Raetselraten um Rumsfeld-Besuch in Guatemala

pirata 25.03.2005 08:07 Themen: Globalisierung Militarismus Weltweit
Unter grossen Sicherheitsmassnahmen stattete der amerikanische Verteidigungsminister Guatemala einen Kurzbesuch ab. Palaver mit dem dortigen Praesidenten Oscar Berger, dem Verteidigungs- und Aussenminister standen auf dem Programm. Zu Protesten kam es nicht: Die buergerliche Zeitung „Prensa Libre“ kommentierte haemisch, dass sich die sonst so demofreudigen „Antiamerikaner“ in der Bevoelkerung wohl ihren Osterurlaub nicht versauen wollten.
Eigendlich sollte der Besuch Donald Rumsfelds bis zur letzten Minute geheim bleiben. Doch irgendwie verplabberte sich Guatemalas geschwaetziger Praesident vor einigen Tagen bei einem oeffentlichen Termin eher beilaeufig. Daraufhin war die Presse Guatemalas in heller Aufregung: Seit 20 Jahren kam nicht mehr ein solch wichtiger Politiker ins Land. Und weder das Pentagon in Washington, noch die US-Botschaft in Guatemala-Stadt wollten die 18stuendige Visite des US-Verteidigungsministers mit Verweis auf die Sicherheitslage besatetigen.
So richtig hat Rumsfeld das Land auch nicht besucht. Im zum Flughafen naechstgelegenen Luxushotel stieg er ab und weigerte sich aus Sicherheitsgruenden den Praesidenten Oscar Berger in dessen Palast zu besuchen. Der musste schon von der Innenstadt sich ins 5-Sterne-Paradies „Camino Real“ zur Audienz begeben. So blieb Rumsfeld auch verwehrt, eine weisse Rose ins Denkmal fuer den nationalen Frieden im Nationalpalast zu legen. Frankreichs Staatspraesident Jaques Chirac liess sich das im vergangenen Jahr uebrigens nicht nehmen...
Aber das Land war eh mit Raetselraten beschaeftigt. Warum legt Rumsfeld auf der Rueckreise von seinem Argentinien- und Brasilien-Tripp ueberhaupt in dem politisch unbedeutenden Guatemala einen Stopp ein, wo doch die Machthaber in Honduras, Nikaragua und insbesondere El Salvador als engste Verbuendete gelten?
Sogenannte Experten entwickelten folgende Theorien. Die USA wollten ihre zweitnaechste Suedgrenze (nach Mexico) gegen illegale Einwanderer verstaerkt abschotten. Womoeglich soll darueber diskutiert worden sein. Zumal Guatemala gerade dabei ist, die Grenzen zum benachbarten El Salvador und Honduras nieder zu reissen.
Und dann natuerlich das Dauerthema Drogenhandel. Die seit Januar 2004 amtierende neokonservative Regierung hatte letztes Jahr eine auesserst schlappe Fahndungsstatistik vorgelegt. Gerade 4,2 Tonnen Kokain wurden beschlagnahmt. Unter der rechtsradikalen, durchaus amerikafeindlichen Vorgaengerregierung waren es im Jahr 2003 mehr als die Doppelte Menge. Wollte Rumsfeld da mal etwas den neuen Machthabern in Guatemala auf die Finger klopfen?
Oder soll nebenbei mal wieder Politik gegen Kuba gemacht werden. Im April steht die alljaehrliche UNO-Resolution an, in der Kuba auf Druck der USA wegen Verletzung der Menschenrechte verurteilt werden soll. Das ist immer wieder von neuem ein spannendes Thema in Guatemala. Soll man sich auf die Seite der USA stellen, dann hagelt es Kritik der Presse, weil Kuba dem verarmten Land seit vielen Jahren gigantische Entwicklungshilfe im medizinischen Bereich leistet. Und stellt man sich hinter Fidel Castro, gibts Pruegel von der Presse, weil Kuba doch nun wirklich die Menschenrechte verletze. In diesem Jahr koennte alles auf eine Enthaltung Guatemalas vor der UNO rauslaufen, wenn Rumsfeld das Ruder nicht noch rumreisst.
Ein Thema wird sicherlich die rigorose Auslaenderpolitik der USA sein. Jaehrlich werden zehntausende straffaellige gewordene – meist jugendliche - Migranten in ihre Herkunftslaender Mittelamerikas abgeschoben. Hier bleibt ihnen oft nur das Leben in Strassengangs, die allein in Guatemala fuer ueber 3.000 Mordopfer jaehrlich verantwortlich gemacht werden. Die sogenannten „Maras“ sollen allein in der Hauptstadt taeglich (!) 200 Busse ueberfallen. Viel lieber wuerde man deshalb die exilierten Straftaeter im US-amerikanischen Knast sehen, denn abgeschoben auf die hiesigen Strassen.
Oder braucht der alte amerikanische Haudegen vielleicht frisches Kanonenfutter fuer den Irak-Krieg und klopft deshalb an die Tuer? Immerhin entsandten Honduras, Nikaragua und El Salvador Soldaten zum Auftakt vor zwei Jahren. Bis auf El Salvador haben allerdings die anderen beiden Laender diese Militaerhilfe wieder abgezogen. Oder geht es gar um Haiti und den Kongo? Dorthin hat Guatemala UN- Blauhelmsoldaten entsandt, nachdem die UNO die Uebernahme aller Kosten zusicherte.
Grundsaetzlich ist Guatemalas Praesident Berger uebrigens einer Entsendung von Truppen in den Irak gar nicht abgeneigt. Er kuendigte dies in seiner geschwaetzigen Art vor einem Jahr sogar mal beim iberoamerikanischen Gipfel in Madrid an. Ein paar Tage spaeter zog er – mit Hinweis auf Geldmangel – das Angebot wieder zurueck und das blanke Entsetzen ueber das toerichte Angebot in der Bevoelkerung legte sich schnell.
Doch Rumsfeld bringt nun einige Millioenchen im Koffer mit. Erstmals seit ueber 20 Jahren wollen die USA dem mittelamerikansichen Land wieder Militaerhilfe gewaehren. Von 3,2 Millionen Dollar ist die Rede. Immerhin doppelt soviel, wie Nikaragua erhaelt. Oder besser gesagt, erhalten sollte. Im Moment sind diese Gelder eingefroren, weil die nikaraguanische Regierung nicht alle ihrer alten SAM-Raketen sowjetischer Bauart verschrotten will, was die US-Regierung aber fordert. Aber das ist ein anderes Thema.
Den guatemaltekischen Staatsoberhaupt stoert eines besonders. Er wuerde gerne seine Armee „modernisieren“ und nervt die USA seit Monaten mit der Bitte, das unter Praesident Jimmy Carter in den 80er Jahren verhaengte Waffenembargo doch endlich auf zu heben. Bislang liess man Oscar Berger in Washington mit Hinweis auf die instabile Menschenrechtslage in Guatemala abblitzen. Doch womoeglich kommt nun Bewegung in diese Angelegenheit.
Denn es ist wohl auch auf die Dauer ganz schoen anstrengend, sich immer auf dem Graumarkt mit Waffen einzudecken. Die letzte bekannt gewordene illegale Waffenlieferung kam uebrigens aus Deutschland, via Schleichwege durch die Schweiz und Tschechien. Die Staatsanwaltschaft im schwaebischen Ulm ermittelt. Doch darueber wurde sicher nicht geredet.
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Ergänzungen

Was wollte der Handlungsreisende in Sachen

schmutziger Geschäfte? 27.03.2005 - 10:19
beim ex-gerente de boliche?
Er hat ihm sicher erklärt, was im Gesetz zum
"Freihandelsvertrag der Dominikanischen Republik, Zentralamerika und den USA"
(TLC RD-CAUSA) steht.
Dieses hatte Berger gerade, gegen massiven Widerstand, veröffentlichen lassen.
Er wird was vom weichen Bauch und von den Basen erzählt haben.
Schweinebacke hätte gerne eine Base in Puerto Quetzal (gt).

Als Clinton einen Teil Comalapas (sv) als Territorium der USA bekam:
 http://168.243.1.4/publica/proceso/proc912.html#edi


Speisekarte:

* * * positiv 28.03.2005 - 19:07

und einen Luftwaffenstützpunkt im Petén

Originelle Sprachregelung: 14.06.2005 - 15:39
Angeblich von AP stammt die Version, Rumsfeld war in Guatemala um die anhängige Militärhilfe von 3,2 Millionen US-Dollars zu übergeben. Ist zwar wahrscheinlich Nebensache aber die Begründung ist lesenswert:

La entrega oficial de 3.2 millones de dólares de ayuda estadounidense para las fuerzas armadas guatemaltecas está pendiente desde el 8 de marzo, cuando la embajada de ese país convocó a los medios de comunicación para anunciarlo, pero fue suspendido a último minuto por conflictos en la agenda de Berger.“
Aus:
 http://www.esmas.com/noticierostelevisa/internacionales/434481.html

Als Studenten vor der Botschaft blockierten, hatte Berger also Terminschwierigkeiten

„Manifiestan frente a embajada
Universitarios protestan por ratificación de TLC con EE.UU
Unos 200 estudiantes bloquearon el paso de autos en la avenida La Reforma y 7a. calle, zona 10. En ese lugar manifestaron su rechazo al Tratado de Libre Comercio (TLC), ratificado de urgencia nacional anteayer en el Congreso.
Luego de permanecer por unos 60 minutos frente a la sede diplomática, caminaron hacia la 7a. avenida de la zona 4 y durante su recorridos hicieron pintas en los restaurantes McDonald’s y Burger King, por ser franquicias estadounidenses-.


Aus:
 http://www.prensalibre.com/pl/2005/marzo/12/109721.html

TLC DR-CAUSA:
 http://germany.indymedia.org/2005/04/111082.shtml


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