedensgemeinschaft. Seitdem hat die Gemeinschaft über 150 Mitglieder in diesem Prozess des zivilen Widerstands durch Massaker und gezielte Ermordungen verloren.
Der kollektive Strategie einer Gemeinde, als eine gegen alle kriegsführende Parteien neutrale, selbstverwaltetete Friedensgemeinde inmitten des Krieges zu überleben, scheint zunächst endgültig gescheitert.

Eine teilweise Übersetzung des Briefes der Gemeinde von San José vom 2. April.
"Die Friedensgemeinde San José de Apartadó gibt bekannt, dass sie am heutigen 1. April beginnen, San José verlassen. Seit dem 30. März kommt die Polizei in unser Dorf mit Psychologen und Soziologen, mit Leuten, die uns filmen und Flugblatter verteilen, auf denen steht, dass die Polizei eng mit uns zuammenarbeiten will und dass das mit uns abgesprochen sei.
Am 30. März blieben sie bis um 14 Uhr und verteilten Flugblätter und kündigten an, dass die Polizei erzieherisch mit den Kindern arbeiten werde, den Konflikt beilegen und Sozialarbeit verrichten werde. Nachdem sie uns abgefilmt hatten, gingen sie um 14:40 wieder. Am 31. März gegen 11 Uhr kam ein Motorrad zum Dorfeingang mit zwei Personen im Zivil mit Handfeuerwaffen, danach kam der Priester der Polizei, der mit einem Megaphon die Ankunft der Polizei ankündigte. Eine halbe Stunde später kamen etwa 100 Personen, unter ihnen mehrere Polizisten, mit Kuchen und Trommeln, die die Gemeinschaft einluden, mit der Polizei zusammenzuarbeiten, und das Dorf und die Leute filmten.
Mehrere Kinder wollten keinen Kuchen von den Polizisten annehmen, ebensowenig die Gemeinde. Angesichts dieses Widerstandes wurden mehrere Polizisten und dier Priester wütend und sagten, das würden sie ihnen teuer bezahlen.
Was die Regierung macht, ist masslos: Das Heer hat ein Massakter an 8 Menschen verübt und schickt uns anschliessend die Polizei um angeblich unserer Probleme zu lösen und Sozialarbeit zu verrichten, offensichtlich die 4 Treffen vergessend, die wir mit dem Vizepräsidenten hatten.
Angesichts dieser Situation sehen wir, dasss es im Moment keinen Sinn hat, mit der Regierung in Dialog zu treten. Wir verhanden schon seit zwei Jahren und ihn diesem Zeitraum haben wir nur immer mehr Agressionen erlebt die zum Ziel haben, unseren Prozess (1) zu zerstören." (...)

"Wir haben immer gesagt, dass wir inmitten des Krieges leben Wir stehen zu unseren Prinzipien der Neutralität. Wir verlangen den Respekt vor unserem Gebiet, das Privatbesitz ist. Es war eine kollektive Entscheidung, uns hier niederzulassen und wir verlangen Respekt für unsere Entscheidung. Wir bitten um internationale und nationale Solidarität. Wir wissen, dass eines Tages die Geschichte diese Handlungen, diese Angriffe und Ungerechtigkeiten verurteilen wird, diese Menshcenrechtsverletzungen gegen unserer Gemeinde. Es wird der Tag kommen, an dem eine Regierung die Friedensiniatiativen respektieren wird, die von den Zivilgemeinschaften, die den Krieg erdulden, ausgehen. Wir glauben, dass das, was sie mit uns gemacht haben, ein historischer Fehler war für das Land und für die Menschheit und und dass diese eines Tages darüber richten wird."
( http://www.cdpsanjose.org/article.php3?id_article=135)

(1) mit "Prozess" ist eine kollektive Überlebensstrategie gemeint, die 1997 begann. Mit der Unterstützung der kirchlichen Menschenrechtsorganisation Justizia Y Paz wurde das Konzept der neutralen Friedensgemeinde entwickelt, die nicht mehr unter dem Vorwand ermordet werden wollen, sie gehörten zu der feindlichen Kriegspartei (also wahlweise zu den Guerilla oder dem Militär bzw. den Paramilitärs). Die Gemeinden erklären sich als neutral, verweigern den bewaffneten Akteueren jegliche Hilfestellung wie etwa ihen Essen zu verkaufen oder sie in ihren Häusern übernachten zu lassen etc. Sie tragen keine Waffen und lassen auch keinen Waffenschmugel durch ihr Dorf zu, um einige der Punkte aus dem Reglement zu nennen.
Diese Entscheidung der Gemeinde wird öffentlich gemacht, indem sie sich öffentlich als Friedensgemeinde deklariert.

Die sich aus dieser Strategie ergebende Überlebenspraxis nennen die Leute in San José "den Prozess".

Ein weiterer Auszug, aus einem Brief der Gemeinde anlässlich des letzten Massakers im Februar 2005, als 8 Personen, darunter 2 Kinder, ermordet wurde:
"Am 23. März 1997 erklärte die zivile Bevölkerung der 28 Dörfer von San Jose ihr Gebiet zur Friedensgemeinschaft. Seitdem hat die Gemeinschaft über 150 Mitglieder in diesem Prozess des zivilen Widerstands durch Massaker und gezielte Ermordungen verloren. Die meisten dieser Taten wurden durch rechtsgerichtete Paramilitärs in Zusammenarbeit mit den kolumbianischen Sicherheitskräften durchgeführt. Wir glauben, dass dieser Akt des Terrors für sich selbst spricht: Luis Eduardo. Euer Mitgefühl und Eure Freundschaft gibt uns Stärke in mitten unseres Schmerzes. Wie wir immer betont haben, werden wir unsere Prinzipien nicht aufgeben, bis der Staat und seine Paramilitärs uns alle getötet haben."

Auf der  http://www.prensarural.org, auf der die neutralen Gemeinden Kolumbiens ihre Nachrichten verbreiten, ist am 2. April ein offener Brief von spanischen Intellektuellen veröffentlicht worden. Mit einer grossen Bitterkeit kommentieren diese die vollständig joviale Haltung des spanischen Präsidenten José Luis Rodríguez Zapatero, der bei seinem Besuch in Bogotá Alvaro Uribe Velez seine rückhaltlose Unterstützung für dessen "Sicherheitspolitik" zugesichert hat.  http://www.prensarural.org/carta20050402.htm


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Ergänzungen

Regierung und Guerilla

sun 12.04.2005 - 10:14
Es ist löblich, dass sich in Kolumbien eine "Gemeinschaft" für neutral erklärt um einen Friedenswunsch zu verwirklichen.
Allerdings problematisch und auch ein wenig realitätsfern, denn man steht plötzlich zwischen 3 Parteien gleichzeitig, die sich bis aufs Blut bekämpfen. Dem Kommentar meines Mitkommentatoren, diese Parteien wollen keinen Frieden kann ich nur bedingt zustimmen. Die Vorgängerregierung Uribes hat versucht mit der grössten Rebellengruppierung FARC des Landes über Jahre hinweg einen Frieden zu erzielen, wobei die FARC trotz Waffenstillstandsvereinbarung für die Dauer dieser Verhandlungen gemordet und gebombt hat. Ein richtiger Wille zum Frieden war seitens der FARC nie zu erkennen. Warum auch, würde man doch auf Privilegien (Geld und Macht), die man aus dem Drogenanbau zieht, verzichten. Die Gründungsidee der FARC bessere Bedingungen für die Bauern zu erzielen ist seit Jahrzehnten bereits vergessen. Auch die kommunistisch angehauchte Regierung Venezuelas steht im Verdacht, die FARC mit Waffen zu unterstützen und dieser als Rückzugsgebiet zu dienen. Zumindest unternimmt Venezuela so gut wie nichts um solche Grenzübertretungen zu verhindern. FARC Ausbildungscamps auf venezolanischem Gebiet werden toleriert.
Dies wurde ersichtlich als vor ca. 2 Jahren Regierungstruppen die FARC im Norden bis nach Venezuela hineintrieben und von Venezuela an einer weiteren Verfolgung gehindert wurden. Die FARC Kämpfer beliess man unbehelligt, so dass diese nach einer Reorganisationsperiode wieder in Kolumbien einfielen. Dass es sich sowohl bei FARC als auch bei der rechtgerichtetetn Guerilla um keine Guerilla, sondern Terroristen handelt, sieht man daran, dass diese nicht einmal davor zurückschrecken Frauen und Kinder umzubringen und männliche Zivilisten zwangsrekrutieren bzw. bei Widerstand erschiessen, also gezielt die Zivilbevölkerung angehen. Schwierig zu sagen, was der jetzige Präsident tun sollte um diesen jahrzehntelangen Konflikt zu lösen. Man müsste verschiedene ökonomisch sinnvolle Projekte vor allem für die ärmlicheren Regionen im Süden des Landes auf den Weg bringen. Dies kann aber nur funktionieren, wenn sich bsp. die FARC in einen demokratischen Prozess (Regierungsbeteiligung/ Parteigründung) einbinden liesse, wovon diese weit entfernt ist (Privilegienverlust). Daher sehe ich persönlich nur die Möglichkeit, diese Gruppen in einer konzertierten Gemeinschaftsaktion aller lateinamerikanischen Länder und der Kirche in Verbindung mit der UNO zum Frieden zu bewegen. Traurig, dass ein so grossartiges Volk nicht in der Lage ist gemeinsam für eine bessere Zukunft zu streiten, denn Kolumbien ist ein wunderschönes Land mit in der Mehrzahl sehr freundlichen Menschen und bietet grosses wirtschaftliches Potential.

FARC in Urabá

b 07.02.2006 - 15:58
die grundannahme deines kommentars, dass sich in Urabá die FARC mit den paramilitärs gefechte liefern ist falsch. das gebiet ist seit ende der 90er jahre komplett paramilitarisiert, die farc hat sich in den süden zurückgezogen. die massaker werden gegen die zivilbevölkerung verübt, um diese vom land zu vertreiben. das ist der springende punkt.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Friedensgemeinden sind Mist — Jungsteinzeitler

@Junsteinzeitler — sandankoro