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Details zum tödlichen Brechmitteleinsatz

crossposterin 10.01.2005 12:29
Sorry für das crossposting, aber ansonsten gab es auf indy bisher ziemlich wenig zu diesem Thema. Es gab auch keine einzige Demo außerhalb Bremens. Traurig, dass die tödlichen folgen des staatlichen Rassismus so wenig Menschen zu interessieren scheinen.

Tödliches Gewahrsam
Als dem Afrikaner der Magen durchgespült wurde, war nur zufällig ein Notarzt dabei. Der ist entsetzt
AUS BREMEN
KLAUS WOLSCHNER
Am Freitagabend meldete das kleine katholische St.-Joseph-Krankenhaus der Bremer Staatsanwaltschaft den Tod eines 35-jährigen Mannes aus Sierra Leone. Laya-Alama Conde hatte zwölf Tage im Koma gelegen, nachdem er in der Nacht zum 27. Dezember eingeliefert worden war. Im Einsatzprotokoll des Notarztes dieser Nacht steht der Einsatzort "Polizeigewahrsam" und als Erstbefund: "Bei Magenspülung ertrunkener Patient".

Der junge Notarzt Jörn Günther war dabei, als Conde ertränkt wurde, und ist auch zwei Wochen nach dem Fall noch fassungslos. Conde war als mutmaßlicher Drogenhändler festgenommen worden und hatte gegen seinen Widerstand ein Brechmittel verabreicht bekommen. Weil die Werte für Blutdruck und Sauerstoffsättigung abgefallen waren, wurde gegen 2 Uhr in der Nacht der Notarzt gerufen. Es stellte sich heraus, dass das Gerät des Polizeiarztes falsch angezeigt hatte.

Während sich der Gerufene an einen Schreibtisch setzte, um das Protokoll eines Fehlalarms zu schreiben, erklärte der Gerichtsmediziner, er werde nun eine Magenspülung vornehmen, um die Wirkung des Brechmittels zu verstärken. "Der Kollege legte dem Mann eine Magensonde und befüllte diese mittels einer sehr großen (100-200 ml) Spritze mit Leitungswasser. Er füllte drei oder vier Spritzen hinein, und ich erkundigte mich, ob er das Wasser auch wieder ablassen wolle. Er antwortete, er werde den Magen so weit mit Wasser befüllen, bis der Patient erbricht", notierte Günther in seinem Gedächtnisprotokoll am Tag danach: "Sowohl der Kollege als auch die beiden Polizeibeamten vermittelten den Eindruck, als sei dies ein absolut übliches Standardvorgehen."

Die Prozedur wurde mehrfach wiederholt, bis einer der beiden anwesenden Polizeibeamten bemerkte, dass der Atem des Afrikaners flach geworden war. Da schritt der Notarzt ein - zu spät. Conde zeigte Anzeichen starker Hirnschädigungen durch Sauerstoffmangel, offenbar war das Wasser beim Erbrechen in die Lunge eingedrungen.

Noch zehn Tage danach ist der Notarzt entsetzt. "Eindeutig unprofessionell" habe der Gerichtsmediziner gehandelt, dessen Namen er am Einsatzort nicht erfahren habe. "So etwas darf man eigentlich nicht tun", sagte Günther der taz. "Höchstens in der Intensivstation. Das Risiko ist einfach zu groß." Der Gerichtsmediziner hatte offenbar nicht mal die Geräte im Auge gehabt: "Der hat nicht erkannt, dass es dem Mann nicht gut ging, der hat überhaupt nichts erkannt."

Die Diskussion in Bremen dreht sich nun auch um das Verhalten des Innensenators Thomas Röwekamp (CDU). Der war am 4. Januar im Fernsehstudio der Radio-Bremen-Sendung "buten & binnen" befragt worden: "In Bremen liegt ein Mensch in einem Krankenhaus. Er stirbt vermutlich. Er liegt in Koma, weil die Polizei ihn als Drogendealer überführen wollte. Was empfinden Sie dabei?" Der Senator: "Also, die Frage ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit. (…) Ich würde in der Abwägung sagen, ich halte das für eine gerechtfertigte Maßnahme. Der Umstand, dass er jetzt gesundheitliche Folgen davon trägt, ist im Wesentlichen nach den ersten Berichten wohl darauf zurückzuführen, dass er eine dieser Kapseln entsprechend offensichtlich zerbissen hat und sich dadurch eine Vergiftung zugeführt hat. Nach meinen Informationen befindet er sich nicht mehr in Lebensgefahr. Er hat eine schwere Vergiftung getragen … Ich halte den Eingriff nach wie vor für verhältnismäßig und gerechtfertigt."

Weder von "Vergiftung" noch von "außer Lebensgefahr" hat einer der Ärzte jemals etwas gesagt. Am Mittwoch soll der Innenausschuss klären, ob die Polizei oder der Senator die Öffentlichkeit falsch informiert hat. Nur das Gedächtnisprotokoll des Notarztes hat die Sache öffentlich gemacht. Nun ermittelt der Staatsanwalt. Zunächst wird der Tote von einem auswärtigen Rechtsmediziner untersucht.

taz Nr. 7560 vom 10.1.2005, Seite 5, 130 Zeilen (TAZ-Bericht), KLAUS WOLSCHNER


Der Tote von Hamburg war keine Warnung
Dass der Einsatz von Brechmitteln lebensgefährlich sein kann, ist bekannt: 2001 starb ein mutmaßlicher Dealer in Hamburg. Unter Juristen gilt das Mittel dennoch überwiegend als zulässig. Die meisten Ärzte lehnen es hingegen ab
BERLIN taz Das erste Todesopfer eines Brechmitteleinsatzes war in Hamburg zu verzeichnen. Am 12. Dezember 2001 erlitt der 19-jährige Nigerianer Achidi John einen Herzstillstand. Zuvor war dem mutmaßlichen Crackdealer über eine Nasen-Magen-Sonde 30 Milliliter eines Sirups eingeflößt worden, der aus der lateinamerikanischen Brechwurzel (Cephaelis ipecacuanha) gewonnen wird, dazu noch 800 Milliliter Wasser. Den sich heftig wehrenden Mann hatten vier Polizisten auf einer Trage fixiert.

Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen gegen die Beteiligten sieben Monate später ein. Achidi John soll eine Herzerkrankung gehabt haben und hätte bei jedem anderen aufregenden Ereignis sterben können, erklärten die Hamburger Staatsanwälte.

Gerade in Hamburg war der Brechmitteleinsatz gegen mutmaßliche Dealer hochgradig politisiert. Eingeführt wurde er noch vom damaligen SPD-Innensenator Olaf Scholz, der in den Schlussmonaten der rot-grünen Koalition Härte signalisieren wollte. Sein Nachfolger Ronald Schill weitete den Brechsafteinsatz dann massiv aus und stoppte ihn auch nicht nach Achidi Johns Tod. "Eine Änderung der Praxis wäre ein Signal, dass die Strafverfolgung in Hamburg nicht mit der gebotenen Härte durchgeführt wird", sagte Schill, der als "Richter Gnadenlos" bekannt geworden war.

Rechtlich werden die Brechmitteleinsätze auf Paragraf 81a der Strafprozessordnung gestützt, der "körperliche Untersuchungen" - wie Blutentnahmen - auch gegen den Willen des Verdächtigen erlaubt. Laut Gesetz darf dabei allerdings "kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten" sein. Die meisten Ärzte lehnen das zwangsweise Legen einer Magensonde ab, weil hier die Verletzungsgefahr zu groß ist. Auch eine notwendige Voruntersuchung sei kaum möglich.

Im Mai 2002 beschloss deshalb der Deutsche Ärztetag: "Die Vergabe von Brechmitteln an verdächtige Drogendealer zum Zwecke der Beweismittelsicherung ist ohne Zustimmung des Betroffenen ärztlich nicht zu vertreten" und verstoße gegen das "ärztliche Berufsethos".

In der Justiz hat als einziges Obergericht bislang das Oberlandesgericht Frankfurt/Main die Brechmittelvergabe für unzulässig erklärt. Ihm fehlte 1996 eine spezielle Rechtsgrundlage, weil hier nicht der Körper, sondern sein Inhalt untersucht werde. Außerdem verstoße die Methode gegen die Menschenwürde, da dabei der menschliche Körper als Mechanismus zur Ausgabe von Gegenständen missbraucht werde. Andere Obergerichte in Bremen, Düsseldorf und Berlin haben die Methode dagegen gebilligt.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich bisher nicht abschließend mit dem Problem befasst. 1999 entschied eine mit drei Richtern besetzte Kammer ohne Begründung, dass der Brechmitteleinsatz nicht gegen die Menschenwürde verstößt. Die Richter ließen aber offen, ob das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit verletzt wird. Diese Frage wurde an die Fachgerichte zurückverwiesen. Dass die rechtliche Bewertung in Karlsruhe noch nicht zu Ende ist, betonte das Gericht nach dem Hamburger Todesfall in einer extra veröffentlichten Presseerklärung - ein äußerst ungewöhnlicher Vorgang.

Was Kritiker besonders erzürnt: Es gibt durchaus Alternativen zum Brechmitteleinsatz. Die einfachste lautet: warten, bis der Darm sich auf natürliche Weise entleert. Im Stuhlgang können die Ermittler verschluckte Drogenpäckchen dann leicht finden. Einziges Problem hierbei: Ein Verhafteter darf ohne weiteren Haftgrund nur bis zum Ende des zweiten Tages festgehalten werden. Um die Ausscheidung zu beschleunigen, wendet der Hamburger Zoll Abführmittel an.

Der Berliner Anwalt Fredrik Roggan glaubt, dass der Brechmitteleinsatz bei der Polizei vor allem deshalb so beliebt ist, weil er als "abschreckende Quasistrafe" wirkt. In der Zeitschrift Bürgerrechte und Polizei spricht er sogar von "Folter".

CHRISTIAN RATH

taz Nr. 7560 vom 10.1.2005, Seite 5, 136 Zeilen (TAZ-Bericht), CHRISTIAN RATH
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Ergänzungen

Tod durch Brechmitteleinsatz

klaus 10.01.2005 - 16:10
Als es letzte Woche eine kurze Meldung auf indymedia gab, hab ich mir die ausgedruckt und diese Meldung als Nachricht in meine Radiosendung NEWS Magazin im BürgerInnenfunk Münster, mit reingenommen.
Das haben immerhin ein paar tausend in Münster hören können.

Wenn eine/r dazu mehr Informationen dazu und keine Angst vor einem Radio-Interview hat, der/die schicke mir doch bitte eine mail, damit wir für ein Telefoninterview einen Termin vereinbaren können.

BürgerInnenfunk ist sowas wie ein offener Kanal im Lokalfunk, Nichtkommerzielles Radio, freies Radio etc.

Das Interview sollte noch in dieser Woche stattfinden, da am kommenden Montag die Sendung on air geht.